Warum Hunde Probleme kriegen, wenn Menschen keine Zeit haben

Ute Rott
Forsthaus Metzelthin

Hin und wieder unternehmen Mäxchen und ich Spaziergänge in Templin.  Er hat ein Problem mit Autoverkehr, besonders Engstellen wie Tordurchfahrten oder Brücken findet er schwierig. Also verbinden wir irgendwelche Besorgungen und Trainings mit Stadttraining für Mäxchen. Er macht schon gute Fortschritte und Strecken, für die wir am Anfang mindestens 45 Minuten benötigten, weil eben z.B. die Überquerung der Schleusenbrücke allein schon 10 Minuten dauerte, gehen wir jetzt locker in einer halben Stunde. Zudem war jede Hundebegegnung in der Stadt für ihn eine große Herausforderung. Aber auch das ist schon richtig gut. Alles was ihn beunruhigt – egal ob LKW oder Hund oder Mensch im Rollstuhl – er gibt mir sofort Bescheid, wir bleiben in angemessener Entfernung stehen, so daß er sich in aller Ruhe versichern kann, daß alles ungefährlich ist. Er wird ausführlich für ruhiges Hinsehen gelobt und belohnt und wird immer sicherer. Wir lassen uns viel Zeit und kriegen das gut hin.

Beim letzten Spaziergang hatten wir eine unangenehme Begegnung, eigentlich nur ich, denn Mäxchen war’s egal. Wir hatten gerade die Schleusenbrücke erfolgreich hinter uns gebracht, als auf der anderen Straßenseite eine Frau mit einem Beagle entgegen kam. Der Hund hatte ein schwarzes Halsband um und daran war eine Leine befestigt. Er ging mit hoch erhobenem Kopf exakt neben ihr her, sah nicht rechts und nicht links, immer nur geradeaus. Er schnüffelte nirgends, weder an Ecken, noch Mülleimern oder den Bäumen, die dort standen, er lief wie ein kleiner Roboter. Diesen Hund und sein Frauchen kenne ich. Ich bog ab, um das nicht länger mit ansehen zu müssen, denn ich weiß, was da abläuft.

Die Frau war mit ihm bei mir, als er noch ein Welpe war. Ich bin bekennender Beaglefan, denn diese Hunde sind so nett und freundlich, so lustig und kreativ, daß es eine wahre Freude ist, mit ihnen zu arbeiten. Wenn ein Beaglechen bei uns aufschlagen würde, hätte ich nix dagegen. Nur landen sie oft bei den falschen Menschen, wahrscheinlich weil sie so niedlich aussehen. Diese Frau wollte, daß ihr Hund alles immer ganz genau so macht, wie sie es sich jetzt sofort vorstellt. Auch sekundenweise waren keine Verzögerungen erlaubt. Außerdem war alles, was sie sich einbildete, ganz sicher immer und überall das Beste für ihren Hund. Das leiseste Abschweifen an der Leine nach links oder rechts war ein Schwerverbrechen, ebenso die minimalste Verzögerung beim Abrufen…… Ich muß das hier nicht länger ausführen: nach 5 Stunden war das Training zu Ende, denn so wie ich mir das vorstelle, das war nix für sie. Und dann ging sie zum örtlichen Hundeverein.

Das nächste Mal traf ich die beiden ca. ein Jahr später. Er trug das besagte schwarze Halsband, das innen Stacheln hat, mit Halsband sieht’s halt netter aus als ein „echter“ Stachelwürger. Für den Hund bleibts gleich, ob er mit oder ohne Tarnung gewürgt wird. Aus einem netten, freundlichen Welpen war ein unsicherer und sozial vollkommen unverträglicher Jungrüde geworden. Stolz wurde mir demonstriert, wie er locker mittels Leinenruck daran gehindert wurde, vorbeigehende Hunde anzupöbeln. Ich habe damals zugesehen, diese unerfreuliche Begegnung zu beenden, denn ich muß mir das nicht antun und dem Hund konnte ich leider nicht helfen, die Frau ist vollkommen beratungsrestistent. Ihr Hauptproblem zu der Zeit war: er ist einfach zu dominant, im Verein sagen sie das auch. Was der Hund für Probleme hatte, war nicht mal am Rande von Bedeutung.

Das Dominanzproblem hatte sie jetzt wohl ein für alle Mal gelöst, denn dieser Hund bewegte sich nicht mehr wie ein normaler Hund sondern wie eine gut geölte Maschine. Und alles nur, weil Frauchen keine Zeit und keine Lust hat, mal kurz stehen zu bleiben. Und weil sie keine Zeit und keine Lust hat, sich mit den Bedürfnissen von Hunden zu befassen. Und weil sie keine Zeit und keine Lust hat, hin und wieder ihre Bedürfnisse hintanzustellen.

Versetzen Sie sich mal in seine Lage. Stellen Sie sich vor, Sie werden bei allem, was Sie gerne tun möchten oder auch tun müssen (!), z.B. pinkeln und kacken, per schmerzhaftem Ruck am Hals gehindert, denn das ist nur erlaubt, wo ihr „Menschenführer“ es gestattet. Sozialkontakte sind so gut wie unmöglich, da auch hier immer der Schmerz am Hals ins Spiel kommt, Sie werden also unleidlich gegenüber allen Menschen, die sich Ihnen nähern. Jede Abschweifung vom Weg, z.B. um mal ein Plakat zu lesen oder ein Schaufenster näher zu begutachten, wird ebenfalls durch schmerzhaftes Rucken verhindert. Das Einzige, was Sie dürfen und was auch dadurch „belohnt“ wird, daß es nicht wehtut, ist geradeaus laufen in exakt definiertem Abstand von dem, der Sie führt. Glauben Sie ernsthaft, daß das Lebensfreude, Selbstvertrauen und Selbstständigkeit fördert? Vermutlich eher nicht. Können Sie sich vorstellen, daß Sie als depressives Schattenwesen durch die Welt schleichen? Vielleicht neigen Sie persönlich ja auch dazu, eher unfreundlich und aggressiv zu werden, aber Beagle, das kann ich Ihnen versichern, nicht. Die werden immer stiller und trauriger, deren Augen sind nur noch trübe Knöpfe im Kopf, das ist kein Leben mehr in diesen Hunden, nur noch der Gedanke: alles geht vorüber – hoffentlich bald.

Was glauben Sie, warum z.B. so viele Goldies durchs Leben wie eine wandelnde Schlaftablette taumeln? Genau aus diesem Grund: sie sind depressiv. Wenn einem alles verboten wird, warum sollte man dann Spaß am Leben haben? Freude am Leben kann man nur empfinden, wenn man auch mal selber aktiv werden kann und darf. Das eigentliche Problem dieser Hunde ist, daß viele Menschen sie aber als ganz besonders angenehm empfinden. Der entsprechende Satz dazu lautet: dieser Hund ist so brav, man merkt gar nicht daß er da ist. Ja, um Himmelswillen, wozu brauche ich einen Hund, wenn ich ihn nicht bemerke? Ich heirate doch auch nicht den Mann, der mir am wenigsten auffällt? Oder vielleicht doch eher den, der am wenigsten Dreck macht? Oder nach welchen Kriterien wählen Sie sich Ihre Lebenspartner und Freunde aus?

Jetzt gibt es viele Zeitgenossen, die leugnen, daß Hunde psychische Probleme bekommen können. Depressionen bei Hunde, was soll das denn! Viele Menschen sind auch fest davon überzeugt, daß ein Hund sich einfach wohlfühlt, weil er bei einem Menschen ist. Es wird nicht hinterfragt, ob er das tatsächlich möchte und gut findet, nur die Tatsache, daß er bei einem Menschen lebt, reicht. Reicht Ihnen zum Glücklichsein die Anwesenheit irgendeines beliebigen Menschen? Auch wenn Sie ihn sich nicht ausgesucht haben? Und noch dazu, wenn dieser Mensch nicht besonders nett mit Ihnen umgeht? Mir nicht und ich kenne niemanden, der das bejahen würde. Und bei Hunden soll das anders sein?

Wer meint, Hunde seien einfach so per se glücklich und zufrieden, nur weil sie – welch großartige Leistung – 2x täglich gefüttert und regelmäßig spazieren geführt werden und weil man ihnen schließlich exakten Gehorsam beigebracht hat, hat sich nicht mit folgender Tatsache auseinandergesetzt: Viele psychische Probleme und die entsprechenden Psychopharmaka wurden an Hunden getestet, immer mit dem Ziel, z.B. depressiven Menschen helfen zu können. Die Hunde wurden, z.B. durch die Anwendung von Stromschlägen in Zustände versetzt, die man als depressiv definiert und dann mit entsprechenden Medikamentengaben wieder „geheilt“ hat. Ich möchte hier nicht auf die Widersinnigkeit und Unmenschlichkeit solcher Versuche eingehen, aber offensichtlich waren sie erfolgreich. Es gibt jedenfalls Antidepressiva, die auf Grundlage solcher Versuche getestet wurden. Wenn man aber nach grausamen Laborversuchen Hunde als depressiv bezeichnen kann, warum dann nicht, wenn sie mit grausamen Methoden erfolgreich zum Roboterdasein reduziert wurden?

 Hunde suchen sich das Leben bei uns nicht aus. Sie betteln nicht darum, von uns aufgenommen zu werden, aber sie können bei uns ein gutes und glückliches Leben führen,  wenn wir uns für sie Zeit nehmen:
Zeit, sie zu verstehen
Zeit, uns gut zu überlegen, was sie wirklich für das Leben mit uns brauchen
Zeit, ihnen das freundlich nahe zu bringen
Zeit, die wir ihnen lassen, um das verstehen und umsetzen zu können
und schließlich Zeit, mit ihnen ruhig und gelassen durchs Leben zu gehen und ihnen wahre Freunde und Partner zu sein.

Veröffentlicht unter Allgemein, Gewaltfreies Hundetraining | Verschlagwortet mit , , , , | 16 Kommentare

Hunde und ihre gedankenlosen Menschen: alle Jahre wieder kommt ganz überraschend Silvester am 31.12……

von Ute Rott, Forsthaus Metzelthin

Jedes Jahr nach den Weihnachtsfeiertagen gehts los: per Telefon und Mail erreichen uns ungezählte Anfragen wegen Ferienwohnungen über Silvester. Ganz dringend und urplötzlich fällt vielen Hundebesitzern ein, daß jetzt dann bald Silvester ist und das Geknalle losgeht. So eine Überraschung aber auch. In solchen Anfragen steht dann beispielsweise: „… ich weiß,  ich bin ein bißchen knapp dran, aber……..“ Tatsächlich, wenn man am 28.12. an ein knallfreies oder doch knallarmes Quartier für den armen, lärmgeschädigten Bello denkt, könnte es knapp werden. Manchmal liest es sich auch so: „Liiiiiebe, Frau Rott, haben Sie nicht noch eine Wohnung für 2 Erwachsene, ein Kleinkind und einen ängstlichen, gaaaanz lieben Hund?“ Die „liiiiiiiiiiiiebe“ Frau Rott kann aber nicht zaubern, also müssen Kleinkind und ängstlicher Hund einfach das Geknalle in Berlin ertragen, wenn am 30.12. nix mehr frei ist, weder bei uns noch sonst wo. Den ganz fürsorglichen fällt ein, daß eine urplötzlich diagnostizierte morbus Dingsbums evtl. noch eine Wohnung freimachen könnte. Vielleicht schmeiße ich ja die raus, die schon im letzten Januar gebucht haben, um für den armen, kranken Hund mit seinen ach so weitsichtigen Menschen ein Quartier freizumachen.

Und was ich nicht vergessen darf: immer, immer, immer wird die ganz wichtige Frage angefügt: „ist es auch ruhig bei Ihnen?“ Na sicher doch, für die, die rechtzeitig gebucht haben schon.

Ich sag’s mal ganz klar: Hunde, die bei solchen Leuten leben müssen, sind ganz arme Schweine. Weder morbus dingsbums, noch Lärmempfindlichkeit noch sonst irgendein Silvesterproblem ergeben sich ganz zufällig zwischen dem 27. und 31.12. jeden Jahres, das weiß man schon vorher. Vermutlich weiß man das schon seit mindestens einem Jahr, also seit knapp 365 Tage oder 12 Monaten, kann sich jeder aussuchen, welcher Zeitraum ihm besser gefällt. Mich stört nicht, daß die Leute anfragen, wenn nix frei ist, ist nix frei. Mich stört, daß sie meine Alternativen nicht interessieren: mieten Sie sich doch ein Reisemobil, Stellplätze haben wir noch. Aaaach nööööö, das ist mir zu unbequem. Mich stört, daß sie erwarten, daß extra für ihre Schlamperei und Rücksichtslosigkeit ihrem Hund gegenüber andere gefälligst springen sollen, sobald ihnen mal ein Licht aufgeht. Mich stört, die Frechheit, mit der ihnen ganz plötzlich die Probleme ihrer Hunde einfallen und die sie dann anpreisen, als wäre das ein Beweis ihrer Hundeliebe……….. Oder ums anders zu sagen: solche Leute kotzen mich an und am liebsten würde ich ihnen sofort ihre Hunde wegnehmen. Aber das geht leider nicht.

Ja, auch 2013 kam Silvester ganz unerwartet wieder am 31. Dezember, auch 2014, 2015……… und alle Jahre danach wird es so sein. Schaltjahre müssen wir nicht berücksichtigen. Und selbstverständlich werden die Appelle, das Geld doch nicht sinnlos hinauszuballern, weider ungehört verhallen und unzählige arme Hunde, Katzen und andere Tiere – z.B. Wildtiere – werden wieder unter diesem menschlichen Irrsinn leiden müssen. Einige wahrhaftig rücksichtsvolle und liebe Menschen werden sich rechtzeitig darum kümmern, daß wenigstens ihre Hunde einen einigermaßen ruhigen Jahreswechsel verbringen können, aber zahlreiche andere werden wieder in letzter Sekunde Notrufe starten, die nur ihre Gedanken- und Lieblosigkeit beweisen.

Ich hoffe sehr, daß einige dieser Unsympathen das hier lesen und sich vielleicht doch ein bißchen schämen. Allen anderen wünsche ich einen guten Rutsch und alles Gute für 2014. Allen Tieren, die mehr oder weniger unter Silvester leiden müssen, wünsche ich, daß es schnell vorbei geht und sie ein geschütztes Plätzchen finden, wos nicht ganz so schlimm wird.

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit | Hinterlasse einen Kommentar

Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen……….

Ein paar Gedanken zum Jahreswechsel

Ute Rott, Forsthaus Metzelthin

Egal ob man die Weihnachtsgeschichte von Josef, Maria und dem Christkind glaubt oder nicht: es ist eine anrührende Geschichte, die mir einfach nahe geht. Wie muß das schrecklich sein für eine hochschwangere Frau, von Haus zu Haus zu gehen und keiner hilft ihr. In einem kleinen Stall findet sie dann endlich die Möglichkeit, ihr Kind zur Welt zu bringen und nur ihr Mann und ein paar Tiere sind bei ihr. Und natürlich rührt es einen, wenn man an die Hilfe der Hirten denkt, an die Heiligen Drei Könige und nicht zuletzt an den Ochsen, der das Kind in der Krippe mit seinem Atem wärmt und an den Esel, der den dreien bei ihrer Flucht nach Ägypten hilft. Soweit die Legende.

Die Weihnachtsbotschaft, die von den Engeln verkündet wurde dagegen, finde ich heutzutage mehr als gruselig. „Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen“, welch schöne Worte, nur leider Schall und Rauch. Nein, diesmal ich meine nicht den Umgang mit Tieren, sondern den Umgang mit Menschen.  Wird es ab Weihnachten irgendwo auf der Welt friedlicher? Werden keine Waffen mehr exportiert, beschließt man gar alle Waffen zu vernichten? Nicht nur die in bestimmten Ländern? Holt man Soldaten aus aller Herren Länder zurück, damit sie besser in ihrem Land leben und arbeiten? Dürfen Militärs ab sofort keine Werbung mehr in Schulen für ihren – mittlerweile auch für deutsche Soldaten – blutigen Beruf machen? Werden Banker und Börsenspekulanten, die mit ihrer Zockerei andere ins Elend stürzen, endlich an ihrem unseligen Tun gehindert und weggesperrt? Wird endlich das Gezocke mit Lebensmitteln verboten und unterbunden, so daß alle Hungernden auf Erden satt werden?

Die Liste, was alles Frieden bringen könnte, ist endlos, das kann einen wahrlich entmutigen. Auch vieles, was jeden Tag berichtet wird, ist nicht dazu angetan, den Frieden zu befördern. Steht im Koalitionsvertrag, daß Deutschland endlich keine Waffen in Krisengebiete mehr exportiert? Hat irgendjemand die Hoffnung, daß Ursula von der Leyen eine friedfertige „Verteidigungs“ministerin wird, oder wird sie nicht genauso wie ihre Vorgänger eher eine Kriegsministerin sein? Hieß es nicht mal, Frauen seien per se friedlich? Glaubt jemand ernsthaft, sie als Mutter einer großen Kinderschar wird den Rüstungsetat kürzen lassen, damit das Geld z.B. der Bildung zugute kommt? Lassen wir ihr ruhig mal die üblichen 100 Tage Zeit, aber viel Hoffnung habe ich nicht. Vielleicht bleibt uns nach den 100 Tagen nur die Möglichkeit weiter zu träumen, von einer friedlichen Welt ohne Hunger und Krieg, ohne Menschen- und Tierquälerei, einer Welt in der alle Lebewesen ein Recht auf ein friedliches und selbstbestimmtes Leben haben.

Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen: wohlgemerkt einfach den Menschen, also vermutlich allen. Unabhängig davon, wo sie leben, was sie arbeiten, was sie glauben, ob Männer oder Frauen, Alte oder Junge, Haarfarbe, Hautfarbe, alles gleich, alle sollen in Frieden leben. Auch die Ausländer, die uns angeblich die Arbeit wegnehmen. Auch die HartzIV-ler, die angeblich nicht arbeiten wollen, auch Flüchtlinge aus Afrika, die die Gier fremder Menschen nach dem Reichtümern in ihren Ländern aufs Meer getrieben hat, wo viele elend ertrinken, und wer nicht ertrinkt wird ins heimatliche Elend zurückgeschickt……….. alle werden an angesprochen. Aber es reicht ja wohl die Botschaft zu hören, man muß doch nicht gleich Ernst machen, oder?

Jedes Jahr um diese Zeit gehen mir Gedanken wie diese durch den Kopf. Und jedes Jahr werden die Meldungen aus aller Welt schlimmer. 2014 jährt sich zum 100.Mal der Beginn des 1. Weltkrieges. Ein Grund zu feiern ist das wohl kaum. Vor allem angesichts der Tatsache, daß die Welt sich eigentlich in einem permanenten Kriegszustand befindet und keine Ende abzusehen ist.

Es wird sich auch nichts ändern, wenn nicht jeder einzelne von uns irgendwann aufsteht und sagt: ich mache das nicht mehr mit, ich möchte in Frieden leben und ich möchte, daß alles Menschen und alles, was auf Erden lebt, in Frieden leben kann.  Jeder muß bei sich selber und vor seiner Haustüre anfangen: ich, du, wir alle.

In diesem Sinne wünsche ich allen Lebewesen dieser Erde ein gesegnetes Weihnachtsfest und alles Gute für 2014. Ich wünsche uns allen, daß 2014 ein friedliches Jahr wird, daß es eingeht in die Geschichte der Menschheit als das Jahr, in dem die Weihnachtsbotschaft endlich angefangen hat zu Wirklichkeit zu werden.

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , | 1 Kommentar

Gesucht: der perfekte Hund

Ute Rott, Forsthaus Metzelthin

Vor ca. 15 Jahren war ich mit einer Frau befreundet, deren Mann von sich behauptete, er sei Perfektionist, vor allem was technische Dinge anbetrifft. Hier zwei Beispiele seines Perfektionismus. Seine Frau hatte eine goldene, sehr teure Uhr, bei der irgendwas nicht ganz richtig ging. Die Uhr war nicht kaputt, nur ging sie ein bisschen vor oder nach oder sowas. Jedenfalls durfte sie die Uhr nicht zum Uhrmacher bringen, sondern er zerlegte sie in alle Bestandteile. In alle. Nach ungefähr einem Jahr lag sie immer noch genau so im Regal, denn er brachte sie nicht mehr zusammen. Zudem war er perfekt mit allem, was Computer betraf. Leider glaubte ich ihm das und gab ihm mein Notebook. Da wollte er mir eine sagenhaft tolle Software draufspielen und zudem alles irgendwie bereinigen und für mich einfacher machen. Zum Glück hatte ich eine Sicherungskopie gemacht, dann nach einem knappen viertel Jahr stellte sich heraus, dass es jetzt leider nicht mehr ging. Gar nicht mehr. Alles war gelöscht und nichts war wiederherstellbar. Also kaufte ich mir das neue Notebook eben ein knappes Jahr früher als geplant. Vermutlich kann man sich vorstellen, dass er nie wieder auch nur in die Nähe meiner Computer kam und auch sonst lehnte ich alle Reperaturvorschläge dankend ab.

Sein Hund war, logischerweise, der absolut perfekte Hund. Wie auch sonst. Jemand, der selber alles perfekt macht, braucht einen perfekten Hund, sonst geht gar nix.

Jeder kennt solche Menschen, die sich selber für über allem stehend und absolut perfekt halten, und die brauchen natürlich ein perfektes Umfeld mitsamt perfektem Personal. Nur: was ist denn der perfekte Hund? Wenn ich mein Mäxchen nehme, den finde ich ganz schön perfekt, aber mein Mann sieht das schon ein bisschen anders. Denn mein Mann wollte eigentlich keinen Hund mehr, der einen so extremen Jagdtrieb hat. Für mich ist das aber perfekt, denn so kann ich mein eigenes Training überprüfen – und ich muß sagen: perfekt! Ist dann vielleicht unsere Loni der perfekte Hund für alle? Schwierig, denn für viele Leute – für uns nicht – wäre es ein großes Problem einen defacto dauerkranken Hund zu haben.

Vielleicht ja dann unser alter Fritzi, der jetzt im Hundehimmel ist. Wenn er nicht perfekt gewesen wäre, wie sollte er dann in den Himmel kommen? Und seine Perfektion auf Erden kann schon allein dadurch nachweisen, dass er zahlreiche Titel auf Ausstellungen gewonnen hat. Ich kann nur sagen, wir waren ein absolutes Dreamteam, nachdem wir erstmal unsere Jugendsünden überwunden hatten. Aber wer – außer mir – möchte gerne einen kleinen Rüden, der Hunde egal welche Größe, Rasse, Farbe, Geschlecht auf den Tod nicht ausstehen kann und sofort und unwiderruflich angreift?

Aber die Dackelhündin von meinem Mann, die Susi, die war doch perfekt. Ich denke, mein Mann sieht das so. Aber ganz sicher gibt es viele Menschen, die aus der Haut fahren würden, wenn sie ihren Hund als kleinen schwarzen Punkt hinter einem etwas größeren schwarzen Punkt – flüchtendes Reh –  in knapp einem Kilometer Luftlinie entfernt über ein Schneefeld auf der Benediktenwand sausen sehen würden.

Mein Weibilein, meine Bernhardinermixhündin, war die perfekt? Ein Hund, der nie weiter von einem weg ist, als maximal 10 Meter, Wild höchstens mal ein paar Schritte hinterherhopst und dann sofort zurückommt, wenn der nicht perfekt ist. Naja, da sind wir wieder bei dauerkranken Hunden: Collitis ulcerosa, das ist eine Krankheit, die bleibt. Und dann noch Knochenkrebs, wie es bei Bernhardinern oft vorkommt. Zudem war sie manchmal stur wie ein ganzer Ochsenstall und auch nicht leicht zu überzeugen und mochte keine Boxer, an Trennungsangst und Knallangst litt sie auch und wir mußten sie im Gebirge mehr als einmal aus irgendwelchen Schluchten rausholen, in die sie nach einem undefinierbaren Knall geflüchtet war.

Und schließlich Joschi unser Strobel, der absolut perfekte Hütehund. Naja, der litt unter Demodex, das konnte man damals noch nicht behandeln, entsprechend hat er leider manchmal ganz unerfreulich gerochen. Zudem litt er auch unter Trennungsangst, nicht ganz so schlimm wie unser Weibi, aber immerhin.

So, jetzt bin ich alle Hunde durch, die für mich perfekte Hunde waren und sind, nämlich die Hunde, die bei uns lebten, bzw. zur Zeit bei uns leben. Ums abzukürzen: Hunde sind perfekt, sie können gar nicht anders sein. Denn im Gegensatz zu uns sind sie in der Lage im Hier und Jetzt zu leben, sich den Gegebenheiten anzupassen, ihre Fähigkeiten in jede Beziehung ohne Berechnung mit einzubringen und wunderbare Gefährten fürs Leben zu sein. Ich spreche hier ausdrücklich nicht von bedingungsloser Liebe, zur der sie angeblich fähig sind. Denn ich finde, dass es hier sehr wohl Bedingungen gibt, vor denen wir uns aber sehr oft drücken. Viele Menschen, die den angeblich perfekten Hund für sich einfordern, sehen nicht, dass sie selber alles mögliche sind, nur nicht perfekt. Wie kann ich aber an einem anderen Lebewesen eine Bedingung stellen, die ich selber nicht mal im Ansatz erfüllen kann?

Nochmal: Hunde sind perfekt, alle und immer. Die Frage ist nur: passt dieser Hund zur mir und ich zu ihm? Sehe ich hinter dem angeblich perfekten Äußeren eines hochdekorierten Rassehundes auch seine Seele und seine Bedürfnisse? Spüre ich  bei einem angeblich hässlichen Mischling seine Liebenswürdigkeit und sein gutes Herz?

Das hier ist Srecko, das bedeutet „der Glückliche“ auf kroatisch.

Diesen wunderschönen, freundlichen Hund will  keiner, weil er groß, schwarz und stürmisch ist.  Dass er lieb und freundlich ist, kein Problem mit Menschen und Tieren hat, ist dabei Nebensache. Ach wirklich? Dabei ist das etwas, das Srecko perfekt beherrscht: freundlich sein.

Das ist Lizzy, eine winzig kleine Chihuahua-Dame aus dem Tierheim, in das sie mit knapp 12 Jahren gebracht wurde, nicht stubenrein, nichts gewöhnt außer eine kleine Wohnung und eine alte Frau, die gestorben war.

Mittlerweile lebt Lizzy seit 5 Jahren mit 6 (sechs!) Möpsen zusammen und wer sie ansieht, muß sich einfach freuen. Diese kleine Hunddame, von knapp 1,8 Kilo hat so eine Freude am Leben und an ihrem Mopsfreundinnen, das ist nur ansteckend.

Können wir das auch? Lebensfreude verbreiten wie die alte Lizzy? Nett und freundlich zu allen und jedem sein wie Srecko? Vermutlich nicht. Deshalb denke ich, wir sollten einfach aufhören, nach dem perfekten Hund zu suchen. Dann sehen wir nämlich, wie großartig und perfekt sie tatsächlich sind.

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , , | 2 Kommentare

Es geht ja nicht um Gebrauchshunde – Ist Gewalt gegen Hunde abhängig von der Rasse?

Ute Rott, Forsthaus Metzelthin

Warum denken manche Menschen, dass man bei bestimmten Hunden ruhig zu härteren Maßnahmen greifen darf, wahrscheinlich sogar muß?

Vor einigen Tagen rief mich eine Journalistin an, die für eine Fernsehsendung recherchiert, bei der es um Ausbildung von Hunden an lebenden Tieren geht. Man kennt ja diese schrecklichen Bilder von Füchsen in der Schliefanlage, viele von uns haben schon mal gehört, dass manch ein Jäger kein Problem damit hat, seinem Hund das „richtige“ Töten an Katzen beizubringen. Hier ging es vor allem um Hüteseminare, bei denen Schafe als Spielzeug für durchgeknallte Border Collies dienen. Ich hatte jetzt eher den Eindruck, dass die Dame gerade solche Hüteseminare ablehnt und meine Bemerkung, Schafe seien schließlich kein Spielzeug für Hunde, fand ihre Zustimmung. Aber irgendwann während des Gesprächs fiel bei ihr die Bemerkung: es handelt sich ja schließlich nicht um Gebrauchshunde, da sieht das ja ganz anders auch, da muß man vielleicht doch mal mit Strom ran.

Mein Gott, dachte ich mir, was ist denn das jetzt wieder! In einer kurzen Diskussion konnten wir uns nicht einigen, dass Strom generell verboten ist, sie meinte, es gäbe da eine juristische Grauzone und bei manchen Hunden, wie z.B. bei der Polizeihundeausbildung wäre es eben wahrscheinlich doch notwendig. Wir haben das nicht weiter ausgeführt, und da sie sehr weit weg von mir wohnt und einen vernünftigen Ansprechpartner brauchte, habe ich ihr einen kompetenten Kollegen in ihrer Nähe empfohlen. Aber diese Aussagen haben mich nicht mehr los gelassen.

Was ist das für eine Einstellung? Der eine Hund, der nur zum Bespassen seiner Menschen da ist, den darf man mit Lob und Leckerchen und Freundlichkeit erziehen, den anderen, der richtig ran muss, um harte Polizeiarbeit zu unterstützen, der kann ruhig mal so ein Teletackt umgelegt kriegen. Schließlich soll der wissen, dass das hier eine ernste Sache ist.

Da sollte man sich doch mal fragen, wozu man Starkzwang denn eigentlich braucht? Ganz sicher nicht, um dem Hund was Nettes beizubringen, oder? In der Regel werden solche Methoden eingesetzt, um die Hunde dazu zu bringen, Dinge zu tun, die sie nicht tun würden, z.B. in einen Arm beissen, starre Kommandos exakt so auszuführen, wie der Mensch das möchte, egal ob es sinnvoll ist oder nicht. Auch für permanenten Blickkontakt wird Starkzwang durch Leinenruck am Stachel oder den Einsatz von Stromreizgeräten ausgeübt. Und das alles ist dann in Ordnung, wenn es um etwa um einen Polizeihund geht, der ja irgendwann Recht und Gesetz vertreten soll?

Es ist noch nicht so lange her, da ging durchs Internet diese Meldung von dem Malinois, der innerhalb weniger Minuten sechs (!) Kinder krankenhausreif gebissen hat. Die Ausbilderin wurde freigesprochen mit hanebüchenen Argumenten. Was glauben Sie, hat der Mali das gemacht, weil er so freundlich und mit vielen Leckerchen erzogen wurde? Praktisch die Folge einer Wattebauschausbildung? Oder handelt es sich nicht eher darum, dass hier einer soviel und so oft was auf die Nase gekriegt hat, dass es einfach mal gereicht hat und er seinen Druck loswerden musste?

Ich habe zur Zeit einen kleinen Mischling im Training, der hat ein Kind gebissen und nach mehreren geschnappt und alle – auch das Ordnungsamt – gehen davon aus, daß die Kinder ihn vorher jahrelang am Zaun geärgert haben. Trotzdem muss er den Wesenstest machen und im Wiederholungsfall droht ihm das Tierheim und die Einordnung als „gefährlicher Hund“. Es besteht kein Zweifel daran, dass man diesen kleinen Kerl daran hindern muss, nach Kindern zu schnappen. Aber wer glaubt ernsthaft, dass er Kinder lieber mag, wenn man ihm per Starkzwang eine über die Rübe gibt? Und mit welchem Maß wird hier gemessen?

Eine Kundin, die selber Jägerin ist, war mal mit einem offiziellen Jagdhundausbilder unterwegs. Der verstand überhaupt nicht, warum sie ihren Rüden nicht einfach so mal Rehe hetzen lässt, schließlich soll der doch mal Spaß haben. Sowas kann man ihm doch dann auch wieder abgewöhnen! Und wie wohl? Na logisch, mit Strom.

Ganz sicher habe ich das hier und weiß Gott wo noch oft und oft gesagt, und ich wiederhole das, bis mir die Finger und der Mund in Fransen hängen, Hauptsache, irgendwann kapieren es alle: wenn ein Hund etwas nur macht, wenn ich ihm mit Folter, Mord und Totschlag drohe, dann sollte ich mir doch ernsthaft überlegen, ob meine Forderung sinnvoll ist. Zudem hat niemand auch kein Polizist, Hundetrainer, Jäger oder wer auch immer das moralische Recht, seine egoistischen Forderungen auf Kosten eines Hundes mit Gewalt durchzusetzen. Druck erzeugt Gegendruck, das ist nicht nur ein physikalisches Gesetz, und Gewalt erzeugt wieder Gewalt. Man muss sich nur umsehen auf der Welt, man braucht nicht lange, um Beweise für diese Aussage zu finden.

Alle Gebrauchshunde, wie Mali, Schäferhunde, Rottweiler oder Jagdhunde, sind in erster Linie Hunde. Sie wurden und werden für bestimmte Aufgaben mit bestimmten genetisch verankerten Eigenschaften gezüchtet. Und wenn den gottgleichen Menschen diese Anlagen allein nicht reichen, weil der Mali einfach noch schneller in den Arm gehen soll und der Jagdterrier noch perfekter den Fuchs durch die Anlage hetzen soll, dann kommt es zum Einsatz von Starkzwang in der Regel von Stromreizgeräten. Da sollte man sich schon fragen, ob Leute, die das als sinnvolle Ausbildung betrachten und die Ausbildungsziele nicht in Frage stellen, eigentlich hin und wieder auch mal ihren Kopf zum Denken verwenden.

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , , | 2 Kommentare

Mantrailing – der ideale Weg für Mensch und Hund zu einem besseren Verständnis

vom Ute Rott, Forsthaus Metzelthin

Mantrailing ist eine Art Modesport geworden. Dem sollte man ja immer etwas kritisch gegenüber stehen, aber ich gebe ehrlich zu: das freut mich ungemein, denn für mich ist Mantrailing der ideale und oft überraschende Weg zu einer besseren Beziehung und einem wesentlich besseren Verständnis für einander – oder sollte ich nicht lieber sagen: zu einem besseren Verständnis für unsere Hunde.

Nasenarbeit ist generell etwas ausgesprochen faszinierendes. Wer bei komplexen Apportieraufgaben wie Feinreviersuche einen Hund beobachtet, wie er das Feld in einem für uns unbegreiflichen Tempo absucht, zurückkommt und entweder das Apportel im Maul hat oder zuverlässig anzeigt, daß nichts im Feld liegt, wer bei der Verlorensuche (Rückwärtssuche) die Hunde im Eiltempo sicher und genau den Weg absuchen sieht, durch nichts ablenkbar und voll konzentriert, der kann nur begeistert sein.  Wenn meine Kunden ihre Schlüssel nicht mehr fanden und wir den Verdacht hatten, er könnte am Parkplatz liegen, mußte ich nur meinen alten Fritzi reinschicken. Wenn er sagte, hier ist nix, war da auch nix. Wenn da ein Schlüssel oder irgendein Gegenstand lag, der da nicht hingehörte, brachte er ihn 100% sicher zu mir. Wenn das nicht beeindruckend ist. Und selbstverständlich ist jeder einfach nur stolz auf seinen Hund, der so was tolles kann. Der Hund merkt das und ist natürlich auch glücklich und stolz.

Mantrailing aber setzt dem Ganzen die Krone auf. Ich möchte das an einem Beispiel aus einer meiner Gruppen erläutern. Die Kundin hat eine Terrierhündin, die recht kernig ist. Sie ist sehr interessiert an ihrer Umwelt, hat auch einen gewissen Jagdtrieb, ist sehr gut im Gehorsam, tendiert aber zur Aggression gegen andere Hündinnen und sie ist temperamentvoll, reaktionsschnell und entschlussfreudlig, was niemanden überrascht, der Terrier kennt. Meine Kundin kommt mit der Hündin prima klar, aber sie ist immer wieder unsicher, wenn die Hündin irgendwas fixiert. Sie hat einfach Angst, daß dann etwas Unerfreuliches passiert, sei es nur, sie fängt an Kühe oder Pferde zu verbellen, Menschen vor lauter Begeisterung anzuspringen, Artgenossinnen anzugehen…. ihr Repertoire ist da recht beträchtlich.

Beim Trailen haben wir folgendes festgestellt: Die Hündin hat Stehohren und nach meiner Erfahrung tun sich Hunde mit Stehohren beim Trailen schwerer als Hunde mit Schlappohren, einfach weil sie besser hören und dadurch leichter ablenkbar sind. Sie blieb auf dem Trail häufig stehen und fixierte irgendwas im Wald oder in der Ferne, und sie ließ sich auch nicht so leicht rausholen. Meine Kundin versuchte immer wieder, sie mit „such weiter“ dazu zu bringen, weiterzuarbeiten, aber das war vergebliche Liebesmüh. Im Gegenteil, sie arbeitete dann schlecht und schlampig, zerfahren und lustlos. Alles hatte sehr gut beim Mantrailer-Seminar angefangen, um so bedauerlicher ist es, wenn beim Gruppentraining irgendwie nichts vorwärts geht. Irgendwann im Winter konnten wir das Training filmen und die Auswertung des Videos brachte uns interessante Erkenntnisse. Zum einen war deutlich zu sehen, daß die Hündin irgendwas für sie sehr beunruhigendes abklären mußte und viel zu abgelenkt war. Erst wenn sie sich abgesichert hatte und selbständig die Entscheidung getroffen hatte, machte sie von sich aus weiter. Zum anderen stellten wir fest, daß sie viel Aufmerksamkeit beim Arbeiten benötigt, da sie viel auffälliges unterwegs bemerkt. Sowie meine Kundin das registrierte, war es für die Hündin auch einfacher, das Objekt als harmlos einzustufen und sich wieder dem Trail zuzuwenden.  Bei den nächsten Trainings zuhause oder in der Gruppe legten wir unser Augenmerk verstärkt darauf, ihr die Möglichkeit zum kontrollieren und absichern zu geben und ihr klar zu signalisieren, daß wir ihr Bedürfnis nach Kontrolle erkannt haben und akzeptieren. Und plötzlich lief alles schneller, leichter und besser.

Und jetzt kommt’s. Meine Kundin hat diese Erkenntnis auf ihren Alltag, sprich ihre Spaziergänge übertragen und siehe da, die Hündin will gar nicht mehr überall hin, sie kann einfach mal ein Pferd in aller Ruhe betrachten und dann locker weiterlaufen.  Ohne die Erfahrung beim Trailen hätte sich meine Kundin das nie getraut. Jetzt dachte sie einfach, sie läßts mal drauf ankommen. Und es hat funktioniert. Ich bezweifle, daß ich das im normalen Gruppentraining je so schnell und gründlich hinbekommen hätte. Nicht weil ich schlechte Argumente oder kein durchdachtes Training habe, sondern weil learning by doing, bzw. Lernen am Erfolg einfach die besten Ergebnisse bringt. Manchmal verstellt im Training einem das Ziel den Blick fürs Wesentliche. Hier war die Lösung einfach die: wenn wir sie machen lassen, arbeitet sie gut weiter, wenn nicht, gehts schief. Es gab keine Hintergedanken wie: gleich fängt sie an zu spinnen. Die Hintergedanken waren im Gegenteil sehr positiv: kuck ruhig hin und wenn du fertig bist, trailen wir weiter.

Das Training fand natürlich auch in einer sicheren Umgebung statt, denn hier auf den Wiesen und in den Wäldern rund ums Forsthaus hat man ja nicht permanent Spaziergänger, Reiter oder Hunde. Wer da rumläuft, ist erstmal weit weg, die Gefahr einer nahen Begegnung ist also sehr gering. Weil alles so gut und locker lief, konnte meine Kundin dann entspannt das Ganze auf engere Situationen umsetzen. Und das begeistert mich einfach! Mantrailing als Schützenhilfe für entspannte Begegnungen. Besser kann’s gar nicht gehen. Das bedeutet aber, daß nicht nur das Trailen besser läuft und alle möglichen Begegnungen im Alltag lockerer gemeistert werden, sondern Mensch und Hund sich besser kennen, sich besser verstehen und einschätzen können.

Wenn das kein Grund ist, vom Trailen begeistert zu sein!

 

Veröffentlicht unter Allgemein, Nasenarbeit | Verschlagwortet mit , , , , , | Hinterlasse einen Kommentar

…weil er mich bedingungslos liebt…………

von Ute Rott, Forsthaus Metzelthin

Dieses Wochenende hatte ich ein interessantes Gespräch mit einem Neukunden. Das Gespräch verlief sehr harmonisch und freundlich und ich freue mich schon auf das Training. Aber irgendwann fiel der Satz: „……….weil Hunde einen bedingungslos lieben………“ und der hat mich schon sehr nachdenklich gemacht.

Es gibt Menschen, die machen nur Geschäfte: wenn du das tust, mache ich das. Anders geht’s nicht bei ihnen. Das ist nicht immer angenehm für das Gegenüber, aber eine klare Sache, an die man sich halten kann. Ich vermute. daß Hunde mit so einer Einstellung ganz gut klar kommen, so sie freundlich rübergebracht und dem Hund nichts abwegiges abverlangt wird. Und dann gibt es Menschen, die haben es so satt, immer etwas tun zu müssen, um anerkannt zu werden, um erfolgreich zu sein, um bestimmte Ziele zu erreichen, die holen sich ganz oft ein Tier, am besten einen Hund ins Haus, weil Hunde bedingungslos lieben. Zumindest hoffen sie das.

Das ist zwar verständlich, aber ich finde, das sollte man mal genauer ansehen, denn die entscheidende Frage ist: wem nützt’s? Dem Hund oder dem Menschen oder beiden?

Die Vorstellung, jemand liebt uns, weil wir so sind wie wir sind, ist einfach großartig. Egal ob die Haare frisch gewaschen sind, ob man sich die Zähne geputzt hat, ob man schlecht drauf ist oder total euphorisch, egal was man verdient, ob man Hartz IV kriegt oder ein Millionengehalt, das zählt alles nicht, nur ich als Mensch und Persönlichkeit bin wichtig. Für Hunde stimmt auf alle Fälle, daß denen unser Kontostand ziemlich wurscht ist, wenn wir aus dem Mund riechen, stört sie das auch nicht, und wenn ihr Mensch eher ein Muffel ist, dann sehen sie einfach zu, daß sie damit klar kommen. Eigentlich alles im grünen Bereich.

Ich vermute allerdings. daß mir jetzt doch die meisten recht geben, wenn ich sage, daß diese bedingungslose Liebe auf beiden Seiten bestehen muß, sonst ist das nicht wirklich gerecht. Und spätestens jetzt wirds schwierig. Denn Menschen lieben Hunde nicht einfach so, sondern sie haben ganz konkrete Vorstellungen, wie ihr Hund sein soll. Und schon geht es mit zahlreichen Bedingungen los:
Einen Rüden wollen wir nicht,  die sind schwieriger zu erziehen. Das Fell soll genau diese Farbe und Länge haben, Stehohren gehen gar nicht, Schlappohren sind niedlicher. Eine schwarze Maske im Gesicht wollen wir unbedingt, denn sieht der Hund beeindruckender aus. Ringelrute? Nein, um Gotte willen, das muß schon eine schöne Sichelrute sein. Dann möchten wir unseren Hund auslasten und was machen, was uns auch Spaß macht. Also holen wir uns einen Sheltie bei einem Züchter, der selber Agility macht, oder einen Beagle fürs Mantrailing oder einen Aussie zum Dogdancing oder einen Dalmatiner für Radtouren………..

Das sind ein Haufen Bedingungen, findet ihr nicht? Nicht nur das Aussehen und die Rasse müssen stimmen, auch die Interessen des Hundes müssen mit denen seines Menschen übereinstimmen. Ob die Hunde da immer gefragt werden, ob sie Agility, Dogdancing, Mantrailing, Radtouren machen möchten? Ich glaubs nicht, denn viel zu oft kommen Menschen mit ihrem Welpen zu mir, die schon ein richtiges Lebensprogramm haben, obwohl sie noch nicht mal stubenrein sind.

Eine liebevolle Beziehung entsteht dann, wenn die Interessen aller (!) Beteiligten erkannt, berücksichtigt und so gut wie möglich realisiert werden. Eine gute Bindung kann ich aufbauen, wenn ich rücksichtsvoll mit meinem Hund umgehe, also ihn auch mal „nein“ sagen lasse, nichts Unmögliches von ihm erwarte und ihm nicht allzuviel Bedingungen stelle. Was man schon gar nicht tun sollte: selber jede Menge Bedingungen stellen und vom Hund erwarten, daß er mich bedingungslos liebt.

So schön die Vorstellung von einer bedingungslosen Liebe ist, sollten wir uns darüber im Klaren sein, daß hier schon eine Forderung und eine Bedingung versteckt sind. Und Hunde sind dem ziemlich hilflos ausgeliefert. Man kann nicht oft genug betonen, daß wir sowieso ihr ganzes Leben bestimmen und regeln und sie nur sehr bedingt ihren Interessen selbstbestimmt nachkommen können. Die Forderung nach bedingungsloser Liebe können wir ihnen wenigstens ersparen.

Veröffentlicht unter Allgemein, Gewaltfreies Hundetraining | Verschlagwortet mit , , | Hinterlasse einen Kommentar

Offener Brief an die Zeitschrift der Hund: „Bei Knopfdruck: Strom“

von Ute Rott, Forsthaus Metzelthin

Artikel über die Verwendung von Reizstromgeräten in „Der Hund“ 10/2013 von Adina Lietz

 Sehr geehrte Damen und Herren,

 während der Vorbereitung zu meinem Seminar „…wenn sonst nichts hilft… Warum Gewalt im Umgang mit Hunden wieder populär wird“ traf die aktuelle Ausgabe Ihrer Zeitschrift bei mir ein. Voller Interesse las ich sofort den Artikel „Bei Knopfdruck: Strom“ und dachte, ich lese nicht recht. Um ganz sicher zu gehen, daß ich hier nichts missverstanden habe, las ich den Artikel mehrfach durch, aber der Inhalt wurde dadurch nicht besser.

Laut ihrer eigenen Aussage bei Xing liefert Frau Lietz „fachlich fundierte Artikel“. Nach der Lektüre dieses Artikels kann ich mir nur vorstellen, daß sie entweder eine etwas merkwürdige Vorstellung von „fachlich fundiert“ hat oder der Artikel ist eine Auftragsarbeit für den Hersteller von Stromreizgeräten. Ich möchte mich nicht weiter damit aufhalten, was diese Geräte bereits angerichtet haben und leider weiter anrichten werden. Es ist hinreichend bekannt, daß es nicht möglich ist, mit dieser Art von Einwirkung einen tatsächlichen Lernprozess einzuleiten, sondern daß es sich einfach um Folter handelt. Und seit wann fördert Folter das Lernvermögen?

Wer zudem behauptet, es wäre möglich, Geräte zu entwickeln, die nicht mehr tierschutzrelevant wären, weil sie ja nur mit einem „Piep“ und Vibration am Hals einen Hund vom Jagen abhalten könnten, der hat schlicht sein Denken an der Garderobe abgegeben. Solche Geräte gibt es bereits, bei sehr sensiblen Hunden wirken sie, mit der unvermeidbaren Nebenwirkung, daß diese Hunde bei jedem „Piep“ oder Summen erstarren und vollkommen traumatisiert sind, oder sie wirken eben nicht. Um ein solches Gerät wirksam einsetzen zu können, muß der Hund mindestens einmal in seinem Leben einen für ihn beeindruckenden Stromschlag erhalten haben, so daß er tatsächlich sein Verhalten sofort unterbricht. Wieviele Stromschläge muß er dann evtl. aushalten, bis die wirksame Dosis erreicht ist? Ganz nebenbei: nach dem Einsatz von Sprühalsbändern, die Sie und Leute wie Frau Dietz vermutlich auch nicht als tierschutzrelevant einstufen, können Sie in der Nähe der meisten damit gefolterten Hunde nicht mal mehr ein Mineralwasserflasche öffnen. Sollte Frau Dietz Interesse daran haben, sich über die Wirkung und Auswirkungen dieser Geräte fachlich fundiert zu informieren, können Sie ihr gerne meine Kontaktdaten weitergeben. Zu einer ausführlichen Beratung bin ich gerne bereit.

 Frau Dietz nennt als Kronzeugen Tierärzte der Hochschule Hannover, die eine „Empfehlung zum tierschutzgerechten Einsatz von Telereizgeräten in der Hundeausbildung“ herausgegeben haben. Ich frage mich, was das für Tierärzte sind, die zur Folter in der Hundeausbildung raten. Das eine ist aber, daß jemand so eine „Empfehlung“ schreibt, das andere ist, sie in einer der größten deutschen Hundezeitschriften als großartige Erkenntnis zu propagieren, denn wenn Tierärzte so etwas gut finden, dann kanns doch nicht so schlimm sein, oder?

 Ich gebe ehrlich zu: ich habe es einfach satt, mir diese grausigen Dinge immer wieder anzuhören oder auch solche Artikel zu lesen. Geben Sie einfach mal bei Google „Folter“ ein, es ist höchst interessant, was man dort zum Thema „Strom“ findet. Allerdings braucht man auch starke Nerven bei der Lektüre. Es gibt jede Menge gute und interessanter Bücher über Hunde, Hundeverhalten, gewaltfreien Umgang. Es steht allen Menschen – auch Ihnen und Frau Dietz – frei, sich zu informieren durch die Lektüre dieser Bücher, durch den Besuch von Hundeschulen, die entgewaltfrei arbeiten, durch Recherchen im Internet und in den sozialen Netzwerken. Es gibt keinen Grund, Hunde mit Strom zu foltern, und es gibt keine Möglichkeit, diese Folter „tierschutzgerecht“ anzuwenden.

 Wie oft muß man eigentlich noch sagen, daß Hunde empfindungsfähige, fühlende und denkende Lebewesen sind, die mindestens so leidensfähig sind wie Menschen? Was berechtigt Sie, solche Folter im Umgang mit Hunden unter dem Deckmantel der Tierliebe zu propagieren mit den immer gleichen und zur Genüge widerlegten Argumenten? Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, daß nur die Leute solche Geräte benötigen, die den Hunden Dinge abverlangen, die die Hunde nur unter Zwang und massiver Bedrohung machen?

 Auch wenn ich mich wiederhole: ich habe es satt, die Ergüsse von Tierquälern zu diesem Thema zu lesen. Ich weiß, was hier läuft, ich habe die Ergebnisse Ihrer und anderer „Experten“ immer und immer wieder im Training. Es reicht einfach. Wer zu solchen Mitteln greift oder ihren Einsatz empfiehlt, sollte die Finger von Hunden lassen, denn so jemand hat eben nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.

Deshalb kündige ich hiermit unwiderruflich das Abonnement der Zeitschrift „Der Hund“. Eine Zeitschrift wie Ihre möchte ich definitiv nicht mehr lesen und auch nicht als Abonnentin finanziell unterstützen.

 Hochachtungsvoll

Ute Rott
Hundetrainerin / Verhaltenstherapeutin für Hunde
Mitglied im Fachkreis Gewaltfreies Hundetraining
Metzelthin 22
17268 Templin
Tel. 039885 – 52 00 70
www.forsthaus-metzelthin.de

Veröffentlicht unter Allgemein, Gewaltfreies Hundetraining | Verschlagwortet mit , , , , | 1 Kommentar

Die Leine = ein Stück Freiheit

von Ute Rott – Forsthaus Metzelthin

Wenn früher ein Hund Probleme mit der Leine hatte, dachte man zuerst daran, dass er damit geschlagen worden war. Nachdem das heute wirklich nur noch sehr wenige Menschen tun, weil eigentlich (fast) jeder weiß, dass man Hunde nicht schlägt und schon gar nicht mit der Leine, fällt das eigentlich weg. Aber sehr viele Hunde haben Probleme mit der Leine. Sie lassen sich nicht gerne anleinen, sie ziehen wie nix Gutes, sie wollen gar nicht erst herankommen, wenn sie merken, dass sie angeleint werden sollen….. Das muss doch Ursachen haben.

Und es gibt jede Menge Ursachen.  Eine davon möchte ich hier mal ein bißchen genauer ansehen: die angebliche Freiheitsberaubung durch die Leine.

Vor einigen Jahren hatte ich einmal eine sehr nette Familie mit einem sehr freundlichen Labradorrüden zum Grundgehorsamstraining bei mir. Eigentlich lief alles sehr gut – bis auf die Leinenführigkeit. Wir führten endlose Diskussionen, warum und wann und ob überhaupt ein Hund an der Leine laufen müsse.  Denn – so war vor allem die Argumentation des Vaters – man wolle dem Hund doch jede nur erdenkliche Freiheit gewähren. Nachdem ich ihm einmal die möglichen Gefahren erläutert hatte, die einem freilaufenden Hund in manchen Gegenden drohen können, kam er beim nächsten Mal wieder und fragte nach, ob ich einen direkten Draht zum lieben Gott hätte. Passiert war folgendes: nach dem Training gingen sie unterwegs noch eine halbe Stunde im Wald spazieren und der Hund sprang wie üblich immer mal wieder ein paar Meter in den Wald. Und irgendwann passierte es: unmittelbar vor ihm sprang ein Reh auf. Zum Glück war er so verdattert, dass er stehen blieb. Am nächsten Morgen ließ der Vater den Hund wie jeden Früh raus in den Garten. Es war Januar und früh um halb sieben noch dunkel. Was er nicht sehen konnte: der Besuch hatte am Abend vorher das Gartentor nicht richtig zu gemacht und der Labi lief fröhlich auf die Straße, um die Gegend zu erkunden, so wie er es schon oft getan hatte. Der Vater lief hinterher und sah seinen Hund nur noch als Silhouette im Scheinwerferlicht des Schneepflugs. Auch jetzt hatte er wieder Glück, denn der Schneepflug fuhr langsam und blieb stehen und der Hund kam sofort auf Zuruf zu ihm und ging mit ihm zurück auf den Hof.

Keine Frage – dieser Hund lernte ab sofort, dass es Momente gibt ihm Leben, da bleibt man an der Leine, bzw. das Gartentor wurde abends immer kontrolliert und es gab  keine unkontrollierten Alleingänge im Wohngebiet mehr.

Ja, es stimmt. Wenn Hunde einfach so frei und unbeschwert ohne Leine rumlaufen könnten, hätten sie ein freieres und schöneres Leben. Darüber müssen wir nicht diskutieren. Aber solche Freiheiten sind in unserer modernen Welt nur noch in wenigen Gegenden möglich. Viele Gemeinde und Städte schreiben uns ganz genau vor, wo die Hunde frei laufen dürfen und wo eben nicht. Aber es gibt auch viele Situationen, in denen man schon aus Rücksicht auf die Umwelt und auf den eigenen Hund die Leine einhakt. Überall im Straßenverkehr gehören Hunde angehängt, denn sollte etwas passieren – dem eigenen Hund, anderen Tieren oder Menschen – , macht man sich nicht nur lebenslang Vorwürfe, sondern der verletzte und / oder tote Hund ist dermaßen freiheitsberaubt, wie es schlimmer nicht geht. Und – nicht zu vergessen – wenn ein unangeleinter Hund die Ursache für einen Unfall ist, zahlt keine Haftpflichtversicherung.

Wer es versäumt, seinem jungen Hund die Leine als angenehmes Zubehör zu vermitteln, denkt nicht wirklich über die Folgen nach. Klar rennt einem der Welpe erstmal überallhin nach und traut sich ohne Mama und Papa nicht in den Wald und auf den Acker. Er wird sich bei Erkundungen auch immer rückversichern, ob mensch noch da ist. Aber je älter und selbstsicherer er wird, um so weiter geht er weg, um so mehr möchte er selbständig erkunden, umso weniger schaut er auf uns. Und spätestens dann fängt man mit dem Leinentraining an oder – und das ist  keine gute Alternative – man versucht eine richtiges oder modifiziertes Bei-Fuß-Gehen zu trainieren. Das bedeutet aber, dass die Leine zur Strafe wird, bzw. dass mit viel Druck der Hund gezwungen wird, ohne Leine in unserer Nähe zu bleiben.

Warum Druck, wenn er doch „frei“ läuft? Und noch dazu kann man das doch positiv bestätigen? Ja, kann man. Aber auch das netteste Training baut Druck auf, wenn man permanent über die Einhaltung eines Kommandos wachen muss, z.B. bleib in meinem unmittelbaren Umkreis. Denn für Hunde ist das etwas vollkommen unnormales. Eine Leine auch, stimmt. Aber wenn ich einen Hund an der Leine habe, fühle ich mich sicherer, bin nicht gezwungen, ihn ständig zu überwachen, er ist ja automatisch in meiner Nähe. Und ich kann ihm ganz einfach und unkompliziert beibringen, daß die Leine eine gewisse Reichweite hat, innerhalb derer er pinkeln, kacken, schnüffeln und auch Hundekontakt haben kann.

Die Leine schützt aber in vielen Bereichen auch andere vor meinem Hund. Denn wenn ich einen sehr netten und kommunikativen Hund habe, der mit allen Hunden spielen möchte, dann stößt das beim Gegenüber nicht immer auf Gegenliebe. Ganz im Gegenteil. Der andere kann krank sein, er kann alt sein oder hat einfach so keine Lust auf Hunde, er kann schlechte Erfahrungen gemacht haben und möchte Hunden ausweichen, reagiert vielleicht sogar auf Annäherungen unfreundlich bis aggressiv, darauf sollten wir Rücksicht nehmen. Oder umgekehrt: wenn mein Hunde andere Hunde nicht so toll findet und vielleicht unfreundlich auf sie reagiert, muss ich ebenfalls dafür sorgen, dass er nicht einfach auf jeden losgehen kann. Solange ich das noch nicht im Griff habe, ist Leinenpflicht angesagt und auch wenn gelernt hat auszuweichen, sind wir auf der sicheren Seite, wenn er in der entsprechenden Umgebung angeleint ist. Und das bedeutet: hin und wieder muss unser Bello an die Leine. Wenn wir das richtig einüben, hat er damit kein Problem.

Mein Mäxchen läuft sehr viel an der Leine, weil er jagt wie die Seuche. Falls ein Hase, Reh, Damhirsch oder was ähnliches in seiner Nähe auftaucht – selbst wenn er so ein Tier nur riecht -, würde er ohne Leine sofort abzischen. Ohne Leine könnten wir nicht spazierengehen und auch nicht an diesem Thema arbeiten. Das tun wir aber seit einiger Zeit sehr erfolgreich mit dem Ergebnis, daß die leinenlosen Abschnitte auf den Spaziergängen allmählich zunehmen. Die Leine ist also nicht nur das Symbol für einen netten Spaziergang mit Frauchen, die Leine ist auch ein Stück Freiheit und Sicherheit, Sicherheit für den Hund und für seine Umgebung. Es geht heute nicht mehr anders.

Zum Schluss möchte ich nochmal auf meine Familie mit ihrem Labi zurückkommen. Mir war sehr schnell klar, warum der Vater seinem Hund soviel Freiheit wie möglich zugestehen wollte, denn er selber hatte einen extrem anstrengenden Beruf mit langen Arbeitszeiten. Sein Hund sollte deshalb so wenig Einschränkungen wie möglich erfahren. Eigentlich ein schönes Motiv. Nur leider nicht wirklich durchführbar.

Veröffentlicht unter Allgemein, Gewaltfreies Hundetraining | Verschlagwortet mit , , , | Hinterlasse einen Kommentar

„…erzeugt zuverlässiges Meideverhalten… – Über Hilfsmittel im Schutzdienst

von Ute Rott – Forsthaus Metzelthin

Auf den letzten Artikel, der sich mit dem Thema Schutzdienst befasst hat, kamen besonders über Facebook viele Reaktionen, in denen schon fast verzweifelt darauf hingewiesen wurde, daß man das doch alles auch richtig nett machen könne, daß Schutzdienstein reines Spiel sei und die Hunde sehr viel Spaß daran hätten. Außerdem bestünde VPG ja nicht nur aus Schutzdienst sonder auch aus Unterordnung und Fährte, und das ist doch alles ok, oder? Jetzt habe ich ein paar interessante Hilfsmittel gefunden, die mir diese Argumente immer unglaubwürdiger erscheinen lassen. Sollte man nicht vielleicht doch mal darüber nachdenken, daß man vieles von dem, was im Schutzdienst gefordert wird, wie Fährte, Gehorsamsübungen, Apportieraufgaben oder auch Zerrspiele mit einer Beißwurst betreiben kann, ohne den Hund zu aggressviem Handeln zu nötigen? Und ohne Druck und Zwang auszuüben? Denn wenn das alles so easy wäre, warum hat man dann Ausrüstungen nötig, wie ich sie nachfolgend beschreibe?

Ein neues Hilfsmittel zum Hundetraining für Schutzdienst ist eine Drahtschlinge, Durchmesser 6 mm, die folgendermaßen angepriesen wird: „Schonendes (!) Hilfsmittel zur Erzeugung von Meideverhalten. Hohe Effektivität bei der Disziplinierung führeraggressiver und hysterischer Hunde. Starke Unannehmlichkeit durch stumpfen Zwang im gespannten Zustand. Selbst entspannend bei nachlassendem Zug. Keine reizenden Faktoren wie Stachel, daher zuverlässiges Meideverhalten.“ Dann gibt es seit neuestem auch Fährtengeschirre, die am Brustgurt zwei scharfe Dornen befestigt haben, die als „Ausbildungshilfe“ bezeichnet werden. Sie sind abnehmbar, immerhin. Wer schon mal beim Training im Schutzdienst zugesehen hat, wird feststellen, daß die Hunde aufgeschirrt sind wie Zugochsen: Kettenwürger, Stachelwürger, Brustgeschirr, lange und kurze Leinen, die in der Regel an den Würgehalsbändern befestigt sind. Man braucht gar kein Teletackt, das natürlich trotzdem häufig genug zum Einsatz kommt, um dem Hund nachhaltigen gesundheitlichen Schaden zuzufügen. Es gibt Leinen, die sind am Figuranten und am Hund befestigt, so daß man den Hund hinziehen kann, wenn er nicht von allein hingeht….. und keiner fragt sich, warum der Hund das nicht möchte… Auch Peitschen, Softstöcke, alle Varianten von Stachelwürgern hübsch getarnt mit Leder und netten Tüchern, kommen zum Einsatz.

Wenn man mit Menschen diskutiert, die Schutzdienst mit ihren Hunden betreiben, hört man so gut wie immer das Argument: „Wir arbeiten nur über den Beutetrieb, das ist alles nur Spiel.“ Und ganz wichtig: wenn der Hund durch das Training tatsächlich überraschenderweise aggressiv oder gar unberechenbar wird, dann war das Training garantiert falsch aufgebaut. Sieht man jetzt mal davon ab, daß es schon ein merkwürdiges Spiel ist, wenn einem Hund nach sorgfältig aufgebauter Beisshemmung beigebracht wird, in einen menschlichen Arm zu beissen und auch festzuhalten, wenn auf ihn eingeschlagen und er herumgeschleudert wird, und daß sich irgendwie wohl kaum jemand Gedanken macht, warum denn ausgerechnet hier so dermaßen viel schief laufen und schlecht trainiert werden kann, dann sollte man sich doch wenigstens folgende Fragen stellen:
– Wozu benötigt man für Spiel und Spaß ein „Hilfsmittel zur Erzeugung von Meideverhalten“?
– Es gibt jede Menge TrainerInnen, die Mantrailer- und / oder Jagdhunde ohne Dornen am Brustgeschirr ausbilden. Wozu brauchen das dann die Schutzdienstler? Erhöht das die Arbeitsbegeisterung der Hunde?
– Warum ist es notwendig, einen Hund mit allen möglichen Zwangsmaßnahmen dazu zu bringen, dieses unglaublich lustige Beutespiel mitzumachen?
– Wenn Hilfsmittel wie diese Drahtschlinge notwendig sind, um einen Hund zu disziplinieren, sollte man dann nicht das Training hinterfragen?
– Warum wird ein Hund „führeraggressiv“? Ich arbeite ja auch schon ein paar Wochen als Trainerin und habe seit einigen Jahrzehnten Hunde. Aber noch nie habe ich erlebt, daß ein Hund einfach so „führeraggressiv“ wird.

Das sind nur einige Fragen, es gäbe noch viel mehr. Denn die Antworten, die man bekommt, erzeugen Fragen am laufenden Band. Eine Antwort auf die Frage, warum man mit einem Hund überhaupt Schutzdienst machen soll, ist – außer daß es den Hunden total Spaß macht: „Ist doch nicht schlecht, wenn mein Hund mich verteidigen kann.“ Aha, wie interessant. Und ich dachte, es handelt sich um einen netten Freizeitspaß. Ja, ich weiß, sehr viele Schutzdienstler distanzieren sich von solchen Aussagen. Aber wirklich nur Leuten wie mir gegenüber oder auch öffentlich in ihrem Verein oder in einschlägigen Foren oder Netzwerkgruppen? Mal ganz im Ernst: wo lebt jemand, der solche Sachen sagt und denkt? In Syrien oder Afghanistan? Ich lebe seit meiner Geburt in Deutschland, Mitteleuropa, und mir ist nicht bekannt, daß der Aufenthalt hier besonders gefährlich wäre. Ca. 15 Jahre meines beruflichen Lebens habe ich im Außendienst verbracht, und Wunder über Wunder: ich hab’s nicht nur überlebt, es gab nicht einmal ansatzweise die Notwendigkeit mich zu verteidigen, ganz zu schweigen davon, daß ich meistens ohne Hund unterwegs war und nie im Leben auf die Idee käme, meine Hunde in menschliche Auseinandersetzungen einzubeziehen.

Zum Abschluß noch ein Punkt: wer meint, er könnte mal so eben seinen ausgebildeten Schutzhund, den er mit allen möglichen Würgern, Drahtschlingen und anderen Nettigkeiten zur hochaggressiven Zeitbombe gemacht hat, mit „bleiben Sie stehen oder ich schicke den Hund – voran!“ im Alltag jemandem hinterher schicken, der sollte sich mal ein bißchen mit der Rechtsprechung in diesem Lande befassen. Selbst wenn meine Hunde einen Einbrecher auf unserem Hof zu fassen kriegen und ihm die Hose zerreißen oder ihn am Ende sogar verletzen, habe ich eine Anzeige wegen Körperverletzung am Hals. Ob zu Recht oder nicht spielt keine Rolle. So ist die Rechtsprechung. In einem der friedlichsten Länder der Welt Hunde zu Waffen auszubilden, sie zu würgen, zu schlagen: auf Deutsch zu foltern, damit sie das tun, was Mensch sich einbildet, kann nicht viel mit Spiel und Spaß zu tun haben.

Veröffentlicht unter Allgemein, Hundesport | Verschlagwortet mit , , , , , , , | Hinterlasse einen Kommentar