von Ute Rott – Forsthaus Metzelthin
Auf den letzten Artikel, der sich mit dem Thema Schutzdienst befasst hat, kamen besonders über Facebook viele Reaktionen, in denen schon fast verzweifelt darauf hingewiesen wurde, daß man das doch alles auch richtig nett machen könne, daß Schutzdienstein reines Spiel sei und die Hunde sehr viel Spaß daran hätten. Außerdem bestünde VPG ja nicht nur aus Schutzdienst sonder auch aus Unterordnung und Fährte, und das ist doch alles ok, oder? Jetzt habe ich ein paar interessante Hilfsmittel gefunden, die mir diese Argumente immer unglaubwürdiger erscheinen lassen. Sollte man nicht vielleicht doch mal darüber nachdenken, daß man vieles von dem, was im Schutzdienst gefordert wird, wie Fährte, Gehorsamsübungen, Apportieraufgaben oder auch Zerrspiele mit einer Beißwurst betreiben kann, ohne den Hund zu aggressviem Handeln zu nötigen? Und ohne Druck und Zwang auszuüben? Denn wenn das alles so easy wäre, warum hat man dann Ausrüstungen nötig, wie ich sie nachfolgend beschreibe?
Ein neues Hilfsmittel zum Hundetraining für Schutzdienst ist eine Drahtschlinge, Durchmesser 6 mm, die folgendermaßen angepriesen wird: „Schonendes (!) Hilfsmittel zur Erzeugung von Meideverhalten. Hohe Effektivität bei der Disziplinierung führeraggressiver und hysterischer Hunde. Starke Unannehmlichkeit durch stumpfen Zwang im gespannten Zustand. Selbst entspannend bei nachlassendem Zug. Keine reizenden Faktoren wie Stachel, daher zuverlässiges Meideverhalten.“ Dann gibt es seit neuestem auch Fährtengeschirre, die am Brustgurt zwei scharfe Dornen befestigt haben, die als „Ausbildungshilfe“ bezeichnet werden. Sie sind abnehmbar, immerhin. Wer schon mal beim Training im Schutzdienst zugesehen hat, wird feststellen, daß die Hunde aufgeschirrt sind wie Zugochsen: Kettenwürger, Stachelwürger, Brustgeschirr, lange und kurze Leinen, die in der Regel an den Würgehalsbändern befestigt sind. Man braucht gar kein Teletackt, das natürlich trotzdem häufig genug zum Einsatz kommt, um dem Hund nachhaltigen gesundheitlichen Schaden zuzufügen. Es gibt Leinen, die sind am Figuranten und am Hund befestigt, so daß man den Hund hinziehen kann, wenn er nicht von allein hingeht….. und keiner fragt sich, warum der Hund das nicht möchte… Auch Peitschen, Softstöcke, alle Varianten von Stachelwürgern hübsch getarnt mit Leder und netten Tüchern, kommen zum Einsatz.
Wenn man mit Menschen diskutiert, die Schutzdienst mit ihren Hunden betreiben, hört man so gut wie immer das Argument: „Wir arbeiten nur über den Beutetrieb, das ist alles nur Spiel.“ Und ganz wichtig: wenn der Hund durch das Training tatsächlich überraschenderweise aggressiv oder gar unberechenbar wird, dann war das Training garantiert falsch aufgebaut. Sieht man jetzt mal davon ab, daß es schon ein merkwürdiges Spiel ist, wenn einem Hund nach sorgfältig aufgebauter Beisshemmung beigebracht wird, in einen menschlichen Arm zu beissen und auch festzuhalten, wenn auf ihn eingeschlagen und er herumgeschleudert wird, und daß sich irgendwie wohl kaum jemand Gedanken macht, warum denn ausgerechnet hier so dermaßen viel schief laufen und schlecht trainiert werden kann, dann sollte man sich doch wenigstens folgende Fragen stellen:
– Wozu benötigt man für Spiel und Spaß ein „Hilfsmittel zur Erzeugung von Meideverhalten“?
– Es gibt jede Menge TrainerInnen, die Mantrailer- und / oder Jagdhunde ohne Dornen am Brustgeschirr ausbilden. Wozu brauchen das dann die Schutzdienstler? Erhöht das die Arbeitsbegeisterung der Hunde?
– Warum ist es notwendig, einen Hund mit allen möglichen Zwangsmaßnahmen dazu zu bringen, dieses unglaublich lustige Beutespiel mitzumachen?
– Wenn Hilfsmittel wie diese Drahtschlinge notwendig sind, um einen Hund zu disziplinieren, sollte man dann nicht das Training hinterfragen?
– Warum wird ein Hund „führeraggressiv“? Ich arbeite ja auch schon ein paar Wochen als Trainerin und habe seit einigen Jahrzehnten Hunde. Aber noch nie habe ich erlebt, daß ein Hund einfach so „führeraggressiv“ wird.
Das sind nur einige Fragen, es gäbe noch viel mehr. Denn die Antworten, die man bekommt, erzeugen Fragen am laufenden Band. Eine Antwort auf die Frage, warum man mit einem Hund überhaupt Schutzdienst machen soll, ist – außer daß es den Hunden total Spaß macht: „Ist doch nicht schlecht, wenn mein Hund mich verteidigen kann.“ Aha, wie interessant. Und ich dachte, es handelt sich um einen netten Freizeitspaß. Ja, ich weiß, sehr viele Schutzdienstler distanzieren sich von solchen Aussagen. Aber wirklich nur Leuten wie mir gegenüber oder auch öffentlich in ihrem Verein oder in einschlägigen Foren oder Netzwerkgruppen? Mal ganz im Ernst: wo lebt jemand, der solche Sachen sagt und denkt? In Syrien oder Afghanistan? Ich lebe seit meiner Geburt in Deutschland, Mitteleuropa, und mir ist nicht bekannt, daß der Aufenthalt hier besonders gefährlich wäre. Ca. 15 Jahre meines beruflichen Lebens habe ich im Außendienst verbracht, und Wunder über Wunder: ich hab’s nicht nur überlebt, es gab nicht einmal ansatzweise die Notwendigkeit mich zu verteidigen, ganz zu schweigen davon, daß ich meistens ohne Hund unterwegs war und nie im Leben auf die Idee käme, meine Hunde in menschliche Auseinandersetzungen einzubeziehen.
Zum Abschluß noch ein Punkt: wer meint, er könnte mal so eben seinen ausgebildeten Schutzhund, den er mit allen möglichen Würgern, Drahtschlingen und anderen Nettigkeiten zur hochaggressiven Zeitbombe gemacht hat, mit „bleiben Sie stehen oder ich schicke den Hund – voran!“ im Alltag jemandem hinterher schicken, der sollte sich mal ein bißchen mit der Rechtsprechung in diesem Lande befassen. Selbst wenn meine Hunde einen Einbrecher auf unserem Hof zu fassen kriegen und ihm die Hose zerreißen oder ihn am Ende sogar verletzen, habe ich eine Anzeige wegen Körperverletzung am Hals. Ob zu Recht oder nicht spielt keine Rolle. So ist die Rechtsprechung. In einem der friedlichsten Länder der Welt Hunde zu Waffen auszubilden, sie zu würgen, zu schlagen: auf Deutsch zu foltern, damit sie das tun, was Mensch sich einbildet, kann nicht viel mit Spiel und Spaß zu tun haben.