….und bist du nicht willig…………….

von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin

Gewalt hat viele Seiten und ein Großteil ist so geartet, daß man bei oberflächlicher Betrachtung gar nicht merkt, was da abläuft. Gewalt gegenüber Tieren ist in unserem Leben etwas vollkommen normales, so normal, daß jeder, der dagegen nur ein wenig protestiert, sofort von der Mehrheit der Bevölkerung zumindest für etwas sonderbar erklärt wird. Wenn man beim Essen auf Fleisch verzichtet, sogar wenn man darauf achtet, aus welcher Quelle das Fleisch kommt, das man isst, finden das viele vollkommen abwegig. Man kann doch eh nichts machen, oder? Also kommt eben weiterhin Fleisch von Tieren auf den Tisch, für die der Tod eher eine Erlösung war. Aber was hat das mit Hunden zu tun?

Gewalt im Umgang mit Hunden ist mittlerweile wieder Gott sei Dank ein großes Thema und wird nicht mehr unter den Tisch gekehrt. Leute wie Cesar Millan, Michael Grewe und aktuell Maja Nowak haben dafür gesorgt, daß sich Hundebesitzer wieder Gedanken machen, wie sie mit ihren Hunden umgehen oder eben besser nicht. Schlagen, treten, anschreien, am Würgehalsbändern rumzerren….. das alles ist bei vielen Hundebesitzer nicht mehr im Programm, es wird abgelehnt und die meisten wollen mit solchen Methoden nichts mehr zu tun haben. Cesar Millan, der Würgehalsbänder und Strom ganz ok findet, – für ihn ist die Frage nur, wie man das einsetzt – , oder Michael Grewe, der meint, man könnte Hunden ruhig irgendwelche Näpfe um die Ohren hauen, sind für viele nicht mehr akzeptabel.

Aber was ist mit Leuten wie Maja Nowak, die kluge Sachen von sich geben, die zwar fachlich nicht immer korrekt sind. die aber mit schwer nachprüfbaren Begriffen aus der Humanpsychologie kommen, behaupten, „Hundesprache“ zu sprechen, Hunde- oder Tierpsychologen zu sein? Die behaupten, gewaltfrei zu arbeiten, weil sie den Hunden keine Näpfe um die Ohren hauen und sie auch nicht treten oder anschreien? Denn das Erkennen psychischer Gewalt ist für Laien ungeheuer schwierig. Und so sollte man sich doch mal ernsthafte Gedanken machen, ob nur physische Gewalt schlimm und schädlich, ob es nicht noch mehr Formen von Gewalt gibt, die man sich bewußt machen muß.

Zunächst möchte ich den Begriff „strukturelle Gewalt“ untersuchen. Struktureller Gewalt ist fast jeder ausgesetzt, die Frage ist, wie stark sie in unser Leben eingreift und wie massiv man dadurch an der Durchsetzung seiner Interessen gehindert, bzw. schlicht und ergreifend unterdrückt wird. Man versteht drunter alles, was uns durch gesellschaftliche Strukturen in unserem Leben einschränkt. Darunter sind nicht nur vernünftige Ordnungsmechanismen zu verstehen, also Gesetze und Regeln, die unser Leben ordnen und uns auch schützen, sondern alles was darüber hinausgeht und z.B. zur Unterdrückung und Überwachung dient. Das kann eine Ansammlung von Daten Totalüberwachung sein, die gesetzlich abgesichert ist, das können Regeln sein, die uns an einer freien Bewegung in unserem Land und / oder auf der Welt hindern, das können Bestimmungen sein, die mich an der Ausübung eines Berufes oder einer Arbeit hindern, z.B. für Asylanten oder Ausländer….. In Diktaturen ist einem klar, daß das so abläuft, aber in Demokratien?

Und wie sieht das für Hunde aus? Da fallen einem als erstes die Listenhunde ein, die angeblich gefährlich sind, nur weil sie einer bestimmten Rasse angehören. Doch was ist mit der 40/20-Regelung, nach der Hunde meldepflichtig sind, wenn sie mehr wiegen als 20 Kilo und / oder deren Widerristhöhe mehr als 40 Zentimeter beträgt? 1 Kilo oder 1 Zentimeter weniger und alles ist easy? Die Hunde direkt betreffen diese Regeln nicht unbedingt, sondern mehr ihre Menschen. Aber wenn ein Hund aufgrund seiner Rasse Maulkorb- und Leinenpflicht hat, ohne jemals auffällig geworden zu sein, dann sieht das schon anders aus. Auch die Tatsache, daß Hunde in manchen Gegenden frei laufen dürfen und in anderen nicht, fällt darunter. Ja, an einer Straße gehören Hunde an die Leine. Und es ist auch nachvollziehbar, daß nicht jeder Park zugesch……. werden muß. Aber es gibt Gemeinden, die generell Leinenpflicht verordnen und auch noch die Leinenlänge vorschreiben, z.B. einen (!) Meter. Bisschen kurz für Spaziergänge finde ich.

Das wären jetzt mal ein paar Beispiele behördlicherseits. Aber wie sieht das in unserem Alltag aus? Was kann der Hund tatsächlich selber bestimmen? Wo er sein Leben verbringt? Was er wann zu fressen bekommt und wieviel davon? Darf er sich auch mal eine Mahlzeit selber besorgen, z.B. in Nachbars Hühnerhof oder in wildreichen Gegenden auch mal aus dem Wald? Darf er sich einen Partner suchen und mit ihm – oder ihr – eine Familie gründen? Wann geht er spazieren, wohin und wie lange? Muß er in die Hundeschule gehen? Möchte er das auch? Wenn er weitermachen möchte, wird dann in seinem Sinn entschieden? Wenn sein Mensch ihn als „Problemhund“ empfindet, wird der Hund dann gefragt, ob er eine Therapie machen möchte und wenn, ja, welche? Ganz sicher nicht, das bestimmen alles wir.

Viele dieser Regeln sind mit Sicherheit vernünftig, ich möchte auch nicht, daß meine Hunde sich ihre Mahlzeit aus dem Wald holen und ich möchte auch keine ungebremste Hundevermehrung. Aber wenn ich z.B. an die Probleme mancher Menschen mit ihren Hunde denke, die sie gelöst haben möchten und das dann noch ganz schnell und ohne Rücksicht darauf, was für den Hund gut ist oder auch nicht…. Dann wirds schon schwierig, wenn normales Verhalten, wie z.B. Erkundungs- und Markierverhalten zum Problem erklärt wird.

Und damit wären wir beim nächsten Punkt. Nach wie vor reicht es vielen Menschen vollkommen aus, wenn ihr Hund zur Belohnung für richtiges Verhalten ein Leckerchen bekommt und gelobt wird. Das ist dann doch gewaltfrei, oder? Das kommt ganz darauf an. Nehmen wir mal an, jemand möchte mit seinem Hund Gerätetraining machen, der Hund möchte das aber nicht. Er könnte Schmerzen haben, von denen sein Mensch nichts weiß,oder es interessiert ihn nicht, da er lieber was mit der Nase machen möchte, oder er will einfach seine Ruhe haben, weil das alles nicht sein Ding ist…. Ich denke, wir können Hunden ruhig alle Gründe zur Ablehnung zugestehen, die wir uns auch zugestehen würden. Jetzt meint der Mensch aber, das genau dieses Training – das kann auch Apportieren oder Mantrailing oder was auch immer sein – genau das ist, was für genau diesen Hund gut ist. Er fängt also an seinen Hund zu motivieren was das Zeug hält. Ich möchte hier nicht über Sinn und Unsinn mancher Motivationsmarathons schreiben, sondern darüber, daß viele Menschen denken: ich muß meinen Hund nur entsprechend positiv (!) motivieren, dann gefällt ihm schon, was wir hier gemeinsam machen. Und genau das halte ich für ein Gerücht. Denn auch das ist in meinen Augen ein Form von struktureller Gewalt, die die Interessen des Menschen vollkommen über die des Hundes stellt und mit dem Mäntelchen der positiven Motivation wird alles schöngeredet.

Nehmen wir als Beispiel einen „Sport“, der in meinen Augen pure Tierquälerei ist: Schutzdienst oder VPG, wie es seit einigen Jahren heißt: Vielseitigkeitsprüfung für Gebrauchshunde. Schutzdienst, Gebrauchshunde…. das sind ja schon mal interessante Begriffe. Wer wird hier geschützt, wer schützt hier wen und warum? Welche Hunde gebraucht man hier für was? Die allermeisten Hunde, mit denen man diesen „Sport“ anfängt, versuchen, aus der Trainingsituation heraus zu kommen. Der Hund wird körperlich bedrängt, indem der Figurant ihm mit einer Beißwrlst ziemlich aggressiv auf den Leib rückt. Der Hund ist angeleint und kann nicht weg, wenn er das möchte. Auch verbellen: „hau ab da!“ und drohen (Zähne fletschen und knurren) nützt nichts. Da das ja „spielerisch“ aufgebaut wird und der Hund nur verstehen muß, daß wir jetzt gerade spielen, wird solange weitergemacht, bis dem Hund nichts anderes übrig bleibt, als sich in der Beißwurst zu verbeissen. Dann wird er gelobt und das Bedrängen hört auf. Nach einiger Zeit ersetzt man die Beißwurst durch einen sog. Schutzdienstärmel und irgendwann ist dieser Ärmel am Arm des Figuranten. Und der Hund soll sich da verbeißen, und zwar richtig, so daß er richtig hängenbleibt, auch wenn er rumgeschleudert wird, alles ganz spielerisch. Komisches Spiel, oder? Wer solche Überlegungen gerne macht, der kann sich gerne mal in diesem Zusammenhang mit Begriffen wie „positive / negative Strafe“ und „positive / negative Verstärkung“ beschäftigen. Denn mit „positiver Motivation“ hat das ja wohl eher nichts zu tun.

Zur Erinnerung: es handelt sich um einen Hund, dem als Welpen und Junghund beigebracht wurde, ja nie in einen Menschen zu beißen. Und jetzt ist das auf einmal ein Spiel. Und wie macht man das „spielerisch“, einem Hund die Beisshemmung abzugewöhnen? Und wie gehts weiter? Wenn der Hund im Ärmel hängt, muß er Schläge – ganz sanfte natürlich – mit einem sog. Softstock aushalten. Der Softstock ist ein flexibler Stock aus Kunststoff, der meist mit Filz oder Leder ummantelt ist. Wer meint, daß das nicht weh tut, wenn jemand damit rumdrischt, kann ja mal einen Menschenversuch starten. Manche der Stöcke sind auch aus Rohr, evtl. sogar mit 2-3 Rohren, ganz harmlos, wie gesagt. Kann mir mal einer sagen, was das hier für ein besonders nettes Spiel ist, bei dem Hund Schläge aushalten muß? Und das machen die Hunde echt freiwillig? Warum werden sie dann im Training aufgeschirrt wie sonst was? Kettenwürger, Stachelwürger, Knie in die Brust vom Figuranten, Peitschengeknall, nur gebrüllte Kommandos…. also das reinste Friedenscamp so eine Schutzdienstausbildung.

 Das hier eingefügte Foto wurde im März 2009 im Nordkurier mit der Unterschrift „Motivation beste Basis der Ausbildung“ veröffentlicht. Der abgebildete Hund ist kupiert, das ist schon mal verboten. Der Figurant hebt sein Knie, in das der Hund mit dem Brustkorb förmlich hineinfliegt. Er hat einen Ketten- und einen Stachelwürger, an dem eine Schleppleine befestigt ist, diese Leine hat sich um das Hinterbein des Hundes gewickelt. Wenn’s richtig „gut“ läuft, wird der Hund nicht nur erwürgt oder handelt sich heftige Verletzungen am Hals ein, er bricht sich auch noch das Bein. Dazu kommt: der Dobermann ist in Brandenburg ein sog. „Liste-2-Hund“, mit dem lt. Hundeverordnung kein Training gemacht werden darf, das aggressiv macht. Und wenn jetzt – wie das in entsprechenden Auseinandersetzungen der Fall ist – jemand behauptet, solche Sachen wären die Ausnahme und würden nur von Leuten gemacht, die keine Ahnung haben und eben alles falsch und gar nicht „positiv“ machen: es handelt sich um einen Bericht mit einem bekannten SchH-Trainer, der ein Seminar zum „richtigen, positiv aufgebauten Schutzdienst“ gehalten hat. Das kann man zumindest dem entsprechenden Artikel entnehmen. Sieht man auch an dem Foto sehr gut, daß das alles rein spielerisch ist, das Training erfolgt ja auch über Motivation.

Ja, sicher, die Frage ist nur welche. Man kann getrost davon ausgehen, daß dem Hund sehr unerfreuliche Dinge drohen, wenn er bei diesem Spiel nicht mitmacht, z.B. ein ordentlicher Ruck am Stachel. Um das zu vermeiden, geht er eben nach vorne. Außerdem ist der Druck, der schon während des Trainings permanent herrscht so groß, daß er irgendwann wie auf Knopfdruck reagiert und keine andere Lösungsmöglichkeit für unerfreuliche Situationen kennt, außer: nach vorne gehen und zubeissen. Die Motivation, die hier die Hauptrolle spielt, nennt man „Meidemotivation“. Der Hund vermeidet das Unangenehme und versucht dem Druck auszuweichen. Ein richtig schönes Spiel und ganz sicher völlig gewaltfrei.

Wäre es da nicht ehrlicher, als Motto für solche Trainings und „Ausbildungen“ zu sagen: Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt? Und wäre es nicht längst an der Zeit, klar zu machen, daß Gewalt nur wieder Gewalt erzeugt, Druck wieder Druck…. daß man hier eine Spirale in Gang setzt, die mit Sport und freundlichem Umgang mit Hunden nichts, aber auch gar nichts zu tun hat?

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Folter mit Strom ist strafbar! Für alle und jeden

von Ute Rott – Forsthaus Metzelthin

Eigentlich wollte ich mich in diesem Blog darauf beschränken, Misstände aufzudecken und Alternativen aufzuzeigen. So richtig gruselige Themen wollte ich hier gar nicht ansprechen. Aber ich glaube, es bleibt mir nichts anderes übrig, das Thema „Strom“ näher zu behandeln, nachdem mir in ganz kurzer Zeit drei Hunde über den Weg gelaufen sind, die ein entsprechendes Gerät um den Hals trugen.

Wer nicht glaubt, daß Stromeinsatz – egal wie „nett“ er auch gemeint sein mag, z.B. „das ist seine Lebensversicherung, denn sonst läuft er auf die Straße“ (es gibt auch Zäune und Tore) – harmlos ist, der soll einfach mal „Folter“ googlen, dann wird er schon die entsprechenden Artikel finden, in denen die Folgen von Folter mit Strom detailliert besprochen werden. Man braucht echt harte Nerven, um das zu lesen, aber ich habs mir angetan  und bin seitdem wild entschlossen, alles zu verfolgen und nach Möglichkeit zu verhindern, was in meinem Umkreis Hunden mit Strom angetan wird.

Wem das egal ist, dem sei gesagt: es ist verboten, Hunde mit Strom zu „erziehen“ und zwar für alle und jeden: Trainer, Jäger, Polizisten…. egal. Kein einziger Mensch in diesem Land darf einem Hund aus welchem Grund auch immer ein Stromreizgerät umhängen und ihn damit „trainieren“.  Da manchen Menschen die Folgen ihrer perversen Ideen egal sind, ist dies ein schlagkräftiges Argument. Es gibt ein Urteil vom Bundesverwaltungsgericht Leipzig, in dem dies rechtskräftig so festgelegt ist. Wer genaueres darüber wissen möchte, kann sich über die Zeitschrift WUFF-Das Hundemagazin informieren. In den Ausgaben 11 / 12 – 2011 stehen ausführliche Artikel zu diesem Thema mit den entsprechenden Urteilen.

Was braucht man, um diese durchzusetzen? Denn wie wir alle wissen, ist Tierschutz in diesem Land nicht unbedingt groß geschrieben. Wichtig ist erstmal, daß man sich informiert, z.B. indem man die o.gen. Artikel liest. Dann braucht man den aufrechten Gang und muß sich eben auch mal mit Leuten anlegen, die solche Sachen mit ihren Hunden machen. Dabei ist es natürlich notwendig, zuerst einmal sachlich zu diskutieren und die Folgen eines solchen Umgangs erläutern und eben auch Alternativen aufzeigen. Wenn das nichts hilft, hilft nur der Gang zu Polizei und eine Anzeige.

Es ist ein Elend, daß man solche Vorschläge überhaupt machen muß. Aber gestern hatte ich wieder so eine Begegnung mit einem eigentlich sehr netten Deutsch-Kurzhaar-Rüden. Der möchte einfach zu vorbeigehenden Hunden „Hallo“ sagen, was natürlich nicht immer unproblematisch ist, wenn das ebenfalls Rüden sind. Und sowie er sich dem Zaun nähert, bekommt er eine geknallt. Die Halter waren weggefahren und hatten das Tor aufgelassen, der Hund traut sich schon nicht raus, wenn er so ein Ding umhat, oder? Der arme Kerl hat den Schlag in Kauf genommen, nur um mit unseren Hunden Konakt aufnehmen zu können. Das Anwesen ist in unserem Dorf und die Leute haben lieber einen aufwendigen Zaun gebaut für viel Geld, als einfach mal für ein paar Euro bei mir um Rat zu fragen.

Und da ist mir der Kragen geplatzt. Gute Nachbarschaft hin oder her, da hört der Spaß auf. Immerhin lag er dann heute ohne dieses Marterding im Garten. Aber beim nächsten Mal, wenn er es dran hat, gibt es eine Anzeige. Und wenn die im Sand verläuft, eben die nächste, und so weiter und so weiter.

Ich bin eine sehr friedfertige Person und drücke schon mal die Augen zu, wenn meine Kunden mit solchen Dingern hier ankommen – Hauptsache, sie fahren ohne das Teil wieder weg. Denn ich setze doch lieber auf Argumente als auf Streit. Wenns allerdings nichts hilft, dann muß man eben auch mal die Kanonen auffahren. Der Hund kann sich nicht wehren und wir den armen Kerlen nicht helfen, wer soll es denn dann tun?

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Kein Virus!

Liebe Leser,

einige nicht so ausgefeilte Virenscanner stufen ein Script des Blogs, das zu den normalen Funktionen gehört, als Virus ein. Das ist sehr misslich, aber leider nicht zu ändern. Von diesem Script besteht keine Gefahr für Sie als Nutzer. Das Blog wird ständig überwacht, zum einen vom Webhoster selbst (Server) und zum anderen von mir mittels Norton, sowohl serverseitig als auch aus Benutzersicht.

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Anleitung für alle, die mit Hunden flüstern und tanzen möchten

von Ute Rott – Forsthaus Metzelthin

Einfach mit Hunden zu leben ist nicht mehr angesagt. Man muß sich schon irgendwie aus der Masse hervorheben und richtig gut ist es, wenn man andere dann mit seinen Ideen beglücken kann. Das geht relativ einfach. Hier können Sie nachlesen, wie Sie das ganz locker hinkriegen.

Man nehme die eigene Biografie, konstruiere aus – eigentlich – ganz gewöhnlichen Hundebeziehungen eine für andere ausgefallene Beziehung und daraus die einmalig supertolle und nur bei mir erhältliche Methode im Umgang mit Hunden. Das kann etwa die eigene Herkunft aus einem Land sein, in dem mit Hunden eher kernig umgegangen, also nicht viel Federlesens gemacht wird, das kann aber auch die Aussteigerkarriere sein, die einen in irgendeinem abgelegenen, weltfremden Dorf mit Hunden zusammengebracht hat, deren Leben mit dem Hundeleben z.B. in einer deutschen Großstadt nicht viel zu tun hat. Irgendwelche Grundkenntnisse allgemeinerer Art wie z.B. über Ausdrucks-, Sozial- oder Aggressionsverhalten oder gar Beschwichtigungssignale sind nicht zwingend erforderlich. Ebenso muß man nicht mal ansatzweise genauere Kenntnisse von rassetypischen Eigenschaften vorweisen können, denn man selber ist so supergut und offen um Umgang mit Hunden, daß die einem eh alles erzählen. Wozu muß ich da den Unterschied zwischen einem Jagd- und einem Hütehund kennen?

Ganz gut ist auch noch, wenn man pauschal behauptet, man hätte „Hundepsychologie“ studiert. Die zugehörige Uni muß man nicht angeben. Dürfte vermutlich schwer fallen, da es die meiner bescheidenen Kenntnis nach auch nicht gibt. Fortbildungen sind sowieso überflüssig, selber ist man so überragend, daß der Rest der Welt zu mir kommen muß, nicht ich anderen – angeblichen – Fachleuten nachlaufen muß.

Dann ist von großem Vorteil, wenn man ominöse Promis zitiert, die man aber nicht beim Namen nennen möchte, da die das nicht wollen. Versteht jeder, schließlich wollen die auch mal Privatleben. Wichtig ist: man hat ihnen endlich geholfen, mit ihren Vierbeinern klar zu kommen, und erhält dafür ungeheure Summen Geldes, die gewöhnlichen Trainern die Augen tropfen lassen. Das muß man natürlich erwähnen, sonst bringt es nix.

Falls man keine Promis zur Verfügung hat, nennt man eine gewaltige Zahl an Hunden, mindestens vierstellig, mit Hinweis auf bald fünfstellig, die man alle nachhaltig und großartig therapiert hat. Dabei muß man sich nicht davon irritieren lassen, daß rein rechnerisch diese Zahl nicht realisierbar ist, z.B. 6.000 Hunde in 12 Jahren hört sich super an. Rechnet eh keiner nach.

Und schließlich hebt man sich aus der Masse der anderen Hundetrainer noch hervor, indem man mit den Hunden tanzt oder flüstert oder beides. Dies untermauert man mit dekorativen Fotos – so man selber fotogen ist -, in denen man anmutig mit seinen Wauwis durchs Wasser hopst oder auf denen eindrucksvoll demonstriert wird, wie man 20 und mehr Hunde durch die Lande jagt, und die trauen sich nicht, einen zu überholen. Sehr beeindruckend sind auch Bilder, bei denen Hunde sich vor einem auf den Rücken legen, angeblich einfach so, weil man selber das jetzt möchte. Der Vorteil an Fotos ist nämlich, daß man nicht riechen kann, wenn der Hund sich vor lauter Angst vollpißt.

Wenn man jetzt noch einen Gleichgesinnten findet, der auch flüstert und / oder tanzt, und sagen kann: der / die macht das auch ganz toll, dann nehme ich mir den als Vorbild, dann spart man sich den Hinweis darauf, daß die anderen Nulpen sind. Das ist hiermit klar.

Sehr hilfreich sind gute Kontakte zu den Medien. Dabei kann einem nützen, daß man die eigenen Hunde so dermaßen unter Kontrolle hat – die also schon fürs Atmen einen Antrag stellen -, daß die Medienkumpels, die nicht soo viel Ahnung haben, einfach nur beeindruckt sind und sofort einen Riesenwirbel um einen machen.

In seinen Veröffentlichungen muß man nicht allzu zimperlich sein. Man kann sich etwa seitenlang drüber auslassen, daß alles das, was man Hunden so antun kann, gar nicht soo schlimm ist, man muß es nur richtig anwenden. Dann werden Stromreizgeräte und Würgeketten auf einmal zum lieblichen Dekor. Auch die Erwähnung irgendwelcher Fachausdrücke machen sich gut. Selbst wenn man selber keine Ahnung hat, daß Konditionierung von Kondition (= Bedingung) kommt, kann man einfach so tun, als hätte das mit Konditorei zu tun. Und damit arbeitet man nun wirklich nicht, wenns um Hunde geht.

Einer wichtigsten Begriffe ist das Wort „E N E R G I E“. Weils so wichtig ist, habe ich es groß geschrieben, damit es keiner überliest. Selbst wenn man eine Ausstrahlung wie ein Henker kurz vorm Zuschlagen mit dem Hackebeil oder wie eine Domina beim Straffziehen der Fesseln hat, ist die Energie, die man auf den Hund ausstrahlt so dermaßen positiv, daß der Hund gar nicht anders kann, als alles zu tun, was man möchte. Ein gleichbleibend kühles Lächeln hat sich als sehr überzeugend erwiesen. Energie ist einfach überhaupt gut, per se gewissermaßen. Das erklärt dann auch wieder, warum sich die Hunde in der Nähe genau dieser Supertrainer – Entschuldigung, Flüsterer und Tänzer so besonders wohl fühlen.

Ein weiterer wichtiger Begriff, den man wirklich nie vergessen darf, ist „Kontrolle“. Kontrolle ist ganz was schreckliches, vor allem wenn Hunde kontrollieren. Menschen dürfen das. Menschen dürfen Hunde kontrollieren von der Wiege bis zur Bahre, das ist erlaubt. Wenn Hunde das auch möchten. dann haben sie leider den falschen Lebensweg gewählt. Wären sie doch einfach Menschen geworden, aber vermutlich sind sie einfach noch nicht auf dem richtigen Level. Also: Hunde dürfen uns nie und nimmer kontrollieren, ganz egal, was wir mit ihnen machen, ganz egal, was sie hinter sich haben, ganz egal, ob das ein Grundbedürfnis ist oder nicht. Hunde haben die Kontrolle abzugeben, und zwar zuerst z.B. an die Tänzerin und dann an den zugehörigen Menschen. Das heißt dann: „ich übernehme jetzt die Verantwortung“. Da freut er sich aber, der Bello und kann sich endlich mal richtig entsapnnen.

Nicht vergessen: es gibt viele Menschen, denen es ziemlich egal ist, was ein Hund so zum Leben braucht. Die einfach ein Leben gemäß der herrschenden Regel „fit for fun 24 hours a day“ leben möchten, und da gehört eben ein Hund dazu, Macht nix, wenn das für den nicht so toll ist, holt man sich eben die Tänzer und Flüsterer ins Haus. Die kriegen das dann prima hin, und noch dazu artgerecht, fachlich korrekt und garantiert gewaltfrei. Genau: gewaltfrei sind wir alle, das ist ja logisch, sonst würden die Hunde ja leiden, oder? Wer so eine Einstellung hat, ist der ideale Kunde für alle Tänzer und Flüsterer.

Sie glauben nicht, daß das klappt? Dann sehen Sie sich mal um und überprüfen Sie sich doch mal selber. Wie oft haben Sie in der letzten Zeit eine Sendung über so einen Superprofi gesehen und waren schwer beeindruckt? Wie oft haben Sie hinterfragt, warum dessen Methoden eigentlich funktionieren? Wie oft haben Sie überprüft – oder überpüfen können – wie nachhaltig das alles ist?

Und jetzt noch eine Kleinigkeit zum Nachdenken: warum ist es ausgerechnet bei Hundetrainern so, daß man laut verkünden darf, keine Ausbildung zu haben, sich alles aus den Fingern zu saugen, daß man lauthals seine Unkenntnis des kleinen Einmaleins rausposaunen darf, und das gilt dann als Kompetenz?

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Jetzt mach ich alles richtig!

Von den Schwierigkeiten, in einer Fehlergesellschaft zu leben

von Ute Rott – Forsthaus Metzelthin

Dieser Artikel handelt nur indirekt von Hunden. Vielmehr geht es hier darum, daß Menschen und Hunde unter einem gesellschaftlichen Phänomen leiden, das uns von der Wiege bis zur Bahre beherrscht: wir dürfen nichts falsch machen. Das äußert sich bei Hundehaltern, die mit ihrem Welpen in die Hundeschule kommen, in dem Satz: Bei diesem Hund möchte ich alles richtig machen.

Eigentlich ist das ja eine schöne Aussage, aber man sollte sie doch etwas genauer unter die Lupe nehmen. Denn was steckt dahinter? Etwa: bisher habe ich alles (!) falsch gemacht? Oder: ich darf ja nichts falsch machen, denn sonst….. ja was passiert denn sonst? Geht dann die Welt unter oder stirbt der Hund oder ist er „total versaut“? Oder was?

Die erste Frage, die sich mir bei diesem Satz stellt, ist: Geht das überhaupt, alles richtig und nichts falsch machen? Egal worum es sich handelt? Nehmen wir einmal an, jemand hatte eine Vorliebe für eine bestimmte Rasse und holt sich nach dem Tod der geliebten Pelznase wieder einen Vertreter dieser Rasse ins Haus. Auch wenn er fast identisch aussehen sollte wie sein Vorgänger, was bei manchen Rassen ja möglich ist, hat er mit Sicherheit nicht den gleichen Charakter. Selbst Wurfgeschwister sind sehr unterschiedlich, wie sollten es da nicht Hunde von verschiedenen Eltern sein. Und schon steht man vor dem Problem: was bei Hund Nr. 1 ein Riesenthema war, ist bei Hund Nr. 2 überhaupt keins. Aber was bei Hund Nr. 1 nie zur Sprache kam, ist bei Hund Nr. 2 ein Hauptthema, z.B. wenn einem eingeredet wird, man müsse unbedingt und unter allen Umständen diesen Hund optimal auslasten, sonst gibts mit Sicherheit ein Problem. Und schon hat man den Salat. Das zufriedene Leben, das man bisher mit seinen Hunden geführt hat, gilt plötzlich als fehlerhaft, weil es einfach nicht zu den Anprüchen passt, die heutzutage an Hunde und ihre Menschen von außen gestellt werden.

Gehen wir mal von Hunden weg und denken an unsere Schulzeit. Wer Kinder hat, erlebt solche Dinge akutell. Ganz einfaches Beispiel: in der Grundschule wird ein Diktat von 100 Wörtern geschrieben und in 10 davon ist irgend ein Fehler, z.B. „das“ anstatt „dass“, oder „siht“ anstelle von „sieht“. Sicher, das sollte irgendwann klappen, aber: entstellen solche Fehler einen Text so sehr, daß er unverständlich wird? Vor allem: 10% sind fehlerhaft, 90% richtig und trotzdem gibt es vielleicht ein „befriedigend“, evtl. sogar nur ein „ausreichend“, also eine 3 oder 4. Wie gesagt: der Text ist verständlich und 90 % sind richtig und 90% sind doch ein Haufen Zeug. Um wieder zu den Hunden zurückzukehren: wenn Sie mit Ihrer Pelznase den Rückruf trainieren und bei 90 % klappts, dann ist das großartig und wir feiern das als großen Erfolg.

Und jetzt wieder ein Beispiel aus der Schule: Viele Menschen meinen, Notenschwankungen gäbe es nur in Fächern wie Deutsch oder Kunst, da hier sehr viel subjektiv bewertet wird. Bei Mathe ginge das gar nicht. Doch, es geht: der eine Lehrer legt großen Wert auf den richtigen Weg, der andere sagt: Hauptsache, das richtige Ergebnis kommt raus. Der nächste will alles haargenau so, wie er es machen würde, der nächste legt Wert darauf, daß die Schüler eigene Wege finden…… Das Ende vom Lied ist: wir sind ständig bemühlt, Fehler zu vermeiden, die von anderen als Fehler definiert wurden, anstatt zu versuchen, die für uns richtigen und einfachen Wege zu gehen. Und das kostet ordentlich Energie, die man ganz woanders brauchen könnte. Das wird in der Schule gründlich konditioniert, in der Berufsausbildung verfestigt und in der Arbeitswelt häufig regelrecht zur Perversion getrieben. Beispiel aus meiner Arbeitswelt: Als Druckingenieur war ich in einer Firma zuständig für die Papierbestellung. Es handelte sich um eine Volumen von ca. 1 Million DM pro Jahr. In 3 Jahren habe ich einmal eine falsche Bestellung vorgenommen, das Papier konnte anderweitig verwendet werden und wir konnten rechtzeitig das richtige nachbestellen. Als ich meinen Chef davon informierte, dachte ich, er reißt mir den Kopf ab. Wie gesagt: 1 x in 3 Jahren bei einem Volumen von 1 Million DM pro Jahr.  Mal ganz ehrlich: da fragt man sich doch, ob im Oberstübchen noch wer zu Hause ist, oder?

Und jetzt zurück zu den Hunden: Anstatt darauf zu achten, was Hunde richtig machen, suchen wir ständig nach Fehlern und machen ihnen damit das Leben unnötig schwer. Das kann sich so äußern:
Hund wird abgerufen, wenn er da ist, wird er weder gelobt noch belohnt. Und warum? Er kam nicht schnell genug, er hat unterwegs geschnüffelt, er sitzt nicht vor…………… MannMannMann…. Anstatt nachzudenken, warum er das jetzt so gemacht hat und wie wir das gemeinsam nächstes Mal besser hinkriegen, bekommt der Hund den Fehler zugeschoben. Und Mensch wundert sich, warum es einfach immer schlechter wird, bis Bello gar nicht mehr kommt und auch keine Lust auf irgendeine Form von Zusammenarbeit hat. Oder ein ganz extremer Fall: „Lob deinen Hund, er hat doch alles ganz toll gemacht!“ „Ja, aber gestern…. und was, wenn er es morgen nicht macht?“ Glauben Sie ja nicht, daß ich mir das aus den Fingern sauge. Das sind alles Beispiele aus meinem Alltag.

Oder: Hund wird abgerufen, kommt auch freudig, setzt sich aber nicht hin. Schon geht die Diskussion los: „sitz hab ich gesagt!“.  Und wieder wird er nicht belohnt und schon gar nicht gelobt. Hat sich ja nicht hingesetzt. Das ist wie bei 90% richtig und 10% falsch, wobei falsch auch hier eine Interpretationssache ist, oder? Schließlich ist es gar nicht notwendig, daß er sitzt. Die Anweisung lautete: komm zu mir. Und wenn ich einfach beschließe, es reicht, wenn Bello kommt und sich kurz bei mir meldet? Dann muß er sich gar nicht hinsetzen und plötzlich geht das alles viel einfacher und besser. Und: die Fehlerquelle ist weg. Hat sich einfach in Luft aufgelöst.

Bei allen Ansprüchen, die man an seine Hunde stellt, sollte man immer mal überlegen, wo sie herkommen, ob sie tatsächlich sinnvoll sind für mich und meinen Hund, ob wir nicht besser anders klar kommen und ob mein Hund das alles so braucht. Wenn mein Nachbar ein wilder Verfechter des absoluten Gehorsams ist und mich und meine Pelznase permanent kritisiert, weil meiner Süßer eben nicht wie eine Maschine beim Spaziergang perfekt „bei Fuß“ läuft, sondern wie jeder normale Hund mal hier mal da schnüffelt, dann ist das doch nicht unser Fehler sondern sein Problem und leider auch das seines Hundes.

Denn ein wichtiger Punkt bei dieser ständigen Suche nach Fehlern, die man vermeiden muß, ist: wer legt denn fest, was falsch ist und was richtig? Wenn ich gerne Spaghetti mit Tomatensoße esse, ist es dann falsch, wenn mein Nachbar lieber Schnitzel mit Bratkartoffeln mag? Wenn mein Mann zum Frühstück Kaffee trinkt, ist es dann falsch, wenn ich grünen Tee mag? Wenn der eine Hund ein begeisterter Mantrailer ist, ist dann der andere ein Versager, wenn er lieber Couchpotato spielt?

Wir akzeptieren automatisch, daß andere für uns Richtlinien aufstellen und festlegen, was richtig und was falsch ist und halten uns daran. Ohne zu überprüfen, ob das für uns – und unsere Hunde – stimmt. Einem Hund würde das nie einfallen, daß er uns mit Maßstäben mißt, die andere Hunde aufgestellt haben. Es ist einfach unfair, solche Anprüche an unsere vierbeinigen Freunden zu stellen: ich möchte alles richtig machen und du mußt da mit, egal ob es für dich gut ist und egal, ob du das kannst oder möchtest.

Kleiner Tipp zum Schluß: man kann wunderbar den aufrechten Gang und freundliches Selbstvertrauen üben, wenn man sich von „richtig und falsch“ verabschiedet und für sich und seinen Hund seinen eigenen Weg sucht. Und wenn man dann noch in der Lage ist, irgendwelchen angeblichen Spezialisten und Experten freundlich mitzuteilen „du hast recht und ich meine Ruhe“, dann ist man auf dem besten Weg, die Fehlergesellschaft zu verlassen. Deshalb macht man immer noch nicht alles richtig, aber wer kann das schon?

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Kastration & Sterilisation beim Hund

 Dr. Michael Lehner, Clarissa von Reinhardt, animal learn Verlag

Über Kastration bei Hunden wird viel und sehr emotional aufgeladen diskutiert. Während Eberferkel der besseren Genießbarkeit wegen ohne Narkose und Schmerzbehandlung generell kastriert werden, unkastrierte Hengste in den meisten Pferdeställen nicht akzeptiert werden und kein Mensch einen unkastrierten Kater in der Wohnung halten möchte, meint man manchmal, die Welt geht unter, wenn man auch bei Hunden für Kastration ist.

Dr. Michael Lehner und Clarissa von Reinhardt haben sich die Mühe gemacht und eine große Anzahl von Studien, Doktorarbeiten und Veröffentlichungen zu diesem Thema zu untersuchen und auszuwerten. Parallel dazu haben sie eine eigene Studie durchgeführt, bei der von 1.271 ausgefüllten Bögen 1.121 ausgewertet werden konnten. Das Ergebnis dieser Auswertungen, sowie ihrer beider Erfahrung als Tierarzt, bzw. Hundetrainerin und langjährige Halterin großer Hundegruppen liegt uns jetzt als Buch vor: Kastration & Sterilisation beim Hund.

Die Autoren halten nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg, daß sie in den meisten Fällen Kastration für sinnvoll und notwendig halten, um Hunden ein gutes Leben zu sichern. Trotzdem schaffen sie es überzeugend, Vor- und Nachteile von Kastration sachlich und fachlich korrekt zu erläutern, und gut darzustellen in welchen Situationen eine Kastration nicht sinnvoll ist oder den gewünschten Effekt nicht bringt, bzw. gar nicht bringen kann, z.B. zur Eindämmung des Jagdtriebes. Medizinische Aspekte wie die verschiedenen Möglichkeiten der Kastration bei Rüde und Hündin mit ihren Vor- und Nachteilen, der Unterschied zwischen Kastration und Sterilisation, Hormonhaushalt, Wirkung von Hormonen, die Geschlechtsorgane und der Sexualtrieb, Verhaltensänderungen, bzw. normales Verhaltensrepertoire von Hunden und vieles mehr wird detailliert und genau erläutert, so daß sich auch ein interessierter Laie, der sich über dieses Thema sachlich informieren möchte, gut beraten fühlen kann.

Ein sehr wichtiges Kapitel ist das Kapitel „Gesetzeslage und der Tierschutz“. Hier wird klargestellt, daß man sich auf keinen Fall strafbar macht, wenn man seinen Hund kastrieren läßt. Kastration zur Unterbindung der unerwünschten Fortpflanzung ist eindeutig erlaubt. Diese klare Aussage wird vielen Hundehaltern helfen und ihnen ihr schlechtes Gewissen nehmen, das ihnen von Leuten eingeredet wird, die z.B. kein Problem haben, Schweinefleisch von kastrierten Ebern zu verzehren.

Sehr genau gehen sie auf die vielen Vorurteile und Irrtümer über kastrierte Hunde ein und widerlegen sie klar und deutlich. Am meisten hat mich persönlich dabei beeindruckt, daß Frühkastration ganz offensichtlich nicht die negativen gesundheitlichen und psychischen Auswirkungen hat, von denen die meisten ausgehen. Als beeindruckende Zeugin bringen sie einen Erfahrungsbericht einer italienischen Tierärztin, die mit der Frühkastration von Welpen angefangen hat, um eine unkontrollierte Vermehrung von Hunden aus dem Tierschutz zu unterbinden. Dorothea Friz hat selber über 2.000 Welpen kastriert, in ihren Bericht fließen Erfahrungen aus ca. 30.000 (!) Frühkastrationen einen. Von den 2.000 Hunden, die sie selber operiert hat, hatte sie zu vielen Besitzern auch nach der Abgabe noch lange Kontakt, da sie in ihrer Praxis Kunden blieben. Sie konnte deshalb die Entwicklung der Hunde gut beobachten und viele Irrtümer durch eigene Erfahrungen beheben.

Es werden auch einige Beispiele gebracht, wie kompliziert und teilweise gefährlich es sein kann, mehrere unkastrierte Hunde in einer Gruppe zu halten. Das gilt nicht nur für Hunde im Tierschutz, die sowieso schon extremem Stress ausgesetzt sind und zudem im Tierschutz landen, weil sie „überflüssig“ waren, sondern auch für Hundegruppen in Privathand. Wir selber mußten unseren Rüden kastrieren lassen, da immer wieder Hundebesitzer mit hochläufigen Hunden bei uns Urlaub machten oder in die Hundeschule kamen. Die Folge waren schwere Probleme mit der Prostata und den Analdrüsen. Die Schmerzen, die ihm dadurch entstanden, bewirkten, daß er unleidlich, unfreundlich und auch uns gegenüber immer wieder aggressiv wurde. Mit der Kastration verschwanden die Schmerzen und ebenso die dadurch verursachten Verhaltensprobleme. Wie muß es da erst Rüden gehen, die in der Zeit der Läufigkeit von ihren Gefährtinnen getrennt werden? Wir haben daraus den Schluß gezogen, daß wir heute fast jeden Rüden kastrieren lassen würden, der bei uns einzieht.

Die Auswertung ihrer eigenen Studie mit allen Fragen und den entsprechenden Antworten ist ebenfalls beeindruckend. Eine große Anzahl unterschiedlicher Rassen wird aufgeführt und ca. 90% aller Hundehalter, die an der Studie teilnahmen, würde ihre Hunde wieder kastrieren lassen. Dies widerspricht allen gängigen Aussagen von Kastrationsgegnern.

Das Buch ist rundum empfehlenswert, gut aufgemacht und übersichtlich gegliedert. Ich kann es nur allen ans Herz legen, die sich irgendwie mit dem Thema befassen. Es kann für jede Entscheidung eine Hilfe sein: dafür oder dagegen. Und es nimmt einem die Angst vor der Kastration. Der Meinungsmache, die mit größtenteils unhaltbaren Argumenten arbeitet, wird hier eine fundierte und nachprüfbare Arbeit entgegengesetzt, die – so hoffe ich – viel Beachtung finden wird.

Kastration & Sterilisation beim Hund, Dr. Michael Lehner, Clarissa von Reinhardt, animal learn Verlag,
ISBN 978-3-936188-63-9, E 19,00

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Warum Strafe nix bringt!

Es gibt jede Menge Hunde, wahrscheinlich die überwiegende Mehrheit, die mit Strafe erzogen werden. Das Ergebnis ist ein mehr oder weniger gehorsamer Hund, mehr wenn der Besitzer oder der Trainer in der Lage ist, die Strafe richtig einzusetzen, weniger, wenn er das eben nicht kann. Bei Strafeinwirkung ist die richtige Dosierung, der richtige Moment und die richtige Strafe noch viel entscheidender, als bei Erziehung über positive Motivation. Positive Motivation bedeutet aber garantiert nicht: ich füge meinem Hund etwas unangenehmes zu und wenn er das unerwünschte Verhalten dadurch unterlässt, gebe ich ihm ein Leckerli. Einen Hund positiv zu motivieren heißt: für erwünschtes Verhalten wird eine Belohnung in Aussicht gestellt, die der Hund bekommt, wenn er das richtige macht. Die höchste Motivation ist das, was der Hund jetzt gerade am liebsten möchte, und wenn das nicht geht, etwas anderes sehr begehrtes. Und positive Motivation heißt auch und vor allem: die gestellte Aufgabe ist sinnvoll und interessant, ist für den Hund leicht zu erlernen, wird ihm gut und richtig erklärt und das motiviert ihn enorm zur Zusammen- und Mtarbeit. Denn Hunde sind per se an Zusammenarbeit mit uns interessiert.

Was bedeutet es nun tatsächlich, wenn man über Strafe arbeitet?
„Strafe wird als negative Erfahrung beschrieben, welche die Häufigkeit des Auftretens eines Verhaltens vermindert.“ (Dorothée Schneider, Die Welt in seinem Kopf)

Eine negative Erfahrung kann individuell sehr unterschiedlich sein. Ein sensibler Hund kann schon durch den schiefen Blick seines Menschen durcheinander geraten, aber es gibt beispielsweise extrem jagdtriebige Hunde, die trotz Einsatz eines Stromreizgerätes (Teletackt) auf höchster Stufe mit Feuereifer hinter einem Reh oder Hasen herjagen. Wie Ihr Hund auf eine Strafe reagiert, wissen Sie erst, wenn Sie ihn bestraft haben.

Folgende Möglichkeiten haben Sie, wenn Sie Ihren Hund mit Strafe erziehen wollen:
– Leinenruck
– Nackenschütteln
– schlagen, treten, würgen
– Einsatz von Ketten- und Stachelwürgern
– Sprühhalsband
– Teletackt
– Isolierung, Vereinsamung
– psychische Verunsicherung……

Wie das alles funktioniert, soll hier nicht erklärt werden. Sie sollen nicht lernen, Ihren Hund zu bestrafen, sondern verstehen, warum ich Strafe im Umgang mit lebenden Wesen ablehne. Allerdings möchte ich auf die Punkte richtige Dosierung, richtiger Moment und richtige Strafe näher eingehen und die Nebenwirkungen für Ihren Hund und Sie besprechen.

Beispiel: Ihr Hund ist ein überschwenglicher Menschenfreund. Immer wenn er jemanden sieht, egal ob er ihn kennt oder nicht, freut er sich ein Bein ab und zieht hin wie verrückt. Das ist aber nicht jedermanns Sache, denn manche Menschen mögen keine Hundehaare auf den Kleidern oder sie mögen auch keine Hunde. Und das ist ihr gutes Recht. Also nehmen Sie z.B. einen Kettenwürger, an dem Sie jedesmal rucken, wenn Sie mit Ihrem Bello in eine derartige Situation kommen. Dazu sagen Sie immer laut und unfreundlich: pfui ist das! Ihr Hund kann das jetzt so interpretieren: Immer wenn ein Mensch, den ich eigentlich nett finde, entgegenkommt, wird mein Mensch unfreundlich (pfui ist das) und tut mir außerdem weh. Je nachdem, was Sie für einen Hund haben, kann sich das auf Dauer auswirken wie folgt:

1. Bello bekommt Angst vor entgegenkommenden Menschen und will auf gar keinen Fall vorbeigehen.
2. Bello blickt zwar nicht durch und ist auch verunsichert, aber er merkt, daß Sie nicht wollen, daß er da hingeht.
3. Bello gibt dem entgegenkommenden Menschen die Schuld, daß Sie so unfreundlich werden oder denkt,  Sie haben Angst vor ihm und will ihn verjagen, also fängt er an in die Leine zu springen und zu bellen: hau ab da!
4. Bello ignoriert das alles und Sie greifen solange zu härteren Maßnahmen, bis es endlich funktioniert.

Im ersten Fall bekommen Sie einen ängstlichen, unsicheren Hund, der sich nichts mehr zutraut, im zweiten einen verunsicherten, der aus Angst folgt, im dritten einen angstaggressiven und im vierten können Sie sich überraschen lassen, wie er Ihre Strafaktionen irgendwann beantwortet. Sicher nicht mit wachsender Menschenliebe.

Erinnern Sie sich bitte an die Definition, die am Anfang steht. Sie möchten Ihren Hund dazu bringen, daß er etwas nicht mehr tut, wenn er es trotzdem tut, bestrafen Sie ihn. Strafe, wenn sie wirksam ist, hat aber den biologischen Sinn, daß der Hund entweder aus dieser Situation flieht oder sie in Zukunft meidet. Ein wirkliches Alternativverhalten lernt er dadurch nicht. Denn ein alternatives Verhalten wäre in unserem Beispiel, das was Sie sich wünschen: er geht an Menschen ruhig vorbei.

Im zweiten Fall können Sie davon ausgehen, daß Sie im richtigen Moment die richtige Dosierung angewendet haben und auch die Art der Strafe war richtig. Was aber passiert, wenn Sie beim nächsten Menschen vorbei gehen, einen Moment nicht aufpassen und Bello hechtet wieder hin, ohne daß Sie an der Leine geruckt haben? Dann hatten Sie ein Problem mit dem Timing und Bello Erfolg. Wenn das mehrfach hin und her geht, haben Sie bei einem Hund, der hart im Nehmen ist, ein echtes Problem, Sie haben ihn dann nämlich variabel bestärkt und das ist die beste Belohnung, die es geben kann. Sonst würden nicht so viele Menschen Lotto spielen. Ihr Hund lernt evtl. sogar zu erkennen, wann Sie aufpassen und wann nicht. Unabsichtlich haben Sie somit seine Intelligenz geschult, aber das was Sie ihm beibringen wollten, hat er nicht gelernt.

Wenn Sie einen eher feinfühligen Hund haben, dann wird der sehr verunsichert sein und nach dem System suchen, das diesen schmerzhaften Leinenruck und den unfreundlichen Ton auslöst. Und schon haben Sie die schönsten Fehlverknüpfungen, die bei manchen Hunden bereits nach der ersten Anwendung einer Strafe auftreten können: z.B. ist im gleichen Moment ein Kind vorbei geradelt, eine Mutter hat ihr Baby, das gerade schreit, vorbei geschoben, ein Flugzeug erschien am Himmel….. Und aus Gründen, die Sie überhaupt nicht nachvollziehen können, ist Ihr Hund in Zukunft beim Anblick eines Kindes auf dem Fahrrad, einer Frau mit Kinderwagen, wenn ein Kind schreit oder bei jedem Brummgeräusch je nach dem ängstlich oder aggressiv oder beides. Es kann Ihnen passieren, daß er, vor lauter Angst wieder bestraft zu werden, in solchen Fällen alle Tätigkeiten einstellt. Vielleicht wird er aber auch richtig aggressiv gegenüber jedem, der von vorn kommt. Denn in seinen Augen ist der von vorn kommende derjenige, der den Ganzen Stress auslöst.

Sie wollten aber einen Hund, der ruhig an Passanten vorbeigeht.

Wenn Sie sich überlegen, daß meine freundlichen Methoden nicht so toll funktionieren und ja viel zu lange dauern und Sie doch einmal Strafen austesten möchten, dann sollten Sie sich vorher folgende Fragen stellen:
Bin ich in der Lage, immer sofort zu Beginn des unerwünschten Verhaltens strafend einzuwirken, also genau in dem Moment, in dem mein Hund auch nur daran denkt, jetzt sofort etwas Unerwünschtes zu tun?
Bin ich in der Lage, ungewollte Fehlverknüpfungen der Strafe mit allen vorhandenen Umweltreizen auszuschließen und ihnen auch künftig auszuweichen?
Bin ich in der Lage, meinen Hund zukünftig lückenlos zu überwachen und jedes unerwünschte Verhalten immer im richtigen Moment und in der richtigen Dosierung zu bestrafen?

Ich kann für mich diese Fragen im besten Fall mit „zu 50%“ beantworten, und vermutlich bin ich genauso wenig wie Sie in der Lage meinen Hund lückenlos zu überwachen. Wenn Sie aber mit Strafe arbeiten wollen, dann müssen alle Voraussetzungen erfüllt sein, nicht nur eine oder zwei, sondern ALLE!

Strafe erzeugt Stress, und Stress mindert die Denk- und Leistungsfähigkeit. Die Energie, die Ihr Hund braucht, um sich auf die Vermeidung der Strafe zu konzentrieren, fehlt ihm bei der Bewältigung der gestellten Aufgabe. Und Stress im Hundetraining fördert mit Sicherheit auch nicht die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Hund.

Außerdem sollten Sie sich überlegen, ob es ethisch vertretbar ist, ein anvertrautes Lebewesen so zu behandeln, daß Negativfolgen eigentlich unabwendbar sind. Wenn Sie ein unerwünschtes Verhalten ändern wollen, dann Sie müssen genauso auf Ihren Hund aufpassen und auf zu erwartende Reaktionen gefaßt sein, aber Sie gehen freundlich mit ihm um, Sie achten auf das, was er richtig macht und suchen nicht nach Fehlern, Sie zeigen ihm gegebenenfalls einen Ausweg und zum Schluß können Sie ihn belohnen. Sie können sicher sein, daß Sie sich dann selber wesentlich besser und glücklicher fühlen, wenn Bello und Sie z.B. oben beschriebene Situation positiv gemeistert haben.

Leider leben wir in einer Welt, in der wir immer bevorzugt die Fehler beachten und diese dann korrigieren. Zumindest versuchen wir es. Das wird Thema eines anderen Artikels sein. Aber überlegen Sie doch mal: könnte es nicht einfacher – und angenehmer – sein, mehr auf das achten, was Ihr Hund richtig macht? Als nur darauf zu achten, was er falsch macht und ihn dann dafür zu bestrafen?

von Ute Rott – Forsthaus Metzelthin

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Halsband und Probleme mit der Körpersprache

von Ute Rott – Forsthaus Metzelthin

Eigentlich sollten gar keine Zweifel bestehen nach allem, was man mittlerweile weiß. Und es ist auch schon lange Konsens, daß Brustgeschirre wesentlich gesünder für Hunde sind als Halsbänder. Trotzdem werden nach wie vor Hunde am Halsband geführt und – was mich am meisten wundert – auch manche KollegInnen, die gut und ordentlich mit Hunden umgehen, haben auf ihren Internetseiten überwiegend Hunde mit Halsbändern. Das sind in der Regel breite und weiche Halsbänder, keine Würger, keine Stachler und soweit ist das ja auch gut. Aber neben ernsthaften gesundheitlichen Problemen, die durch fast alle Halsbänder hervorgerufen werden können, gibt es auch Verhaltensprobleme, die ich hier näher beleuchten möchte.

Ich setze voraus, daß meine Leser wissen, wie sich das Führen am Halsband auf den Körper des Hundes negativ auswirken kann. Wer das nicht weiß, kann hier: http://www.forsthaus-metzelthin.de/brustgeschirr.html nachlesen.

Viele Hunden laufen auf dem eigenen Grundstück oder im Haus ohne Brustgeschirr rum, und das ist auch gut so.  Für den Hund ist das wesenlich angenehmer, wenn er mal „nackig“ ist. Allerdings legen manche Leute ihren Hunden ein Halsband um, um ihn z.B. sofort halten zu können, wenn jemand kommt oder klingelt oder vorbeifährt…. in Situationen also, in denn der Mensch die Kontrolle behalten möchte. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn nicht genau dieser Griff ins Halsband häufig ernsthafte Probleme erzeugen würde. Und das geht so:

Es meldet sich jemand am Gartentor, Hund läuft hin und bellt, nicht unbedingt unfreundlich, eher so: „Hallo, hier ist jemand! Kann mal jemand kommen und nachschauen?“ Mensch geht hin und möchte den Besucher hereinlassen. Damit der vom Hund ungehindert hereinkommen kann, hält er diesen am Halsband fest. Damit bringt er ihn aber in Imponierstellung und ändert automatisch den Gemütszustand des Hundes. Es kann passieren, daß von jetzt auf gleich der Hund völlig ausrastet und zu dem Besucher nur noch unfreundlich ist. Wenn man diese Aktion öfter durchzieht, kann sich das so entwickeln, daß er Besucher überhaupt nicht mehr leiden kann. Warum ist das so?

Stellen Sie sich vor, Sie beschreiben jemanden, wie Sie sich in dieser oder jener Situation gefühlt haben. Automatisch – selbst wenn Sie nur telefonieren – nehmen Sie eine Körperhaltung ein, die diesem Gefühl entspricht. Versuchen Sie mal in begeistertem Ton zu sagen: heute ist aber tolles Wetter! während Sie schlapp dasitzen, einen Buckel machen und die Schultern hängen lassen. Wenn Sie diesen Satz wirklich so empfinden, dann richten Sie sich automatisch auf und straffen den Körper. Umgekehrt funktioniert das auch.  Wenn Sie wirklich unglücklich sind, dann sieht man das an Ihrer Körperhaltung. Und wenn Sie versuchen, das zu überspielen, merken das Ihre Mitmenschen. So funktioniert Körpersprache: Gefühl und Ausdruck stimmen überein.

Wenn Sie Ihren Hund jetzt am Halsband nehmen und festhalten, er also dadurch den Kopf aufrichten muß, ist das genau die Körperhaltung, die er einnimmt, wenn er jemandem imponieren oder sogar drohen möchte: dann macht er sich groß und imposant. Das tut er aber nur, wenn er davon überzeugt ist, daß von seinem Gegenüber irgendeine Gefahr ausgeht. Wo besteht aber in diesem Moment- ein Bekannter möchte Sie besuchen – irgendeine Gefahr? Das einzige, was Sie jetzt möchten, ist, daß Ihr Freund vom Hund unbehindert hereinkommen kann. Und mit Ihrer Aktion bringen Sie ihn dazu, daß er Ihren Freund als Gefahr einstuft. Der Druck auf den Kehlkopf, der auch bei einen breiten, weichen Halsband erfolgt, tut noch ein übriges.

Genau das gleiche passiert, wenn Sie ihn am Halsband kurz nehmen, z.B. wenn Sie an einem anderen Hund vorbeigehen. Jedesmal wirken Sie auf seine Körpersprache ein und hindern ihn daran, das auszudrücken, was er eigentlich möchte, z.B. er findet den Besucher interessant und möchte ihn nur kennenlernen, Den entgegenkommenden Hund findet er etwas schwierig, würde das aber mit den entsprechenden Signalen hinkriegen. Sie verkürzen damit auch extrem seinen Aktionsradius, wenn er also weggehen möchte, weil er den anderen einfach zu stressig findet, dann kann er das nicht mehr. Auch das erhöht seinen Stress und u.U. seine Aggressivität.

Es gibt eine neue Studie, die in den USA zum Thema „Hundehalter verursachen Aggression bei ihren Hunden“, die beweist, wie Menschen die Aggressivität ihrer Hunde negativ beeinflussen, also erzeugen und befördern. Unter anderem kann man das wunderbar damit bewerkstelligenern, indem man seinen Hund über ein Halsband beeinflusst und seine Körpersprache manipuliert.

Ein gut sitzendes Brustgeschirr und eine entsprechend lange Leine, mindestens 3 Meter, geben dem Hund aber genügend Freiraum, so daß er ausweichen kann, wenn er möchte und Sie auch seine Aktionen beobachten und richtig einschätzen können. Im Falls des Besuchs empfiehlt es sich, ein vernünftiges Besuchsritual einzutrainieren, so daß Bello weiß: „wenn jemand kommt und ich ihn gemeldet habe, kommt mein Mensch und übernimmt, ich warte in der Zwischenzeit weiter hinten, denn meine Aufgabe ist erledigt.“ Das ist entspannend für alle Seiten, überzeugt Ihre Pelznase von Ihrer Führungskompetenz und gibt Ihnen die Gewissheit, daß Sie alles richtig machen.

Welche Art von Geschirr empfiehlt sich nun? Nicht alle sind empfehlenswert.

Als unser Mäxchen zu uns kam, hatte er eines dieser Geschirre, die wegen der Sprüche so beliebt sind, die man drauf kleben kann.  Wie man auf dem Foto gut sieht, schnürt dieses Geschirr wegen seiner Machart unter den Achseln ein. Zudem bewirkt der Sattel, daß darunter ein Hitzestau entsteht, zudem liegt der Sattel oft auf den Nieren – dem Stressorgan – auf. Außerdem haben diese Geschirre keinen Gurt, der über die Brust zum Bauchgurt führt. U.U. kann also passieren, daß der Halsgurt hochrutscht und Sie haben den gleichen Effekt wie beim Halsband.

Heute trägt er ein together-Geschirr, das nicht drückt, nicht zwickt und leicht anliegt. Falls er wieder mal zieht – weil die Gänse auffliegen ;o)) – verteilt sich der Druck auf das Brustbein. Zwar kann man nie verhindern, daß auch das die Körpersprache verändert, aber der Einfluss wird auf ein Minimum reduziert.

In Verbindung mit einer genügend langen Leine kann man auch reagieren und ihn abbremsen, noch vor er in den Zug kommt.  Auf dem Bild kann man gut erkennen, daß die Leine ganz locker am Boden schleift und selbstverständlich muß man noch genügend in der Hand haben, damit keine unliebsamen Überraschungen passieren.

Es gibt also keine Gründe, einem Hund ein Halsband umzulegen,  zumindest gibt es keinen einzigen den Hund daran festzuhalten oder daran zu ziehen – außer man kann ihm nur so das Leben retten. Aber das kommt jetzt nicht wirklich häufig vor.

 

 

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Wer passt zu wem? Oder warum auch nicht?

von Ute Rott – Forsthaus Metzelthin

Sich einen Hund ins Haus zu holen, kann verschiedene Gründe haben. Einige sind sehr nachvollziehbar, wenn auch nicht unbedingt logisch. Wem an Hunden nichts liegt, wird nicht verstehen, warum andere ohne Hund einfach unvollständig sind, so als würde ihnen ein Arm oder Bein fehlen. Eine Kollegin, die immer mindestens acht, neun Hunde aus dem Tierschutz hat, beklagte sich, das Haus sei so leer, als einmal nur fünf bei ihr lebten. Nachvollziehbar? Nur für Menschen, die das eben auch so sehen. Aber im großen und ganzen kann jeder verstehen, daß man mit Hunden leben möchte, weil man diese Tiere eben sehr liebt und sich wohler fühlt, wenn mindestens einer um einen herumspringt. So weit, so gut. Aber neben einer großen Zuneigung zu canis lupus familiaris, unserem Haushund, gibt es eben noch viel mehr Gründe und nicht alle sind wirklich gut.

Einer, mit dem ich hier in der Uckermark sehr oft konfrontiert bin, heißt: ein Hund gehört auf den Hof und wir hatten immer einen und werden immer einen haben. Das kann gut sein, kann aber auch nicht. Wenn etwa ältere Menschen, die immer große Hunde hatten, mit diesen gut klar kamen und auch einen guten Umgang mit ihnen pflegten, irgendwann körperlich nicht mehr in der Lage sind, einem jungen, lebhaften Hund einer womöglich großen und aktiven Rassen gerecht zu werden, dann wird es schwierig. Deshalb sollte man sich rechtzeitig, also zu einem Zeitpunkt, zu dem man noch fit ist, überlegen, ob man in zehn oder mehr Jahren, wenn der kleine Welpe ein evtl. pflegebedürftiger, alter Hund geworden ist, ihn auch mal tragen oder aufheben kann, z.B. weil er nicht mehr alleine Treppenbewältigt. Was mit Anfang 50 noch kein Thema ist, kann mit Mitte 60 ein wichtiges sein. Es kann bedeuten, daß man seinen Hund abgeben muß, weil er wegen dem körperlichen Zustand des Menschen nicht mehr bei einem leben kann.

Ähnlich verhält es sich mit Welpen und alten Menschen. Ich bin keine absolute Gegnerin dieser Kombination. Es gibt über 70jährige, die geistig und körperlich beweglicher und belastbarer sind als manch ein 30jähriger. Aber es muß geklärt sein, was mit dem Hund passiert, wenn sein Mensch krank wird, längere Aufenthalte im Krankenhaus anstehen oder aus gesundheitlichen Gründen der Hund eben nicht mehr bei seinem Menschen bleiben kann. Kann dann ein Verwandter oder guter Bekannter den Hund auf Dauer nehmen? Oder kann man sich einen Platz in einem Altersheim oder einer Senioren-WG suchen, wo Hunde erlaubt sind? Wenn man das nicht sicher lösen kann, sollte man entweder – aus Liebe zu den Hunden – auf einen Hund verzichten oder sich einen alten Hund holen, dessen Lebenserwartung überschaubar ist. Das hat den großen Vorteil, daß alte Menschen die Probleme eines greisen Hundes viel besser verstehen und nachvollziehen können, als junge, der alte Kerl bekommt noch eine schöne Zeit und beiden ist geholfen. Wenn das nicht geht, kann man auch Gassigänger im Tierheim werden oder sich z.B. als Hundesitter für Hunde in der Nachbarschaft zur Verfügung stellen.

Allerdings absolut tabu sein sollte allerdings, einem alten Menschen einen womöglich jungen Hund zu schenken, damit die Oma oder der Opa nicht so allein ist. Zum einen trauen sich alte Leute oft nicht, Geschenke abzulehnen, zum anderen sollte man sowieso niemanden ein Lebewesen „schenken“, außer man hat vorher alles abgesprochen und geklärt. Wenn dann so ein alter Mensch mit dem jungen Hund überfordert ist, und das ist sehr häufig der Fall, was passiert dann? Nimmt dann der Schenkende sein Geschenk zurück, ohne beleidigt zu sein? Ohne das „Geschenk“ auf dem schnellsten Weg ins Tierheim zu verfrachten?

Doch es gibt noch mehr „gute“ Gründe für die Anschaffung eines Hundes, die man sich genauer ansehen sollte. Einer davon heißt: ich brauche einen Hund, der mich fordert. Aha. Der Hund soll mich fordern, wie schön. Da gibt es auch meistens ganz genaue Vorstellungen, wie diese Forderungen aussehen sollen: stundenlange Rad- oder Wandertouren, Hundesport wie Agility oder Obidience, Hüteseminare, Nasenarbeit und Apportieren….. und das soll der Hund von seinem Menschen einfordern, einfach so, z.B. weil er ein Border Collie, ein Altdeutscher Hütehund oder ein Labrador ist. Und was ist, wenn die Forderungen des Hundes ganz andere sind? Wenn der Border Collie lieber als Couchpotatoe sein Dasein fristet? Oder wenn sich die Lebensumstände ändern, und man das alles nicht mehr machen kann? Dann erscheinen z.B. Leute bei mir, die fest davon überzeugt sind, daß der 3-jährige, unkastrierte unterforderte Labradorrüde, mit dem  – eigentlich – ganz viel apportiert werden sollte, durch mich ein wunderbares, neues Heim findet, natürlich innerhalb weniger Tage. Und obwohl ja Labis bekanntermaßen genetisch fixiert mit allen Hunden auf der Welt gut klar kommen, kann dieser hier nur mit einem scharfen Leinenruck und kurzer Leine und nur wenn sein Herrchen ihn führt, an anderen Hunden ohne größeren Aufwand vorbeigeführt werden. Leider kann er auch keine Treppen steigen, weil das doch so schädlich ist für Hunde, deshalb hat man das nie gemacht. Abrufen klappt auch nicht immer oder vielleicht doch eher gar nicht, muß ja nicht, man geht ja immer an der Leine, aber nicht so viel und nicht so oft, weil er so zieht. Und das mit dem Apportieren hat leider auch nicht geklappt, da war der Aufwand an Zeit und Geld dann doch zu groß. Wer glaubt eigentlich, daß die Leute nach solchen Hunden Schlange stehen? Auch wenn dieser hier noch so liebenswert ist?

Anzeige für solche Hunde sehen dann ungefähr so aus:
„Wir suchen ein neues Zuhause für unser Bella, der wir leider seit einiger Zeit nicht mehr gerecht werden können, da sich durch die Geburt unseres Kindes unser Leben sehr verändert hat. Sie ist eine drei Jahre alte, reinrassiege Schafspudel, die viel Zeit und Aufmerksamkeit braucht.“
Eine andere Variante ist:
„Mein Name ist Roxy, ein reinrassiger Strobel, also ein Altdeutscher Hütehund. Ich arbeite sehr gerne, nur leider hat mein jetziges Frauchen durch veränderte Lebensumstände keine Zeit mehr für mich und ich muß viel alleine bleiben. Wenn ich groß bin, habe ich eine Schulterhöhe von ca. 60-65 cm und wiege ca. 25-30 Kilo. Eigentlich folge ich sehr gut, bin aber zur Zeit in der Pubertät und da klappt es nicht immer so toll. Meine neuen Besitzer sollten unbedingt mit mir in eine gute Hundeschule gehen…..“
Altdeutsche Hütehunde sind wie alle anderen „aktiven“ Hunderassen oft Opfer dieser Forderung an den Hund, daß er seinen Menschen fordern soll. Nur fragt man sich, warum man beim Kauf der Hündin noch nicht wußte, daß man bald ein Baby haben möchte. Und so eine Überraschung ist es jetzt auch wieder nicht, daß Babys viel Zeit brauchen. Die Ansprüche des Hundes ändern sich aber dadurch nicht, daß jetzt ein neuer Mensch im Haus ist. Und wer für einen Hund, der jetzt in der Pubertät, also vermutlich nicht älter als neun oder zehn Monate ist, keine Zeit mehr hat, der hat nicht wirklich Übersicht in seinem Leben. Weiß man das ca. sechs bis sieben Monate vorher nicht, was auf einen zukommt? Und wenn mein Leben so unsicher ist, was ja keine Schande ist, wie kann ich dann die Verantwortung für einen Hund übernehmen? Noch dazu für einen, der mich fordern soll?

Ein weiterer Grund ist: ich habe mich sofort in diese Rasse verliebt. Kann passieren. Muß auch nicht immer schlecht enden. Als ich das Buch „Herdenschutzhunde“ von Thomas Schoke las, ratterte es immerzu in meinem Kopf: wie bekomme ich so einen Hund in meinem Leben unter? Zu meinem und vermutlich auch zum Glück des Hundes habe ich einen vernünftigen Ehemann. Schon bei der ersten vorsichtigen Anfrage war die klare Antwort: gar nicht. Ja, ich kann mit solchen Hunden und ich finde sie großartig. Ohne meinen Mann wäre sicher schon einer eingezogen. Aber am Anfang hätte dieser Hund überhaupt nicht in unser Leben gepasst und jetzt hätte ich Bedenken, was in zehn Jahren ist…. siehe oben.

Schief geht es oft deshalb, weil die Menschen nicht wirklich eine realistische Vorstellung davon haben, welche Bedürfnisse sehr aktive Rassen wie Hüte- oder Jagdhunde tatsächlich haben. Oder weil sie die Aussagen der Züchter nicht richtig einschätzen, da ihnen die Hintergrundinformationen fehlen. Eine Vermehrerin in unserer Nachbarschaft, die behauptet als Catahoula-„Züchterin“ genau über die Rasse Bescheid zu wissen, vermarktet die Hunde im Internet als „Sport-, Jagd- und Gebrauchshunde mit hohem Energielevel“, an unwissende Kunden verkauft sie sie als „Hütehunde“. Ja, kann man so sehen beim Catahoula, sollte aber nicht mit der Arbeit verwechselt werden, die Hütehunde in Europa leisten. Und schon gar nicht sollten die Ansprüche solcher Hunde unterschätzt werden. So ein Exote kann selbst sehr aktiven Menschen und guten Hundekennern schnell über den Kopf wachsen. Zudem kann eine Eigenschaft, die der Züchter großartig findet, für einen selber zum absoluten Problem werden. Ein Spaniel, der automatisch jeder interessanten Spur folgt und sich für nichts mehr hinter ihm interessiert, ist für einen Jäger ein großartiger Helfer. Für Menschen, die einfach mal im Wald spazieren gehen möchten, ist so ein Hund eine Katastrophe, denn er zerrt ihnen die Schultern kaputt und hat entschieden andere Vorstellungen von amüsanten Waldspaziergängen.

Eine Möglichkeit solche Fehlentscheidungen zu verhindern ist natürlich: ich gehe vor der Anschaffung des Hundes in eine Hundeschule und lasse mich informieren. Dazu sollte die Trainerin selber möglichst nicht züchten und über gute Fachkenntnis der verschiedenen Hunderassen verfügen. Aber wenn man eine Fehlentscheidung getroffen hat und der Hund schon da ist, dann gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: ich suche einen guten Platz für meinen Hund, das ist die zweitbeste. Die zweitbeste deshalb, weil das oft nicht klappt und man sich viel Zeit lassen muß.

Die beste Lösung ist: ich gestehe mir ein, daß ich einen Fehler gemacht habe. Der Fehler besteht darin, daß ich falsche Vorstellungen hatte. Der Hund selber macht nichts falsch und ist auch kein Fehler. Und weil ich ihn liebe, ordne ich mein Leben so, daß er bei mir bleiben kann. Trotz Baby, trotz Umzug, trotz neuem Partner oder was auch immer der Grund dafür ist, daß es schwierig wird. Und das lohnt sich immer!

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Offener Brief von Ute Rott, Forsthaus Metzelthin an die Zeitschrift dogs

Der folgende Text kann unter Angabe der Urheberschaft jederzeit und überall veröffentlicht werden:

 

Sehr geehrte Damen und Herren der Zeitschrift dogs,

in Ihrer aktuellen Ausgabe veröffentlichen Sie ein ausführliches Interview (5 eng beschriebene Seiten) mit Michael Grewe zu der sog. Schüsselaffäre. Im Anschluß daran kommen vier Trainer, bzw. Hundepsychologen, die sich von dieser Art des Umgangs distanzieren, immerhin auch auf 4 Seiten zu diesem Thema zu Wort.

Es scheint so, als wäre die Sache um diese Schüssel, die der Schäferhündin um den Kopf gehauen wurde, eigentlich ein großes Missverständnis. Irgendwie ist Metall böse, Petflaschen dagegen sind nicht soo dramatisch, also wird M.G. in Zukunft eben Petflaschen den Hunden um die Ohren hauen. Er weiß ganz sicher, daß das überhaupt nicht weh tut, Metall auch nicht, aber wenn die Leute das so wollen… Dogs nickt das freundlich ab, schließlich sitzt man ja in trauter Atmosphäre am Kamin, der Terrier kuschelt sich auf die Couch. Da wird das schon stimmen, was M.G. so von sich gibt.

Wenn wir jetzt mal davon absehen, daß Hundezeitschriften öffentlich kundgetan haben, von M.G. nach Bekanntwerden dieser Aktion nie wieder etwas veröffentlichen zu wollen, daß sich so gut wie alle Hundetrainer- und Hundepsychologenverbände und der Deutsche Tierschutzbund von dieser Aktion distanziert und sie eindeutig als Tierquälerei identifiziert haben, und auch wenn wir davon absehen, daß es lt. Tierschutzgesetz verboten ist, einem Tier Schmerzen zuzufügen, dann sollten wir uns doch wenigstens fragen, warum einem Hundetrainer so viel Raum gegeben wird, eine tierquälerische Aktion zu rechtfertigen, wenn er noch nicht mal ansatzweise über Schmerzphysiologie Bescheid weiß. Zur Beschämung aller, die das nach wie vor leugnen, weisen Neurobiologen bei immer mehr Tierarten Schmerzempfinden nach, das unserem sehr ähnlich, wenn nicht sogar damit weitgehend identisch ist. Falls M.G. nicht glaubt, daß eine Metallschüssel – so dünn sie auch sein mag – oder eine Petflasche aus „gutem Plastik“ weh tut, so sie einem auf den Kopf gehauen wird, sollte er einfach mal einen Menschenversuch machen: jemand hat ihn fest am Wickel, z.B. mit einer Leine, die um seinen Hals gelegt ist, ein anderer rennt auf ihn zu, und sowie er auch nur zuckt, haut ihm der Leinenhalter wahlweise Plastik oder Metall um die Ohren. Zudem wird er an jeder Bewegung durch scharfes Rucken an der Leine – an seinem Hals wohlgemerkt – gehindert. Es wäre interessant zu erfahren, was er nach diesem Versuch über die Harmlosigkeit solcher Foltermethoden sagt.

Weiterhin ist einfach nur bemerkenswert, daß M.G. gerade die Schutzdienstvergangenheit dieses Hundes als Rechtfertigung dafür nimmt, den Hund schlagen zu dürfen. Ja, weiß er denn nicht, wie Schutzdienstausbildung aussieht? Und kennt er nicht die Kriterien, warum ein Hund als geeignet eingestuft wird oder nicht? Zuerst wird der Hund solange provoziert, bis er in dem Ärmel beißt, das nennt man dann: mit Beutetrieb arbeiten. Schutzdienstärmel am Arm eines Menschen als Beute? Kommen da niemandem Zweifel? Dann wird im weiteren Verlauf des Trainings der Hund mit einem Softstock geschlagen – nur ganz sanft natürlich und tut auch überhaupt nicht weh -, um die Standhaftigkeit beim Verbeißen zu testen. Der Hund, der das nicht aushält – obwohl es ganz harmlos ist und wie gesagt gar nicht weh tut -, ist nicht geeignet.

Man kann das auch anders darstellen: ein Hund, der diese Art von Quälerei nicht aushält, wird ausrangiert, und keiner sollte sich wundern, wenn er in Zukunft genau auf diesen Reiz: jemand rennt auf mich zu und provoziert mich, sehr unfreundlich reagiert. Schäferhunde werden schon mit dem Ziel gezüchtet, bei derartigen Aktionen nach vorne zu gehen, im Training wird das noch verschärft, und M.G. benützt genau die gleichen Aktionen, um den Hund zu resozialisieren. Hallo! Ist noch jemand zu Hause??

Aber das wäre nicht das Schlimmste. Das Schlimmste ist, daß die dogs ihm ausführlich Gelegenheit gibt, alle diese unhaltbaren Theorien und Schrecklichkeiten zu verharmlosen und so zu tun, als wäre er der einzige, der weiß,
1. wie man ordentliche Hundetrainer ausbildet – nämlich indem man ihnen frühzeitig beibringt, wie man Hunden Schüsseln um die Ohren knallt, und
2. nur Gewalt hilft gegen Gewalt.

Nein, sehr verehrte Damen und Herren der Zeitschrift dogs, nein, Herr Grewe, Druck erzeugt Gegendruck, das ist nicht nur ein physikalisches Gesetz. Und Gewalt erzeugt wieder Gewalt, das gilt nicht nur, wenn Sie sich in der Welt umsehen, das gilt auch im ganz normalen Alltag und ganz besonders im Umgang mit Hunden.

Aber Sie haben ja auch vier Hundetrainern / -psychologen die Gelegenheit gegeben, dazu etwas zu sagen. Ich muß Ihnen ein Kompliment machen: Sie verstehen das Handwerk der Meinungsmache wirklich perfekt. Während das ganze Interview mit M.G. eine Wohlfühlatmosphäre umschwebt (zur Erinnerung: gemütliches Beisammensein am Kamin mit Kuschelterrier), wird die Gegendarstellung von Fotos mit höchst unerfreulichen Hundeszenen eingeleitet. Die Gesprächspartner werden indirekt zitiert, sehr praktisch, denn wenn alles im Konjunktiv dasteht – Möglichkeitsform – dann wirkt es gleich ein bißchen weniger glaubhaft. Dann steht hier „könnte, sollte, müßte“ und schon weiß der geschätzte Leser: aha, das klappt also schon mal eher nicht. Und das Ganze gipfelt dann in der Frage an den Leser, daß er sich doch fragen soll, ob er seinen Hund einschüchtern oder schlagen würde, wenn er jemanden angreift. Ja, genau das ist die Frage, die sich Hundebesitzer permanent stellen müssen, denn Hunde sind definitiv unberechenbar und gefährlich. Zumindest wenn man Ihnen und Michael Grewe Glauben schenkt.

Es bleibt zur zu hoffen, daß die Leser von Hundezeitschriften nicht ganz so dumm sind, wie sie die dogs gerne hätte. Ich hoffe einfach mal, daß es sich in verkauften und Abo-Exemplaren niederschlägt – nicht zu Ihren Gunsten. Daß M.G. mittlerweile verschiedene Anzeigen wegen Tierquälerei am Hals hat, deren Ergebnis noch abzuwarten bleibt, sollte man vielleicht immer schön im Hinterkopf behalten.

Da M.G. so sehr bedauert, daß niemand von der Wattebauschfraktion Willens und in der Lage ist, ihm zu zeigen, wie es denn anders geht, kommt hier ein ernst gemeintes Angebot. Michael Grewe kann gerne mit einem Hund seiner Wahl in meine Hundeschule kommen und sich von mir zeigen lassen, wie man einem Hund beibringt, auszuweichen und nicht nach vorne sondern wegzugehen, ohne ihn mit bösem Metall oder gutem Plastik zu malträtieren. Er kann wie jeder andere meiner Kunden erwarten, daß ich ihm genau erkläre, was warum, wie und wann funktioniert, es gibt ausführliche mündliche und schriftliche Erläuterungen und jede Menge Praxis. Melden muß er sich natürlich selber.

Nachtrag: Da ich schon viele zustimmende Zuschriften bekommen habe, möchte ich hier ein PDF zur Verfügung stellen, daß sich jeder ausdrucken oder runterladen kann:
Offener Brief

Ute Rott, Metzelthin 16.03.2013

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