Ute Rott, Forsthaus Metzelthin
Vor ca. 15 Jahren war ich mit einer Frau befreundet, deren Mann von sich behauptete, er sei Perfektionist, vor allem was technische Dinge anbetrifft. Hier zwei Beispiele seines Perfektionismus. Seine Frau hatte eine goldene, sehr teure Uhr, bei der irgendwas nicht ganz richtig ging. Die Uhr war nicht kaputt, nur ging sie ein bisschen vor oder nach oder sowas. Jedenfalls durfte sie die Uhr nicht zum Uhrmacher bringen, sondern er zerlegte sie in alle Bestandteile. In alle. Nach ungefähr einem Jahr lag sie immer noch genau so im Regal, denn er brachte sie nicht mehr zusammen. Zudem war er perfekt mit allem, was Computer betraf. Leider glaubte ich ihm das und gab ihm mein Notebook. Da wollte er mir eine sagenhaft tolle Software draufspielen und zudem alles irgendwie bereinigen und für mich einfacher machen. Zum Glück hatte ich eine Sicherungskopie gemacht, dann nach einem knappen viertel Jahr stellte sich heraus, dass es jetzt leider nicht mehr ging. Gar nicht mehr. Alles war gelöscht und nichts war wiederherstellbar. Also kaufte ich mir das neue Notebook eben ein knappes Jahr früher als geplant. Vermutlich kann man sich vorstellen, dass er nie wieder auch nur in die Nähe meiner Computer kam und auch sonst lehnte ich alle Reperaturvorschläge dankend ab.
Sein Hund war, logischerweise, der absolut perfekte Hund. Wie auch sonst. Jemand, der selber alles perfekt macht, braucht einen perfekten Hund, sonst geht gar nix.
Jeder kennt solche Menschen, die sich selber für über allem stehend und absolut perfekt halten, und die brauchen natürlich ein perfektes Umfeld mitsamt perfektem Personal. Nur: was ist denn der perfekte Hund? Wenn ich mein Mäxchen nehme, den finde ich ganz schön perfekt, aber mein Mann sieht das schon ein bisschen anders. Denn mein Mann wollte eigentlich keinen Hund mehr, der einen so extremen Jagdtrieb hat. Für mich ist das aber perfekt, denn so kann ich mein eigenes Training überprüfen – und ich muß sagen: perfekt! Ist dann vielleicht unsere Loni der perfekte Hund für alle? Schwierig, denn für viele Leute – für uns nicht – wäre es ein großes Problem einen defacto dauerkranken Hund zu haben.
Vielleicht ja dann unser alter Fritzi, der jetzt im Hundehimmel ist. Wenn er nicht perfekt gewesen wäre, wie sollte er dann in den Himmel kommen? Und seine Perfektion auf Erden kann schon allein dadurch nachweisen, dass er zahlreiche Titel auf Ausstellungen gewonnen hat. Ich kann nur sagen, wir waren ein absolutes Dreamteam, nachdem wir erstmal unsere Jugendsünden überwunden hatten. Aber wer – außer mir – möchte gerne einen kleinen Rüden, der Hunde egal welche Größe, Rasse, Farbe, Geschlecht auf den Tod nicht ausstehen kann und sofort und unwiderruflich angreift?
Aber die Dackelhündin von meinem Mann, die Susi, die war doch perfekt. Ich denke, mein Mann sieht das so. Aber ganz sicher gibt es viele Menschen, die aus der Haut fahren würden, wenn sie ihren Hund als kleinen schwarzen Punkt hinter einem etwas größeren schwarzen Punkt – flüchtendes Reh – in knapp einem Kilometer Luftlinie entfernt über ein Schneefeld auf der Benediktenwand sausen sehen würden.
Mein Weibilein, meine Bernhardinermixhündin, war die perfekt? Ein Hund, der nie weiter von einem weg ist, als maximal 10 Meter, Wild höchstens mal ein paar Schritte hinterherhopst und dann sofort zurückommt, wenn der nicht perfekt ist. Naja, da sind wir wieder bei dauerkranken Hunden: Collitis ulcerosa, das ist eine Krankheit, die bleibt. Und dann noch Knochenkrebs, wie es bei Bernhardinern oft vorkommt. Zudem war sie manchmal stur wie ein ganzer Ochsenstall und auch nicht leicht zu überzeugen und mochte keine Boxer, an Trennungsangst und Knallangst litt sie auch und wir mußten sie im Gebirge mehr als einmal aus irgendwelchen Schluchten rausholen, in die sie nach einem undefinierbaren Knall geflüchtet war.
Und schließlich Joschi unser Strobel, der absolut perfekte Hütehund. Naja, der litt unter Demodex, das konnte man damals noch nicht behandeln, entsprechend hat er leider manchmal ganz unerfreulich gerochen. Zudem litt er auch unter Trennungsangst, nicht ganz so schlimm wie unser Weibi, aber immerhin.
So, jetzt bin ich alle Hunde durch, die für mich perfekte Hunde waren und sind, nämlich die Hunde, die bei uns lebten, bzw. zur Zeit bei uns leben. Ums abzukürzen: Hunde sind perfekt, sie können gar nicht anders sein. Denn im Gegensatz zu uns sind sie in der Lage im Hier und Jetzt zu leben, sich den Gegebenheiten anzupassen, ihre Fähigkeiten in jede Beziehung ohne Berechnung mit einzubringen und wunderbare Gefährten fürs Leben zu sein. Ich spreche hier ausdrücklich nicht von bedingungsloser Liebe, zur der sie angeblich fähig sind. Denn ich finde, dass es hier sehr wohl Bedingungen gibt, vor denen wir uns aber sehr oft drücken. Viele Menschen, die den angeblich perfekten Hund für sich einfordern, sehen nicht, dass sie selber alles mögliche sind, nur nicht perfekt. Wie kann ich aber an einem anderen Lebewesen eine Bedingung stellen, die ich selber nicht mal im Ansatz erfüllen kann?
Nochmal: Hunde sind perfekt, alle und immer. Die Frage ist nur: passt dieser Hund zur mir und ich zu ihm? Sehe ich hinter dem angeblich perfekten Äußeren eines hochdekorierten Rassehundes auch seine Seele und seine Bedürfnisse? Spüre ich bei einem angeblich hässlichen Mischling seine Liebenswürdigkeit und sein gutes Herz?
Das hier ist Srecko, das bedeutet „der Glückliche“ auf kroatisch.
Diesen wunderschönen, freundlichen Hund will keiner, weil er groß, schwarz und stürmisch ist. Dass er lieb und freundlich ist, kein Problem mit Menschen und Tieren hat, ist dabei Nebensache. Ach wirklich? Dabei ist das etwas, das Srecko perfekt beherrscht: freundlich sein.
Das ist Lizzy, eine winzig kleine Chihuahua-Dame aus dem Tierheim, in das sie mit knapp 12 Jahren gebracht wurde, nicht stubenrein, nichts gewöhnt außer eine kleine Wohnung und eine alte Frau, die gestorben war.
Mittlerweile lebt Lizzy seit 5 Jahren mit 6 (sechs!) Möpsen zusammen und wer sie ansieht, muß sich einfach freuen. Diese kleine Hunddame, von knapp 1,8 Kilo hat so eine Freude am Leben und an ihrem Mopsfreundinnen, das ist nur ansteckend.
Können wir das auch? Lebensfreude verbreiten wie die alte Lizzy? Nett und freundlich zu allen und jedem sein wie Srecko? Vermutlich nicht. Deshalb denke ich, wir sollten einfach aufhören, nach dem perfekten Hund zu suchen. Dann sehen wir nämlich, wie großartig und perfekt sie tatsächlich sind.
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