Unterwegs mit eine Gruppe, jeder Mensch hat einen Hund an der Leine, bis auf mich natürlich, ich passe auf alle auf. Von vorne kommt eine Truppe Fahrardfahrer, was die Hundemenschen leider nicht richtig registrieren. Die Hunde schauen mich an. Von mir kommt ein deutliches „Stopp! Wir gehen auf die Seite.“ Einer bleibt direkt neben dem Weg stehen, der Hund kuckt schon etwas nervös, ich sorge dafür, dass er mehr Abstand zu den Fahrradfahrern bekommt. Bei einem Hund, der nach meiner Erfahrung auf Fahrradfahrer sehr unfreundlich reagiert, bleibe ich stehen, spreche ruhig mit ihm und verteile Kekse auf dem Boden, die er gerne aufnimmt. Alle Hunde bekommen Kekse, dann gehen wir entspannt weiter.
Beim einem Einzeltraining in Templin im Bürgerpark suchen wir Hundebegegnungen, da dieser Hund einfach zu nett und zu interessiert ist und lernen muss, dass man Hunde auch mal von weitem ansehen kann, weil z.B. nicht alle Hunde begeistert sind, wenn ein anderer Hund auf sie zustürmt. Das könnte ins Auge gehen. Da die eigentlich sehr verständnisvolle Frau sofort bei jedem Hundeanblick die Leine kurz nimmt und sich auch noch dagegen stemmt, nehme ich ihr die Leine ab, sehe zu, dass sie immer lang genug und locker ist, gehe so langsam, dass er viel, viel schnüffeln kann, so viel er eben möchte und beobachte ruhig die Gegend. Sowie wir einen Hund entdecken, bleiben wir stehen und ich erzähle dem netten Jungspund mit ruhiger, leiser Stimme, dass er das super macht, gebe ihm viele Kekse, und zeige ihm, dass er, wenn er mit kucken fertig ist, in einem Bogen weitergehen kann. Sollte das zu schwierig sein, drehen wir vielleicht auch um oder ich animiere ihn durch langsames Rückwärtsgehen, zu mir zu kommen und so den Abstand zu vergrößern. Während der ganzen Zeit bin ich voller Bewunderung dafür, dass er so toll mitmacht.
Ein erwachsener Listenhund, Rottweiler, ist bei mir zur Vorbereitung auf den Wesenstest. Er mag mich nicht besonders gerne, weil er mit TrainerInnen keine gute Erfahrungen hat, mich akzeptiert er gerade so, weil ich noch nie übergriffig war. Nur in schwierigen Situationen hängt er plötzlich an meiner Seite: wenn Fahrradfahrer oder Jogger kommen, wenn irgendwo ein Hund bellt oder wenn wir einen sehen, egal, sowie er an mir klebt, weiss ich, dass ihn etwas aufregt.
Drei Beispiele aus meinem Arbeitsalltag, die ich alle in verschiedenen Varianten immer wieder erlebe. Und oft höre ich dann: „wenn du dabei bist, bin ich einfach abgeschrieben, dann kennt er mich nicht mehr.“
Stimmt das?
Ganz sicher stimmt das so nicht. Denn es gibt jede Menge Hunde, die kommen in den entsprechenden Situationen nicht zu mir sondern zu ihren Menschen, weil sie mich gar nicht brauchen und wissen, dass sie die erforderliche Unterstützung bei ihnen bekommen. Bei mir schon auch, wenns notwendig ist, aber viel wichtiger ist es, dass ihre Menschen das auf die Reihe bekommen.
Aber was soll ein Hund tun, wenn er noch nicht gelernt hat, mit Fahrradfahrern, Holzlastern, Omas mit Rollatoren und ähnlichen Schrecknissen klar zu kommen? Wenn jemand z.B. fest davon überzeugt ist, dass der Hund „halt einfach“ verstehen muss: wenn sein Mensch dabei ist, ist alles gut? Oder wenn der Hund schon mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, versucht, seinen Menschen auf sich nähernde „Probleme“ aufmerksam zu machen, die für uns keine sind, für ihn aber schon?
Und was passiert, wenn so ein unaufmerksamer, weil in sein Handy oder in ein Gepräch vertiefter Mensch mit seinem Hund dem Holzlaster oder was auch immer zu nahe kommt? Evtl. versucht der Hund zu fliehen oder das Was-auch-immer zu vertreiben, sprich anzuspringen oder anzubellen. Und wie wird dann reagiert? Mit Schimpfen, Zerren an der Leine und ähnlichem Unfug.
So, und jetzt bin ich dabei – oder ein/e andere/r TrainerIn, das könnt ihr euch beliebig aussuchen, denn von meiner Sorte gibts GottseiDank viele. Und unsereins rennt eher nicht einfach so durch die Gegend mit Hunden und ist dann völlig konsterniert von der Tatsache, dass im Park tatsächlich Eichhörnchen oder Hunde oder Jogger sind, sondern unsereins geht langsam und aufmerksam, hat den Hund – oder die Hunde – im Blick und bleibt einfach mal stehen, wenn der Hund signalisiert: hier ist was komisch. Meine Indiana hat in solchen Fällen immer ein markerschütterndes Knurren hören lassen, das nichts anderes bedeutete als: „bitte schau da mal hin, das ist gruselig!“ Dann habe ich ihr erklärt, obs wirklich gruselig ist, wir haben umgedreht, sind ausgewichen, haben abgewartet und dabei gabs viele Kekse und ruhige, freundliche Worte für sie. Und das merken sich Hunde, auch und gerade wenn sie im Training mit mir unterwegs sind. Und das ist dann der Grund, warum sie in Notsituationen sich lieber an mich wenden als an ihre Menschen: weil sie sich darauf verlassen können, dass ich sie verstehe und ihnen helfe.
Jetzt könnte man sagen: dafür wirst du doch bezahlt, warum stört dich das? Freu dich doch, wenn die Hunde dich so toll finden!
- glaube ich nicht, dass mich die Hunde sooo toll finden. Sie finden mich nett und mögen mich, so wie ich sie mag. Mehr ist das nicht und das ist auch gut so.
- sind ihre Menschen nicht deshalb bei mir, damit ich mit ihren Hunden übe, wie man schwierige Situationen meistert und welche für diesen Hund ein Problem darstellen. Sondern sie selber sollen das lernen. Ich kanns schon. Nett wenn sie mich dafür bezahlen, aber das ist nicht der Sinn der Übung.
Wie gesagt: es gibt auch Menschen, die sowohl im Einzeltraining als auch in der Gruppe sehr schnell verstehen, worauf es ankommt, und – Überraschung! – deren Hunde gehen viel, viel lieber zu ihren Menschen und nicht unbedingt zu mir. Die holen sich ihre Kekse bei mir lieber ab, wenn alles entspannt ist.
Wenn ihr also der Meinung seid, eure TrainerIn hat bei eurem Hund bessere Karten als ihr, dann denkt einfach mal darüber nach, was sie anders macht. Nein, man muss nicht alles 1:1 umsetzen oder nachmachen. Man kann auch seinen eigenen, bitte freundlichen Weg finden. Es liegt auch nicht immer an der Qualität der Leckerchen. Es liegt einfach daran, dass man seinen Hund im Blick hat, sieht, wenn er anfängt zu zögern, zu beschwichtigen, dass man sieht, was ihn stört und beunruhigt und sich eine freundliche Taktik überlegt, wie man ihm in solchen Momenten hilft. Dazu gehört natürlich auch, dass man das Handy zuhause läßt, nicht permanent mit anderen über irgendwas quatscht, was mit dem Hund nichts zu tun hat, seine Gedanken weiß Gott wo nur nicht beim Hund hat….. sondern auf seinen Hund schaut.
Mehr ist es nicht, aber eben auch nicht weniger.