Alle Jahre wieder – Welpen unterm Weihnachtsbaum

Wer Hunde liebt, versteht nur zu gut, dass gerade Kinder sich zu Weihnachten einen Hund wünschen. Wenn es das ganze Jahr über nicht klappt, dann doch bitte, bitte jetzt. Leider geben diesem Wunsch jedes Jahr viel zu viele Eltern nach und das Ergebnis ist in viel zu vielen Fällen jedes Jahr das gleiche: der Hund geht zurück zum Züchter oder ins Tierheim, im schlimmsten Fall wird er sogar ausgesetzt.

Es ist ja nicht schlimm sich einen Hund zu wünschen und es ist auch nicht schlimm, diesen Wunsch zu Weihnachten zu äußern, aber der Zeitpunkt ist einfach vollkommen ungeeignet. Warum?

Die Vorweihnachtszeit ist mittlerweile alles andere als ruhig und beschaulich. Und das wird jedes Jahr schlimmer. Wer es irgendwie möglich machen kann, meidet in dieser Zeit Einkaufszentren oder Fußgängerzonen. In den Städten sind die öffentlichen Verkehrsmittel komplett überfüllt, was durch mit Paketen beladene Weihnachtseinkäufer auch nicht gerade zu guten, zwischenmenschlichen Beziehungen beiträgt. In der Arbeit wollen alle noch ganz dringend alles mögliche erledigen, als ginge spätestens am 24.12. jedes Jahr die Welt unter. Alle sind heilfroh, wenn sie diese „stille Zeit“ endlich überstanden haben, und dann kommen die Feiertage und der anstehende Besuchsmarathon.

Gerade für Familien mit Kindern kann das zu einem ziemlichen Horror ausarten. Denn wehe, die eine Oma oder der andere Onkel fühlen sich zurückgesetzt. Alles ist genau durchgetaktet, wer wann wohin fährt, wie lange man sich dort aufhält, damit es ja keinen Zoff in der Familie gibt, der dann das ganze Jahr wie ein unterirdischer Brand schwelt.

Und genau jetzt soll ein kleiner Welpe einziehen? Ein Hundekind, das in den ersten Wochen nach der Trennung von seiner Mama ganz besonders viele Zuwendung und Aufmerksamkeit braucht? Man kann sich sehr gut vorstellen, dass für das Hundekind der ganze Trubel und Durcheinander der totale Horror ist. Keiner hat für ihn wirklich Zeit, für die Kinder ist ein kleiner Hund oft genug einfach ein weiteres Spielzeug, die Eltern sind sowieso überfordert und genervt und Onkel und Oma haben erst recht keinen Nerv.

Falls tatsächlich nach den Feiertagen Ruhe einkehrt und man sich dem Hundekind mit der nötigen Sorgfalt widmen kann, wartet schon die nächste Katastrophe auf den Kleinen: Silvester. Die Kinder sind vielleicht gewohnt, jedes Jahr rumzuballern, also passiert das auch dieses Jahr. Weil einfach niemand daran denkt, dass Hunde das Silvestergeknalle gar nicht lustig finden, denkt man sich auch dieses Jahr nichts dabei. Schon Tage vorher muß er bedrohliches Raketenzischen und Böllergekrache erdulden, womöglich gibt es unerfreuliche Situationen beim Spaziergang, so dass der Kleine sich nicht mehr raustraut und seine Geschäfte drin erledigt…. Anstatt zur Ruhe zu kommen, wird jetzt der Stress durch und für das Hundekind noch schlimmer.

Dabei kann man dieses Problem ganz einfach lösen. Als erstes erklärt man seinen Kindern, warum und weshalb der Zeitpunkt für einen neuen Hund ungünstig ist. ABER: aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Auch das sagt man ihnen klar und deutlich. Und dann gibt es zu Weihnachten eine Art symbolisches Hundegeschenk: ein Rassehundebuch, zum Aussuchen der Rasse, einen Gutschein für eine Beratung in einer Hundeschule, einen Plüschhund mit Brustgeschirr und Leine. Im Januar kann man sich dann auch mal aufmachen und die Tierheime vor Ort aufsuchen. Man kann bei Züchtern auch nachfragen, ob Weihnachtswelpen zurückgegeben wurden, man kann in den örtlichen Hundeschulen nachfragen, die sehr oft von Hunden wissen, die ein neues und gutes Zuhause suchen. Da sieht die Sache dann gleich ganz anders aus.

Also: Hände weg von Weihnachtswelpen. Denkt immer dran: ihr holt ein denkendes, fühlendes Lebewesen ins Haus, das vom ersten Tag an ganz konkrete Bedürfnisse hat, die erfüllt werden müssen. Je besser man auf das neue Familienmitglied vorbereitet ist, umso sicherer ist es, dass alles gut geht. Wer einen Hund aus dem Tierschutz holt, tut sogar noch ein gutes Werk. Und wer seine Kinder gut vorbereitet, legt einen hervorragenden Grundstein, für eine gute Beziehung zwischen Kind und Hund.

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Mensch, mach langsam! – Wenn Hunde an der Leine ziehen, weil Menschen keine Zeit haben. – 3. Leseprobe

aus: 12. An lockerer Leine

Und wie geht das jetzt, dass ein Hund an lockerer Leine läuft? Das wollen wir uns im Folgenden ein bisschen genauer ansehen.

Für Welpen gelten eigene Regeln, deshalb wurde das auch in einem eigenen Kapitel besprochen. Allerdings können Sie die meisten der folgenden Trainingsvorschläge auch bei Welpen anwenden. Wichtig ist bei allem, dass Bello weder körperlich noch seelisch bedrängt, nicht gedemütigt oder in seiner Würde verletzt wird. Wir sind verantwortlich dafür, dass er alles entspannt lernen kann, dass wir ihm genau und gründlich ohne jede Einwirkung von Druck und Gewalt erklären, was wir von ihm wollen und nichts Unzumutbares von ihm fordern. Und das ist gar nicht so schwierig.

Einige Techniken wurden schon angesprochen, sollen hier aber wiederholt werden. Alles, was Ihnen hier empfohlen wird, können Sie einfach ausprobieren. Es gibt verschiedene Gründe, warum etwas bei Ihnen super klappt, aber bei Ihrem Nachbarn nicht den geringsten Erfolg zeigt. Wenn Sie festgestellt haben, dass Sie die Technik richtig ausführen, aber der Erfolg trotzdem ausbleibt, dann versuchen Sie eben etwas anderes. Eine erfahrene Trainerin kann Ihnen helfen, da ein neutraler Beobachter viel schneller sieht, warum etwas klappt oder eben nicht.

In allen Fällen empfiehlt es sich, den Hund für richtiges Verhalten zu loben, Ausnahmen gibt es nur bei Hunden, die auf ein Lob sofort zu Ihnen kommen und nachfragen, was sie jetzt tun sollen. Bauen Sie für diesen Hund ein Bestätigungsgeräusch (click, jepp…) auf, damit Sie ihm sagen können, dass er es richtig macht. Auf jeden Fall soll das Lob ruhig und freundlich sein und den Hund nicht im Weitergehen stören.

Leinenlänge

Für Gänge in der Stadt empfehle ich Ihnen eine 3-Meter-Leine, für andere eine 5-Meter-Leine. Zu Beginn kann es auch sinnvoll sein, eine sehr viel längere Leine zu verwenden, die Sie ganz allmählich kürzen. Sie werden im Folgenden lesen, warum das sinnvoll und notwendig ist.

Brustgeschirr

Ideal sind T- oder Kreuzgeschirre, die weit genug von den Achseln entfernt sind, damit die Gurte nicht scheuern. Das Material sollte weich und anschmiegsam und die Gurte breit genug sein. Das Geschirr passt gut, wenn im Sitzen der Ring, der Hals- und Brustgurt verbindet sich auf Höhe der Kuhle befindet, die das Brustbein um den Hals abschließt. Achten Sie beim Anziehen bitte darauf, dass Sie den Halsgurt vorsichtig über den Kopf ziehen, viele Hunde mögen das Gefühl am Kopf nicht so gerne und lehnen das Geschirr dann ab. Es sollte gut sitzen und nicht hin und her schlackern, die Gurte müssen alle gut vernäht sein. Die Leine wird am hinteren Ring befestigt, nicht am Ring, der Hals- und Rückengurt verbindet.

Nicht geeignet sind alle Geschirre, deren Gurt um den Hals und über die Schultern führt, wie z.B. bei Norwegergeschirren. Die Gurte drücken evtl. auf die Schultern und behindern die Hunde beim Laufen. Ebenso sind Geschirre mit Satteln nicht gut für Hunde. Der Sattel liegt im Nierenbereich auf und oft genug wird es unter dem Sattel auch sehr warm und damit unangenehm für den Hund. Von unerträglichen Sprüchen wie „Ich zicke gerne rum“ und ähnlichen Dummheiten, die Menschen lustig finden, sollte man

sowieso absehen. Niemand möchte einfach so eine Abqualifizierung auf den Rücken bekommen, auf die er nicht den geringsten Einfluss hat.

Langsam gehen

In den allermeisten Fällen laufen die Menschen zu schnell. Aus welchem Grund auch immer denken Menschen, sie müssen durch die Welt stürmen, sowie sie eine Hundeleine in der Hand haben. Wenn Sie auch zu dieser Spezies der Rennspazierer gehören, dann schalten Sie ab sofort so viele Gänge zurück, dass aus einem Spazierrennen ein Spaziergang wird. Ihr Hund hat vermutlich gelernt, dass er ganz schnell mit strammer Leine überall hindrängeln muss, wo er dringend, dringend schnüffeln oder pinkeln muss. Das werden Sie ihm nicht von heute auf morgen abgewöhnen. Lassen Sie sich deshalb nicht irritieren, gehen Sie langsam und wenden Sie alle – freundlichen – Tricks an, um ihn von ihrer neuen Gangart zu überzeugen.

In der Regel finden die Hunde diese Idee großartig…..

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Mensch, mach langsam! – Wenn Hunde an der Leine ziehen, weil Menschen keine Zeit haben. – 2. Leseprobe

aus: 2. Die Zeit, sie eilt im Sauseschritt

und wir, wir sausen alle mit!

….Probleme, z.B. mit der Leinenführigkeit, bekommen wir erst, wenn die Bedürfnisse Ihrer Pelznase zu kurz kommen. Das durchdenken wir jetzt mal am Beispiel eines Welpen vom Züchter, der in seine neue Familie kommt.

Es kommt immer wieder vor, dass Welpenkäufer den Züchter und damit den Welpen danach aussuchen, ob der Welpe zu einer bestimmten Zeit abgegeben wird, nämlich dann, wenn sie ihren Urlaub planen. Alles wird genau und fürsorglich eingeteilt: wer ist wann wie lange den ganzen Tag zu Hause, damit der Kleine die ersten Wochen und Monate ganz sicher nicht allein ist, bzw. langsam an längeres Alleinsein gewöhnt werden kann. Bei Züchter A, der eine sehr freundliche und kinderliebe Hündin hat, da im Haushalt nette und tierliebe Kinder leben, kann man keinen Welpen holen, da der Wurf unpassend kommt. Bei Züchter B ist die Hündin den Kindern gegenüber eher etwas scheu. Es gibt hier auch keine Kinder, aber man geht davon aus, dass die eigenen Kinder ja lieb sind mit dem Hund, eine gute Hundeschule am Ort ist und man das schon hinkriegen wird. Denn die Zeit der Welpenabgabe passt perfekt. Das bedeutet jetzt nicht automatisch, dass es Probleme mit dem Hund und den Kindern geben muss, aber die Startbedingungen sind einfach nicht so günstig.

Gehen wir jetzt mal davon aus, dass mit den Kindern alles gut klappt. Die erste Woche verbringt die Familie mit dem Neuzugang zu Hause. Der Kleine wird nicht überfordert, da man vorab in der Hundeschule angerufen, sich angemeldet und wichtige Details für die ersten Tage geklärt hat. Alles verläuft ruhig und ordentlich und er kann sich gut eingewöhnen. Nach einer Woche ist dann der erste Besuch in der Hundeschule angesagt. Die ganze Familie ist schon total aufgeregt, die Kinder freuen sich und auch die Eltern sind gespannt, was sie erwartet. Das Laufen an der Leine hat man schon ein bisschen im Garten geübt, und zwar mit dem Halsband und der Meterleine, die man vom Züchter mitbekommen hat.

Dies ist jetzt der erste Tag, der für den Kleinen ganz anders abläuft wie bisher. Es ist Samstag, also wird ein wenig länger geschlafen und gemeinsam ausgiebig gefrühstückt. Bisher hat der Kleine einfach die Morgenhektik verpennt, jetzt ist auf einmal alles neu. Das findet er sehr aufregend. Nach dem Frühstück packt die ganze Familie zusammen, was sie so brauchen, die Nervosität steigt, da man ein bisschen spät dran ist. Man will auf gar keinen Fall zu spät kommen. Der Kleine findet das so aufregend, dass er vergisst sein Pipi anzumelden, was er schon mehrfach gemeistert hat, und pinkelt auf den Teppich. Jetzt wird die Aufregung noch größer, da man das Malheur erst beseitigen muss und dadurch wieder Zeit verliert.

Aber schließlich kriegt man alles in den Griff. Kinder und Hund sind im Auto verstaut und es geht los. Unser Freund hat mit dem Autofahren eigentlich kein Problem, aber heute ist er nervös, jammert rum und fühlt

sich nicht wohl. Nachdem man gelesen hat, dass man so etwas einfach ignorieren soll, kümmert sich keiner um ihn. Die Fahrt dauert ja auch nur wenige Minuten. Schließlich ist man angekommen. Man hat sich im

Vorfeld für eine Hundeschule entschieden, die für Welpen Einzelstunden anbietet, damit man individueller betreut wird. Die Trainerin ist schon auf dem Hundeplatz, als man auf den Parkplatz fährt und die Nervosität im Auto nimmt zu. Eilig steigen alle aus, der kleine Hund wird angeleint und dann hat man es noch eiliger, zur Trainerin zu kommen, die schon am Tor wartet. Wenn sie weiß, was sie tut, lässt sie es nicht so weit kommen, sondern geht Hund und Menschen entgegen, und zwar ruhig und gelassen, und sorgt dafür, dass der Kleine abgeleint wird. Warum?

Weil sonst dieser kleine Hund von seinen netten, eifrigen Menschen am Halsband mit einer viel zu kurzen Leine in den Hundeplatz hineingezerrt wird und die ersten Grundlagen für einen an der Leine ziehenden Hund gelegt werden. Und warum tun sie das? Damit sie keine Sekunde der kostbaren Stunde versäumen und weil es unhöflich ist, jemanden warten zu lassen, und weil sie wenige Minuten zu spät dran sind. Lauter Gründe, die nichts mit Hundeerziehung, aber sehr viel mit unserem Umgang mit Zeit zu tun haben. Ein paar Minuten, und das ist jetzt kein Witz, sondern bitterer Ernst, entscheiden also unter Umständen darüber, ob Ihr Hund einmal leinenführig wird oder nicht. Denn diese wenigen Minuten, wenn die Trainerin nicht dafür sorgt, dass Sie richtig instruiert werden, wiederholen sich jeden Tag. Mehrfach…..

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Mensch, mach langsam! – Wenn Hunde an der Leine ziehen, wenn Menschen keine Zeit haben – 1. Leseprobe

aus: 1. Und wer ist schuld?

Mit einem Hund spazieren zu gehen, der nicht gut erzogen ist, kann zum Martyrium werden, für Mensch und Hund. So wie wir mit Hunden aber zusammen leben, muss jeder Hund lernen, ordentlich an der Leine zu gehen, zu kommen, wenn er gerufen wird, mal ein Weilchen irgendwo zu warten und insgesamt sich anständig zu benehmen. Nur: warum gibt es so viele Hunde, die das alles oder zumindest einen Teil davon nicht mal ansatzweise beherrschen? Warum sieht man so viele Hunde, die an der Leine zerren, anscheinend Tomaten auf den Ohren haben, sobald sie frei laufen, sich kaum einen Moment beherrschen oder ein wenig warten können, und viele, viele Dinge machen, die einem angenehmen

Zusammenleben total entgegenlaufen?

Wir Menschen haben leider die Tendenz, immer einen „Schuldigen“ zu suchen, wenn etwas nicht so klappt, wie wir es gerne möchten. An einem misslungenen Urlaub ist das Hotel schuld, das nicht hält, was der Prospekt verspricht. Unzufrieden mit der Arbeit sind wir, weil die Kollegen uns nerven. Der Nachmittag im Garten ist deshalb nicht schön, weil der Nachbar sich mit seiner Frau zu laut unterhält……

Genau so halten wir es auch, wenn das Training unseres Hundes nicht klappt: Der Kunde gibt die Schuld der Hundeschule, weil die Methode nicht funktioniert. Die Hundeschule gibt die Schuld dem Kunden, weil der

die Tipps nicht richtig umsetzt. Und beide geben die Schuld dem Hund, weil er dominant, erziehungsresistent oder stur und auf gar keinen Fall kooperativ ist.

Und was denkt der Hund?

Das wissen wir nicht so genau. Aber ich bezweifle ernsthaft, dass Ihr Hund oder die Hunde Ihrer Kunden denken: Frauchen ist schuld, dass ich so an der Leine ziehen muss. Sie ist so dominant und stur, ganz schrecklich. Wenn sie ein bisschen besser kooperieren würde, müsste ich nicht an der Leine ziehen. Er denkt auch nicht: ist mir doch egal, wie lange Herrchen da steht und ruft, der hört schon wieder auf, und Herrchen ist auch so dermaßen erziehungsresistent, das sollte er doch schon gemerkt haben, wann

ich nicht kommen möchte. Wenn Sie mir in diesem Punkt, dass Hunde ganz sicher so nicht denken, recht geben, dann sind wir schon einen großen Schritt weiter. Aber jetzt lassen wir die Suche nach dem Schuldigen mal beiseite. Überlegen wir lieber, warum so viele Menschen mit ihren Hunden Probleme mit dem Gehorsam und mit dem Zusammenleben haben, obwohl sie in die Hundeschule gehen. Denn auch wenn es viele unterschiedliche Methoden gibt, einen Hund zu erziehen, arbeitet die Mehrheit der Hundeschulen heute mit eher freundlichen Methoden, und viele HundetrainerInnen bilden sich laufend fort, um den Anforderungen ihrer Kunden gerecht zu werden. Warum also ist etwas so Essentielles wie

Leinenführigkeit nach wie vor für viele Mensch-Hund-Teams ein Problem?

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Brustgeschirr oder Halsband? Was für eine Frage!

Die Bilder mit Hunden, die Halsband tragen, häufen sich in den Sozialen Netzwerken wieder. Es gibt Gruppen, die ganz klar für gewaltfreien und respektvollen Umgang mit Hunden eintreten – und trotzdem sieht man jede Menge Hunde, die am Halsband, teilweise sogar an Kettenhalsbändern ohne Stopp geführt werden. Da mieten sich Hundeschuleguppen in meinen Ferienwohnungen ein mit Hundetrainerin, ein Teil der Hunde wird am Halsband geführt – an der Schleppleine.

Irgendwie weiß man bald nicht mehr, was man zu dem Thema sagen soll, ich versuche es trotzdem.

Wenn wir jetzt mal Sachen wie respektvollen Umgang mit Hunden vollkommen beiseite lassen, uns in aller Ruhe den Körperbau eines Hundes ansehen und das Thema einfach von der physikalischen Seite angehen, dann stellen wir sehr schnell fest, dass jede noch so kleine Bewegung am Halsband sich auf das Skelett überträgt. Das kann man sehr einfach nachvollziehen, indem man sich ein Skelett ansieht, leichten Druck mit Halsband ausübt und schon hat man eine Bewegung durch die ganze Wirbelsäule bis in die Hinterbeine und die Rute hinein.

Jetzt kommt natürlich sofort das Argument: da sind ja Muskeln und das Fell dazwischen. Stimmt! Dem muß man zustimmen. Nur: wenn Druck auf den Hals mittels Halsband –  auch leichter Druck – ausgeübt wird, halten die Muskeln dagegen, um den Körper zu schützen. Dazu kommt, dass genau an der Stelle, an der der Druck unmittelbar und punktuell angreift, keine Muskeln sind, Muskeln befinden sich im Halsbereich im Nacken, der Druck geht also auf den Kehlkopf, die Sehnen, Nerverstränge und Blutbahnen, die vom Körper in den Kopf und wieder zurück führen. Der Hund spannt die Sehnen an, um seinen Hals zu schützen. Das ist jetzt auch nicht wirklich besser, denn auch diese Anspannung überträgt sich auf die Muskeln, Sehnen, Nerven- und Blutbahnen und auf das Skelett. Das hat nichts mit Tierschutz zu tun, das ist reine Physik und minimale Anatomiekenntnisse und das kann man am Modell nachstellen.

Was den Hund vom physikalischen Modell eindeutig unterscheidet ist, dass er nicht einfach starr rumsteht, sondern sich bewegt. Das bedeutet, dass dieser Druck einfach so entstehen kann, ohne dass der Mensch daran herumzieht oder weil der Mensch seine Hände nicht ruhig halten kann. Schlicht und ergreifend die Tatsache, dass sich der Hund einen Millimeter mehr als Leinenlänge weiterbewegt, bewirkt sofort Druck – und zwar an unvorhersehbaren Stellen, also ergeben sich auch hier unvorhersehbar Versteifungen und Anspannungen um den Hals zu schützen.

Wenn immer und immer wieder auf den Hals Druck ausgeübt wird und der Hund wieder und wieder gezwungen ist, seinen Körper mittels Gegendruck  = Anspannung und Versteifung zu schützen, dann kann es nicht ausbleiben, dass sich diese Versteifungen manifestieren. Es kommt zu Problemen am Kehlkopf, an der Halswirbelsäule (= HWS-Syndrom), es kommt zu Problemen an der kompletten Wirbelsäule bis in die Hinterbeine, bis zu arthritischen Veränderung. Das bedeutet, dass der Hund vollkommen unerklärlich Schmerzen hat und evtl. aufwendig vom Tierarzt behandelt werden muß.

Merke: wir waren immer noch erst bei leichtem, unbeabsichtigtem Druck, dem der Hund entgegenwirken muß. Was aber passiert, wenn absichtlich rumgezupft sprich „eingewirkt“ wird oder eine Schleppleine am Halsband hängt und der Hund reindonnert, weil eben nunmal eine Katze, ein Reh, ein ichweißnichtwas vorbei kam, das sollte mittlerweile wirklich bekannt sein. Schlimme Zerrungen sind noch die harmlosere Variante. Auch wieder angewandte Physik bei der Schleppleine am Halsband: der Hund kann sich das Genick brechen.

Ein Wahnsinnsargument, das ich leider immer mal wieder höre: normalerweise führe ich ihn ja am Brustgeschirr, aber zuhause hat er nix an und ich muß ihn doch greifen können, wenn was ist! Sagt das einer meiner Kunden, atme ich immer tief durch, zähle bis zehn und antworte dann.

Wenn ich einen Hund am Halsband „greife“, ziehe ich ihm den Hals mit Kopf hoch und bringe ihn in Imponierstellung. Vom Druck auf den Hals sehen wir jetzt mal ab. Körperhaltungen haben immer auch etwas mit den Gefühlen zu tun, die im Moment dominieren. Wer mit hängenden Schultern rumläuft, hegt ziemlich sicher keine optimistische Gedanken. Selbst wenn uns jemand die Schulter hochzieht nach dem Motto: stell dich mal ordentlich hin! – sind wir immer noch nicht besser drauf, aber das Verhältnis: Gefühl <-> Körpersprache ist gestört. Das geht einem Hund, dem mit mehr oder weniger Gewalt der Kopf hochgzeogen wird, nicht anders. Zudem kann es massive Probleme mit anderen Hunden dadurch geben. Stellen Sie sich vor, Ihr Bello steht ruhig am Zaun und beobachtet einen anderen Hund, der vorbei ruhig geht. Eigentlich genau das, was wir wollen. Jetzt gehen Sie hin, „greifen“ Ihren Bello prophylaktisch am Halsband und schon geht der Hype los. Warum? Weil Sie Bellos Gefühle durcheinander gebracht haben und der andere Hund von jetzt auf gleich keinem ruhigen, neutralen sondern einem Artgenossen in Imponierstellung gegenübersteht. War also doch keine so gute Idee?

Es gibt auch das großartige Argument: er trägt das Halsband ja nur als Schmuck. Also meien Hunde schmücken sich auch: mit Wildschwein- oder Fuchskacke, mit Gras und Blättern, mit Modder und Dreckwasser – Halsbänder haben sie noch nie angefordert.

Natürlich ist das nicht schlimm, wenn man seinem Hund ein Halsband als Schmuck umlegt, weil es einem einfach so wahnsinnig gut gefällt. Aber man sollte sich gut überlegen, gerade und vor allem, wenn man selber für gewaltfreien Umgang mit Hunden plädiert: wer mich mit meinen Hunden sieht, die ein Halsband tragen, denkt automatisch: na, wenn die das macht, kann es nicht so schlimm sein. Und schwupps – haben Hunde wieder Halsbänder um, die nicht (!) ausschließlich zum Schmuck dienen. Weil wenn eins dranhängt, kann man es doch nutzen, also die Leine einhängen oder den Hund auch mal greifen.

Ein ganz tolles Argument ist auch: Ein breites, weiches Halsband, mit dem ich verantwortungsbewußt umgehe, ist aber viiieeel besser als ein schlecht sitzendes Brustgeschirr. Dem kann nur entgegensetzen: dann kauf ihm doch ein gut sitzendes, die gibt es nämlich auch. Dann mußt auch nicht ständig auf deine unruhigen Hände aufpassen, die deinem Bello – ob du das willst oder nicht – unabsichtlich Impulse auf das Halsband geben. Auch beim Brustgeschirr sollte man nicht rumzuppeln, aber gerade die unbewußten Bewegungen übertragen sich eben nicht so unangenehm und sind auch nicht gesundheitsgefährdend.

Selbstverständlich hat ein normales, breites, weiches Halsband nichts aber auch gar nichts mit Stachel- oder Kettenwürgern zu tun. Es ist weit entfernt von allen diesen Dingern, die den Hunden ernsthaft weh tun. Und ja, es gibt Ausnahmen, bei denen Halsbänder sinnvoll sind: breite, weiche Halsbänder, die sich mit Stopp zuziehen ohne zu würgen, und die man Hunden aus dem Tierschutz zusätzlich zum Sicherheitsgeschirr anzieht, damit man sie ganz sicher an der zweiten Leine hat, wenn sie sich doch mal aus dem Geschirr winden.  Das hat aber mit unseren normalen Haushunden nichts zu tun. Wer für Gewaltfreies Hundetraining ist, hat auch eine gewisse Vorbildwirkung auf andere und entsprechend sollte man sich verhalten.

Es wird nicht mein letztes Statement zu diesem unendlichen Thema sein und ganz verstehe ich nicht, was daran so unverständlich ist, dass viele Leute, von denen ich weiß, dass sie freundlich und verantwortungsvoll mit ihren Hunden umgehen, diese trotzdem am Halsband führen. Vielleicht kann ich sie ja mit diesem Artikel hier überzeugen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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Mantrailing als Therapiemöglichkeit? – 4. Teil …und wie ist das mit Menschen?

Es gibt sicher einige, die denken beim Lesen der Überschrift: jetzt ist sie völlig übergeschnappt! Und sie hätten recht, wenn ich behaupten würde, ich könnte Menschen therapieren. Kann ich nicht und darf ich nicht, weil ich keine entsprechende Ausbildung habe.

ABER: die Hunde erledigen das viel besser als es jeder menschliche Therapeut könnte – und das ist einfach genial.

Meinen Workshops und Seminaren geht immer ein Theorieteil voraus, in dem ich nicht nur erkläre, was Trailen bedeutet, sondern auch wozu jeder Hund in der Lage ist – auch die Hunde der Menschen, die gerade vor mir sitzen und gespannt zuhören. Ca. 100% der Teilnehmer, die mich noch nicht kennen, sagen im Anschluss irgendwas in der Art: „Mein Hund macht das sicher nicht, weil….“ und dann kommen die irrsinnigsten Argumente. Auf diese Argumente gehe ich nie ein. Warum auch? Die besten Argumente bringen sie am nächsten Morgen mit – ihre Vierbeiner.

Nach dem ersten Trail habe ich schon die wildesten Dinge erlebt. Da sind Menschen in Tränen ausgebrochen, sind vor ihrer Pelznase in die Kniee gegangen und haben unter Schluchzen den Hund umarmt und geküsst und Dinge gesagt wie: „Mein Schätzchen, verzeih mir! Ich habe immer gedacht, du bist sooo ein Blödelchen! Und dann kannst du sowas tolles! Du bist großartig!“ Wir reden gerade nicht von endlos langen, schweren Trails bei Sturm und Regen, sondern von einem 100-Meter-Anfänger-Trail.

Wenn jemand denkt, ich übertreibe – weit gefehlt. Es gibt in dieser Hinsicht, nichts was es nicht gibt. Gott sei Dank. Denn von dieser Minute an denken die Menschen anders über ihren Hund. Er kann etwas, was sie nicht können, und das ist etwas, was in menschlichen Augen sehr, sehr wertvoll ist: hilflose, verlorengegange Menschen suchen. Da kommen sie dann auf so Ideen, als Anfangskommando zu sagen: such Menschen. Ich finde das sehr dramatisch, aber andererseits ist es auch eine Bestätigung, wie hoch sie das schätzen, was ihr Hund gerade macht.

Was lernen die Menschen beim Trailen noch?

Sie lernen, wie man ein richtiges Team mit lauter Gleichberechtigten wird. Ein Team, bei dem jeder seine klar zugewiesenen Aufgaben hat, das nur dann erfolgreich ist, wenn alle richtig zusammenarbeiten und alle richtig motiviert sind. Da gibt es keine Zurechtweisungen, nur freundliche Unterstützung, dickes Lob auch von Menschen, die mit Loben Schwierigkeiten haben, für die gezeigte Leistung des Hundes, Freude über das Ergebnis…. und im Endeffekt eine vollkommen neue Beziehung mit gerechteren Voraussetzungen, mit einer ganz anderen Hochachtung und großem Respekt vor den Hunden und ihren Fähigkeiten.

Nie im Leben könnte ich das leisten, wenn ich versuchen würde, das meinen Kunden zu erklären, im normalen Training zu verdeutlichen, an Beispielen aufzuzeigen. Zu einer derart guten und kompetenten Überzeugungsarbeit sind einfach nur die Hunde selber fähig.

Und mit dieser Ansich bin ich nicht allein. Denn die meisten Hundeschulen, die Mantrailing anbieten, arbeiten mehr oder weniger mit diesem Argument: eine Verbesserung der Mensch-Hund-Beziehung ist durch Trailen möglich. Eine Voraussetzung muß allerdings gegeben sein: der Mensch muß seine menschliche Arroganz überwinden – oder vielleicht komplett auf den Müll schmeißen – und sich voll und ganz darauf einlassen, dass ein Hund etwas besser kann als er. Wer das hinbekommt, erlebt tatsächlich eine ganz neue Art von Freundschaft und Beziehung, eine neue Form der Partnerschaft und Liebe.

Also: versuchts einfach und traut euch. Macht mit euren Hund eine „Mantrailer-Therapie“. Ohne Nebenwirkungen – nur Vorteile.

Und hier könnt ihr noch mehr über Mantrailing lesen:

PhiloCanis Verlag, € 14,90 + Versandkosten
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Mantrailing als Therapiemöglichkeit? – 3. Teil Verhaltenstherapie für Hunde

Wenn Hunde gerne jagen, dann denken viele Menschen, dass man sie mit einem Ersatz, also z.B. Mantrailing davon abhalten, bzw. ihnen eine gewisse Ersatzbefriedigung verschaffen kann. Wie wir im 1. und 2. Teil gesehen haben, kann das klappen oder auch nicht. Jetzt gibt es aber immer wieder TrainerInnen, die behaupten, dass man auch Verhaltensprobleme mit Trailen bearbeiten könne und das wollen wir uns im 3. Teil genauer ansehen. Nach meiner Erfahrung ist eine Verbesserung von problematischem Verhalten in Grenzen möglich, wenn man bestimmte Punkte beachtet.

1. Für wen ist das Verhalten ein Problem? Für den Hund? Für den Menschen? Für die Umwelt?
2. Warum macht der Hund das, was wir als „Problemverhalten“ bezeichnen?
3. Wer hat es ihm beigebracht?

Diese 3 Punkte sehen wir uns etwas genauer an.

  1. Wenn das Problem „Jagen“ heißt, dann ist es für den Hund eigentlich keins. Denn für Hunde ist es normales Verhalten, das zu ihrem genetisch fixierten Repertoire gehört. Für Menschen ist es dann ein Problem, wenn ihnen nicht klar ist, dass das so ist und wenn sie in einer Gegend leben, in der ihr Hund damit Anstoss erregt. Würde ich beispielsweise meine beiden Lieblinge im Wald so agieren lassen, wie sie das gerne möchten, hätte ich massiv Ärger mit dem Revierjäger, außerdem ist in Brandenburg im Wald Leinenpflicht. Im schlimmsten Fall könnte er sie erschießen oder sie würden einen Unfall bei der Verfolgung eines Wildtieres über die Straße verursachen. Es kann also ein Rundumproblem werden, da ist nicht mehr in unsere moderne Welt passt, nur verstehen die Hunde das leider nicht.Bei einer meiner Kundinnen hieß das Problem: die Hündin springt jeden Menschen vor lauter Begeisterung an. Warum sie das gemacht hat, schauen wir uns in den Punkten 2 / 3 an. Bei einem Hund, der einem 2-Meter-Mann ins Gesicht springt, ist das nicht witzig, besonders wenn es sich um einen Minibully handelt. Neben verschiedenen anderen Trainings hat sich das Trailen hier als sehr nützlich erwiesen. Meine Art der Anzeige – außer der Hund bietet freiwillig etwas anderes an – ist: wenn du sicher bist, dass das die richtige Person ist, dann stups oder schau den kurz an und geh zu deinem Menschen. Das klappt deshalb sehr gut, weil sich der Mensch riesig freut, sowie der Hund die Versteckperson gefunden hat und die Hunde sich darauf hin automatisch umdrehen. In diesem Fall war es wichtig, dass wir sofort angefangen haben zu jubeln und vor Begeisterung am Rad zu drehen, damit die Hündin gar nicht erst anfängt zu springen. Sehr interessant wurde es, als Verleitpersonen eingeführt wurden. Bis auf wenige Ausnahmen wurden diese nur kontrolliert und nicht (!) angesprungen.
    Wichtig war dabei, dass auch sonst Menschenbegegnungen geübt wurden. Am besten hat sie das nicht von uns gelernt, sondern von ihrem Freund, einem Großen Weißen Schäferhund, der null Bock auf Menschen hat und einfach vorbei geht. Sie hat sich an ihm orientiert und gemerkt: aha, so gehts auch. Wenn wir nicht auch im Alltag daran gearbeitet hätten, hätte passieren können, dass sie die Situation nicht auf den Alltag überträgt.
    In einem anderen Fall war es nicht so einfach. Eine Hündin hatte große Angst vor Menschen, die einfach vor ihr auftauchen. Ich lernte sie bei einem Workshop bei einer Kollegin kennen. Ihre Halterin war eine sehr nette, aber leider sehr inaktive Frau. Sie dachte, es könnte ausreichen, wenn wir oft genug die Hündin loben und belohnen, wenn sie die Versteckperson findet. Aber so einfach ist es nicht. Im Vorfeld und als begleitendes Training hätte sie sehr viel aktiver ihrer Hündin zeigen müssen, dass Menschen harmlos sind. Sie hat leider nicht verstanden, dass das ein echtes Problem für ihre Maus ist und für sie selber eins werden kann.
  2. Warum machen Hunde Sachen, die wir als problematisch empfinden, z.B. unbekannte Menschen anspringen oder verbellen? Warum zicken sie mit anderen Hunden rum oder attackieren sie sogar? Warum ziehen sie an der Leine? Warum fallen ihnen mehr und mehr Dinge ein, die uns nerven und stören?
    Einer der Hauptgründe ist, dass wir als Menschen in einer auch für uns sehr stressigen Welt leben, für die Hunde ist der Stress aber häufig kaum zu bewältigen. Damit meine ich, dass wir in einer für Hunde oft unerträglich lauten und stinkenden Umgebung leben. Sie sind oft stundenlang allein eingesperrt – nein, nicht in Zwingern, sondern in ganz normalen Wohnungen, bis ihre Menschen wieder von der Arbeit kommen. Sie sind oft Mittel zum Zweck sind, z.B. um Sport – oder Ausstellungspokale zu gewinnen, ohne Ende werden Forderungen an sie gestellt….. da kann man schon mal vor Verzweiflung Problemverhalten entwickeln.
    Bei der Minibullyhündin im Punkt 1 war es so: ihr Frauchen hatte vorher eine sehr unverträgliche Hündin, die weder mit Menschen noch Hunden klar kam. Das wollte sie bei diesem Hund ändern und ließ sie als Welpen an jeden (!) Menschen und Hund, zu dem sie wollte. Die Maus konnte also gar keine Impulskontrolle lernen, sie war fest davon überzeugt, dass sie jeden begrüßen muß und auch darf. Die Idee dahinter war natürlich nett, aber leider ging das völlig in die Hosen.
  3. Damit sind wir beim letzten Punkt: wir selber sind schuld daran und wir bringen ihnen das bei, was uns anschließend nervt.
    Eigentlich weiß jeder Hundehalter heute sehr wohl, dass Hunde sehr viel Ruhephasen brauchen. Was machen viele Menschen? Sie zählen einfach zusammen: so und so viele Stunden hat der Hund ja die Möglichkeit sich zur Ruhe zu begeben, alles gut. Schaut man genauer hin, stellt man fest, dass den ganzen Tag irgendwie Programm läuft, so dass der Hund ganz sicher nicht zur Ruhe kommt. Sehr beliebt ist die Variante, alle 2-3 Stunden für eine halbe Stunde mit ihm das Haus / die Wohnung zu verlassen. Dadurch kommt Bello zwar theoretisch auf 16 – 18 Stunden Ruhephasen. Defacto ist es aber so, dass er von einer zur nächsten Aktivität überhaupt nicht runterkommt.
    Das Thema „Dauerbespaßung“ hatten wir hier im Blog schon und es wurde auch schon von sehr vielen Bloggern angesprochen.
    Was allerdings immer noch übersehen wird, ist die vom Menschen aufgebaute Unselbständigkeit der Hunde, die permanent mit Kommandos und Anweisungen überschüttet werden. Dabei spielt es gar nicht mal sooo eine große Rolle, ob das alles freundlich und gewaltfrei oder mit Druck und Strafe aufgebaut wurde. Der Punkt ist: alles, was der Hund macht, läuft über Kommando. Und auch ein noch so nett geclickertes Signal, das dem Hund keine oder zu wenig Möglichkeit gibt, selbständig zu agieren, macht Hunde auf Dauer irre. Wer alles und jedes unter Signal stellt, der sollte sich nicht wundern, wenn sein Bello irgendwann anfängt, merkwürdiges Verhalten zu zeigen.
    Um nochmal auf die Minibullyhündin zu kommen: ganz klar hatte ihr Frauchen ihr das beigebracht. Und dann wurde es zu einem echten Problem. Denn als zunehmend die Menschen nicht mehr begrüßt werden wollten, entwickelte sie dieses extreme Anspringen. Terrier haben eingebaute Sprungfedern in den Beinen – könnte man jedenfalls meinen – und sie springen sehr gerne. Dazu kommt, dass dieses Verhalten zur sog. Aktiven Unterwerfung gehört, es ist ein sehr „kindisches“ Benehmen, das dem Gegenüber zeigen soll: ich bin ganz nett und harmlos. Leider kam in diesem Fall die Botschaft nie an und die Hündin galt vielen Leuten als unerzogen, was sie definitiv nicht war.

Solche Dinge bekommt man teilweise in den Griff, wenn der Mensch einsieht, dass das Problem nicht beim Hund sondern bei ihm selber liegt. Unselbständige Hunde lernen bei gutem aufgebautem Trailen selbständig zu arbeiten und dafür auch noch belohnt zu werden. Manche Situationen kann man zusätzlich zum Alltagstraining so in den Trail einbauen, dass der Hund ein anderes Verhalten lernen kann, bzw. sein erlerntes Alternativverhalten austesten kann. ABER: Trailen allein ist keine Therapie, sondern kann eine Therapie nur begleiten und im besten Fall günstig beeinflussen.

Im letzten Teil werden wir uns damit befassen, wie Mantrailing als Therapie für Menschen eingesetzt werden. Ihr dürft gespannt sein.

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Mantrailing als Therapiemöglichkeit? – 2. Teil Jagdersatz

Auf den 1. Teil habe ich sehr interessante Reaktionen gelesen, die überwiegend den Tenor hatten: so ist es bei meinem Hund auch. Wir sollten uns deshalb einfach mal überlegen, was ein ganz entscheidender Unterschied ist zwischen Nasenarbeit, die wir dem Hund anbieten, und der ganz realen Jagd, die er selber durchführt.

Das wirklich Besondere und Schöne am Trailen ist, dass wir als Team arbeiten. Rein theoretisch ginge das beim Jagen auch, aber Menschen sind einfach lahme Tröten, die beim Hetzen nicht in die Gänge kommen und beim Packen und Töten komplett versagen, so sie nicht gelernt haben ein Tier z.B. mit einem Messer zu killen. Mir persönlich wäre das sowieso mehr als unangenehm, als Vegetarierin mit starker Tendenz zum Veganismus kommt diese Art von Teamarbeit für mich überhaupt nicht in Frage. Also wird getrailt. So schön das für unsere Hunde ist, sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass so ziemlich alles, was hier passiert, von uns bestimmt wird: Versteckperson, Verleitpersonen, Tageszeit, Ort, Länge des Trails, wie oft wird getrailt, das Tempo, …… wieder einmal legen wir die Regeln fest und der Hund soll mitmachen und natürlich total begeistert sein. Dazu kommt bei allzuvielen Anbietern nach wie vor, dass sie genaue Vorstellungen haben, wie der Hund was wann zu tun hat, wie er was wann zeigen soll – anstatt einfach mal die Pelznase zu beobachten und zu eigenständigem Denken und Handeln zu animieren.

Denken Sie mal drüber nach, warum manche TrainerInnen so dermaßen oft auf die Idee kommen, ein Hund würde uns beim Trailen „verarschen“. Nein, tut er nicht. Denn Hunde haben den Teamworkgedanken nicht nur verinnerlicht, sie kommen gar nicht auf die Idee, einen Teampartner in die Irre zu führen, so wie wir das mit bestimmten Problemstellungen auf dem Trail sehr wohl versuchen. Ich vermute, die KollegInnen kommen auf so abstruse Ideen, weil sie nicht wollen, dass die Hunde selbständig arbeiten oder unter selbständigem Arbeiten verstehen, dass der Hund genau das gleiche darunter versteht wie sie. Naja.

Aber selbst wenn wir annehmen, dass das nicht der Fall ist, sondern der Hund wirklich sein Talent voll ausleben darf, dass er Hilfe bekommt, wenn er sie nötig hat, dass er Zeit bekommt, nicht gedrängt wird, sein Mensch ihn sehr gut versteht und seinem Partner garantiert mit Rat und Tat zur Seite steht, wenn es sinnvoll ist – es fehlt etwas ganz entscheidendes: das selbständige Entdecken und Aufspüren der Beute, das Anschleichen, das Losrennen und Hetzen und der Adrenalinstoß, der genau dann kommt, das Packen und Schütteln…… eben alles, was eine richtige Jagd ausmacht.

Wenn ich jetzt an die Reaktionen auf den 1. Teil denke, dann habe ich sehr oft gelesen: „so gerne mein Hund trailt, wenn ein Reh über den Trail rennen würde, würde er hinterher wollen“. Denn das ist ja eigentlich die Supergelegenheit schlechthin: die Beute bietet sich dem Hund förmlich an.

Es gibt jede Menge Hunde, deren Jagdbegeisterung ist deutlich eingeschränkter, und wenn man ihnen ein bestimmtes Training anbietet und von Anfang an daran arbeitet, dass eben nicht – vom Menschen – unkontrolliert gejagt wird, dann sind sie mit ihrem Leben trotzdem zufrieden und vermissen vermutlich nichts – zumindest bekommen wir es nicht mit. Das kann auch ein Ergebnis von Zucht sein und zwar nicht nur bei Rassehunden. Wir können davon ausgehen, dass weder ein Wach-, noch ein Hütehund, noch ein sonstiger Arbeitshund ein langes Leben hatte, wenn er nur noch hinter den Freunden des Waldes her war. Somit waren seine Chancen zur Weitergabe seiner Gene sehr eingeschränkt. Daneben hat der Mensch aber sehr effektiv arbeitende und hochbegeisterte Jagdhunde gezüchtet.

Und was wir nicht wirklich wissen: was steckt in unserem Mischling und was wurde vor einigen Generationen mal in unseren Rassehund eingekreuzt, der laut FCI und VDH einer nicht sehr jagdtriebigen Rasse angehört. Ich hatte knapp 15 Jahre Kromfohrländer, die lt. Aussage vieler Züchter nicht (!) jagen. Mein Rüde war der absolute Spezialist für die Ermordung von Ringelnattern und unsere Hündin eine sehr effektive Hasenjägerin. Wen wunderts, wenn er weiß, dass die Kromfohrländer vom Foxterrier und Griffon abstammen?

Ganz dramatische Vorstellungen haben manche Menschen, wenn es sich um gerettete Hunde aus dem Süden handelt. Viele glauben tatsächlich, wenn der Napf jetzt gefüllt ist, muß der Süße doch nicht mehr abhauen und Hasen jagen oder Mäuse ausbuddeln. Sie vergessen vollständig, dass das für viele Streuner, Straßen- und Hofhunde die beste Möglichkeit – neben dem Ausleeren von Mülleimern – ist, sich zu ernähren. Und das schmeckt nicht nur gut, das macht auch Spaß. Und  – ganz wichtig – warum sollte man eine einmal erlernte Fähigkeit verkümmern lassen? Hund weiß doch nicht, ob er das nicht irgendwann wieder braucht? Meine Hündin Indiana, die mit knapp 6 Monaten zu mir kam, hatte im zarten Alter von knapp 5 Monaten von ihrer Mutter in Griechenland schon die Grundlagen des Jagens, und damit der Selbstversorgung gelernt. Wenn ihre Mutter ihren Welpen das nicht beigebracht hätte, wie hätten sie dann den Winter überlebt? Da waren die netten Menschen auf dem Hof, auf dem sie geboren wurde, in der Stadt. Mülleimer zum Ausleeren gab es keine und auch keine Essensabfälle. Der Effekt: sie würde niemals einen alten Maulwurfshaufen aufbuddeln, sie weiß, dass man Katzen kriegen kann und Hasen findet sie auch ziemlich gut. Und ich kann Ihnen versichern: sie bekommt seit zweieinhalb Jahren jeden Tag satt zu essen.

Wir müssen also wohl oder übel damit leben, dass wir unseren Hunden mit Nasenarbeit und ganz besonders mit Trailen, das der Jagd ja noch am ähnlichsten ist, zwar einen gewissen Ersatz verschaffen können. Aber wir können uns nicht darauf verlassen, dass sie damit an den Freunden des Waldes kein Interesse mehr haben. Es sind Hunde, Lebewesen aus Fleisch und Blut, mit Gefühlen und Intelligenz, mit Bedürfnissen und eigenen Interessen, die unseren eben oft zuwider laufen. Unsere moderne Welt ist nicht sehr hundefreundlich, auch wenn es mehr Haushunde in Deutschland gibt als je zuvor. Hunde sollen gefälligst genau so sein, wie wir sie uns wünschen – als Belohnung für uns dafür, dass wir so nett zu ihnen sind. Aber so einfach ist die Welt eben nicht.

Im 3. Teil geht es weiter mit Mantrailing als Bestandteil von Verhaltenstherapie. Mal sehen, was da raus kommt.

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Mantrailing als Therapiemöglichkeit? – 1. Teil Jagdersatz

Immer wieder hört man, dass Mantrailing eine wunderbare Möglichkeit wäre, jagdbegeisterte Hunde mit diesem Ersatz auszulasten und vom Jagen abzubringen. Es mag sein, dass das manchmal klappt, gar nicht so selten den Jagdeifer etwas mildert, aber in vielen Fällen ändert es an der Begeisterung hinter Wildtieren herzuhetzen nichts, aber auch gar nichts. Warum ist das so?

Jagen ist, auch wenn Menschen das oft denken, nicht einfach eine sportliche Betätigung, die unausgelastete Hunde mal eben wählen, weil’s so nett ist. Jagen ist Nahrungsbeschaffung. Und zwar auch dann, wenn der Hund von seinem Menschen mit den feinsten Speisen ausreichend versorgt wird. Es fängt ganz harmlos an und da können wir dann noch drüber lachen, nämlich wenn unser süßer, tapsiger Welpe im Garten hinter einen Blättchen oder den Spatzen herhopst. Das ist ein sehr niedliches Spiel, aber wie bei jedem Spiel steckt etwas dahinter: die Vorbereitung auf das Leben. Es passiert eher selten, dass sich Welpen oder Junghunde für Gemüseanbau interessieren, und wenn dann nur in vom Menschen unerwünschten Ausnahmefällen – wenn sie nämlich über das frisch angelegte Beet herfallen und sich als Landschaftsgärtner versuchen. Das mit dem Gemüseanbau ist nämlich auch nicht nur ein beliebiges, menschliches Hobby. Es ist so beliebt und für uns auch relativ leicht erlernbar, weil es eine wichtige Grundlage unserer Ernährung darstellt. So wie die Jagd für Hunde.

Wenn also Klein-Bello dem davonkugelnden Ball hinterherspringt, dann macht ihm das nicht nur einfach Spaß, sondern er lernt so ganz nebenbei und spielerisch, wie er ein bewegliches Objekt erhaschen kann. Manchmal klappts, manchmal nicht, er übt und übt und irgendwann klappts richtig oft. Wenn er jetzt könnte, wie er wollte, dann würde er anfangen, sich mehr und mehr an lebenden Tieren zu versuchen, und zwar so lange, bis er in der Lage ist, sich und seine zukünftige Familie zu ernähren.

Gärtnern Sie gerne? Freuen Sie sich über jedes Radieschen, jeden Petersilienstengel, jedes Zucchini, jede Erdbeere aus Ihrem Garten? Interessiert es Sie nur am Rande, dass es eventuell für Ihren Geldbeutel sinnvoll wäre, wenn Sie Ihre Radieschen kaufen würden? Sind Sie fest davon überzeugt, dass die selbstgezogenen Kartoffeln viel besser schmecken als die gekauften? Dann geht es Ihnen wie Ihrem Hund, wenn er eine Maus oder einen Hasen erwischt hat. Selbst der beste, frische, in mundgerechte Portionen unterteilte Pansen oder die wunderbare Beinscheibe schmecken nicht halb so gut.

Jagen ist nämlich – wie gärtnern – eine selbstbelohnende Handlung und deshalb ist die Motivation, sich dieses Glück zu gönnen, so unglaublich groß. Fragen Sie mich: wenn ich genervt bin, weil ein Training nicht so geklappt hat, weil Feriengäste abgesagt haben, weil das Finanzamt mit dem Umsatzsteuer vor der Tür steht, dann gehe ich in meinen Gemüsegarten, zupfe fünf Minuten Unkraut, pflanze ein paar Kräuter um, ernte Bohnen und Zucchini, säe Radieschen und Maikugeln – und schon fühle ich mich deutlich besser.

Und das ist auch der Grund, warum viele Trainer und Hundehalter denken, wenn ich meinem Hund nur das entsprechende Ersatzangebot mache, dann sollte das doch klappen. Naja, vielleicht, vielleicht auch nicht. Das ist so, als bekäme ich einen Balkon mit 3 Blumenkästen anstelle meiner wunderbaren Gemüsebeete. Besser als nichts, aber sicher nicht so befriedigend. Was beim Jagen noch dazu kommt: leckeres Gemüse und Obst bekomme ich im Bioladen und das Zubereiten macht auch Spaß. Der Pansen im Napf ist in ca. 10 Sekunden im Hund verschwunden und die Freude an der Jagd fehlt zu 100%.

Bei manchen Hunden klappt es tatsächlich. Die sind vielleicht nicht so wild aufs Hetzen, aber sie nutzen gerne ihr Supertalent, haben Spaß an der Arbeit und große Freude am Ergebnis. Das kommt auch gar nicht so selten vor. Aber hüten Sie sich vor wilden Versprechungen gerade, wenn Sie einen Hund haben, mit dem Sie wildreiche Gebiete lieber meiden. Vielleicht, mit viel Glück, interessieren ihn die Freunde des Waldes nicht oder weniger, wenn er gerade auf dem Trail ist. Das kann durchaus sein. Aber so manch ein Trailwunder ist lieber einem Reh hinterhergehechtet, das dummerweise genau jetzt seinen Trail gekreuzt hat, und hat die Versteckperson ihrem Schicksal überlassen. Bei vielen funktioniert es, dass sie dann wenigstens für diesen Tag und vielleicht auch für die Tage nach dem Training zufrieden sind. Aber irgendwann springt eben wieder der Hase vor Fiffi auf – und ab geht die Post. Trailtraining hin oder her.

Natürlich sollten Sie trotzdem mit Ihrem Bello trailen, wenn ihm und Ihnen das Spaß macht. Denn auf Dauer bewirkt es einfach – neben dem Vergnügen an dieser wunderbaren Tätigkeit – dass Sie ihn sehr viel besser lesen lernen, Ihre Beziehung sehr viel intensiver und inniger und auch der Gehorsam besser wird. Das geht nicht von heute auf morgen, aber mit ein wenig Geduld von Ihrer Seite wird das klappen.

Und dann jagt der nicht mehr?

Naja, vielleicht!

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Dominanz oder Dominanz?

Ich freue mich ganz besonders, hier einen hochinteressanten Artikel von Elisabeth Lierschof veröffentlichen zu dürfen. Elisabeth’s Gedanken zum Thema „Dominanz“ sind sehr lesenswert.

Mit dem Begriff „Dominanz“ assoziieren die meisten Menschen spontan eher negative Eigenschaften, wie Macht, Unterdrückung und Ähnliches.

Fragt man aber mal genauer nach, ob es nicht auch positive Gedanken dazu gibt, erhält man Vorschläge wie: Präsenz, innere Klarheit, Bei-Sich-Sein, Verantwortung übernehmen, Schwächeren helfen, Ausstrahlung, Charisma.

Dass ein Hund nicht die dominante Rolle in Beziehungen spielen will, haben wir ja schon oft und ausführlich geklärt. Diese falsch verstandene Vorstellung von Dominanz dient einigen Menschen als Ausrede, Hunde nicht verstehen zu wollen und um Zwang, Gewalt und Unterdrückung zu rechtfertigen.

Dennoch können uns Hunde durch ihr Verhalten sehr stark dominieren, ohne dass sie die Absicht haben dies zu tun.

Sie können unsere Gefühle und Stimmungen dominieren, unter Umständen sogar die Atmosphäre des Zusammenlebens in unserer Familie.

Eben war ich noch gut gelaunt und bin entspannt spazieren gegangen, jetzt hänge ich überfordert, genervt, peinlich berührt an der Leine eines schreienden, zappelnden Hundes, weil der nicht an fremden Hunden vorbei gehen kann. Ich fühle mich schlecht.

Mein Hund hatte mich mit seiner Stimmung dominiert. Seine Unsicherheit, Angst, Abwehr oder Aggression hatten sich auf mich, auf meine Stimmung übertragen.

Ich war nicht „Herr“, besser gesagt „Dame“ der Lage.

Der Begriff DOMINANZ kommt von Domus – Haus,

oder auch Dominus/Domina – Herr/Dame des Hauses.

Die eigentliche Bedeutung ist,

Herr/Dame im eigenen Haus zu sein,

bei sich zu sein, selbst bestimmt zu leben.

Im Sozialen versteht man unter dem Begriff DOMINANZ unter anderem, dass jemand agiert, handelt, führt, oder eine bestimmte Energie besitzt, die sich Anderen mitteilt.

Man spricht ja auch davon, dass jemand eine besondere Ausstrahlung oder Charisma besitzt.

DOMINANZ kann auch dynamisch sein, denn wenn ich

BEI MIR, IN MEINEM EIGENEN HAUS

bin, dann kann ich anderen Raum lassen, sich und ihre Bedürfnisse auszuleben.

Ich besitze die Sicherheit, dass ich weiß, was mir gut tut, und was denen gut tut, die mir anvertraut sind. Ich bin souverän genug, dass ich in Ruhe zulassen kann, wie andere etwas ausprobieren, ich kann die Grenzen dessen was ich zulassen will, sehr weit stecken.

Es kann auch dazu führen, dass ich mich auf Ideen meines Hundes einlasse, obwohl ich evtl. ursprünglich etwas ganz anderes im Sinn hatte.

Für mich bedeutet DOMINANZ im positiven Sinne, Führung und Verantwortung zu übernehmen, und eben nicht automatisch Unterdrückung, Zwang, Unterordnung, Machtausübung.

Ich finde, wir sollten wieder dazu kommen, dazu zu stehen, im guten Sinne dominant zu sein.

Ich dominiere das Leben meines Hundes.

Ich bestimme seinen Lebensrhythmus und was ich als erwünschtes bzw. unerwünschtes Verhalten ansehe.

Ich bestimme, was, wann, wie oft und wie viel er frisst.

Ich entscheide, wann, wo, wie lange, und mit wem wir spazieren gehen,

ob er frei läuft oder angeleint ist, und welche Art der Hundebegegnung er haben soll.

Ich bestimme die Art und Weise der Erziehung und Ausbildung, und wofür er belohnt oder gelobt wird.

Je nach meinen eigenen Interessen und Neigungen entscheidet sich, welche Beschäftigung er haben soll, ob und welchen Sport wir zusammen treiben.

Ist das jetzt per se etwas Schlechtes?

Und wie ist es mit Grenzen setzen?

Mein Frino möchte gern an der Grundstücksgrenze die Verantwortung übernehmen, er will allen lauthals verkünden, dass er für das Aufpassen zuständig ist, er möchte auch kontrollieren, wer bei uns hereinkommt und auf welche Art der Besuch begrüßt wird. Ich finde allerdings, dass ich für diese Fragen zuständig bin. Also sage ich es ihm, klar und deutlich, verbal und/oder mit Hilfe meiner Körpersprache, selbstverständlich ohne einschüchternd oder bedrohlich zu wirken.

Er erscheint mir in solchen Situationen oft direkt erleichtert, als wenn er sagen wollte: „Okay, dann muss ich mich nicht mehr darum kümmern.“

Wenn ich Menschen mit ihren Windhunden sehe, beeindruckt mich immer ein gut eingeführtes „Stopp“ – Signal, wenn die Hunde zu sehr aufdrehen und Lebens- und Rennfreude umschlägt in pure Erregung. Sehr leicht beginnen sie dann sich gegenseitig zu mobben oder zu ritzen.

Auch hier erlebe ich bewundernd, wie die Hunde schlagartig in einen anderen Modus verfallen, und vollkommen ruhig werden können.

Hier übernimmt der Mensch Verantwortung und bestimmt die Situation, die chaotisch zu werden droht.

Hunde und Wölfe zeigen uns Menschen genau diese Aspekte von Dominanz. Bei ihnen bewundern wir die souveräne Art, anderen zu zeigen, wie man sich untereinander gut benimmt. Warum also sollten wir dies nun, wenn es um Menschen geht, als etwas Falsches betrachten und es ablehnen?

Bleibt noch die Frage, was kann ich denn tun, damit mein Hund sich so verhält, dass es uns Beiden gut tut?

Einerseits brauchen wir Wissen, Kompetenz, Erfahrung, Aneignung und Einüben von Techniken, die uns helfen, Hunde zu verstehen und mit ihnen zu trainieren (der gut gefüllte Werkzeugkasten).

Noch viel wichtiger finde ich jedoch die innere Haltung, mit der ich meinem Hund gegenübertrete. Sie sollte bestehen aus: Respekt vor dem anderen Lebewesen, Souveränität, Bei-MIR-Sein, Gelassenheit, Entspanntheit, Humor, Verantwortung, und sie sollte andererseits Willensenergie und Entschlossenheit beinhalten. Ich wünsche mir einen Hund, der soviel wie nur irgend möglich seinen eigenen Interessen und Bedürfnissen nachgehen kann, der einfach Hund sein darf.

Der geniale Satz von Clarissa von Reinhardt „trainieren Sie noch, oder haben Sie schon Spaß mit Ihrem Hund?“ trifft hier ganz genau meine Sehnsucht nach einem natürlichen, friedlichen Miteinander, das ohne viel Einwirkung auskommt.

Wie das Leben so spielt, sind mir gestern diese Worte zugefallen:

Als soziale Lebewesen brauchen wir für ein glückliches Leben Freundschaft, Vertrauen und Offenheit.

Vertrauen ist die Grundlage jeder Freundschaft, und wir werden es finden, wenn wir zu dem, was wir in unserer herkömmlichen Erziehung gelernt haben, auch Warmherzigkeit entwickeln.

Aus dieser Warmherzigkeit erwachsen uns Selbstvertrauen und innere Stärke, um in Vertrauen und Freundschaft mit anderen zusammenleben zu können.“

Dalai Lama

Elisabeth Lierschof, Vomp in Tirol, April 2013

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