Die Bilder mit Hunden, die Halsband tragen, häufen sich in den Sozialen Netzwerken wieder. Es gibt Gruppen, die ganz klar für gewaltfreien und respektvollen Umgang mit Hunden eintreten – und trotzdem sieht man jede Menge Hunde, die am Halsband, teilweise sogar an Kettenhalsbändern ohne Stopp geführt werden. Da mieten sich Hundeschuleguppen in meinen Ferienwohnungen ein mit Hundetrainerin, ein Teil der Hunde wird am Halsband geführt – an der Schleppleine.
Irgendwie weiß man bald nicht mehr, was man zu dem Thema sagen soll, ich versuche es trotzdem.
Wenn wir jetzt mal Sachen wie respektvollen Umgang mit Hunden vollkommen beiseite lassen, uns in aller Ruhe den Körperbau eines Hundes ansehen und das Thema einfach von der physikalischen Seite angehen, dann stellen wir sehr schnell fest, dass jede noch so kleine Bewegung am Halsband sich auf das Skelett überträgt. Das kann man sehr einfach nachvollziehen, indem man sich ein Skelett ansieht, leichten Druck mit Halsband ausübt und schon hat man eine Bewegung durch die ganze Wirbelsäule bis in die Hinterbeine und die Rute hinein.
Jetzt kommt natürlich sofort das Argument: da sind ja Muskeln und das Fell dazwischen. Stimmt! Dem muß man zustimmen. Nur: wenn Druck auf den Hals mittels Halsband – auch leichter Druck – ausgeübt wird, halten die Muskeln dagegen, um den Körper zu schützen. Dazu kommt, dass genau an der Stelle, an der der Druck unmittelbar und punktuell angreift, keine Muskeln sind, Muskeln befinden sich im Halsbereich im Nacken, der Druck geht also auf den Kehlkopf, die Sehnen, Nerverstränge und Blutbahnen, die vom Körper in den Kopf und wieder zurück führen. Der Hund spannt die Sehnen an, um seinen Hals zu schützen. Das ist jetzt auch nicht wirklich besser, denn auch diese Anspannung überträgt sich auf die Muskeln, Sehnen, Nerven- und Blutbahnen und auf das Skelett. Das hat nichts mit Tierschutz zu tun, das ist reine Physik und minimale Anatomiekenntnisse und das kann man am Modell nachstellen.
Was den Hund vom physikalischen Modell eindeutig unterscheidet ist, dass er nicht einfach starr rumsteht, sondern sich bewegt. Das bedeutet, dass dieser Druck einfach so entstehen kann, ohne dass der Mensch daran herumzieht oder weil der Mensch seine Hände nicht ruhig halten kann. Schlicht und ergreifend die Tatsache, dass sich der Hund einen Millimeter mehr als Leinenlänge weiterbewegt, bewirkt sofort Druck – und zwar an unvorhersehbaren Stellen, also ergeben sich auch hier unvorhersehbar Versteifungen und Anspannungen um den Hals zu schützen.
Wenn immer und immer wieder auf den Hals Druck ausgeübt wird und der Hund wieder und wieder gezwungen ist, seinen Körper mittels Gegendruck = Anspannung und Versteifung zu schützen, dann kann es nicht ausbleiben, dass sich diese Versteifungen manifestieren. Es kommt zu Problemen am Kehlkopf, an der Halswirbelsäule (= HWS-Syndrom), es kommt zu Problemen an der kompletten Wirbelsäule bis in die Hinterbeine, bis zu arthritischen Veränderung. Das bedeutet, dass der Hund vollkommen unerklärlich Schmerzen hat und evtl. aufwendig vom Tierarzt behandelt werden muß.
Merke: wir waren immer noch erst bei leichtem, unbeabsichtigtem Druck, dem der Hund entgegenwirken muß. Was aber passiert, wenn absichtlich rumgezupft sprich „eingewirkt“ wird oder eine Schleppleine am Halsband hängt und der Hund reindonnert, weil eben nunmal eine Katze, ein Reh, ein ichweißnichtwas vorbei kam, das sollte mittlerweile wirklich bekannt sein. Schlimme Zerrungen sind noch die harmlosere Variante. Auch wieder angewandte Physik bei der Schleppleine am Halsband: der Hund kann sich das Genick brechen.
Ein Wahnsinnsargument, das ich leider immer mal wieder höre: normalerweise führe ich ihn ja am Brustgeschirr, aber zuhause hat er nix an und ich muß ihn doch greifen können, wenn was ist! Sagt das einer meiner Kunden, atme ich immer tief durch, zähle bis zehn und antworte dann.
Wenn ich einen Hund am Halsband „greife“, ziehe ich ihm den Hals mit Kopf hoch und bringe ihn in Imponierstellung. Vom Druck auf den Hals sehen wir jetzt mal ab. Körperhaltungen haben immer auch etwas mit den Gefühlen zu tun, die im Moment dominieren. Wer mit hängenden Schultern rumläuft, hegt ziemlich sicher keine optimistische Gedanken. Selbst wenn uns jemand die Schulter hochzieht nach dem Motto: stell dich mal ordentlich hin! – sind wir immer noch nicht besser drauf, aber das Verhältnis: Gefühl <-> Körpersprache ist gestört. Das geht einem Hund, dem mit mehr oder weniger Gewalt der Kopf hochgzeogen wird, nicht anders. Zudem kann es massive Probleme mit anderen Hunden dadurch geben. Stellen Sie sich vor, Ihr Bello steht ruhig am Zaun und beobachtet einen anderen Hund, der vorbei ruhig geht. Eigentlich genau das, was wir wollen. Jetzt gehen Sie hin, „greifen“ Ihren Bello prophylaktisch am Halsband und schon geht der Hype los. Warum? Weil Sie Bellos Gefühle durcheinander gebracht haben und der andere Hund von jetzt auf gleich keinem ruhigen, neutralen sondern einem Artgenossen in Imponierstellung gegenübersteht. War also doch keine so gute Idee?
Es gibt auch das großartige Argument: er trägt das Halsband ja nur als Schmuck. Also meien Hunde schmücken sich auch: mit Wildschwein- oder Fuchskacke, mit Gras und Blättern, mit Modder und Dreckwasser – Halsbänder haben sie noch nie angefordert.
Natürlich ist das nicht schlimm, wenn man seinem Hund ein Halsband als Schmuck umlegt, weil es einem einfach so wahnsinnig gut gefällt. Aber man sollte sich gut überlegen, gerade und vor allem, wenn man selber für gewaltfreien Umgang mit Hunden plädiert: wer mich mit meinen Hunden sieht, die ein Halsband tragen, denkt automatisch: na, wenn die das macht, kann es nicht so schlimm sein. Und schwupps – haben Hunde wieder Halsbänder um, die nicht (!) ausschließlich zum Schmuck dienen. Weil wenn eins dranhängt, kann man es doch nutzen, also die Leine einhängen oder den Hund auch mal greifen.
Ein ganz tolles Argument ist auch: Ein breites, weiches Halsband, mit dem ich verantwortungsbewußt umgehe, ist aber viiieeel besser als ein schlecht sitzendes Brustgeschirr. Dem kann nur entgegensetzen: dann kauf ihm doch ein gut sitzendes, die gibt es nämlich auch. Dann mußt auch nicht ständig auf deine unruhigen Hände aufpassen, die deinem Bello – ob du das willst oder nicht – unabsichtlich Impulse auf das Halsband geben. Auch beim Brustgeschirr sollte man nicht rumzuppeln, aber gerade die unbewußten Bewegungen übertragen sich eben nicht so unangenehm und sind auch nicht gesundheitsgefährdend.
Selbstverständlich hat ein normales, breites, weiches Halsband nichts aber auch gar nichts mit Stachel- oder Kettenwürgern zu tun. Es ist weit entfernt von allen diesen Dingern, die den Hunden ernsthaft weh tun. Und ja, es gibt Ausnahmen, bei denen Halsbänder sinnvoll sind: breite, weiche Halsbänder, die sich mit Stopp zuziehen ohne zu würgen, und die man Hunden aus dem Tierschutz zusätzlich zum Sicherheitsgeschirr anzieht, damit man sie ganz sicher an der zweiten Leine hat, wenn sie sich doch mal aus dem Geschirr winden. Das hat aber mit unseren normalen Haushunden nichts zu tun. Wer für Gewaltfreies Hundetraining ist, hat auch eine gewisse Vorbildwirkung auf andere und entsprechend sollte man sich verhalten.
Es wird nicht mein letztes Statement zu diesem unendlichen Thema sein und ganz verstehe ich nicht, was daran so unverständlich ist, dass viele Leute, von denen ich weiß, dass sie freundlich und verantwortungsvoll mit ihren Hunden umgehen, diese trotzdem am Halsband führen. Vielleicht kann ich sie ja mit diesem Artikel hier überzeugen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Ein Kommentar zu Brustgeschirr oder Halsband? Was für eine Frage!