Wenn Hunde gerne jagen, dann denken viele Menschen, dass man sie mit einem Ersatz, also z.B. Mantrailing davon abhalten, bzw. ihnen eine gewisse Ersatzbefriedigung verschaffen kann. Wie wir im 1. und 2. Teil gesehen haben, kann das klappen oder auch nicht. Jetzt gibt es aber immer wieder TrainerInnen, die behaupten, dass man auch Verhaltensprobleme mit Trailen bearbeiten könne und das wollen wir uns im 3. Teil genauer ansehen. Nach meiner Erfahrung ist eine Verbesserung von problematischem Verhalten in Grenzen möglich, wenn man bestimmte Punkte beachtet.
1. Für wen ist das Verhalten ein Problem? Für den Hund? Für den Menschen? Für die Umwelt?
2. Warum macht der Hund das, was wir als „Problemverhalten“ bezeichnen?
3. Wer hat es ihm beigebracht?
Diese 3 Punkte sehen wir uns etwas genauer an.
- Wenn das Problem „Jagen“ heißt, dann ist es für den Hund eigentlich keins. Denn für Hunde ist es normales Verhalten, das zu ihrem genetisch fixierten Repertoire gehört. Für Menschen ist es dann ein Problem, wenn ihnen nicht klar ist, dass das so ist und wenn sie in einer Gegend leben, in der ihr Hund damit Anstoss erregt. Würde ich beispielsweise meine beiden Lieblinge im Wald so agieren lassen, wie sie das gerne möchten, hätte ich massiv Ärger mit dem Revierjäger, außerdem ist in Brandenburg im Wald Leinenpflicht. Im schlimmsten Fall könnte er sie erschießen oder sie würden einen Unfall bei der Verfolgung eines Wildtieres über die Straße verursachen. Es kann also ein Rundumproblem werden, da ist nicht mehr in unsere moderne Welt passt, nur verstehen die Hunde das leider nicht.Bei einer meiner Kundinnen hieß das Problem: die Hündin springt jeden Menschen vor lauter Begeisterung an. Warum sie das gemacht hat, schauen wir uns in den Punkten 2 / 3 an. Bei einem Hund, der einem 2-Meter-Mann ins Gesicht springt, ist das nicht witzig, besonders wenn es sich um einen Minibully handelt. Neben verschiedenen anderen Trainings hat sich das Trailen hier als sehr nützlich erwiesen. Meine Art der Anzeige – außer der Hund bietet freiwillig etwas anderes an – ist: wenn du sicher bist, dass das die richtige Person ist, dann stups oder schau den kurz an und geh zu deinem Menschen. Das klappt deshalb sehr gut, weil sich der Mensch riesig freut, sowie der Hund die Versteckperson gefunden hat und die Hunde sich darauf hin automatisch umdrehen. In diesem Fall war es wichtig, dass wir sofort angefangen haben zu jubeln und vor Begeisterung am Rad zu drehen, damit die Hündin gar nicht erst anfängt zu springen. Sehr interessant wurde es, als Verleitpersonen eingeführt wurden. Bis auf wenige Ausnahmen wurden diese nur kontrolliert und nicht (!) angesprungen.
Wichtig war dabei, dass auch sonst Menschenbegegnungen geübt wurden. Am besten hat sie das nicht von uns gelernt, sondern von ihrem Freund, einem Großen Weißen Schäferhund, der null Bock auf Menschen hat und einfach vorbei geht. Sie hat sich an ihm orientiert und gemerkt: aha, so gehts auch. Wenn wir nicht auch im Alltag daran gearbeitet hätten, hätte passieren können, dass sie die Situation nicht auf den Alltag überträgt.
In einem anderen Fall war es nicht so einfach. Eine Hündin hatte große Angst vor Menschen, die einfach vor ihr auftauchen. Ich lernte sie bei einem Workshop bei einer Kollegin kennen. Ihre Halterin war eine sehr nette, aber leider sehr inaktive Frau. Sie dachte, es könnte ausreichen, wenn wir oft genug die Hündin loben und belohnen, wenn sie die Versteckperson findet. Aber so einfach ist es nicht. Im Vorfeld und als begleitendes Training hätte sie sehr viel aktiver ihrer Hündin zeigen müssen, dass Menschen harmlos sind. Sie hat leider nicht verstanden, dass das ein echtes Problem für ihre Maus ist und für sie selber eins werden kann. - Warum machen Hunde Sachen, die wir als problematisch empfinden, z.B. unbekannte Menschen anspringen oder verbellen? Warum zicken sie mit anderen Hunden rum oder attackieren sie sogar? Warum ziehen sie an der Leine? Warum fallen ihnen mehr und mehr Dinge ein, die uns nerven und stören?
Einer der Hauptgründe ist, dass wir als Menschen in einer auch für uns sehr stressigen Welt leben, für die Hunde ist der Stress aber häufig kaum zu bewältigen. Damit meine ich, dass wir in einer für Hunde oft unerträglich lauten und stinkenden Umgebung leben. Sie sind oft stundenlang allein eingesperrt – nein, nicht in Zwingern, sondern in ganz normalen Wohnungen, bis ihre Menschen wieder von der Arbeit kommen. Sie sind oft Mittel zum Zweck sind, z.B. um Sport – oder Ausstellungspokale zu gewinnen, ohne Ende werden Forderungen an sie gestellt….. da kann man schon mal vor Verzweiflung Problemverhalten entwickeln.
Bei der Minibullyhündin im Punkt 1 war es so: ihr Frauchen hatte vorher eine sehr unverträgliche Hündin, die weder mit Menschen noch Hunden klar kam. Das wollte sie bei diesem Hund ändern und ließ sie als Welpen an jeden (!) Menschen und Hund, zu dem sie wollte. Die Maus konnte also gar keine Impulskontrolle lernen, sie war fest davon überzeugt, dass sie jeden begrüßen muß und auch darf. Die Idee dahinter war natürlich nett, aber leider ging das völlig in die Hosen. - Damit sind wir beim letzten Punkt: wir selber sind schuld daran und wir bringen ihnen das bei, was uns anschließend nervt.
Eigentlich weiß jeder Hundehalter heute sehr wohl, dass Hunde sehr viel Ruhephasen brauchen. Was machen viele Menschen? Sie zählen einfach zusammen: so und so viele Stunden hat der Hund ja die Möglichkeit sich zur Ruhe zu begeben, alles gut. Schaut man genauer hin, stellt man fest, dass den ganzen Tag irgendwie Programm läuft, so dass der Hund ganz sicher nicht zur Ruhe kommt. Sehr beliebt ist die Variante, alle 2-3 Stunden für eine halbe Stunde mit ihm das Haus / die Wohnung zu verlassen. Dadurch kommt Bello zwar theoretisch auf 16 – 18 Stunden Ruhephasen. Defacto ist es aber so, dass er von einer zur nächsten Aktivität überhaupt nicht runterkommt.
Das Thema „Dauerbespaßung“ hatten wir hier im Blog schon und es wurde auch schon von sehr vielen Bloggern angesprochen.
Was allerdings immer noch übersehen wird, ist die vom Menschen aufgebaute Unselbständigkeit der Hunde, die permanent mit Kommandos und Anweisungen überschüttet werden. Dabei spielt es gar nicht mal sooo eine große Rolle, ob das alles freundlich und gewaltfrei oder mit Druck und Strafe aufgebaut wurde. Der Punkt ist: alles, was der Hund macht, läuft über Kommando. Und auch ein noch so nett geclickertes Signal, das dem Hund keine oder zu wenig Möglichkeit gibt, selbständig zu agieren, macht Hunde auf Dauer irre. Wer alles und jedes unter Signal stellt, der sollte sich nicht wundern, wenn sein Bello irgendwann anfängt, merkwürdiges Verhalten zu zeigen.
Um nochmal auf die Minibullyhündin zu kommen: ganz klar hatte ihr Frauchen ihr das beigebracht. Und dann wurde es zu einem echten Problem. Denn als zunehmend die Menschen nicht mehr begrüßt werden wollten, entwickelte sie dieses extreme Anspringen. Terrier haben eingebaute Sprungfedern in den Beinen – könnte man jedenfalls meinen – und sie springen sehr gerne. Dazu kommt, dass dieses Verhalten zur sog. Aktiven Unterwerfung gehört, es ist ein sehr „kindisches“ Benehmen, das dem Gegenüber zeigen soll: ich bin ganz nett und harmlos. Leider kam in diesem Fall die Botschaft nie an und die Hündin galt vielen Leuten als unerzogen, was sie definitiv nicht war.
Solche Dinge bekommt man teilweise in den Griff, wenn der Mensch einsieht, dass das Problem nicht beim Hund sondern bei ihm selber liegt. Unselbständige Hunde lernen bei gutem aufgebautem Trailen selbständig zu arbeiten und dafür auch noch belohnt zu werden. Manche Situationen kann man zusätzlich zum Alltagstraining so in den Trail einbauen, dass der Hund ein anderes Verhalten lernen kann, bzw. sein erlerntes Alternativverhalten austesten kann. ABER: Trailen allein ist keine Therapie, sondern kann eine Therapie nur begleiten und im besten Fall günstig beeinflussen.
Im letzten Teil werden wir uns damit befassen, wie Mantrailing als Therapie für Menschen eingesetzt werden. Ihr dürft gespannt sein.