Kommando: Voran! Der Schutzhundesport im Fokus

Das neue Buch von Jörg Tschentscher

Besprechung von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin

Von Jörg Tschentscher ist ein neues Buch erschienen  „Kommando: Voran! Der Schutzhundesport im Fokus“. Es ist ein dünnes Buch von 80 Seiten, aber es lohnt sich auf alle Fälle, es zu lesen, denn es beinhaltet jede Menge Sprengstoff. Jörg Tschentscher hat sehr gründlich auf verschiedenen Hundeplätzen recherchiert, hat mit Menschen gesprochen, die diesen „Sport“ betreiben und hat sich sehr genau damit auseinandergesetzt, was diese Art von Beschäftigung mit Hunden anrichtet.

Wie viele andere auch, die irgendwann in konventionellen Hundevereinen angefangen haben, habe ich ebenfalls mit dieser „Sportart“ meine Erfahrungen gemacht und beim Lesen des Buches ist es mir immer wieder kalt den Rücken herunter gelaufen. Denn alles, was Jörg Tschentscher aus dem Schutzdienstalltag beschreibt, habe ich genau so kennengelernt. Die Zitate, die er immer wieder bringt, waren zu meiner Zeit schon genauso im Wortlaut und Inhalt, es hat sich nichts verändert. Das ist mehr als gruselig, und sollte die nachdenklich stimmen, die dem Unsinn gläubig lauschen, der dort verbreitet wird. Denn auch „Hundesportler“, die meinen, dieses Training positiv gestalten zu können, gehen von Grundlagen aus, die es nicht gibt. Es gibt keine Aggressions- oder Kampf- oder Wehrtriebe, kein Hund auf dieser Welt möchte freiwillig einfach so zum Spaß einen Menschen oder irgend ein anderes Lebewesen ernsthaft beschädigen und beissen.

Das Buch ist gut und übersichtlich in 10 Kapitel unterteilt, es werden Originalzitate von Schutzdienst-Websites gebracht, die thematisch gut eingegliedert sind, und die Recherchen von Jörg Tschentscher gut untermauern und belegen, daß zumindest Teile dieser Szene sehr genau wissen, was sie tun: den Hund zu provoziertem und vollkommen überzogenem aggressivem Verhalten zu bringen. Die Unberechenbarkeit dieser Hunde, die damit dauerhaft erreicht wird, belegt Jörg Tschentscher nachhaltig, nicht zuletzt mit dem Beispiel, wie sein eigener Hund durch einen Schutzdiensthund grundlos überfallen und verletzt wurde. Es kommt deutlich rüber, daß dies billigend in Kauf genommen wird.

Klar zeigt er auch die Zusammenhänge, die das Verhalten im Schutzdienst trainierter Hunde steuern: nicht die vielen Aggressions-, Wehr-, Kampf- Beutetriebe, die es schlicht und ergreifend nicht gibt, sondern das Zusammenspiel von Hormonen und Genen, die Spirale, die mit dem Einsatz von Gewaltmethoden losgetreten wird, der Umgang mit diesen Hunden von Geburt an, sowie die Unwissenheit von Schutzdienstlern, was Hunde und ihr Verhalten betrifft. Dagegen werden von dieser Art von „Fachleuten“ Erkenntnisse gehalten, die Anfang des 20. Jahrhunderts gewonnen wurden, und durch keine einzige wissenschaftliche Untersuchung zu belegen sind. Es wird einfach seit über 100 Jahren nachgeplappert, was bequem und praktisch für Menschen ist, die diesen „Sport“ betreiben möchten. Dadurch wird auch klar, daß der Hund für diese Menschen kein Partner ist und auch nicht sein kann. Denn wer geht schon so mit seinem Partner um, daß er seine „Stockbelastbarkeit“ mit Prügeln austestet, daß er den Hund dann belohnt, wenn er sich fest und durch nichts zu erschüttern in einem menschlichen Arm verbeisst, daß er mit allen möglichen Foltermethoden wie Strom, Würgen, Schlagen, Vereinsamung und anderen netten Dingen den Hund dazu bringt, einfach alles zu tun, nur um ein bißchen Anerkennung zu bekommen?

Sehr dankenswert ist, daß er immer wieder darauf hinweist, daß es z.B. in Nordrhein-Westfalen per Gesetz (NRW Landeshundegesetz § 19) verboten ist, Hunde auf Menschen und Tiere zu hetzen, bzw. Hunde zu gesteigerter Aggressivität auszubilden. Vermutlich wird das so oder ähnlich auch in anderen Landeshundeverordnungen, bzw. -gesetzen stehen. Selbst wenn man davon ausgeht – was ich nicht tue -, daß man beispielsweise für Polizeihunde eine Ausnahme machen sollte, bleibt auf alle Fälle die Frage: warum wird genau das in so vielen Hundevereinen gemacht? Wenn man sich der Szene ein bißchen auskennt, weiß man, daß es genau so abläuft, wie Jörg Tschentscher es beschreibt: das findet alles hinter hohen Sichtschutzhecken oder- wänden statt. Warum wohl?

Ich möchte hier jetzt gar nicht auf alle Punkte eingehen, die er behandelt, sondern feststellen, daß das sehr umfassend geschieht. Nur könnte manches durchaus ausführlicher sein. Als Beispiel wäre die Zuchtauswahl bei Hunden für den Schutzdienst zu nennen. Es ist mir klar, daß man nicht so ohne weiteres behaupten kann, daß diese Hunde nur aufgrund ihrer Erbanlagen häufig von Anfang wie die Piranhas unterwegs sind und schon als Welpen nach allem schnappen, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Ganz sicher spielt die Aufzucht beim Züchter, die oft alles andere als stressfrei ist, eine wichtige Rolle. Aber eine Bemerkung, daß die Auswahl der Paarungspartner selbstverständlich vom Abschneiden bei Prüfungen abhängt und damit eine klare Selektion „erwünschter“ Eigenschaften stattfindet, wäre gut und sinnvoll gewesen. Auch ein genaueres Eingehen auf die Möglichkeit, einen Hund mit positiver Bestärkung wie Clicker, Spiel und Futterbelohnung zu trainieren, fehlt mir. Zwar sagt er ganz deutlich, daß das Ziel bei jeder Art von Schutzdiensttraining immer ist: einen Menschen stellen, verbellen und beißen. Warum um alles in der Welt soll ich so etwas positiv bestärken?

Ein dritter Punkt, der leider vollkommen fehlt, ist das Argument: manche Hunde kann man nicht anders auslasten. Selbst wenn das stimmen sollte, wären ein paar Takte dazu notwendig gewesen, da dies sehr häufig von Leuten kommt, die eigentlich gegen Schutzdienst sind. Denn wenn es tatsächlich so sein sollte, warum stehen dann Amstaffs und Bullterrier auf Rasselisten und haben in vielen Ländern Zuchtverbot, Schäferhunde, Riesenschnauzer und Rottweiler dagegen müssen zur Zuchtzulassung Schutzdienstprüfungen nachweisen? Dies ist eine Logik, die sich mir vollkommen entzieht und es wäre, gerade zugunsten der Listenhunde, ein wichtiger Punkt.

Grundsätzlich sehe ich dieses Buch als einen wichtigen Meilenstein in der Auseinandersetzung um das Thema Schutzdienst, egal ob man es VPG, IPO oder sonst wie nennt. Ich wünsche mir, daß es viele Leute lesen, vor allem Leute, die sich mit der Idee tragen, Schutzdienst mal auszuprobieren, oder denen Zweifel gekommen sind, ob das wirklich alles so sinnvoll ist.

Bei Jörg Tschentscher möchte ich mich bedanken, daß er dieses heiße Eisen angefaßt, dieses Buch geschrieben und herausgebracht hat.

Wer es kaufen möchte, kann es entweder direkt bei Book on Demand (einfach Autor / Titel eingeben) oder im Buchhandel bestellen. Es kostet € 12,99. ISBN 9 78734 736445.

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XIII animal-learn Symposium 14.- 16.11.2014 3. Teil

Ute RottForsthaus Metzelthin

Es sind noch 3 Referenten übrig, die ich noch nicht besprochen habe. Das sind Adam Miklosi, Claudia Fugazza und Tony Shelbourne.

Adam Miklosi ist vielen bekannt, er ist einer der führenden Ethologen, die sich mit Hundeverhalten befassen, er forscht an der Universität in Budapest. In seinem Vortrag ging es um Ähnlichkeiten der menschlichen und hündischen akustischen Kommunikation. Es ist bekannt, daß Hunde deutlich mehr bellen als Wölfe, Hunde sind offenbar wesentlich gesprächiger als wildlebende Caniden. Die Ursache dafür könnte sein, daß Menschen eben auch sehr gesprächig sind, mit ihren Hunde sprechen, dies auch immer schon getan haben und die Hunde sich im Laufe der Jahrtausende angepasst und ihr akustisches Repertoire entsprechend erweitert haben. Das ist natürlich jedem bekannt, der selber einen Hund hat. Interessant an diesem Vortrag war: sowohl Menschen können Hunde verstehen, als auch Hunde Menschen, und zwar ohne große Übung oder Vorkenntnis. Das heißt, daß auch Menschen, die keine Hunde haben, mit großer Wahrscheinlichkeit Lautäußerungen von Hunden richtig interpretieren. Das allein ist bestimmt für viele Menschen überraschend, aber was wirklich von großer Bedeutung ist, ist die Tatsache, daß bei akustischer Kommunikation im Gehirn von Hunden die gleichen Regionen angesprochen werden wir bei Menschen.  Der Lehrstuhl hat zwei Fragebögen zur Empathie- und Vokalisationsfähigkeit von Hunden entwickelt. Wer sich beteiligen möchte: hier sind die Links dazu.

Empathiefähigkeit:  http://goo.gl/forms/zpyJI6fXzm

Vokalisationsfähigkeit: http://goo.gl/forms/sfJbaOHhzv

Das ist sicher ein sehr interessantes Thema und man darf gespannt sein, was bei seiner Forschung und der Auswertung der Fragebögen herauskommt. Wichtig sind diese Untersuchungen in der Diskussion mit Leuten, die immer noch der Meinung sind, daß Hunde nur mit Pelz bezogene Befehlsempfangsautomaten sind.

Seine Mitarbeiterin Claudia Fugazza sprach über das Thema „Soziales Lernen und Nachahmung durch Hunde“.  So interessant dieses Thema sein mag, während des ganzen Vortrags dachte ich mir, daß ich in der Praxis – und mit mir ungezählte KollegInnen – tagtäglich mit Hunden arbeite, indem ich ihnen zeige und vormache, was sie tun sollen, z.B. über einen Baumstamm springen, indem ich zuerst darüberhüpfe. Um den vorbeifahrenden Radfahrer einen Bogen machen und ihn eben nicht anfallen. Selber in schwierigen Situationen erstmal hinschauen und ruhig bleiben und nicht in Panik verfallen. Wenn man das den Hunden entsprechend zeigt, dann machen die das einfach nach. Und zwar jeder. Was Frau Fugazza gemacht hat, war ein Laborversuch, wie man Hunden beibringen kann, durch ein Kommando nachzumachen, was man ihnen vorgemacht hat. Das Kommando dazu heißt: do as I do – machs mir nach. Sie zeigt Menschen, die ihre Hunde in einem abgeschirmten Raum zusehen lassen, wie sie etwas berühren, dann gehen sie zu dem Hund, geben das Kommando, der Hund machts nach. Oder jemand hopst in die Luft, „do as I do“ – Hund hopst auch. Sie hat auch bewiesen, daß Hunde sich noch nach langer Zeit, also über 24 Stunden später an die Situtation erinnern können. Ebenso hat sie bewiesen, daß diese Methode nachhaltiger und schneller funktioniert als beispielsweise Clickern.

Allerdings frage ich mich, was diese Laborversuche sollen. Wenn man die gleiche Zeit aufwenden würde, um z.B.  –  wie es Rupert Sheldrake in „Der 7. Sinn der Tiere“ gemacht hat – Anekdoten zu sammeln, die mit dem Nachahmungs- und Erinnerungsvermögen von Hunden zu tun haben, bzw. Menschen mit Hunden suchen würde, die einem zeigen, wie sie ganz praktische Sachen ihren Hunden beibringen, indem sie ihnen das Gewünschte vormachen, dann kämen meiner Meinung nach sehr viel interessanter und spannendere Ergebnisse heraus. Wem es zu mühsam ist, sich diese Menschen zu suchen, der sollte einfach in Hundeschulen nachfragen, die gewaltfrei arbeiten. Das einzige, was mich an dem Vortrag tatsächlich überzeugt hat ist, daß man jetzt sagen kann: es ist wissenschaftlich erwiesen, daß Hunde durch Nachahmung lernen und daß sie sich das, was sie tun sollen, tatsächlich über einen längeren Zeitraum merken können.

Tony Shelboure hat zwei Vorträge gehalten, einmal über TTouch und den zweiten über ihre Arbeit mit Gehegewölfen. Sie ist eine sehr sympathische und lustige Referentin, das hat über einige Mankos ihrer Referate hinweggeholfen. Der Beitrag über TTouch war ein bißchen sehr voller Wunder, was man mit einigen wenigen Touches zur richtigen Zeit angewendet erreichen kann. Ich glaube, niemand der sich mit TTouch befasst, kann das so nachvollziehen. Trotzdem war der Vortrag insofern interessant, weil sie seit ca. 20 Jahren mit TTouch arbeitet und aus ihrer Praxis viele nützliche Tipps geben konnte. Wenn man von ihren „Wundern“ absieht, war für mich der Vortrag ein kleiner Hinweis darauf, daß man TTouch nicht vergessen sollte. Gerade gestörte Bewegungsabläufe lassen sich damit sehr gut behandeln, da sie häufig durch Verspannungen entstehen. TTouch kann diese gut lösen und man kann seinen Kunden relativ einfach zeigen, wie sie damit arbeiten können. Da ich selber keine TTouch-Practitionerin bin, habe ich im Hinterkopf behalten, interessierte Kunden auf die Bücher, bzw. entsprechende Workshops aufmerksam zu machen.

Der Vortrag über Wölfe hat nicht wirklich etwas neues gebracht, es war mir persönlich auch ein bißchen viel Werbung für ihr neues Buch, das sicher sehr interessant ist, aber leider nur auf Englisch erscheint. Dankeswerterweise hat sie sehr vernünftige Sachen über Domianz und Hierarchie im Wolfsrudel gesagt, über die Beziehungen der Tiere untereinander und daß auch bei Gehegewölfen eine bemerkenswerte Tatsache ist, daß sie sehr freundlich miteinander umgehen. Das sind Tatsachen, die man gar nicht oft genug sagen kann, und ich denke, daß vermutlich immer jemand im Publikum sitzt, der es dann endlich mal versteht.

Insgesamt war dieses Symposium wieder eine wunderbare Möglichkeit, interessante Referenten zu hören, nette Kollegen zu treffen und neue Kontakte zu knüpfen. Es gibt ja mittlerweile mehr Veranstaltungen, die ähnliche Intentionen haben, und auch sehr interessant sind. Aber nach meiner Einschätzung gibt es nichts, was sich mit dem animal-learn-Symposium vergleichen läßt und ich freue mich schon auf 2015! Vielleicht treffe ich ja den einen oder die andere, die sich durch meine Berichte animiert fühlen und sich auch mal die Teilnahme gönnen!

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XIII. animal-learn-Symposium 14.11. – 16.11.2014 – 2. Teil

von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin

Leider konnte ich den nächsten Teil nicht so schnell reinstellen, wie ich vorhatte, da meine Seite gehackt wurde. Aber jetzt kommt der 2. Teil meiner Eindrücke.

Ein absolut faszinierender Vortrag war der von Prof. Dr. Irene Sommerfeld-Stur. Frau Sommerfeld-Stur ist, soweit mir bekannt, im deutschsprachigem Raum eine der bedeutendsten Genetikerinnen für Hunde. Sie wird oft von Züchtern in vielen Zusammenhängen zitiert, aber nach diesem Vortrag über „Genetik und Verhalten“ bin ich mir nicht mehr so sicher, ob sie auch wirklich verstanden wird. Ich werde mir nicht anmaßen, allzuviel ins Detail zu gehen, denn bei so komplexen und komplizierten Themen finde ich es einfach mal außerordentlich bemerkenswert, daß die Referentin alles so rüberbringt, daß man als Laie tatsächlich versteht, wovon sie spricht. Andererseits können sich bei der Wiedergabe dermaßen viele Fehler und Missverständnisse einschleichen, daß Dinge in den Umlauf kommen, die einfach falsch sind. Und das wollen wir alle nicht. Deshalb beschränke ich mich auf die Tatsachen, die gut erklärbar und leichter verständlich sind und die mir als die Quintessenz aus dem Vortrag erscheinen.

Wichtigster Punkt für mich war, daß Genetik nicht so dermaßen kompliziert, daß man als Laie nicht verstehen könnte, worauf es ankommt.
1. Krankheiten werden überwiegend so vererbt, daß beide Eltern sie übertragen müssen, bis auf gewisse Ausnahmen. Durch Inzucht wird das gefördert.
2. Wer Äußerlichkeiten wie z.B. Fellfarbe, Stellung der Ohren, Fellstruktur oder was auch immer züchterisch verändert, also den sog. Phänotyp, nimmt automatisch weitere Veränderungen in Kauf, z.B. Neigung zu Taubheit / Blindheit bei weißen Tieren, bzw. Tieren, die das Merlegen (u.a. Blaufärbung/-scheckung)  in Kauf, aber ebenso auch Verhaltensänderungen, d.h. ebenso wird auch das Aggressionsverhalten und das Sozialverhalten des Hundes genetisch beeinflusst.
Dies ist bekannt und kann auch einwandfrei nachgewiesen werden. Was allerdings dann die Probleme bereitet, ist die Einschätzung und die Kenntnis, wie man Zucht so betreibt, daß keine unerwünschten Verhaltensweisen auftreten, bzw. Krankheiten vermieden werden können. Im Laufe des Vortrags kam bei mir immer mehr der Gedanke hoch, daß Züchter sich ja oft und gerne auf Frau Sommerfeld-Stur beziehen, aber letztendlich scheint ihnen egal zu sein, welche Erkenntnisse sie ihnen nahebringen möchte. Sonst würde nicht so munter weiter Inzucht betrieben, bzw. mit viel zu wenig Hunden nach wie vor rein auf Äußerlichkeit gezüchtet werden.

Ein weiterer Punkt, der mir mindestens genau so wichtig erscheint, sind die epigenetischen Aspekte, also alles, was während der Trächtigkeit, der Geburt und während der Welpenzeit passiert. So ist es ein gewaltiger Unterschied, ob Hunde mit Kaiserschnitt oder natürlich zu Welt kommen. Eine ganz wichtige Rolle spielt dabei jede Form von Stress. Das kann sogar bedeuten, daß ein ängstlicher Vater ängstliche Kinder zeugt, aber selbstverständlich spielen Verhaltensweisen der Mutter in jedem Fall die wichtigste Rolle. Wenn man jetzt betrachtet, wie der Deckvorgang bei vielen Rassen vor sich geht, sollte es einen nicht wundern, daß viele Welpen von Anfang an gestresst wirken und vermutlich auch sind. Vergewaltigungen (die Hündin wird für den Rüden festgehalten), künstliche Befruchtung und Kaiserschnitt sind bei immer mehr Rassen ganz normal. Was medizinisch machbar ist, wird eben auch gemacht. Dann schlagen bei manchen Züchtern täglich Interessenten auf, die mit den Welpen kuscheln und spielen möchten. Wie stressig das für die Mutter und eben auch für die Welpen ist, daran denkt keiner.

Der mittlerweile übliche Abgabetermin von 8 Wochen kam zur Sprache, der für die Welpen äußert ungünstig ist. Ich habe Frau Sommerfeld-Stur angesprochen, ob sie ihren Einfluß auf die Züchter nicht dahingehend geltend machen kann, daß endlich dieser Abgabetermin wenigstens auf 10 Wochen erhöhtwird. Ihre Antwort war: „Sie überschätzen meinen Einfluss auf die Züchter. Denn wenn ich mehr Einfluss hätte, dann sähe in der Zucht vieles anders aus, das können Sie mir glauben.“

Die beste Information aus diesem Vortrag war allerdings, daß Frau Sommerfeld-Stur an einem Buch über dieses Thema schreibt, und das verspricht sehr lesenswert und interessant zu werden.

„Warum Auslandstierschutz“: auch so ein Thema, dem ich mit gemischten Gefühlen entgegen gesehen habe. Constanze Schöttler hat allerdings einiges bei mir in Gang gesetzt, so daß ich schon verschiedene Dinge nach ihrem Vortrag anders sehe. Ihr Vortrag war höchst unkonventionell, da sie nämlich tierisch aufgeregt war. Es gab hinterher einige Diskussionen, daß dadurch der Vortrag schlechter gewesen sei, aber ich glaube, daß es vielen ging wie mir. Natürlich ist es angenehm, einen Referenten zu haben, der locker und professionell sein Thema vorträgt und eine durchgestylte Präsentation darbietet, aber wenn man merkt, daß jemandem sein Thema am Herzen liegt und dieser Mensch ist einfach komplett durch den Wind aufgrund der Tatsache, vor dem „erlesenen“ Publikum des animal-learn-Symposiums referieren zu dürfen, dann macht das einfach nur sympathisch. Ist doch schön, daß es noch Menschen gibt, die nicht nur Profis sind, sondern auch bei ihrem Vortrag Mensch bleiben. Und so erlesen ist das Publikum ja auch wieder nicht: alles nur Menschen. Was nämlich trotzdem ganz wunderbar rüberkam, war, wie wichtig Constanze Schöttler der Auslandstierschutz ist, wie sehr ihr die Hunde am Herzen liegen.

Zu meiner großen Freude hatte sie sich auch entschlossen, keine Gruselfotos zu zeigen. Davon halte ich überhaupt nichts. Wer die sehen möchte, kann das gerne auf den einschlägigen Seiten im Internet tun. Mir hat voll und ganz das Bild von der aufgelassenen Tötungsstation gereicht, auf dem die betonierten Boxen zu sehen waren, in denen die Hunde früher bis zur Tötung aufbewahrt wurden. Allein die Vorstellung, daß Hunde die letzten Tage ihres Lebens in so einem Ding neben, über und unter unzähligen Leidensgenossen verbringen, ehe sie mehr, meistens weniger „human“ ermordet werden, hat mir vollkommen genügt.

Sie hat sehr gut ausführlich erläutert, wie unterschiedlich das Problem „Streunerhunde“ in den verschiedenen Ländern Süd- und Südosteuropas angegangen wird. Auch daß es für viele Menschen, die sich als Hundefänger betätigen, die einzige Möglichkeit ist, sich ein einigermaßen anständiges Einkommen zu sichern, hat sie sehr betont. Daran sollte man denken, ehe man Menschen verurteilt, die wie z.B. in Rumänien deutlich mehr verdienen, wenn sie Hunde fangen, als wenn sie einer geregelten Arbeit nachgehen – so sie überhaupt Arbeit bekommen. Tierschutz ist also durchaus ein gesellschaftliches Problem, das weder durch Tötung, noch Vermittlung ins Ausland und nur in einem gewissen Maß durch Aufklärung und Kastration vor Ort in den Griff zu bekommen ist. Solange es den Menschen schlecht geht und sie kaum Geld für ihre eigenen Bedürfnisse haben, solange wird es auch ihren Tieren nicht wirklich gut gehen.

Tötungen von Streunerhunden sind definitiv nicht die richtige Methode, das Problem in den Griff zu bekommen. Es werden immer die Hunde weggefangen und getötet, die in der Regel nett und freundlich sind und niemandem schaden. Die scheuen Hunde dagegen werden so gut wie nie erwischt und produzieren eifrig weiter. Das gilt natürlich ebenso, wenn Hunde z.B. nach Deutschland vermittelt werden oder vor Ort kastriert wird. Die Lösung liegt in einer guten und ausgewogenen Kombination. Sie hat das am Beispiel des Ortes Jumilla erläutert, in dem sie seit Jahren aktiv für den Tierschutz arbeitet.

In Jumilla gibt es keine Tötungsstation mehr, dafür ein Tierheim mit engagierten, ehrenamtlichen Mitarbeitern. In diesem Tierheim wurde für die Pfleger eine Schulung über die Arbeit mit Angsthunden angeboten, die von Clarissa von Reinhardt und Steffi Kohl durchgeführt wurde. Das Angebot wurde dankbar angenommen, so daß die Pfleger jetzt deutlich besser in der Lage ist, die Hunde richtig einzuschätzen und mit ihnen zu arbeiten. Zusätzlich werden vor Ort Kastrationsprogramme durchgeführt und es wird aktiv an der Aufklärung der Bevölkerung gearbeitet. Die Organisation PfotenNot geht regelmäßig in Schulen und Kindergärten, um dort Aufklärungsarbeit zu leisten, es gibt jedes Jahr einen Tag der Offenen Tür im Tierheim, einkommenschwache Hundebesitzer können ihre Hunde kostenlos kastrieren lassen, jedes Jahr wird eine Demonstration mit Hunden aus dem Tierheim und Hundebesitzern durchgeführt, die Kennzeichnungspflicht für Hunde wird überwacht, es gibt Infostände……….. Das alles kostet Geld, das nicht immer von der Gemeinde aufgebracht werden kann.

Deshalb werden ausgewählte Hunde nach Deutschland gebracht und dort vermittelt. Das darf natürlich niemals unter Druck und über Mitleid passieren, sondern man muß genau hinsehen, wer sucht sich welchen Hund aus, passen die beiden überhaupt zusammen? Vor- und Nachkontrollen sind notwendig, und im Notfall – aber nur dann – muß ein Hund eben auch mal wieder mitgenommen und anderweitig vermittelt werden. Aber das sollte immer die Ausnahme bleiben. Deshalb ist durchaus wünschenswert, daß ausgewählte Tierschutzorganisationen, die über ein eigenes Tierheim und / oder qualifizierte Pflegestellen in Deutschland verfügen, diese Vermittlung übernehmen. Eine dieser Organisationen ist Häuser der Hoffnung, die Tierschutzorganisation mit Tierheim in Bernau, der Clarissa von Reinhardt vorsteht. Organisationen wie Häuser der Hoffnung nehmen auch deutsche Hunde auf, die in Deutschland so gut wie nicht mehr vermittelt werden können, z.B. weil sie groß und schwarz oder alt und krank sind. Auch das muß bezahlt werden, die Gemeinden haben alle kein Geld und die Bezahlung für Fundehunde durch die Gemeinden ist nicht unendlich. Irgendwann müssen die Vereine selber für die Tiere aufkommen. Einen Teil finanzieren sie durch die Vermittlung von Auslandshunden.

Das bedeutet jetzt nicht, daß man ungebremst Hunde aus dem Ausland in deutsche Tierheime zum Vermitteln h0len soll, ganz sicher nicht. Sondern das heißt, daß man sich genau ansehen sollte, wie die Vermittlung von Auslandshunden hier stattfindet, ob sich die Organisation im Mutterland der Hunde nur um das Einfangen und den Transport nach Deutschland kümmert, oder ob und welch andere Arbeit sie vor Ort macht. Ebenso sollte man die Vermittler in Deutschland genau ansehen: gibt es Vor- und Nachkontrollen? Wie erfolgt die Übergabe? Hat man einen Ansprechpartner, der auch nach der Übergabe noch erreichbar ist? Viele Fragen, die man von Organisationen wie Pfotennot beantwortet bekommt.

Es gäbe über diesen Vortrag noch viel zu erzählen, aber ich die wichtigste Informationen waren für mich, die nachhaltige Arbeit vor Ort  und die gut durchdachte Vermittlung in Deutschland, die auf Dauer überflüssig werden sollte.

So, zum Abschluß noch ein paar Worte über Clarissa von Reinhardts Vortrag „Über den Sinn und Unsinn von NILIG“.  NILIG bedeutet: nichts im Leben ist gratis. In bewährter Art hat Clarissa deutlich gemacht, welche Gefahren diese Einstellung birgt, wie schnell ein Hund durch diese „Methode“ zu einem vollkommen hilflosen Objekt gemacht wird. In Wirklichkeit wird mit dieser Methode eine extrem starke Kontrolle über den Hund ausgeübt und es wird immer gewertet: hat er es auch richtig gemacht? Hat er gemacht, was und wie ich es wollte? Hat er sich die Belohnung auch tatsächlich verdient? Das geht s oweit, daß Selbstverständlichkeiten wie Zugang zu Wasser und Nahrung, Nähe und Körperkontakt eingeschränkt und kontrolliert werden, um den Hund gefügig zu machen. Das bedeutet nicht nur Stress für den Hund, sondern auch das Abgleiten in erlernte Hilflosigkeit.

An diesem Vortrag hat mir am besten der Schlußsatz gefallen: Wir sollten lieber nach dem Motto LILIG, nämlich „Liebe im Leben ist gratis“ mit unseren Hunden leben, denn Liebe muß umsonst und bedingungslos gegeben werden. Im Anschluß gab es einige Diskussionen mit dem Tenor: „das wissen wir doch schon längst“. Das kann ich so nicht unterschreiben. Ja, tatsächlich, auch für mich war nicht wirklich etwas Neues in diesem Vortrag. Aber wir wollen doch hoffen, daß auch Leute zum Symposium kommen, die sich nicht wie Hundetrainer täglich mit der Thematik befassen, sondern im Gegenteil als ganz normale Hundehalter von den Medien mit allen möglichen Supertrainern und Supermethoden zugemüllt werden. Und für diese Besucher ist es enorm wichtig, ausführlich und sehr professionell andere Argumente zu hören und bestätigt zu bekommen, daß sie nicht jede Aktion ihres Hunde kommandieren, kommentieren und bewerten müssen, ganz im Gegenteil, daß wir unsere Hunde einfach so lieben und wertschätzen dürfen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Und dann finde ich, daß auch meinereins sich ruhig mal wieder „Altbekanntes“ anhören kann. Ich finde, manche Dinge kann man sich immer wieder anhören und dadurch an evtl. Vergessenes erinnert werden. Man hat dann einfach die Gelegenheit, Argumente wieder zu aktivieren, die einem nützlich sein können in der täglichen Arbeit.

Jetzt stehen noch die letzten 3 Referenten aus, dieser Bericht folgt in den nächsten Tagen. Versprochen!

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XIII. animal-learn-Symposium 14.11. – 16.11.2014 – 1. Teil

von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin

Nachdem ich versprochen hatte, vom Symposium ausführlich Bericht zu erstatten, habe ich lange hin und her überlegt, mit welchem Referenten ich anfangen soll. Zuerst die, die mir nicht so gut gefallen, oder zu erst die Highlights? Und dann habe ich mich für die Highlights entschieden, was aber auch nicht so einfach war, weil ich mich nämlich zwischen den überwiegend wirklichen tollen Vorträgen entscheiden mußte. Das war nicht einfach. Denn dieses Symposium war wirklich mit Abstand das schönste und beste, das ich bislang mitgemacht habe. Es hat einfach alles gestimmt: die Themen, die Referenten, die Athmosphäre, alles war einfach großartig. Was ich bislang noch nie erlebt hatte, ist diesmal wirklich sehr gut gelungen: die Themen haben sehr gut zusammen gepasst und die Referenten haben sich wirklich gut ergänzt. Aufgefallen ist, daß immer wieder in den Vorträgen etwas kam wie: „das haben wir ja schon in anderer Variation vorhin gehört“.

Mein absoluter Favorit war aber Nadja Maurer aus der Schweiz. Sie ist nicht nur eine sehr gute und kompetente Referentin, sondern sie hat darüber hinaus eine so warme und freundliche Ausstrahlung, daß es nicht verwundert, daß viele der Anwesenden anschließend mit ihren Tieren zu ihr in Behandlung kommen möchten und Termine vereinbart haben. Nadja Mauerer ist Tierheilpraktikerin und züchtet Pferde. Ihr erster Vortrag ging über „Trauma“. Sehr kompetent und schlüssig hat sie erklärt, was ein Trauma ist und wie es entsteht. Dabei hat sie sich auf physische Traumata konzentriert. Die Schwierigkeit dabei ist, zu beurteilen, wann ein Hund traumatisiert ist oder nicht. Denn es gibt durchaus Fälle, die wir alle kennen, da geschieht dem Hund etwas wahrhaft schreckliches, er schüttelt sich und alles ist gut. Und in anderen Fällen dreht er völlig am Rad und wir können uns nicht vorstellen, daß das von dieser „Lappalie“ kommt. Der springende Punkt ist, daß ein Ereignis „zu früh, zu schnell, zu bald“ wahrgenommen wird und der Organismus damit nicht klar kommt.

Wir alle kennen Hunde, die unter einem Knalltrauma leiden, und wir wissen, wie schwer das zu behandeln ist und wie sehr Hund und Hundehalter darunter leiden, aber auch durch andere Katastrophen, nicht nur durch Silvesterböller, kann ein Hund schwer traumatisiert werden. Für mich war dabei erneut die Erkenntnis wichtig, wie schnell eine unangenehme Situation für einen Hund traumatisch werden kann, da viele unserer Hunde regelrecht zur Hilflosigkeit erzogen werden. Wir alle kennen den Terminus „erlernte Hilflosigkeit“. Ein Hund, der so erzogen wurde, wird sehr viel eher durch relativ harmlose Ereignisse traumatisiert werden, da er nicht gelernt hat oder sogar aktiv daran gehindert wird, selbständig Lösungen in schwierigen Situationen zu erarbeiten, mit denen er das Trauma überwinden könnte. Sie beruft sich auf Peter Levine, der an Wildtieren erforscht hat, wie diese mit traumatischen Situationen umgehen. Die Bewältigung erfolgt immer durch Erstarren, Fliehen oder Kämpfen. Erstarren ist nur dann von Erfolg, wenn das Tier im Anschluß fliehen oder kämpfen kann. Geht das nicht, bleibt die Erstarrung und das Trauma wird nicht mehr selbständig bewältigt. Diese Ereignisse manifestieren sich im Körper und können erhebliche Beschwerden verursachen.

Daß das funktioniert, habe ich selber vor Jahren erlebt, als ich eine Traumatherapie wegen extremer Rückenschmerzen machte. Ich bin selber keine Therapeutin, sondern Nutznniesserin und Fan dieser Therapie, deshalb möchte ich nur ganz kurz erklären, wie das funktioniert. Wer mehr wissen möchte, sollte sich bei Fachleuten genaue Informationen holen. Im Gegensatz zu Konfrontationstherapien muß man das traumatisierende Erlebnis weder kennen noch wiederholen. Der Therapeut bringt einen durch Körperarbeit dazu, selbst aktiv zu werden und dadurch werden die Beschwerden meist sehr schnell gemildert und im Idealfall beseitigt. Wer mehr dazu wissen möchte, sollte sich das Buch von Peter Levine „Traumatherapie“ besorgen oder Fachleute dazu befragen.

Ein besonders beindruckendes Beispiel war ein Whippet, der ungewöhnlich gut erzogen und praktisch vollkommen erstarrt war. Er hatte einen starren und sehr unglücklichen Gesichtsausdruck. Im Bereich des Kreuzbeines war er so blockiert, daß er einen ganz steifen Gang und auch erhebliche Schmerzen hatte. Einen entscheidenen Anteil an dieser Erstarrung hatte der extreme Grundgehorsam, über den der Besitzer sich immer so gefreut hatte. Nachdem er aufgeklärt worden war, war ihm klar, daß er damit seinen Hund in eine extreme Form der erlernten Hilflosigkeit gebracht hatte. Und zum Glück für den Hund war er einsichtig.

Nadja Maurer arbeitet wie damals meine Feldenkraislehrerin mit einer von ihr für Tiere entwickelten Craniosakraltherapie (Kreuzbein). Da wir aufrecht gehen, sieht diese Arbeit natürlich bei Tieren anders aus. Sie ist aber nicht minder erfolgreich, da Tiere ohne Vorurteile mitmachen, wenn sie merken, daß ihnen geholfen wird. Bei Menschen ist da ja nicht immer so einfach.

Der zweite Vortrag von Nadja Maurer hieß „Zucht – Was der heutige Präventionswahn bedeutet“. Das war wahrhaftig Wasser auf meine Mühlen. Denn was in der Zucht passiert, ist nach meiner Auffassung nicht nur sträflicher Leichtsinn, sondern schädigt die betroffenen Tiere häufig so stark, daß es schlicht kriminell – aber leider nicht strafbar ist. Viele dieser Probleme, die z.B. durch übertriebene Hygienemaßnahmen, Impfungen, Untersuchungen per Ultraschall oder – immer noch – Röntgen vor, während oder nach der Trächtigkeit entstehen, wirken sich ganz massiv auf die Gesundheit von Mutter und Welpen aus und bringen auch erhebliche Folgeerscheinungen mit sich. Für mich ist das größte Problem dabei, daß nichts von dem wirklich wissenschaftlich untersucht ist, sondern die Gefahren und negativen Folgen einfach durch Beobachtungen von Menschen erfasst werden, die in irgendeiner Form mit Tieren zu tun haben, wie Heilpraktiker, Tierärzte und Hundetrainer. Züchter kommen nur ganz langsam dahinter, daß sie mit dem, was mittlerweile üblich ist an Prävention, ihren Hunde mehr schaden als nützen.

Wie kompliziert dieses Thema ist und wie kontrovers es diskutiert wird, hat man an den Debatten über diesen Vortrag gemerkt. Während der erste überwiegend positiv aufgenommen wurde, war vielen beim zweiten überhaupt nicht klar, was tatsächlich gemeint ist. Viele Menschen wenden dann ein, daß es doch nicht geht, alles „der Natur“ zu überlassen. Das ist auch überhaupt nicht gemeint. Ein gutes Beispiel ist die neueste Impfung von Zuchthündinnen gegen Herpes, angeblich um die Welpensterblichkeitsrate zu senken. Najda Maurer berichtet, daß bei den Hündinnen, die ihr bekannt sind, im Gegenteil die Welpensterblichkeit zunimmt. Sie selber hat dagegen in ihrer eigenen Pferdezucht festgestellt, daß je weniger sie an konventioneller Prophylaxe eingesetzt hat, die Muttertiere bei jeder Geburt gesünder waren und auch die Fohlen waren gesünder und vitaler. Als Quintessenz könnte man sagen: wenn diese ganze – wohlgemerkt übertriebene – Vorsorge tatsächlich notwendig wäre, sollte man sich fragen, wie sich dann Leben entwickeln und erhalten konnte.

Zum Abschluß möchte ich noch ein paar Worte zu dem phantastischen Vortrag von Dorrit Franze „Die Würde des Hundes ist unantastbar – auch im Training?“ Wie man einen Vortrag zu dem eigentlich extrem trockenen, juristischen Thema „Rechte der Hunde“ einen so spannenden Vortrag halten kann, daß über ca 130 Menschen aktiv mitdiskutieren und von Anfang bis Ende voller Spannung dabei sind, hätte ich vorher nie im Leben geglaubt. Ich dachte, ich sitze das mal aus, und dann war ich hellauf begeistert. Sie hat einige Fragen geklärt, die vielen im Saal nicht klar waren, z.B. haben Hunde, bzw. Tiere in Deutschland tatsächlich nach wie vor keine Rechte, sondern sie genießen gesetzlichen Schutz. Das macht es schwierig, da Tiere nach wie vor vor dem Gesetz wie eine Sache behandelt werden. Zwar ist diese Sache schützenswert und hat auch bestimmte schützenswerte Bedürfnisse, aber eine Sache ist eben kein eigenständiges Lebewesen, dem auch eine Würde, also ein Wert, der aus diesem Wesen selbst entsteht – so wie man das bei Menschen voraussetzt – zugesprochen werden kann. Das bedeutet letztendlich, daß nach wie vor Tiere nach ihrem Nutzen gewertet und behandelt werden, z.B. ist das Schlachten von Hunden zum Verzehr verboten, das von Schweinen und Rindern nicht. Ebenso ist Zoophilie, also der sexuelle Missbrauch von Tieren entgegen der herrschenden Meinung in Deutschland nach wie vor erlaubt.

Da ich nicht alles bringen kann – und auch gar nicht mehr so im Detail weiß – möchte ich auf einen Punkt eingehen, der für Tierschützer und Tierrechtler in der Praxis wichtig ist. So ist sie der Meinung, daß man unbedingt Tierquälerei zur Anzeige bringen sollte, wenn man Zeuge wird, auch wenn nichts dabei heraus kommt. Ich habe sie um Rat gefragt, weil ich Anzeige gegen den Vorsitzenden eines Hundezuchtvereins gestellt hatte. Die Hunde, die auf der Titelseite der Vereinszeitung abgebildet waren, hatten jeder ein Stromreizgerät um. Die Anzeige wurde niedergeschlagen und im Bescheid stand, ich könne ja nicht beweisen, daß die Geräte benutzt worden wären, außerdem läge kein öffentliches Interesse vor. Hätten Tiere eine im Gesetz verankterte Würde, sähe das anders aus. Lt. Dorrit Franze kann man nicht mehr machen, was schade ist. Aber es ist wichtig, so etwas zu tun, damit eben irgendwann genügend Druck entsteht, daß der Gesetzgeber nicht mehr anders kann als etwas zu ändern.

Was ihr auch wichtig war: genereller Leinenzwang in Gemeinden. Sie sucht dringend nach Bußgeldbescheiden, da sie sich für dieses Thema sehr interessiert. Keine Gemeinde kann generellen Leinenzwang womöglich noch mit vorgeschriebener Leinenlängen erlassen, ohne ein genügendes Freilaufgebiet zur Verfügung zu stellen. Das Problem ist: die Hundehalter wehren sich nicht. Also: wer sich für das Thema interessiert, weil er direkt davon betroffen ist, sollte sich wirklich schlau machen und ruhig mit der Gemeinde- oder Stadtverwaltung streiten.

So, das war jetzt mal mein subjektiver Eindruck, von drei Vorträgen, die für mich herausragend waren. Das bedeutet aber nicht, daß die anderen schlecht oder uninteressant waren. Ich hoffe, daß ich im Laufe der Woche noch dazu komme, den 2. Teil zu schreiben. Wer die Vorträge nachlesen möchte: es gibt im animal-learn-Verlag die Skripte zu kaufen, € 9.00 + Versandkosten. Ich kann nur sagen: es lohnt sich!

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Wie man alles ohne Ende verkomplizieren kann – Hunde einfach füttern

von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin

In einer weit verbreiteten Hundezeitschrift war in der letzten Ausgabe ein ausführlicher Artikel von einer bekannten Autorin  zur Ernährung von Hunden. Es geht mir nicht darum, wer hier wo was geschrieben hat und ob das alles richtig ist oder nicht, sondern ich möchte mal die Frage stellen, warum Ernährung von Hunden eigentlich so fürchterlich kompliziert sein soll.  Hunde leben jetzt seit vielen tausenden von Jahren bei uns, ihre wilden Verwandten haben Null Ahnung von der Zusammensetzung des Kaninchens oder des Rehkitzes, das sie gerne verspeisen möchten, und merkwürdigerweise funtkioniert das seit Jahrtausenden ohne daß man ernährungsbedingte Probleme feststellen kann. Außer es gibt zu wenig.

Die Autorin dieses Artikels hat sich redlich Mühe gegeben und listet genau auf, welche Bestandteile im Futter enthalten sein können oder auch müssen, welche Probleme es geben kann, wenn bestimmte Dinge fehlen, was man wann wie füttern kann, um Probleme zu vermeiden oder zu bekämpfen – nur eines hat sie vergessen zu erwähnen: spricht sie von Rohfütterung oder von Industriefutter?

Ich vermute, es geht um Industriefutter, da sie beispielsweise die Problematik von zuviel Eiweiß erwähnt und vollkommen richtig erläutert, daß der Eiweißgehalt im Hundefutter zwischen 15 und 18 % liegen sollte – das entspricht genau dem Eiweißgehalt von frischem Fleisch. Bei Trockenfutter dagegen ist das deutlich komplizierter, dann hier ist nicht nur tierisches Eiweiß enthalten sondern auch pflanzliches, von dem wir nicht so genau wissen, ob und wie Hunde damit klarkommen. Noch dazu läßt sich der echte Eiweißgehalt im Trockenfutter gar nicht so leicht feststellen, da hier der Feuchtigkeitsgehalt bei 6-10% liegt und deshalb erst festgestellt werden müßte, wieviel Feuchtigkeit ist in diesem Futter enthalten und dann müßte man umrechnen, wie hoch der Eiweißgehalt tatsächlich ist. In der Regel kommt man auf einen deutlich niedrigeren Proteinwert im Vergleich zu Frischfleisch, die Frage ist also: wie kann es zu einer Verhaltensproblematik durch zu hohen Proteingehalt kommen, wenn in Trockenfutter weniger Eiweiß als in Fleisch enthalten ist?

Dann die Sache mit den Kohlehydraten, die ja auch eine ganz mysteriöse ist. Da werden Gene gefunden, die Hunde befähigen, Kohlehdrate besser zu verdauen als dies bei seinen wilden Verwandten der Fall ist. Das ist eine gute Nachricht, da das die Ernährung unter Umständen tatsächlich einfacher macht. Denn wenn das so ist, geht die Welt nicht unter, falls Bello mal Kartoffeln oder Getreide frisst. Nur entschuldigt das nicht, daß die meisten Industriefutter –  auch Dosen so sie nicht zu 100% Fleisch beinhalten – deutlich über 50% aus Kohlehydraten bestehen. Das kann man ganz einfach nachprüfen, auch wenn man nicht Veterinärmedizin studiert hat und auch kein ausgewiesener Ernährungsfachmann ist. Man nehme einfach eine Futtertüte/-dose zur Hand und rechne alle Bestandteile zusammen: xx % Fleisch / tierische Nebenerzeugnisse, / xx % Reis / Mais / Kartoffeln, xx % Gemüse / Kräuter, xx % Vitamine, Mineralstoffe………. wer tatsächlich bei 100% ankommt, kann sich glücklich schätzen. In der Regel liegt man deutlich unter 100%. Und da stellt sich doch die Frage: woraus besteht der Rest? Denn dieser Rest beträgt häufig an die 50% oder sogar mehr. Das wäre es doch interessant zu erfahren, was das denn ist.  Die Antwort ist höchst einfach: Stärke. Die wird benötigt, um dem Futterbrei in der Extruderverarbeitung die richtige Konsistenz für die Verarbeitung zu geben. Denn wenn die nicht stimmt, arbeitet die Maschine nicht richtig. Und das möchte der Futtermittelbetrieb natürlich verhindern. Also wird Stärke zugesetzt, damit das auch funktioniert. Was ist das für Stärke? Keine Ahnung. Vermutlich das, was der Einkäufer günstig auf dem Markt bekommt. Vielleicht Mais, vielleicht Soja, vielleicht Kartoffelmehl, vielleicht genverändert, vielleicht bio. Wir wissen es nicht und werden es auch nicht herausfinden.

Jedenfalls steht somit fest, daß der Anteil an Kohlehydraten nicht bei den offen angegebenen 25 oder 30 oder was auch immer Prozent liegt, sondern deutlich höher. Und  Hunde sind nunmal weder Hamster noch Mäuse oder Vögel, sie benötigen ganz sicher  nicht Kohlehdrate in defacto unbestimmbaren Mengen. Denn es ist ein deutlicher Unterschied, ob ihm Napf ihres Hundes mal eine Kartoffel landet oder ob sein Futter zu mindestens 30 bis zu 70% aus Kohlehydraten besteht. Denn das ist für Hunde ganz sicher nicht gesund und es sollte deshalb auch niemanden wundern, wenn Bello Probleme mit der Verdauung, der Bauschspeicheldrüse, sog. Allergien oder gar Krebs bekommt.

Dann wird in diesem Artikel noch sehr kompetent auf die Bestandteile eingegangen, die man als normaler Hundebesitzer mittlerweile alle kennen muß, sonst sollte man sich nicht wundern, wenn der Hund auf einmal Probleme bekommt, Trypthophan und Dopamin und Serotonin………………. und was weiß ich nicht alles. Man kommt sich bei diesen Aufzählungen, die man sehr häufig zu lesen bekommt, vor wie in einer Vorlesung fürLebensmittelchemie oder Biochemie, jedenfalls alles sehr chemisch. Ich bin überzeugt davon, daß die wenigsten Hundemenschen auch nur ansatzweise wissen, was das alles tatsächlich ist und wie es wirkt, aber das kann man ja nicht zugeben. Sondern man füttert dann als Leckerchen Käse, weil der weiß Gott was enthält, was Defizite beim Futter ausgleichen kann, oder die spezielen XY-Cräcker, weil da YZ enthalten ist…………………… Zu dem Thema würde ich gerne mal einen Wolf oder Kojoten befragen. Gott sei Dank geht das aber nicht, denn der würde mich vermutlich für komplett plemplem halten. Zu Recht.

Das Fazit so gut wie aller dieser Artikel ist: es ist unglaublich schwer, Hunde richtig zu ernähren, und wenn ihr nicht alles zu 100% richtig macht, dann geht es euren Hunden schlecht und ihr seid schuld!!!

Also bleib übrigt: das ist alles so kompliziert, da bleiben wir doch lieber beim „bewährten“ Trockenfutter, denn da ist alles drin was die Pelznase so braucht. Die Probleme, die wir dann blöderweise kriegen, die lösen wir anschließend – vielleicht – mit vielen Tierarztbesuchen.

Liebe Hundehalter und Hundefreunde, um die Ernährung seines Hundes so zu gestalten, daß er gesund und munter bleibt, muß man weder Lebensmittelchemie studiert haben, noch muß man bis ins kleinste Detail wissen, was wo zu welchen Prozentsätzen vorhanden und wie oft verfüttert werden muß. Man kann die gleiche Regel anwenden, die man auch für die eigene Ernährung anwenden sollte: regional – saisonal – und so frisch wie möglich. Und das schließt Industriefutter als auschließliche Fütterung einfach radikal aus. Ob man jetzt Getreide zufügt oder besser nicht, ob man Obst und Gemüse füttert oder nur Kräuter, welches Öl das beste ist, wie oft der Hund Knochen bekommen soll oder besser nicht – das sind alles Dinge, die kann man sich nach und nach erarbeiten. Und wenn ein gesunder Hund zwischendrin mal eine Dose bekommt oder fertige Hundewurst oder sonst was vorgefertigtes, wird er schon nicht gleich tot umfallen. Genauso wie wir nicht gleich sterben, wenn wir mal eine Tiefkühlpizza in die Röhre schieben oder einen Döner verzehren.

Also: seht einfach alles ein bißchen locker, freut euch, wenn euer Bello Spaß hat, ein großes Stück Pansen zu verschlingen oder einen Fleischknochen zu zerlegen. Deshalb kann man ja durchaus alle möglichen Veröffentlichungen über Hundeernährung lesen, irgendwas lernt man immer!

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Unsere Metzelthiner Hundewanderung im Advent

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Ein paar Worte in eigener Sache: Warum hier bestimmte Antworten gelöscht werden.

Ute Rott
Forsthaus Metzelthin

Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, daß ich eine ausgesprochene Gegnerin der „Sportart“ Schutzdienst oder neudeutsch „VPG“ bin. Das hat viele Gründe, u.a. auch, weil ich selber fast zwei Jahre meinen Rüden mit dieser so sagenhaft guten Möglichkeit, Hunde zu erziehen und auszulasten, trainiert habe. Deutlich länger habe ich allerdings dafür gebraucht, ihm das alles wieder abzutrainieren, was er sich in dieser Zeit an Irrsinn angewöhnt hatte. Eine ganz tolle Folge dieses Trainings war, daß er sein Vertrauen zu mir vollkommen verloren hatte.

Desweiteren habe ich viel in dieser Zeit auf verschiedenen Hundeplätzen und bei Vereinen, die nach wie vor tolle Ergebnisse bei Prüfungen einfahren, gesehen, das mich damals schon irritiert hat und mich heute noch nachhaltig erschüttert.  Hier nur ein paar Beispiele:
– Normalerweise nette, freundliche Menschen haben auf ihre Hunde eingeprügelt, um sie auf die Prüfung oder das Training einzustimmen.
– Ebenso hatten einige kein Problem damit, Hunde, die nachweislich HD in schlimmster Form hatte und lt. Tierarzt geschont hätten werden sollen, zu Prüfungen zu führen, u.a. mit dem Argument, sonst hat der Verein nicht genug Teilnehmer.
– Ich habe genügend „eingesagte“ Trainings miterlebt, zu denen eben nicht jeder eingeladen werden darf, weil es da richtig zur Sache geht: mit Strom aufgeladene Stachelhalsbänder waren da die Regel. Leider wußte ich damals noch nicht, daß das strafbar ist.
– Alle diese Leute haben behauptet, sie würden ganz spielerisch und nett nur über den Beutetrieb und niemals über den Wehrtrieb arbeiten. Wie wir alle wissen, ist keiner dieser „Triebe“ nachweisbar, das irritiert Schutzdienstler in keinster Weise. Warum auf nette und spielerische Ausbildung dann immer irgendwann irgendeine Form von Gewalt wie Würgen und / oder Strom notwenig ist, hat keinen gestört.
– Das Hauptargument, daß man manchmal eben doch ein bißchen (!) Druck machen muß, war immer: sonst klappts nicht in der Prüfung.

In vielen und ausführlichen Diskussionen habe ich seitdem versucht, Freunden und Befürwortern dieser „Sportart“ zu erklären, warum Hunde das einfach nicht wollen und warum es schlecht für Hunde ist, ihnen beizubringen, Menschen zu beissen. Ich habe Kronzeugen benannt und es gibt Untersuchungen, die belegen, daß SchH-Hunde deutlich eher durch unangemessenes Aggressionsverhalten auffallen, als alle anderen. Ich war geduldig und ausdauernd und dachte mir, daß es nicht auf die ankommt, die nix kapieren, sondern auf die anderen, die sich Gedanken machen. So denke ich immer noch.

Nachdem aber nach wie vor irgendwelche Ewiggestrigen meinen, sie müßten sich mit diesen Argumenten nicht befassen, sondern einfach pauschal folgende Argumente bringen :
– man kann das ganz nett und freundlich im Spiel aufbauen
– wenns schief läuft, wurde falsch trainiert
– wer gegen Schutzdienst ist, hat sowieso keine Ahnung
– wer nicht versteht, wie toll das für Hunde ist, hat von Hunden keine Ahnung
– der Hund lernt nur in den Arm zu beissen, das ist einfach nur ein lustiges Spiel
– ……………..
und mich damit zumüllen, habe ich beschlossen, daß ich die Faxen jetzt dick habe. Ich werde nach wie vor nicht ruhen und rasten, mit Menschen, die ihr Hirn nicht an der Garderobe ihres Hundevereins oder ihrer Hundeschule abgeben, zu diskutieren und sie mit Argumenten zu überzeugen, daß Schutzdienst nichts mit Sport, dafür umso mehr mit Tierquälerei zu tun hat. Die sinnlosen Auseinandersetzungen mit denen, denen das Befinden ihres Hundes egal ist und die denken, Hunde sind doof, weil sie angeblich nicht verstehen, daß der Ärmel an einem Menschen hängt, und deren Kenntnisse über Körpersprache und Ausdrucksverhalten bei Hunden sich gegen Null bewegen, stelle ich hiermit ersatzlos ein. Deshalb werden alle Kommentare, die in irgendeiner Form für Schutzdienst oder für die Ausbildung von Hunden zum Beisssen sprechen nicht genehmigt und als Spam gekennzeichnet. Ebenso werden auf Facebook alle diese Beiträge in meinen Posts gelöscht. Ich bitte niemanden um Verständnis dafür. Die, die so denken wie ich, haben das sowieso, die anderen gehen mich nichts an.

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Das geht doch viel zu langsam! – Warum Hunde leiden müssen, weil Menschen keine Zeit haben

von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin

Immer wieder hört und liest man, wenn es um Training mit verhaltensauffälligen Hunden, sog. Problemhunde oder „Red-Zone“-Hunde geht, daß die sanften Methoden der Wattebauschwerfer einfach zu lange brauchen, um zu wirken. Manche bringen das sogar, wenn es darum geht, einen pubertierenden Junghund zur Räson zu bringen. Selbst wenn man „eigentlich“ gewaltfrei und freundlich arbeiten möchte – oder es zumindest vorgibt -, behaupten viele Trainer und Hundehalter, jetzt müsse man dem kleinen Rüpel einfach mal zeigen, wo der Hammer hängt, sonst kapiert der das doch nie. Die gewaltfreien Methoden dauern da – angeblich – viel zu lange.

Es ist ja nicht so, daß das noch nie jemand gesagt hat und auch ich habe mich schon oft dazu geäußert, aber egal. Wir wiederholen das, bis uns die Finger und Lippen in Fransen hängen und bis es der letzte kapiert hat: gewaltfreies Training, das jemand durchführt, der weiß, was er tut, ist immer effektiv, solange berücksichtigt wird, was der Hund tatsächlich leisten kann, welches Problem der Hund hat, wie der Mensch lernen kann, damit umzugehen und seinen Hund richtig einzuschätzen.

Gewaltfreies Training wird ja immer noch so dargestellt, als würde der Trainer oder der Hundehalter seinen Hund pausenlos besäuseln und mittels Leckerchen versuchen, zu erwünschtem Verhalten zu bewegen. Dem ist nicht so. Wenn ich nur ein klein wenig Ahnung von Lernverhalten habe, dann weiß ich, daß Lernen unter Stress immer darauf hinausläuft, daß der Hund einen Teil seiner Energie auf das Vermeiden des Stressauslösers verwenden muß, daß es vermutlich zu Fehlverknüpfungen kommen wird, die neue Probleme erzeugen werden und bestimmte Dinge, die der Hund ganz sicher nicht machen möchte, mit Gewalt in den Hund hineingezwungen werden und dadurch wieder Stress und Problemverhalten auslösen. Stichwort: Schutzdienst. Sowie der Hund Licht am Horizont in Form von „so könnte ich mich dem entziehen“ sieht, wird er versuchen, jede Möglichkeit zu nutzen, um der stressigen Situation zu entkommen. Notfalls auch mit Gewalt.

Bei gewaltfreiem Training dagegen wird dem Hund erklärt und gezeigt, so daß er genau verstehen und nachvollziehen kann, um was es geht, wie er eine Situation bewältigen kann: im Bogen um den keifenden Hund hinterm Zaun vorbei gehen, der alten Frau mit Rollator ausweichen, abwarten bis das Auto vorbeigefahren ist………… Das lohnt sich immer: in Form von Lob, Futter und  – meiner Meinung der wichtigste Aspekt – er lernt, wie man friedlich schwierige Situationen löst.

Das beste Beispiel ist der Hund, der mittels Leinenruck versucht wird, am Jogger-, Fahrradfahrer-, Autojagen zu hindern, der immer enxtremer reagiert, trotz immer größere Entfernungen aggressiv auf den Stressauslöser in Form von Joggern, Fahrradfahrern und Autos losgeht. Warum macht er das? Weil er weiß, daß der Angreifer per pedes, auf dem Rad oder im Auto verschwindet, wenn er nur wütend genug bedroht wird. Es hat ihm nämlich keiner erklärt, daß der gar nicht angreift, auch nicht seine Zelte bei uns aufschlagen oder uns fressen möchte, der will nur vorbei.

Und da sollte man sich doch fragen: wo geht hier was schnell? Schnell geht nach meiner Ansicht, daß bei gewalttätigem Training der Hund schnell und effektiv lernt, den vermeintlichen Angreifer wütend zu verjagen. Das was ich möchte: „lass den einfach vorbei“ geht nicht mal im Ansatz. Aussnahme: ich stampfe den Hund so in Grund und Boden, daß er sich nicht mal traut zu atmen ohne einen Antrag zu stellen. Wenn einem also egal ist, wie es seinem Hund geht, Hauptsache er muckt sich nicht, dann kann man das gerne machen. Man sollte sich allerdings nicht über allerhand Nebenerscheinungen wundern. Und man muß sich fragen lassen, wozu man einen Hund hat: damit man wenigstens einen hat, den man ungestraft unterjochen kann, wies einem beliebt?

Jetzt beschäftigen wir uns mal mit dem pubertierenden Rüpel oder der Zicke. Also wenn ich mich an meine Pubertät erinnere, dann ging da gar nix schnell, das hat einfach gedauert, bis ich soweit war, die angenehmen und unangenehmen Lehren, die ich in dieser Zeit erhalten habe, entsprechend zu verarbeiten und umzusetzen. Nachdem ja Lernverhalten an Hunden sehr intensiv erforscht wurde, wage ich jetzt einfach mal, das ganze umzudrehen und von mir auf die Pubertätszicke zu schließen: auch bei ihr wird es einfach dauern, bis wir das Schild „Wegen Umbau geschlossen“ endgültig abnehmen können. In dieser Zeit ist aber wichtig, dem Hund, egal ob Rüpel oder Zicke, ganz deutlich klar zu machen, daß alles was wir vorher gelernt haben, immer noch gilt. Es kann durchaus sein, daß wir an dem einen oder anderen Thema etwas intensiver arbeiten müssen. Wwelches das ist, wird uns unsere Pelznase schon mitteilen.

Was machen wir z.B. mit dem netten Bello, den bislang Jogger überhaupt nicht, und jetzt ganz heftig interessieren? Wir suchen uns eine Rennstrecke, auf der nicht allzuviel los ist, organiseren uns einen freundlichen Menschen, der ganz langsam vorbeiläuft, auf unsere Anweisung auch stoppt und stehenbleibt, und der uns geduldig in einigen Trainingseinheiten hilft, Bello klarzumachen, daß Jogger harmlos sind. Wir haben unseren Freund an der Leine und zeigen ihm, daß dieser Mensch weder eine jagdbare Beute noch ein Angreifer ist. Wie machen wir das? Wir weichen aus, entweder im Bogen oder indem wir vom Weg abgehen und in einer gut aushaltbaren Enfernung mit ihm warten und dem vorbeilaufenen Jogger in aller Ruhe zusehen. Und ja: es gibt für ruhiges Vorbeigehen und Hinsehen viel Lob und Leckerchen. Was denken Sie denn? Das ist eine enorme Leistung für unseren Jungmacho, wenn er davon Abstand nimmt, uns gegen Angreifer zu verteidigen.

Was ganz merkwürdig ist: sofort beim ersten Training verstehen alle (!) Hunde, was man von ihnen möchte. Ob sie es dann dauerhaft durchziehen oder nicht, hängt davon ab, wie gut man weitertrainiert. Natürlich wird er mal wieder in sein altes Verhalten zurückfallen, er muß ja austesten, was besser und effektiver ist, und wann das Neue gilt und wann das Alte. Je gefestigter dieses Verhalten ist, also je länger man wartet mit dem Training, umso länger dauert es auch, bis sich das neue Verhalten so etabliert hat, daß er gar nicht mehr anders kann. Es ist also wieder mal Geduld gefragt, Geduld und nochmal Geduld, und wenn das nicht reicht, dann kaufen wir eben noch ein Kilo Geduld. In meiner Hundeschule ist das Geduldtraining im Training ohne Aufpreis integriert.

Und jetzt nochmal die entscheidendeFrage: Was geht schneller? Gewalt oder Gewaltfreiheit? Ich finde, diese Frage sollte sich gar nicht erst stellen. Denn schnell oder nicht schnell hängt bei gewaltsamem Training einfach davon ab, wie brutal der Trainer vorgeht, bei gewaltfreiem Training dagegen, wieviel er von Hunden versteht. Was gibt es da zu entscheiden?

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Phänomen oder Problem: die gute – oder nicht so gute – Leinenführigkeit?

von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin

Vielleicht sollte ich mal eine Strichliste führen und eine interne Untersuchung über folgendes Thema durchziehen: wieviele Menschen kommen mit ihren Hunden zu mir, weil ihre Hunde nicht ordentlich an der Leine laufen? Ich schätze ca. die Hälfte aller Trainings laufen zur Leinenführigkeit. Dabei kann ich nicht mal behaupten, daß das ausschließlich oder wenigstens überwiegend Hundehalter sind, die nicht bei mir das Welpen- oder Junghundepaket absolviert haben. Die nicht in einer meiner Gruppe sind, sondern in irgendeiner anderen und natürlich grottenschlechten Hundeschule ihren Hund versaut gekriegt haben.

Um das mal gleich vorweg zu nehmen: ja, es gibt grottenschlechte Hundschulen, aber die Anzahl derer, die gut und ordentlich arbeitet, nimmt deutlich zu und ich denke sogar, daß sie mittlerweile eher in der Mehrzahl sind. Und die Kollegen, die ich kenne, jammern alle über das gleiche Problem: auch Hunde aus ihrem Training laufen sehr oft nicht gut an der Leine. Die Frage, die sich mir da stellt, lautet: ist das jetzt ein einfaches, mechanisches Problem, das mit den entscheidenen Tricks und Methoden geändert werden kann oder handelt es sich nicht viel eher um ein Phänomen unserer Zeit, das eben nur Hundehalter betrifft? Ich vermute nämlich letzteres.

Auch wenn ich das schon oft und oft gesagt und geschrieben habe, wiederhole ich es notfalls so lange, bis mir die Finger wund werden oder meine Zunge in Fransen hängt: kein einziger Hund besitzt so etwas wie ein Leinenführigkeitsgen, jeder einzelne muß es wieder neu lernen. Jeder. Und beibringen muß ihm das sein Mensch, denn für Hunde ist es komplett und total unnatürlich und widersinnig, daß man sich gegenseitig an einem Strick festbindet. Hunde tun sowas nicht. Manche Hunde können das einfach, sie verstehen sehr schnell, wann die Leine zu Ende ist und daß es wesentlich angenehmer ist, wenn sie locker durchhängt. Das ist eine wunderbare Sache, aber keine einziger Hundemensch darf sich darauf verlassen, daß das bei seinem Hund so ist.

Fragt man jetzt in die Runde, welche Gründe es gibt, warum Hunde an der Leine ziehen und was man tun kann, um das zu ändern, dann bekommt viele, viele Antworten, die sicher meistens richtig sind, nur leider den Kern nicht treffen. Um das zu verdeutlichen, hier ein paar Beispiele aus der Praxis. Ich bitte um Verständnis, daß in diesen Beispielen nicht die richtigen Namen genannt werden, ebenso schildere ich auch nicht alle Details aus der Geschichte der Hunde und ihrer Menschen, sondern nur die, die wichtig sind für das Verständnis der Problematik. Ich möchte hier niemanden bloßstellen oder lächerlich machen, sondern allen Betroffenen zeigen, daß sie nicht allein sind mit ihrem Problem, daß sie sich nicht schämen müssen, sondern daß man oft mit wenigen Mitteln eine deutliche Besserung erreicht.

1. Klara ist eine ca. 2 Jahre alte Hündin einer großen Rasse, die „eigentlich“ gut an der Leine läuft, nur in bestimmten Situationen nicht. Sieht sie jemanden von vorne kommen, egal ob Mensch oder Hund, kommt sie vom Freiland in Richtung Bebauung oder ist irgendwo in der Nähe Krach, z.B. LKW-Verkehr, dann fängt sie an in die Leine zu beißen und zu ziehen wie nix gutes.  Klara lebt mit noch 2 Hunden ihrer Rasse zusammen. Beide gehen gut an der Leine und haben damit überhaupt kein Problem. Was ist die Ursache? Klara ist die jüngste von den dreien, der Rüde ist ein Jahr älter, die Hündin ist schon über 10 Jahre alt. Die alte Hündin ist sehr souverän, hatte schon selber Welpen und die Besitzer dachten, vielleicht, daß Klara von der alten Hündin einiges übernehmen würde. Was Klara aber beim Züchter gelernt hat, ist nicht bekannt und es ist auch nicht bekannt, wie die Elterntiere waren.  Vielleicht war die ältere Hündin ja der Meinung, daß sie für die Kinder von fremden Hunden nicht zuständig ist? Könnte man nachvollziehen, nur können wir sie nicht fragen. Der Rüde ist selber sehr unsicher, weicht aber allem, was er als Problem ansieht, einfach großräumig aus.  Klaras Menschen sind sehr nett und lieben ihre Hunde sehr, aber sie haben leider nicht erkannt, daß Klara ein Hund ist, der Halt und Sicherheit braucht und beides bekommt sie eben nicht von den anderen Hunden.
Klaras Menschen haben noch andere Probleme mit ihr, die hier nicht erläutert werden sollen. Nervig für sie ist u.a. daß Klara eben manchmal an der Leine zieht. Wenn man jetzt in Richtung Dorf mit Klara geht, dann passiert manchmal etwas ganz merkwürdiges: sie zieht nicht unbedingt hin, sondern eher weg. Sowie man stehen bleibt, bleibt Klara auch stehen und beobachtet voller Mißtrauen das Geschehen auf der Metzelhiner Dorfstraße. Soviel sei vertraten: besonders viel passiert da eher nicht. Möchte man mit Klara weitergehen, sträubt sie sich mit ihren ganzen fast 40 Kilo. Man bekommt sie also nur weiter, indem man sie mit Gewalt weiterzieht.
Dazu kommt, daß alle anderen Hunde der Familie immer nett und unkompliziert waren, jetzt hat man plötzlich einen nicht so einfachen Hund und das macht doch einen schlechten Eindruck.
Die Ursache für die schlechte Leinenführigkeit ist hier sehr komplex:
– leider zu wenig Verständnis für die Sitatution der jungen Hündin von Anfang an
– Mensch setzt sich durch, egal um was es geht, denn Klara wurde dann eben immer durch die Dörfer gezerrt
– viel zu wenig Kontrollmöglichkeiten für Klara und viel zu wenig Gelegenheit, selber langsam und abgesichert eine neue Umgebung zu erkunden
– Die Angst vor der Meinung anderer Menschen, daß man seinen eigenen Hund nicht im Griff hat.
Das sind nur vier Ursachen, es gibt noch mehr, aber allein diese vier reichen aus, um einem Hund das Laufen an der Leine unter bestimmten Umständen unmöglich zu machen. Denn, ich erinnere daran: überwiegend läuft sie wunderbar locker an der Leine.

2. Frau Müller hat zwei Schäferhündinnen, Mutter (10 Jahre) und Tochter (5 Jahre). Beides sind sehr nette und lustige Mädchen, die am Leben mit ihrem Frauchen offensichtlich viel Spaß haben. Frau Müller steht im Leben als Selbständige seit Jahrzehnten erfolgreich ihre Frau, aber privat wirkt sie wie ein verschüchtertes, kleines Mädchen.  Trotzdem ist sie felsenfest davon überzeugt, daß sie hier die „Chefin“ ist, einfach weil sie ein Mensch ist und damit autoamtisch allen Hunden überlegen. Ihre Mädels sehen das etwas anders. Es kommt noch dazu, daß Frau Müller immer schrecklich Angst hat, sich zu blamieren. Wenn ihre Mädels nämlich beim Anblick von Hunden  in die Luft gehen und an der Leine zerren wie verrückt, dann schämt sie sich und hat schrecklich Panik, daß die anderen Leute sie für dumm und unfähig halten und auch gar nicht verstehen, daß ihre Mädels eigentlich total nett sind. Also hat Frau Müller auf Rat eines „Hundeexperten“ einer der beiden ein Stachelhalsband umgelegt, die andere hat einen „einfachen“ Würger mit Stopp, die Leinen sind ganz kurz, sonst kriegt sie sie ja nicht gehalten.  Zudem werden viele Kommandos permanent geübt: fuß und bleib und sitz und platz, eben alles was man unumstößlich braucht, um Hunde in den Griff zu bekommen.
Und dann passiert auch noch folgendes: Frau Müller geht mit ihren Hunden vor dem Training noch eine kleine Runde, sieht mich am Tor warten und aus purer Höflichkeit – und vielleicht auch aus Angst, ich könnte was schlechtes von ihr denken – fängt sie an zu rennen. Dabei zerrt sie natürlich an den Leinen und damit an Stachel und Würger und schon zerren beide Hunde wie blöd und gehen schließlich aufeinander los.
Beide Hündinnen sind also in vielerlei Hinsicht nicht wirklich überzeugt davon, daß ihr Frauchen über herrvoragende Führungsqualitäten verfügt. Daran ändern auch zahlreiche und sinnlose Kommandos nichts.
Ursachen in diesem Fall:
– arbeiten mit Leinenruck, endlosen Kommandos und Folterwerkzeugen auf Rat eines „Experten“, also richtig klassisch
– eine ziemlich verdrehte Vorstellung davon, wie ein Mensch-Hund-Verhältnis aussieht
– die feste Überzeugung, daß die Hunde auf ihren Menschen hören müssen, einfach weil er ein Mensch ist, auch wenn er den Hunden keine vernüftige Lösungen bieten kann
– die persönliche Angst der Hundehalterin, vor anderen mit ihren Hunden schlecht da zu stehen.

Beide Fälle haben einen Punkt gemeinsam und diesen Punkt finde ich bei so gut wie allen Menschen, die mit dem Problem „Hund zieht an der Leine“ zu mir kommen. Dieser Punkt heißt: die öffentliche Meinung.

Hundehalter sind heute vielen Forderungen ausgesetzt, die automatisch Probleme bei den Hunden erzeugen, wenn man sich darauf einläßt. Eine davon heißt: wenn dein Hund an der Leine zieht, bist du zu blöd ihm zu sagen, wo’s lang geht. Die Ursachen interessieren diese anonyme öffentliche Meinung nicht, warum auch, es handelt sich ja um eine Meinung und nicht um eine oder mehrere Personen.  Wie entsteht so eine Meinung und damit der Druck, der uns und unsere Hunde verrückt macht? Da sind erstmal die Medien, also die zahlreichen Hundezeitschriften, die uns verklickern, wies richtig geht, dann die großartigen Fernsehsendungen, in denen besonders schnelle, spektakuläre und medienwirksame Trainings gezeigt werden, die einfach ganz toll wirken. Wie’s nach Aufzeichnung der Sendung aussieht, interessiert niemanden. Aber dann gibt es noch den eigenen Kopf, der sich alles mögliche aneignet, fremde Forderungen übernimmt und auf das eigene Leben und den eigenen Hund überträgt. Da wird dann beispielsweise als „Ziehen an der Leine“ definiert, daß mein Hund mal kurz irgenwo schnuppern möchte. Und weil die Leine zu kruz ist, zieht er eben hin. Zu kurz kann auch bedeuten, daß zum Schnuppern an der 3-Meter-Leine eben noch ein kleiner Schritt von mir fehlt und schon ist Bello an der interessanten Stelle. Nur schaut blöderweise gerade meine Nachbarin zu und die findet sowieso, daß ich das total doof mit meinem Hund mache, weil Martin Rütter oder Maja Nowak oder wer auch immer sagen doch……………
Und schon ist die Falle zugeschnappt.

Neben der öffentlichen Meinung gibt es noch einen Punkt, den viele gemeinsam haben: Zeitmanagement und zwar effektives. Das bedeutet dann, daß man jede Minute durchplant, die einem zur Verfügung steht, auch die Minuten mit dem Hund. Da wird dann aber auch alles ganz klar durchorganisiert, z.B. dauert der Spaziergang 75 Minuten, die muß man exakt einhalten und da muß dann auch eine ordentliche Runde drin sein und da muß auch was passieren, Gehorsamsübungen und Spiel und Spaß und Stadttraining und Sozialkontakte, schließlich hat man nicht mehr Zeit und der Hund muß auch zu seinem Recht kommen……………. So hört sich das dann an, wenn ich mit Zeitmanagementfans über den Tagesablauf ihres Hundes rede.

Hunde haben aber 24 Stunden Zeit, jeden Tag, und wir eigentlich auch. Nur lassen wir uns schrecklich gerne hetzen, von einem Termin zum anderen, von einem Event zum anderen, vom Hundespaziergang zum Kundentermin zum Museumsbesuch ins Konzert zum Essen mit Freunden zum Hundespaziergang…………… und dann wundern wir uns, wenn der Hund nur noch weg will.

Liebe Hundemenschen mit zerrenden Hunden, nehmt euch bitte zu Herzen, daß ihr und sonst niemand die Ursache seit, warum euer Hund dauerhaft zieht und so gar nicht leinenführig werden will. Dann merkt euch bitte: es gibt Momente im Leben jeden Hundes, da ist es vollkommen normal und verständlich, daß er zieht, z.B. wenn er Angst hat und weg will, z.B. wenn ihr ihn nervt und er nur noch Abstand zwischen sich und euch bringen möchte, z.B. da vorne sein Kumpel läuft und er muß einfach „hallo“ sagen. Wenn Frau Müller zu mir hinläuft, damit das Training beginnen kann und dabei an ihren Hunden rumzerrt, habt ihr doch auch Verständnis?

Also hier ein paar kleine, einfache Regeln, mit denen man versuchen kann, seinem Hund ein anständiges Laufen an der Leine zu ermöglichen:
1. Jeder Hund zieht manchmal  und das ist nicht schlimm.
2. Ich als Mensch habe nicht alle Rechte über meinen Hund, sondern muß Problemverhalten als das erkennen, was es ist: mein Hund hat ein Problem und ich muß ihm helfen, dieses Problem zu lösen, und zwar in seinem Sinn.
3. Es hat noch niemandem geschadet, das Tempo rauszunehmen. Der Tag hat nicht mehr Stunden, Minuten, Sekunden, die Woche nicht mehr Tage, der Monat nicht mehr Wochen und das Jahr nicht mehr Monate, wenn wir durch die Gegend sausen wie angestochen. Wer langsam geht, kommt auch zum Ziel und hat deutlich mehr vom Weg.

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Stellungnahme zu den Methoden von Cesar Millan

 

Stellungnahme zu den Methoden von Cesar Millan

Der Fachkreis Gewaltfreies Hundetraining ist ein Zusammenschluss von TrainerInnen und ambitionierten HundehalterInnen, die mit Hunden leben und arbeiten und sich dem gewaltfreien Umgang und Training mit ihnen verpflichtet haben. Die TrainerInnen erleben bei ihrer täglichen Arbeit leider verstärkt, in welch erschreckendem Ausmaß brutale Trainingsmethoden wieder Fuß fassen, von denen wir alle gedacht – und gehofft! – hatten, sie wären ad acta gelegt, nachdem die vielfältigen Schädigungen, die sie an Leib und Seele der Hunde verursachen, längst unter Beweis gestellt wurden. Was von Cesar Milan und seinen Anhängern verbreitet wird, sucht an fachlicher Inkompetenz und mangelndem Mitgefühl mit dem Hund seinesgleichen und lässt jeden Menschen, der sich die Fähigkeit bewahrt hat, sich in ein anderes fühlendes und denkendes Wesen hinein zu versetzen, vor Schreck und Ekel erschauern.

Man fragt sich, wie es sein kann, dass nicht unbeträchtlich viele Hundehalter vor dem Fernseher sitzen und sich das Geschwafel über „die richtige Energie“ anhören und sich dabei begeistert Filme ansehen, die verstörte und verängstigte Hunde zeigen, die körperlich bedrängt oder sogar misshandelt werden. Begleitet wird dies alles von veralteten Dominanztheorien, die diese Tierquälerei rechtfertigen sollen. Ein Grund ist sicher, dass die breite Masse der Fernsehkonsumenten insgesamt weniger kritisch geworden ist und als Expertenrat schluckt, welch Schwachsinn immer ihnen vorgesetzt wird. Das ist nicht nur im Bereich des Hundetrainings so, sondern auch bei Sendungen über ganz andere Themenbereiche wie Kindererziehung, Styling, Wohnungssuche usw.

Ein weiterer Grund ist sicher darin zu finden, dass wir in einer zunehmend hundefeindlich eingestellten Gesellschaft leben, die durch teilweise völlig unsinnige Gesetze Hunde und ihre Menschen enorm unter Druck setzt. Der Hund soll bloß nicht unangenehm auffallen, am besten überhaupt nicht auffallen, denn sonst drohen Leinenzwang, Maulkorbpflicht oder sogar die Wegnahme des Tieres. Da scheint letztendlich jedes Mittel recht, um das Ziel des unauffälligen Hundes, der niemanden stört, zu erreichen. Hauptsache, der Hund ist still, immer gehorsam und bietet keinen Grund, beim täglichen Gassigang, der sowieso oft einem Spießrutenlauf gleicht, von Nicht-Hundehaltern angemacht zu werden. Und schließlich kann doch nicht so falsch sein, was im Fernsehen öffentlich gezeigt wird, oder?! Leider eben doch. Die Landesmedienanstalt antwortete auf die vielen Beschwerden, die nach den ersten Cesar Millan Sendungen von Fachleuten und Hundehaltern bei ihnen eintrafen, dass es sich „…um ein inszeniertes/ bearbeitetes Format handelt, was die Glaubwürdigkeit und nicht zuletzt die Effizienz der dargestellten Erziehungsmethoden in Frage stellen muss. Die erzielten Erfolge werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht so schnell zu verzeichnen sein, wie es die Sendung zu vermitteln vorgibt. Dies zu erkennen dürfte dem Zuschauer allerdings nicht schwer fallen.“ Ach so?!

Last not least ist ein Teil der Schuld also tatsächlich bei den Sendern und Tourneeveranstaltern zu sehen, die ihrer redaktionellen Verantwortung nicht (ausreichend) nachkommen und das über den Bildschirm flimmern lassen, was

Einschaltquoten und „action“ bringt. Dabei vorauszusetzen, dass der Zuschauer schon selbst erkennt, was für eine verzerrte Sicht der Realität ihm da vorgesetzt wird, ist unserer Meinung nach grob fahrlässig. Wenn die Landesmedienanstalt glaubt, dass dem Zuschauer eh` klar sei, dass er da eine Art „Märchenstunde“ über Hundeerziehung anschaut, sollte sie auch kein Problem damit haben, dies zu Beginn der Sendung einzublenden, wie es zum Beispiel bei den zahlreichen „Reality TV“-Sendungen im Nachmittags- und Nachtprogramm zu sehen ist, bei denen darauf hingewiesen wird, dass es sich um frei erfundene Handlungen handelt, die mit Schauspielern nachgestellt wurden. Auf dem eingeblendeten Banner zu Millans Sendung könnte zum Beispiel stehen: „Bitte nicht nachmachen! Die gezeigten Erziehungsmethoden verängstigen ihren Hund und fügen ihm erhebliche körperliche Schmerzen zu. In Folge dessen werden Verhaltensstörungen wahrscheinlich!“ Die Frage ist, wie viele begeisterte Fans es dann noch von dieser Sendung geben würde.

Interessant ist, dass die Zuschauer ganz anders als begeistert reagieren, wenn wir ihnen Filmsequenzen ohne Ton, also ohne die beschönigenden OFF-Sprecher-Kommentare, vorspielen. Selbst zuvor begeisterte Anhänger von Cesar Millan werden da wach und stellen verstört und beschämt fest, dass sie das vorher gar nicht so richtig gesehen haben, was da mit den Hunden gemacht wird. Stromschläge, Fußtritte, Schläge, starke Verängstigung und Einschüchterung – all das kann man sich ungeniert und ungeschönt im Fernsehen und Internet ansehen. Und somit auch den unwiderlegbaren Beweis für die fachliche Inkompetenz von Herrn Millan, der von Hunden wirklich gar nichts versteht. In der Filmsequenz „Showdown mit Holly“ bedrängt er eine Hündin so lange derart massiv, bis dieser nach unendlichen Beschwichtigungs- und Drohsignalen, die alle unbeachtet blieben, aus ihrer Sicht gar nichts anderes mehr übrig blieb, als nach vorne zu gehen und Herrn Millan kräftig zu beißen, um sich zu verteidigen. Sein Kommentar „I didn`t see that coming.“ ist unfassbar! Wie kann man sich selbst als derart inkompetent outen?! Spätestens diese Sequenz – und die vielen weiteren, in denen Herr Millan gebissen wurde – sollten jeden Hundehalter skeptisch werden lassen.

Es wäre den Haltern und vor allem den Hunden zu wünschen, dass sich die Macher solcher Sendungen eines Besseren besinnen, dass sie besser recherchieren, die Protagonisten kritischer aussuchen, der redaktionellen Verantwortung besser nachkommen und dadurch fachlich versierte Informationen rüber bringen, die Hund und Halter auf einen guten gemeinsamen Weg bringen.

Clarissa v. Reinhardt und Ute Rott
www.gewaltfreies-Hundetraining.de

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