von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin
Immer wieder hört und liest man, wenn es um Training mit verhaltensauffälligen Hunden, sog. Problemhunde oder „Red-Zone“-Hunde geht, daß die sanften Methoden der Wattebauschwerfer einfach zu lange brauchen, um zu wirken. Manche bringen das sogar, wenn es darum geht, einen pubertierenden Junghund zur Räson zu bringen. Selbst wenn man „eigentlich“ gewaltfrei und freundlich arbeiten möchte – oder es zumindest vorgibt -, behaupten viele Trainer und Hundehalter, jetzt müsse man dem kleinen Rüpel einfach mal zeigen, wo der Hammer hängt, sonst kapiert der das doch nie. Die gewaltfreien Methoden dauern da – angeblich – viel zu lange.
Es ist ja nicht so, daß das noch nie jemand gesagt hat und auch ich habe mich schon oft dazu geäußert, aber egal. Wir wiederholen das, bis uns die Finger und Lippen in Fransen hängen und bis es der letzte kapiert hat: gewaltfreies Training, das jemand durchführt, der weiß, was er tut, ist immer effektiv, solange berücksichtigt wird, was der Hund tatsächlich leisten kann, welches Problem der Hund hat, wie der Mensch lernen kann, damit umzugehen und seinen Hund richtig einzuschätzen.
Gewaltfreies Training wird ja immer noch so dargestellt, als würde der Trainer oder der Hundehalter seinen Hund pausenlos besäuseln und mittels Leckerchen versuchen, zu erwünschtem Verhalten zu bewegen. Dem ist nicht so. Wenn ich nur ein klein wenig Ahnung von Lernverhalten habe, dann weiß ich, daß Lernen unter Stress immer darauf hinausläuft, daß der Hund einen Teil seiner Energie auf das Vermeiden des Stressauslösers verwenden muß, daß es vermutlich zu Fehlverknüpfungen kommen wird, die neue Probleme erzeugen werden und bestimmte Dinge, die der Hund ganz sicher nicht machen möchte, mit Gewalt in den Hund hineingezwungen werden und dadurch wieder Stress und Problemverhalten auslösen. Stichwort: Schutzdienst. Sowie der Hund Licht am Horizont in Form von „so könnte ich mich dem entziehen“ sieht, wird er versuchen, jede Möglichkeit zu nutzen, um der stressigen Situation zu entkommen. Notfalls auch mit Gewalt.
Bei gewaltfreiem Training dagegen wird dem Hund erklärt und gezeigt, so daß er genau verstehen und nachvollziehen kann, um was es geht, wie er eine Situation bewältigen kann: im Bogen um den keifenden Hund hinterm Zaun vorbei gehen, der alten Frau mit Rollator ausweichen, abwarten bis das Auto vorbeigefahren ist………… Das lohnt sich immer: in Form von Lob, Futter und – meiner Meinung der wichtigste Aspekt – er lernt, wie man friedlich schwierige Situationen löst.
Das beste Beispiel ist der Hund, der mittels Leinenruck versucht wird, am Jogger-, Fahrradfahrer-, Autojagen zu hindern, der immer enxtremer reagiert, trotz immer größere Entfernungen aggressiv auf den Stressauslöser in Form von Joggern, Fahrradfahrern und Autos losgeht. Warum macht er das? Weil er weiß, daß der Angreifer per pedes, auf dem Rad oder im Auto verschwindet, wenn er nur wütend genug bedroht wird. Es hat ihm nämlich keiner erklärt, daß der gar nicht angreift, auch nicht seine Zelte bei uns aufschlagen oder uns fressen möchte, der will nur vorbei.
Und da sollte man sich doch fragen: wo geht hier was schnell? Schnell geht nach meiner Ansicht, daß bei gewalttätigem Training der Hund schnell und effektiv lernt, den vermeintlichen Angreifer wütend zu verjagen. Das was ich möchte: „lass den einfach vorbei“ geht nicht mal im Ansatz. Aussnahme: ich stampfe den Hund so in Grund und Boden, daß er sich nicht mal traut zu atmen ohne einen Antrag zu stellen. Wenn einem also egal ist, wie es seinem Hund geht, Hauptsache er muckt sich nicht, dann kann man das gerne machen. Man sollte sich allerdings nicht über allerhand Nebenerscheinungen wundern. Und man muß sich fragen lassen, wozu man einen Hund hat: damit man wenigstens einen hat, den man ungestraft unterjochen kann, wies einem beliebt?
Jetzt beschäftigen wir uns mal mit dem pubertierenden Rüpel oder der Zicke. Also wenn ich mich an meine Pubertät erinnere, dann ging da gar nix schnell, das hat einfach gedauert, bis ich soweit war, die angenehmen und unangenehmen Lehren, die ich in dieser Zeit erhalten habe, entsprechend zu verarbeiten und umzusetzen. Nachdem ja Lernverhalten an Hunden sehr intensiv erforscht wurde, wage ich jetzt einfach mal, das ganze umzudrehen und von mir auf die Pubertätszicke zu schließen: auch bei ihr wird es einfach dauern, bis wir das Schild „Wegen Umbau geschlossen“ endgültig abnehmen können. In dieser Zeit ist aber wichtig, dem Hund, egal ob Rüpel oder Zicke, ganz deutlich klar zu machen, daß alles was wir vorher gelernt haben, immer noch gilt. Es kann durchaus sein, daß wir an dem einen oder anderen Thema etwas intensiver arbeiten müssen. Wwelches das ist, wird uns unsere Pelznase schon mitteilen.
Was machen wir z.B. mit dem netten Bello, den bislang Jogger überhaupt nicht, und jetzt ganz heftig interessieren? Wir suchen uns eine Rennstrecke, auf der nicht allzuviel los ist, organiseren uns einen freundlichen Menschen, der ganz langsam vorbeiläuft, auf unsere Anweisung auch stoppt und stehenbleibt, und der uns geduldig in einigen Trainingseinheiten hilft, Bello klarzumachen, daß Jogger harmlos sind. Wir haben unseren Freund an der Leine und zeigen ihm, daß dieser Mensch weder eine jagdbare Beute noch ein Angreifer ist. Wie machen wir das? Wir weichen aus, entweder im Bogen oder indem wir vom Weg abgehen und in einer gut aushaltbaren Enfernung mit ihm warten und dem vorbeilaufenen Jogger in aller Ruhe zusehen. Und ja: es gibt für ruhiges Vorbeigehen und Hinsehen viel Lob und Leckerchen. Was denken Sie denn? Das ist eine enorme Leistung für unseren Jungmacho, wenn er davon Abstand nimmt, uns gegen Angreifer zu verteidigen.
Was ganz merkwürdig ist: sofort beim ersten Training verstehen alle (!) Hunde, was man von ihnen möchte. Ob sie es dann dauerhaft durchziehen oder nicht, hängt davon ab, wie gut man weitertrainiert. Natürlich wird er mal wieder in sein altes Verhalten zurückfallen, er muß ja austesten, was besser und effektiver ist, und wann das Neue gilt und wann das Alte. Je gefestigter dieses Verhalten ist, also je länger man wartet mit dem Training, umso länger dauert es auch, bis sich das neue Verhalten so etabliert hat, daß er gar nicht mehr anders kann. Es ist also wieder mal Geduld gefragt, Geduld und nochmal Geduld, und wenn das nicht reicht, dann kaufen wir eben noch ein Kilo Geduld. In meiner Hundeschule ist das Geduldtraining im Training ohne Aufpreis integriert.
Und jetzt nochmal die entscheidendeFrage: Was geht schneller? Gewalt oder Gewaltfreiheit? Ich finde, diese Frage sollte sich gar nicht erst stellen. Denn schnell oder nicht schnell hängt bei gewaltsamem Training einfach davon ab, wie brutal der Trainer vorgeht, bei gewaltfreiem Training dagegen, wieviel er von Hunden versteht. Was gibt es da zu entscheiden?
11 Kommentare zu Das geht doch viel zu langsam! – Warum Hunde leiden müssen, weil Menschen keine Zeit haben