Kommando: Voran! Der Schutzhundesport im Fokus

Das neue Buch von Jörg Tschentscher

Besprechung von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin

Von Jörg Tschentscher ist ein neues Buch erschienen  „Kommando: Voran! Der Schutzhundesport im Fokus“. Es ist ein dünnes Buch von 80 Seiten, aber es lohnt sich auf alle Fälle, es zu lesen, denn es beinhaltet jede Menge Sprengstoff. Jörg Tschentscher hat sehr gründlich auf verschiedenen Hundeplätzen recherchiert, hat mit Menschen gesprochen, die diesen „Sport“ betreiben und hat sich sehr genau damit auseinandergesetzt, was diese Art von Beschäftigung mit Hunden anrichtet.

Wie viele andere auch, die irgendwann in konventionellen Hundevereinen angefangen haben, habe ich ebenfalls mit dieser „Sportart“ meine Erfahrungen gemacht und beim Lesen des Buches ist es mir immer wieder kalt den Rücken herunter gelaufen. Denn alles, was Jörg Tschentscher aus dem Schutzdienstalltag beschreibt, habe ich genau so kennengelernt. Die Zitate, die er immer wieder bringt, waren zu meiner Zeit schon genauso im Wortlaut und Inhalt, es hat sich nichts verändert. Das ist mehr als gruselig, und sollte die nachdenklich stimmen, die dem Unsinn gläubig lauschen, der dort verbreitet wird. Denn auch „Hundesportler“, die meinen, dieses Training positiv gestalten zu können, gehen von Grundlagen aus, die es nicht gibt. Es gibt keine Aggressions- oder Kampf- oder Wehrtriebe, kein Hund auf dieser Welt möchte freiwillig einfach so zum Spaß einen Menschen oder irgend ein anderes Lebewesen ernsthaft beschädigen und beissen.

Das Buch ist gut und übersichtlich in 10 Kapitel unterteilt, es werden Originalzitate von Schutzdienst-Websites gebracht, die thematisch gut eingegliedert sind, und die Recherchen von Jörg Tschentscher gut untermauern und belegen, daß zumindest Teile dieser Szene sehr genau wissen, was sie tun: den Hund zu provoziertem und vollkommen überzogenem aggressivem Verhalten zu bringen. Die Unberechenbarkeit dieser Hunde, die damit dauerhaft erreicht wird, belegt Jörg Tschentscher nachhaltig, nicht zuletzt mit dem Beispiel, wie sein eigener Hund durch einen Schutzdiensthund grundlos überfallen und verletzt wurde. Es kommt deutlich rüber, daß dies billigend in Kauf genommen wird.

Klar zeigt er auch die Zusammenhänge, die das Verhalten im Schutzdienst trainierter Hunde steuern: nicht die vielen Aggressions-, Wehr-, Kampf- Beutetriebe, die es schlicht und ergreifend nicht gibt, sondern das Zusammenspiel von Hormonen und Genen, die Spirale, die mit dem Einsatz von Gewaltmethoden losgetreten wird, der Umgang mit diesen Hunden von Geburt an, sowie die Unwissenheit von Schutzdienstlern, was Hunde und ihr Verhalten betrifft. Dagegen werden von dieser Art von „Fachleuten“ Erkenntnisse gehalten, die Anfang des 20. Jahrhunderts gewonnen wurden, und durch keine einzige wissenschaftliche Untersuchung zu belegen sind. Es wird einfach seit über 100 Jahren nachgeplappert, was bequem und praktisch für Menschen ist, die diesen „Sport“ betreiben möchten. Dadurch wird auch klar, daß der Hund für diese Menschen kein Partner ist und auch nicht sein kann. Denn wer geht schon so mit seinem Partner um, daß er seine „Stockbelastbarkeit“ mit Prügeln austestet, daß er den Hund dann belohnt, wenn er sich fest und durch nichts zu erschüttern in einem menschlichen Arm verbeisst, daß er mit allen möglichen Foltermethoden wie Strom, Würgen, Schlagen, Vereinsamung und anderen netten Dingen den Hund dazu bringt, einfach alles zu tun, nur um ein bißchen Anerkennung zu bekommen?

Sehr dankenswert ist, daß er immer wieder darauf hinweist, daß es z.B. in Nordrhein-Westfalen per Gesetz (NRW Landeshundegesetz § 19) verboten ist, Hunde auf Menschen und Tiere zu hetzen, bzw. Hunde zu gesteigerter Aggressivität auszubilden. Vermutlich wird das so oder ähnlich auch in anderen Landeshundeverordnungen, bzw. -gesetzen stehen. Selbst wenn man davon ausgeht – was ich nicht tue -, daß man beispielsweise für Polizeihunde eine Ausnahme machen sollte, bleibt auf alle Fälle die Frage: warum wird genau das in so vielen Hundevereinen gemacht? Wenn man sich der Szene ein bißchen auskennt, weiß man, daß es genau so abläuft, wie Jörg Tschentscher es beschreibt: das findet alles hinter hohen Sichtschutzhecken oder- wänden statt. Warum wohl?

Ich möchte hier jetzt gar nicht auf alle Punkte eingehen, die er behandelt, sondern feststellen, daß das sehr umfassend geschieht. Nur könnte manches durchaus ausführlicher sein. Als Beispiel wäre die Zuchtauswahl bei Hunden für den Schutzdienst zu nennen. Es ist mir klar, daß man nicht so ohne weiteres behaupten kann, daß diese Hunde nur aufgrund ihrer Erbanlagen häufig von Anfang wie die Piranhas unterwegs sind und schon als Welpen nach allem schnappen, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Ganz sicher spielt die Aufzucht beim Züchter, die oft alles andere als stressfrei ist, eine wichtige Rolle. Aber eine Bemerkung, daß die Auswahl der Paarungspartner selbstverständlich vom Abschneiden bei Prüfungen abhängt und damit eine klare Selektion „erwünschter“ Eigenschaften stattfindet, wäre gut und sinnvoll gewesen. Auch ein genaueres Eingehen auf die Möglichkeit, einen Hund mit positiver Bestärkung wie Clicker, Spiel und Futterbelohnung zu trainieren, fehlt mir. Zwar sagt er ganz deutlich, daß das Ziel bei jeder Art von Schutzdiensttraining immer ist: einen Menschen stellen, verbellen und beißen. Warum um alles in der Welt soll ich so etwas positiv bestärken?

Ein dritter Punkt, der leider vollkommen fehlt, ist das Argument: manche Hunde kann man nicht anders auslasten. Selbst wenn das stimmen sollte, wären ein paar Takte dazu notwendig gewesen, da dies sehr häufig von Leuten kommt, die eigentlich gegen Schutzdienst sind. Denn wenn es tatsächlich so sein sollte, warum stehen dann Amstaffs und Bullterrier auf Rasselisten und haben in vielen Ländern Zuchtverbot, Schäferhunde, Riesenschnauzer und Rottweiler dagegen müssen zur Zuchtzulassung Schutzdienstprüfungen nachweisen? Dies ist eine Logik, die sich mir vollkommen entzieht und es wäre, gerade zugunsten der Listenhunde, ein wichtiger Punkt.

Grundsätzlich sehe ich dieses Buch als einen wichtigen Meilenstein in der Auseinandersetzung um das Thema Schutzdienst, egal ob man es VPG, IPO oder sonst wie nennt. Ich wünsche mir, daß es viele Leute lesen, vor allem Leute, die sich mit der Idee tragen, Schutzdienst mal auszuprobieren, oder denen Zweifel gekommen sind, ob das wirklich alles so sinnvoll ist.

Bei Jörg Tschentscher möchte ich mich bedanken, daß er dieses heiße Eisen angefaßt, dieses Buch geschrieben und herausgebracht hat.

Wer es kaufen möchte, kann es entweder direkt bei Book on Demand (einfach Autor / Titel eingeben) oder im Buchhandel bestellen. Es kostet € 12,99. ISBN 9 78734 736445.

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