von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin
Leider konnte ich den nächsten Teil nicht so schnell reinstellen, wie ich vorhatte, da meine Seite gehackt wurde. Aber jetzt kommt der 2. Teil meiner Eindrücke.
Ein absolut faszinierender Vortrag war der von Prof. Dr. Irene Sommerfeld-Stur. Frau Sommerfeld-Stur ist, soweit mir bekannt, im deutschsprachigem Raum eine der bedeutendsten Genetikerinnen für Hunde. Sie wird oft von Züchtern in vielen Zusammenhängen zitiert, aber nach diesem Vortrag über „Genetik und Verhalten“ bin ich mir nicht mehr so sicher, ob sie auch wirklich verstanden wird. Ich werde mir nicht anmaßen, allzuviel ins Detail zu gehen, denn bei so komplexen und komplizierten Themen finde ich es einfach mal außerordentlich bemerkenswert, daß die Referentin alles so rüberbringt, daß man als Laie tatsächlich versteht, wovon sie spricht. Andererseits können sich bei der Wiedergabe dermaßen viele Fehler und Missverständnisse einschleichen, daß Dinge in den Umlauf kommen, die einfach falsch sind. Und das wollen wir alle nicht. Deshalb beschränke ich mich auf die Tatsachen, die gut erklärbar und leichter verständlich sind und die mir als die Quintessenz aus dem Vortrag erscheinen.
Wichtigster Punkt für mich war, daß Genetik nicht so dermaßen kompliziert, daß man als Laie nicht verstehen könnte, worauf es ankommt.
1. Krankheiten werden überwiegend so vererbt, daß beide Eltern sie übertragen müssen, bis auf gewisse Ausnahmen. Durch Inzucht wird das gefördert.
2. Wer Äußerlichkeiten wie z.B. Fellfarbe, Stellung der Ohren, Fellstruktur oder was auch immer züchterisch verändert, also den sog. Phänotyp, nimmt automatisch weitere Veränderungen in Kauf, z.B. Neigung zu Taubheit / Blindheit bei weißen Tieren, bzw. Tieren, die das Merlegen (u.a. Blaufärbung/-scheckung) in Kauf, aber ebenso auch Verhaltensänderungen, d.h. ebenso wird auch das Aggressionsverhalten und das Sozialverhalten des Hundes genetisch beeinflusst.
Dies ist bekannt und kann auch einwandfrei nachgewiesen werden. Was allerdings dann die Probleme bereitet, ist die Einschätzung und die Kenntnis, wie man Zucht so betreibt, daß keine unerwünschten Verhaltensweisen auftreten, bzw. Krankheiten vermieden werden können. Im Laufe des Vortrags kam bei mir immer mehr der Gedanke hoch, daß Züchter sich ja oft und gerne auf Frau Sommerfeld-Stur beziehen, aber letztendlich scheint ihnen egal zu sein, welche Erkenntnisse sie ihnen nahebringen möchte. Sonst würde nicht so munter weiter Inzucht betrieben, bzw. mit viel zu wenig Hunden nach wie vor rein auf Äußerlichkeit gezüchtet werden.
Ein weiterer Punkt, der mir mindestens genau so wichtig erscheint, sind die epigenetischen Aspekte, also alles, was während der Trächtigkeit, der Geburt und während der Welpenzeit passiert. So ist es ein gewaltiger Unterschied, ob Hunde mit Kaiserschnitt oder natürlich zu Welt kommen. Eine ganz wichtige Rolle spielt dabei jede Form von Stress. Das kann sogar bedeuten, daß ein ängstlicher Vater ängstliche Kinder zeugt, aber selbstverständlich spielen Verhaltensweisen der Mutter in jedem Fall die wichtigste Rolle. Wenn man jetzt betrachtet, wie der Deckvorgang bei vielen Rassen vor sich geht, sollte es einen nicht wundern, daß viele Welpen von Anfang an gestresst wirken und vermutlich auch sind. Vergewaltigungen (die Hündin wird für den Rüden festgehalten), künstliche Befruchtung und Kaiserschnitt sind bei immer mehr Rassen ganz normal. Was medizinisch machbar ist, wird eben auch gemacht. Dann schlagen bei manchen Züchtern täglich Interessenten auf, die mit den Welpen kuscheln und spielen möchten. Wie stressig das für die Mutter und eben auch für die Welpen ist, daran denkt keiner.
Der mittlerweile übliche Abgabetermin von 8 Wochen kam zur Sprache, der für die Welpen äußert ungünstig ist. Ich habe Frau Sommerfeld-Stur angesprochen, ob sie ihren Einfluß auf die Züchter nicht dahingehend geltend machen kann, daß endlich dieser Abgabetermin wenigstens auf 10 Wochen erhöhtwird. Ihre Antwort war: „Sie überschätzen meinen Einfluss auf die Züchter. Denn wenn ich mehr Einfluss hätte, dann sähe in der Zucht vieles anders aus, das können Sie mir glauben.“
Die beste Information aus diesem Vortrag war allerdings, daß Frau Sommerfeld-Stur an einem Buch über dieses Thema schreibt, und das verspricht sehr lesenswert und interessant zu werden.
„Warum Auslandstierschutz“: auch so ein Thema, dem ich mit gemischten Gefühlen entgegen gesehen habe. Constanze Schöttler hat allerdings einiges bei mir in Gang gesetzt, so daß ich schon verschiedene Dinge nach ihrem Vortrag anders sehe. Ihr Vortrag war höchst unkonventionell, da sie nämlich tierisch aufgeregt war. Es gab hinterher einige Diskussionen, daß dadurch der Vortrag schlechter gewesen sei, aber ich glaube, daß es vielen ging wie mir. Natürlich ist es angenehm, einen Referenten zu haben, der locker und professionell sein Thema vorträgt und eine durchgestylte Präsentation darbietet, aber wenn man merkt, daß jemandem sein Thema am Herzen liegt und dieser Mensch ist einfach komplett durch den Wind aufgrund der Tatsache, vor dem „erlesenen“ Publikum des animal-learn-Symposiums referieren zu dürfen, dann macht das einfach nur sympathisch. Ist doch schön, daß es noch Menschen gibt, die nicht nur Profis sind, sondern auch bei ihrem Vortrag Mensch bleiben. Und so erlesen ist das Publikum ja auch wieder nicht: alles nur Menschen. Was nämlich trotzdem ganz wunderbar rüberkam, war, wie wichtig Constanze Schöttler der Auslandstierschutz ist, wie sehr ihr die Hunde am Herzen liegen.
Zu meiner großen Freude hatte sie sich auch entschlossen, keine Gruselfotos zu zeigen. Davon halte ich überhaupt nichts. Wer die sehen möchte, kann das gerne auf den einschlägigen Seiten im Internet tun. Mir hat voll und ganz das Bild von der aufgelassenen Tötungsstation gereicht, auf dem die betonierten Boxen zu sehen waren, in denen die Hunde früher bis zur Tötung aufbewahrt wurden. Allein die Vorstellung, daß Hunde die letzten Tage ihres Lebens in so einem Ding neben, über und unter unzähligen Leidensgenossen verbringen, ehe sie mehr, meistens weniger „human“ ermordet werden, hat mir vollkommen genügt.
Sie hat sehr gut ausführlich erläutert, wie unterschiedlich das Problem „Streunerhunde“ in den verschiedenen Ländern Süd- und Südosteuropas angegangen wird. Auch daß es für viele Menschen, die sich als Hundefänger betätigen, die einzige Möglichkeit ist, sich ein einigermaßen anständiges Einkommen zu sichern, hat sie sehr betont. Daran sollte man denken, ehe man Menschen verurteilt, die wie z.B. in Rumänien deutlich mehr verdienen, wenn sie Hunde fangen, als wenn sie einer geregelten Arbeit nachgehen – so sie überhaupt Arbeit bekommen. Tierschutz ist also durchaus ein gesellschaftliches Problem, das weder durch Tötung, noch Vermittlung ins Ausland und nur in einem gewissen Maß durch Aufklärung und Kastration vor Ort in den Griff zu bekommen ist. Solange es den Menschen schlecht geht und sie kaum Geld für ihre eigenen Bedürfnisse haben, solange wird es auch ihren Tieren nicht wirklich gut gehen.
Tötungen von Streunerhunden sind definitiv nicht die richtige Methode, das Problem in den Griff zu bekommen. Es werden immer die Hunde weggefangen und getötet, die in der Regel nett und freundlich sind und niemandem schaden. Die scheuen Hunde dagegen werden so gut wie nie erwischt und produzieren eifrig weiter. Das gilt natürlich ebenso, wenn Hunde z.B. nach Deutschland vermittelt werden oder vor Ort kastriert wird. Die Lösung liegt in einer guten und ausgewogenen Kombination. Sie hat das am Beispiel des Ortes Jumilla erläutert, in dem sie seit Jahren aktiv für den Tierschutz arbeitet.
In Jumilla gibt es keine Tötungsstation mehr, dafür ein Tierheim mit engagierten, ehrenamtlichen Mitarbeitern. In diesem Tierheim wurde für die Pfleger eine Schulung über die Arbeit mit Angsthunden angeboten, die von Clarissa von Reinhardt und Steffi Kohl durchgeführt wurde. Das Angebot wurde dankbar angenommen, so daß die Pfleger jetzt deutlich besser in der Lage ist, die Hunde richtig einzuschätzen und mit ihnen zu arbeiten. Zusätzlich werden vor Ort Kastrationsprogramme durchgeführt und es wird aktiv an der Aufklärung der Bevölkerung gearbeitet. Die Organisation PfotenNot geht regelmäßig in Schulen und Kindergärten, um dort Aufklärungsarbeit zu leisten, es gibt jedes Jahr einen Tag der Offenen Tür im Tierheim, einkommenschwache Hundebesitzer können ihre Hunde kostenlos kastrieren lassen, jedes Jahr wird eine Demonstration mit Hunden aus dem Tierheim und Hundebesitzern durchgeführt, die Kennzeichnungspflicht für Hunde wird überwacht, es gibt Infostände……….. Das alles kostet Geld, das nicht immer von der Gemeinde aufgebracht werden kann.
Deshalb werden ausgewählte Hunde nach Deutschland gebracht und dort vermittelt. Das darf natürlich niemals unter Druck und über Mitleid passieren, sondern man muß genau hinsehen, wer sucht sich welchen Hund aus, passen die beiden überhaupt zusammen? Vor- und Nachkontrollen sind notwendig, und im Notfall – aber nur dann – muß ein Hund eben auch mal wieder mitgenommen und anderweitig vermittelt werden. Aber das sollte immer die Ausnahme bleiben. Deshalb ist durchaus wünschenswert, daß ausgewählte Tierschutzorganisationen, die über ein eigenes Tierheim und / oder qualifizierte Pflegestellen in Deutschland verfügen, diese Vermittlung übernehmen. Eine dieser Organisationen ist Häuser der Hoffnung, die Tierschutzorganisation mit Tierheim in Bernau, der Clarissa von Reinhardt vorsteht. Organisationen wie Häuser der Hoffnung nehmen auch deutsche Hunde auf, die in Deutschland so gut wie nicht mehr vermittelt werden können, z.B. weil sie groß und schwarz oder alt und krank sind. Auch das muß bezahlt werden, die Gemeinden haben alle kein Geld und die Bezahlung für Fundehunde durch die Gemeinden ist nicht unendlich. Irgendwann müssen die Vereine selber für die Tiere aufkommen. Einen Teil finanzieren sie durch die Vermittlung von Auslandshunden.
Das bedeutet jetzt nicht, daß man ungebremst Hunde aus dem Ausland in deutsche Tierheime zum Vermitteln h0len soll, ganz sicher nicht. Sondern das heißt, daß man sich genau ansehen sollte, wie die Vermittlung von Auslandshunden hier stattfindet, ob sich die Organisation im Mutterland der Hunde nur um das Einfangen und den Transport nach Deutschland kümmert, oder ob und welch andere Arbeit sie vor Ort macht. Ebenso sollte man die Vermittler in Deutschland genau ansehen: gibt es Vor- und Nachkontrollen? Wie erfolgt die Übergabe? Hat man einen Ansprechpartner, der auch nach der Übergabe noch erreichbar ist? Viele Fragen, die man von Organisationen wie Pfotennot beantwortet bekommt.
Es gäbe über diesen Vortrag noch viel zu erzählen, aber ich die wichtigste Informationen waren für mich, die nachhaltige Arbeit vor Ort und die gut durchdachte Vermittlung in Deutschland, die auf Dauer überflüssig werden sollte.
So, zum Abschluß noch ein paar Worte über Clarissa von Reinhardts Vortrag „Über den Sinn und Unsinn von NILIG“. NILIG bedeutet: nichts im Leben ist gratis. In bewährter Art hat Clarissa deutlich gemacht, welche Gefahren diese Einstellung birgt, wie schnell ein Hund durch diese „Methode“ zu einem vollkommen hilflosen Objekt gemacht wird. In Wirklichkeit wird mit dieser Methode eine extrem starke Kontrolle über den Hund ausgeübt und es wird immer gewertet: hat er es auch richtig gemacht? Hat er gemacht, was und wie ich es wollte? Hat er sich die Belohnung auch tatsächlich verdient? Das geht s oweit, daß Selbstverständlichkeiten wie Zugang zu Wasser und Nahrung, Nähe und Körperkontakt eingeschränkt und kontrolliert werden, um den Hund gefügig zu machen. Das bedeutet nicht nur Stress für den Hund, sondern auch das Abgleiten in erlernte Hilflosigkeit.
An diesem Vortrag hat mir am besten der Schlußsatz gefallen: Wir sollten lieber nach dem Motto LILIG, nämlich „Liebe im Leben ist gratis“ mit unseren Hunden leben, denn Liebe muß umsonst und bedingungslos gegeben werden. Im Anschluß gab es einige Diskussionen mit dem Tenor: „das wissen wir doch schon längst“. Das kann ich so nicht unterschreiben. Ja, tatsächlich, auch für mich war nicht wirklich etwas Neues in diesem Vortrag. Aber wir wollen doch hoffen, daß auch Leute zum Symposium kommen, die sich nicht wie Hundetrainer täglich mit der Thematik befassen, sondern im Gegenteil als ganz normale Hundehalter von den Medien mit allen möglichen Supertrainern und Supermethoden zugemüllt werden. Und für diese Besucher ist es enorm wichtig, ausführlich und sehr professionell andere Argumente zu hören und bestätigt zu bekommen, daß sie nicht jede Aktion ihres Hunde kommandieren, kommentieren und bewerten müssen, ganz im Gegenteil, daß wir unsere Hunde einfach so lieben und wertschätzen dürfen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Und dann finde ich, daß auch meinereins sich ruhig mal wieder „Altbekanntes“ anhören kann. Ich finde, manche Dinge kann man sich immer wieder anhören und dadurch an evtl. Vergessenes erinnert werden. Man hat dann einfach die Gelegenheit, Argumente wieder zu aktivieren, die einem nützlich sein können in der täglichen Arbeit.
Jetzt stehen noch die letzten 3 Referenten aus, dieser Bericht folgt in den nächsten Tagen. Versprochen!