Dann knallen wir sie eben ab – Parallelen im Umgang mit Flüchtlingen und Hunden

von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin

Lange habe ich überlegt, ob ich das hier als Satire schreiben soll, aber irgendwie ist das Thema dann doch zu schrecklich, als daß ich mich drüber lustig machen könnte. Wir sind alle mehr oder weniger von den Flüchtlingen betroffen, die nach wie vor zu uns kommen. Und es sieht ganz so aus, als würde sich trotz vielfältiger Maßnahmen auf absehbare Zeit nichts daran ändern. Das ist auch logisch, denn so lange die westliche Welt, also besonders Europa und die USA den Rest der Welt als ihr Eigentum betrachten, das sie ausbeuten, mit Krieg überziehen und dirigieren können, wie es ihnen beliebt, geraten Menschen auf der ganzen Welt in Not und sie dann eben versuchen daraus zu entkommen. Ich finde das logisch, dann ich würde ganz genau so handeln. Aber unsere hochbezahlten Politiker und viele „besorgte“ Bürger sehen das anders.

Wie komme ich aber auf den Titel „Parallelen im Umgang mit Flüchtlingen und Hunden“? Was haben diese Menschen denn mit Hunden zu tun? Ich finde, mehr als man auf den ersten Blick meinen könnte.

Wer aus einem von Krieg und Gewalt verwüsteten Land flieht wie z.B. Syrien oder Afghanistan, oder aus einem Land, das durch Landgrabbing, Ausbeutung und Umweltverschmutzung so wie weite Teile des afrikanischen Kontinents unbewohnbar gemacht wurde, der geht ja weg, weil er irgendwo anders auf der Welt Arbeit sucht, damit er überleben und vielleicht auch ein bißchen die Daheimgebliebenen unterstützen kann. Wer Schutz und Arbeit in der Fremde sucht, dem ist vermutlich klar, daß er sich ordentlich nach der Decke strecken muß, damit er auch aufgenommen und gut behandelt wird. Mir erscheint das nachvollziehbar und ich vermute, zumindest Thomas de Maizière, unser Innenminister, sieht das auch so. Warum sonst sollte er in Afghanistan versuchen, die Leute von der Flucht abzuhalten mit dem Argument: in Deutschland gibt es nicht für alle Flüchtlinge Arbeit und Wohnungen. Trotzdem wird permanent von arbeits- und integrationsunwilligen Asylbewerbern gesprochen, so als kämen nur die Kriminellen und Arbeitsscheuen hierher. Ganz wichtig ist, daß die sofort alle wieder abgeschoben werden, egal wohin, Hauptsache weg. Ganz sicher werden da auch Kriminelle und Arbeitsscheue darunter sein. Aber allein 2015 über eine Million? Doch unwahrscheinlich oder?

Hat nix mit Hunden zu tun oder? Ich sag euch mal, warum ich denke, doch.

Wenn Leute sich einen Hund holen, dann ist der noch gar nicht da, und schon wird ruminterpretiert: was er für einen Charakter haben wird, wie groß er wird, ob er mal kastriert werden muß oder nicht, ob er / sie ein guter Zuchtrüde / eine gute Zuchthündin wird, was er mal für Beschäftigungen braucht….. und ganz wichtig: welche Grenzen man ihm setzen muß. Weil, wenn wir ihm keine Grenzen setzen, dann frißt er uns bekanntermaßen die Haare vom Kopf und die Wurst aus dem Kühlschrank und erobert die Herrschaft erst über uns und dann über den Rest der Welt.

Wie die Flüchtlinge. Erst tun sie ganz arm, dann nehmen sie uns unsere Arbeitsplätze weg, dann unsere Wohnungen und dann unserer Frauen…. nein, mir nicht, ich habe ja einen Mann. Aber es sind ja auch Frauen dabei, die nehmen mir dann meinen Mann weg. Wenn wir da nicht aufpassen! Die haben doch eine ganz andere Kultur! Unsere westlichen Werte! Da kommen die doch gar nicht damit klar: Demokratie, Gleichheit, Freiheit! Die kennen doch nur, daß der Muezzin oder der Iman, oder wie die heißen, ihnen die Ohren vollsabbern und dann rennen die los mit dem Sprengstoffgürtel um den Bauch und sprengen uns in die Luft. Hab ich ein Glück, daß sie mich in meiner Waldeseinsamkeit noch nicht entdeckt haben.

Ironie: aus!

Ein großes Übel unserer Welt ist, daß wir zwar überhaupt kein Problem damit haben, andere mit unseren „Werten“ zu überrollen und ihnen unsere Lebensart aufzudrängen, aber wehe die anderen melden an, daß sie andere Bedürfnisse haben. Hunde z.B. wollen immer nur alles, was wir auch wollen. Ach wirklich? Wenn sie nicht einsehen, daß unsere Ideen die besseren sind, dann therapieren wir eben so lange an ihnen rum, bis sie aufgeben und sich alles gefallen lassen.Schließlich soll so ein Hund froh sein, daß es ihm bei uns so gut geht, oder?

Und Asylbewerber sollen sich mal schön ganz hinten anstellen und abwarten, bis wir ihnen die Krumen vom reichgedeckten Tisch runterwerfen – wohlgemerkt, der Tisch ist so reich gedeckt, weil wir den Rest der Welt ausbeuten und denen, die wir jetzt wie den letzten Dreck behandeln, ihre Lebensgrundlage erfolgreich streitig gemachen haben. Ist ja auch wieder sehr praktisch, dieser Krieg in Syrien – heute war das Benzin schon wieder billiger.

Hunde wollen uns manipulieren und beherrschen, wenn wir nicht aufpassen, und Asylanten – naja, mußt ja nur nach Köln kucken!

Wir leben alle in einer Welt und alle haben die gleichen Rechte – egal ob Menschen oder Tiere – egal ob schwarz oder weiß – egal welches Geschlecht, welches Alter….. Schneller als wir denken, werden sich die Petrys und Storchs durchsetzen, wenn wir nicht aufpassen – nur weil wir Angst haben, der Wahrheit ins Auge zu sehen und die Konsequenzen daraus zu ziehen. Weder bringt es was, wenn wir Hunde mit Druck und Zwang erziehen, noch helfen wir uns selber, wenn wir mit Menschen anderer Länder umgehen, als wären sie unsere Leibeigenen –  oder einfach hinnehmen, daß andere sie wie Leibeigene und Sklaven behandeln.

Wer dafür ist, daß für Hunde im Ausland etwas getan wird und wer Hunde aus dem Auslandstierschutz adoptiert, der muß auch dafür sein, daß hilfesuchende, schwer traumatisierte Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten bei uns Schutz und Hilfe finden und nicht schußbereite Gewehre an der Grenze. Wer sich aufregt, daß Leute Hunde aus dem Ausland adoptieren und sie nach wenigen Wochen wieder abschieben, weil sie eben keine Kuschelbärchen sind, der muß sich auch über den Umgang mit Asylbewerbern und diese gruselige Bereitwilligkeit, sie schnellstmöglich wieder ins Elend zu treiben, aufregen. Wo ist der Unterschied? Sind die, die auf vier Beinen laufen schützenswerter als die mit den zwei Beinen?

In den letzten Tagen habe ich viele Posts auf Facebook gelesen, die ankündigen, daß jeder der sich mit diesen schrecklichen, schrillen Tönen –  nicht nur – von der AfD gemein macht, sofort und unwiderruflich von der Freundesliste gestrichen wird. Das finde ich sehr erfreulich, denn tatsächlich sind viele, die vorher doch immer mal wieder da eine gewisse Tendenz haben durchblicken lassen, offenbar ins Nachdenken gekommen und halten sich zumindest ein wenig zurück. Sehr viel erfreulicher wäre allerdings, wenn sich endlich die Erkenntnis durchsetzen würde, daß alle Lebewesen auf dieser Welt Hilfe und Verständnis bekommen müssen, wenn sie sie brauchen – nicht nur Streunerhunde aus Rumänien, sondern auch schwarze Menschen aus Afrika oder Muslims aus Afghanistan oder Syrien. Das würde nämlich bedeuten, daß wir diese sog. „westlichen Werte“ mal etwas ernster nehmen.

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….. und dann knurrt er auch noch!

von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin

Man muß es ehrlich zugeben: der Schrott, der in den Medien über Hunde verbreitet wird, nimmt ganz langsam ab und hin und wieder liest man auch vernünftige Sachen – und das nimmt allmählich zu. So wissen jetzt mittlerweile viele Leute, daß Knurren ein Warnlaut ist. Das ist zunächst gut. Nur: was fangen sie mit der Information an?

Konkretes Beispiel: ich werde zu einer Familie gerufen, die seit knapp 4 Wochen einen jungen Hund von ca. 5 Monaten haben. Der kleine Kerl kam verängstigt und vernachlässigt zu ihnen, über die Vorgeschichte wissen sie nichts, nicht wo er herkam, wie er aufgezogen wurde, warum er abgegeben wurde…. nichts. Aber er ist sehr süß, so ein kleiner Terriermix mit großen dunklen Augen und grauschwarzem Wuschelfell, total niedlich. In ganz kurzer Zeit gibt es große Probleme mit ihm und man denkt ernsthaft daran, ihn wieder abzugeben, denn: er verbeißt sich in allem und jedem, läßt er nicht mehr los und dann knurrt er auch noch! Und das ist doch ein Warnlaut! Was wird passieren, wenn die Tochter mit dem kleinen Enkel kommt? Wird er den dann gleich beissen? Und wird er seine Familie irgendwann beissen?

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Warum warnt er überhaupt? Es geht ihm doch gut. Jeden Tag wird mit ihm 5-6 Mal spazieren gegangen, es wird viel mit ihm gespielt, das was er gerne mag, z.B. spielt er total gerne mit Zotteln, liebt Ballspiele, tobt mit dem 9jährigen Sohn durchs Haus, alles ganz super – und plötzlich verbeisst er sich im Hosenbein und läßt nicht mehr los. Oder wenn er im Sessel liegt und schläft und man will in streicheln – knurrt er plötzlich! Was soll das denn? Warum warnt er denn? Will er wirklich zubeissen? Die wirklich nette Familie ist total verunsichert.

Unser kleine Beispielhund, den es genau so gibt, hat ganz andere Bedürfnisse als jeden Tag stundenlang spazieren zu gehen oder rumzutoben. Der ist eigentlich noch gar nicht richtig angekommen, weil er nie in Ruhe gelassen wird. Warum wurde er abgegeben? Da kann es nicht so viele Möglichkeiten geben. Entweder es handelt sich um Hundevermehrer, die möglichst niedliche Hunde züchten und da blieb ein schwarzer (nicht sooo niedlich) übrig und der wird dann unters Volk geworfen. Oder jemand hat sich unüberlegt einen Hund angeschafft, kommt damit nicht klar und ist froh, wenn er ihn abschieben kann. In beiden Fällen habe ich ein Hundekind, das schwer traumatisiert ist. Niemand hat sich jemals wirklich um die Bedürfnisse dieses Hundekindes gekümmert, er wurde nur rumgeschubst, weitergegeben, nicht wirklich erzogen, geliebt, versorgt. Jetzt kommt er dort an, wo man das versucht, aber anstatt zu überlegen, daß dieses Hundekind jetzt vorallem Ruhe, Geborgenheit und Sicherheit braucht, wird er behandelt wie ein lebendes Spielzeug.

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Den wenigsten Menschen ist das bewußt. Sie denken: jetzt geht es ihm gut und ein Kind ist er auch noch und Kinder wollen spielen, also, los gehts! In seiner Verzweiflung verbeißt er sich z.B. in einem Ärmel, weil er zu sehr bedrängt wird. Erst ist das lustig, nach dem ersten Loch nicht mehr – oder wenn er die Haut ritzt oder die neue Hose kaputt macht. Aber weil er selber nur gelernt hat, daß er bedrängt wird und seine Bedürfnisse nicht erkannt werden, kann er gar nicht aufhören, sondern macht immer weiter – die Menschen machen ja auch weiter: wenn er den Ärmel losläßt, holen wir eben den Ball. Ein „Hundeexperte“ aus der Nachbarschaft hat gesagt: „Terriermix! Oho! Der braucht viel Beschäftigung und Bewegung!“ Also geht es weiter und weiter – bis es sogar den Menschen zuviel wird. Dann legt er sich endlich in seinen Sessel – und zack ist jemand da, der ihn streicheln möchte – weil er so süß aussieht! Herr im Himmel, denkt er, ist denn nie Ruhe! Und knurrt.

Bitte nicht lachen! Es ist nicht komisch, sondern traurig. Ja, knurren ist ein Warnlaut und heißt: es reicht jetzt echt, lass mich endlich in Ruhe! Und wenn die Menschen nicht aufhören, sondern weitermachen, wird jeder Hund irgendwann zumindest abschnappen, egal wie nett sie zu ihm sind.

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Was brauchen junge Hunde, egal ob mit trauriger Vorgeschichte oder aus guten Händen, tatsächlich? Sie brauchen Menschen, denen klar ist, daß Erziehung und Hundeaufzucht vor allem darin besteht, einem Hund die Welt zu zeigen und zu erklären – so wie seine Mama das machen würde. Sie brauchen jemanden, der sich Zeit nimmt, nicht jeden Tag viele Stunden, sondern immer wieder ein paar Minuten, der da ist, wenn der Kleine ihn nötig hat und Sicherheit und Rückhalt braucht. Lange Spaziergänge: ja, das kommt schon noch. Aber erstmal muß er lernen: wo lebe ich hier überhaupt? In der Stadtmitte in einer Etagenwohnung mit Treppen, Hinterhof und Straßenlärm? Oder im Einfamilienhaus mit großem Garten? Wie ist meine nächste Umgebung? Gibt es hier Hunde, lärmende Kinder, alte Leute mit Rollater, Autos,  Fahrradfahrer, Jogger, Kühe, Pferde….. Welche Straßen, Wege, Plätze gibt es in unserer Nähe? Wenn ich links oder rechts gehe, wo komme ich da hin? Und wie komme ich wieder nach Hause? Wie riecht eine Wiese, ein Kinderspielplatz, ein Grünstreifen, ein Straßenrand, ein Flußufer, ein Baum? Kann man Kaugummipapier fressen oder tauscht man das besser gegen ein Leckerchen? Nach so einem Erkundungsgang ist erstmal Pause angesagt, richtig Pause mit schlafen und ruhen, damit er diese vielen Eindrücke, Gerüche, Geräusche überhaupt verarbeiten kann.

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Was ich hier beschrieben habe, ist kein Tagesprogramm, sondern zieht sich über Monate hin. Es geht nicht nur darum, je Lebensmonat max. 5 Minuten spazieren zu gehen, sondern darum, in dieser Zeit die Welt zu erkunden – und zwar in dem Tempo, das der kleine Hund braucht, nicht in Menschentempo: das machen wir jetzt mal schnell. Erziehung bedeutet nicht: mein kleiner Freund muß alles machen, was ich von ihm möchte – auch dann nicht, wenn ich freundlich bin und ihm alles nett und lieb beibringe. Erziehung heißt: ich weiß, was du für Bedürfnisse hast, gehe darauf ein, passe mein Tempo deinem an, ich zeige dir die Welt und wie Leben geht. „sitz, platz, fuß“ machen wir auch noch – und zwar da, wo es sinnvoll ist. Spielen? Ja, klar. Aber so, daß du dich nicht aufregen mußt, daß du gewinnen kannst und nicht immer Angst vor meiner körperlichen Überlegenheit haben mußt, so daß es uns beiden Spaß macht und wir beide hinterher zufrieden sind – also kurz und ruhig und mit Köpfchen. Und ganz viele Dinge machst du allein, mit mir an deiner Seite, damit dir nichts passiert: schnüffeln, erkunden, beobachten, so wie du das möchtest. Ich pass schon auf, daß dir nichts passiert. So lernst du, mir zu vertrauen, weil ich nichts von dir fordere, was du nicht kannst oder möchtest und wir wachsen ganz allmählich zum Dreamteam zusammen.

Hundeplatz 048Natürlich bin ich heilfroh, wenn Hundebesitzer knurren als Warnlaut verstehen und nicht denken: jetzt geht der Kampf um die Vorherrschaft los. Das ist ein Riesenschritt in die richtige Richtung. Aber es gibt noch viel zu tun, gerade was Welpen- und Junghundaufzucht betrifft. Weil aber viele Menschen auf einem guten Weg sind, sollte es durchaus möglich sein, alle diese Erkenntnisse unters Volk zu bringen.

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Angsthunde

Das Buch „Angsthunde“ von Bettina Specht ist das neueste Buch im animal learn Verlag. Um es vorweg zu nehmen: dieses Buch gehört in jedes Bücheregel jedes Hundetrainers, jedes Tierschützers und selbstverständlich jedes Hundehalters, der einen Angsthund hat. Und es sollte nicht nur im Regal stehen, man sollte es lesen, sich unters Kopfkissen legen und immer griffbereit haben, falls man mal eine Ermunterung oder Information braucht.

Bettina Specht arbeitet als Hundetrainerin in Tirol und hat ihre Ausbildung bei animal learn gemacht. Sie hat nicht nur selber Angsthunde aus dem Tierschutz aufgenommen, ein wichtiger Teil ihrer Arbeit ist das Training mit Angsthunden.

Dieses Buch bietet keine Patentrezepte, wie man mit einem Angsthund umgehen muß, wie man ihn am besten trainiert, was er lernen soll oder auch nicht, denn Bettina Specht lebt selber mit mehreren Angsthunden zusammen und weiß aus leidvoller Erfahrung, daß  gerade diese Hunde ein sehr individuelles Herangehen, viel Zeit, viel Geduld und viel Einfühlungsvermögen brauchen, damit wir ihnen ein lebenswertes Leben ermöglichen können.

Sie beginnt mit der Definition von Angst und Furcht und erklärt in den ersten Kapiteln ausführlich und sehr kompetent, wie Angst entsteht, was sie auslöst und wie sie sich auf das Leben des Hundes auswirkt. Dazu geht sie detailliert nicht nur auf neurophysiologische Erkenntnisse ein, sie erklärt auch genau den Zusammenhang zwischen Angst und Schmerzen, wie sich die Körpersprache bei Angsthunden verändert und wie sich Angst auf das gesamte Verhalten des Hundes auswirkt. Nachvollziehbar für jeden Laien wird die Neurobiologie der Angst erklärt, wie man einem Angsthund erstmal in sein neues Leben hilft, welche Prioritäten man hier setzen muß.

Denn es ist ein Riesenunterschied, ob Sie einen Hund aus dem Tierschutz oder aus 2. Hand übernehmen, der auch seine Probleme hat, aber ein eher gutes Vorleben hatte, oder ob ein schwer traumatisierter Hund bei ihnen einzieht, der Angst hat zu urinieren, zu koten, zu fressen, zu trinken, zu schlafen, zu wachen, zu atmen, der Angst hat vor Ihnen, vor Ihrem Partner, vor dem Haus, dem Garten, dem Auto……….. der Angst hat zu leben und einfach nur noch da ist, weil er noch nicht gestorben ist. So einen Hund nach Methode XY zu „trainieren“ dürfte sich als äußerst schwierig erweisen. Ebenso verbieten sich jegliche Gewaltmaßnahmen wie „den hol jetzt hinter dem Sofa vor, der soll sich nicht so anstellen“ eigentlich von selbst. Aber was tun, wenn der Hund seit Tagen oder Wochen nur nachts auf leisen Pfoten hinter dem Schrank oder unterm Sofa vorkommt?

Sehr anschaulich erläutert sie an eigenen Erlebnissen und an der Geschichte ihrer Hunde, wie es nur eine Möglichkeit gibt, sich einem Angsthund seelisch und körperlich so zu nähern, daß er lernt Vertrauen zu fassen, Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen aufzubauen und so endlich leben zu können. Und das ist: Zeit, Zeit, Zeit, Geduld, Geduld, Geduld und mehrere Tonnen Einfühlungsvermögen. Ebenso räumt sie mit Idealvorstellungen auf, wie man leicht und locker einem Angsthund über seine Angst hinweghelfen kann: nein, Wohlfühlwörter, so gut sie in vielen Situationen helfen mögen, sind kein Allheilmittel und funktionieren gerade in schwierigen Situationen eben meistens nicht. Ebenso sollte man mehr als vorsichtig sein mit Psychopharmaka, da diese meist mehr versprechen als sie halten. Die Anwendung kann nur dann sinnvoll sein, wenn ein erfahrerer Tierarzt den Hund behandelt, und es kann nur eine Möglichkeit von vielen sein, den Fuß in die Tür zu bekommen. Der Punkt Psychopharmaka hätte von mir aus gerne noch etwas auführlicher sein können, gerade was die unerfreulichen Nebenwirkungen anbelangt.

Ausführlich wird erläutert, was zu tun ist, wenn so ein Hund einzieht. Wie wird er gesichert, wie soll man ihn füttern? Nein, die beste Rohfütterung der Welt hilft nichts, wenn er gewohnt ist, Mülltonnen nach Spaghettiresten zu durchwühlen, dann gibt es eben erstmal Spaghetti. Wie kann dieser Hund erstmal zur Ruhe kommen: indem man in einfach in Ruhe und ihn schlafen, schlafen, schlafen läßt. Welche Rituale und Strukturen helfen? Was kann ich trainieren und wie? Welche Signale sind nützlich? Welche Trainingsmethoden gibt es? Wann kann ich überhaupt anfangen zu trainiern? Welche Methoden kann man anwenden, welche sollte man meiden? Zu denen die man meiden soll, gehört unbedingt das „Flooding“, auch bekannt als Reizüberflutung. Ich bin Bettina Specht sehr dankbar dafür, daß sie diesem Punkt einen ausführlichen Platz eingeräumt hat, denn immer wieder hört man, daß das die beste Art sei, einen – ohnehin schon überforderten, weil reizüberfluteten – Hund an seine neue Umwelt zu gewöhnen. Aber auch bei allen anderen Methonden gilt: das geht erst dann, wenn der Hund dazu bereit ist, immer muß alles in kleinsten Schritten passieren und immer steht das Wohl des Hundes im Vordergrund.

Dann wird noch genau erläuert, welches Zubehör man dringend braucht, z.B.  Brustgeschirr und  – in diesem Ausnahmefall – ein Sicherungshalsband, Leine, GPS-Sender am Brustgeschirr, Körperbandage….. Was kann ich zur Entspannung meines Hunde beitragen? Was mache ich, wenn er mir entlaufen ist? Das kann immer passieren, selbst wenn man noch so gut aufpasst.

Es gibt in jedem Buch einen Schlüsselsatz. In „Angsthunde“ ist das für mich dieser Abschnitt auf Seite 66: „Ich begann damit, Nisha zu beobachten. Dabei habe ich versucht herauszufinden, was sie fühlt. Was macht ihr Spaß? Gab es da überhaupt irgendetwas? Über dem ganzen Training hatte ich nämlich vergessen, auf meinen Hund zu schauen, mich in ihn hineinzuversetzen.“ Das ist ein Satz, den sollte sich jeder Mensch mit Angsthund übers Bett hängen, so daß er ihn beim Aufwachen jeden Tag sieht und liest. In vielen Fällen bekommt einen den Eindruck, die Gefühle und Probleme des Hundehalters spielen eine viel wichtigere Rolle als die des Hundes. Empahtie bedeutet aber: sich einfühlen in den anderen und eben auch herausfinden, was er braucht – er nicht ich.

Wissen Sie was? Ich höre jetzt hier auf, sonst schreibe ich das Buch nochmal und dazu bin ich nicht ansatzweise so befähigt wie Bettina Specht. Also gehen Sie los und besorgen Sie es sich, Sie werden es nicht bereuen. Ein letzter Hinweis: nehmen Sie sich Zeit zum Lesen, denn Sie werden dieses Buch erst wieder weglegen, wenn Sie auf der letzten Seite angekommen sind.

Angsthunde

Bettina Specht, Angsthunde, animal learn Verlag, ISBN 978-3-936188-68-4, € 19,90

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Motivation nur per Knopfdruck?

Warum man mit Hunden auch ohne Motiavtionsmarathon klar kommt.
von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin
(Dieser Artikel erschien 2013 in der Zeitschrift Canisund)

Ein kleiner Hund zieht im zarten Alter von 10 Wochen bei einer neuen Familie ein. Alle freuen sich, nach der Eingewöhnungszeit auch die Pelznase, und die ganze Familie ist schwer damit beschäftigt, den Kleinen zu erziehen. Dazu gehen sie in eine Hundeschule, die mit positiver Motivation arbeitet, also den kleinen Kerl für alles belohnt und bestätigt, was er gut und richtig macht. So weit, so gut. Nur gehen die Meinungen auseinander, was gut und richtig ist, bzw. was so ein Hund im Alltag mit seinen Menschen tatsächlich braucht.

KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERA Für viele Hundehalter und leider auch für viele Trainer soll der Mensch im Mittelpunkt des Hundelebens stehen und zwar ohne Wenn und Aber. Und dazu wird der Hund motiviert auf Teufel komm raus. Denn nach wie vor sind die allermeisten Menschen davon überzeugt, daß man Hunde „zum Mitmachen“ motivieren muß. Und das sollten wir uns etwas genauer ansehen. Der kleine Kerl hat ja seine Mama, seine Geschwister und die Menschen verloren, die ihn seit seiner Geburt begleitet und angeleitet haben. Er hat gelernt, wie er mit allen umgehen kann, so daß die Welt in Ordnung ist, daß die Mama sich liebevoll um ihn kümmert und ihn beschützt. Seine Menschen haben mit ihn lieb gehabt, aber auch schon mal das eine oder andere untersagt und ihn ebenfalls vor Gefahren beschützt…. wie es mit Welpen eben in den ersten Wochen ihres Leben so läuft.

welpen-barfen-01Auch in der neuen Familie läuft das erstmal so. In der Hundeschule lernen seine Menschen, dann daß man ihn zu allem und jedem motivieren muß, z.B. muß er ständig auf seine Menschen achten, muß sie immer im Blick haben und muß immer darauf sehen, daß er in ihrem näheren Umkreis bleibt….. Am Anfang klappt das auch ganz gut, da Welpen sich die ersten Wochen nur wenig von ihren Menschen lösen und ihnen nachlaufen „wie ein kleiner Hund“. Nur mit der Zeit, wenn die Pelznase so fünf. sechs Monate alt ist, fängt der Kleine an, die Welt ein bißchen genauer zu erkunden und auch mal ungeplante Ausflüge zu unternehmen. Und spätestens jetzt fängt der Motivationsmarathon an. Da wird in den höchsten Tönen gequietscht und gelobt, was das Zeug hält, da wird geclickert und mit Leckerchen um sich geschmissen, daß es eine wahre Freude ist. Wenn Mensch viel Glück hat, diesen ganzen Stress durchsteht, und sein Hund irgendwann einfach aufgibt, bekommt er einen Hund, der ihn permanent im Auge behält und dafür im Gegenzug für jeden Blickkontakt zur Belohnung ein „click – priiimaa!“ mit Leckerchen bekommt. Schlimm? Ich finde schon.

Berta 15.08.2011 011Versetzen Sie sich einfach in die Situation des jungen Hundes. Er fühlt sich so sicher in seiner Welt, daß er sich durchaus mal traut, ein bißchen mehr zu erkunden. Und das ist normal und sollte in vernünftigen Grenzen gefördert werden. Denn wenn er kein Interesse an der Welt hätte, würde das auf eine schwere psychische Störung hinweisen, dann könnte das z.B. bedeuten, daß er von klein auf so unterdrückt wurde, daß er überhaupt kein Selbstvertrauen aufbauen konnte. Die Pelznase in unserem Beispiel konnte das, ist also eigentlich alles gut gelaufen. Nur haben Menschen sehr sonderbare Vorstellungen, was Hunde dürfen und was nicht, z.B. ist eines der Kapitalverbrechen: Hund unternimmt etwas auf eigene Initiative und hat auch noch Spaß dabei. Und um das zu unterbinden, treibt die Phantasie mancher Menschen ungeheure Blüten. Damit das nicht zu theoretisch bleibt, hier zwei Beispiele aus der Hundeschule.

Welpen FJ 07 013Als ich hier in Metzelthin anfing als Trainerin zu arbeiten, meldete sich eines Tages ein Mann mit einer Dackelhündin an, die nach seiner Aussage extrem dominant sei, sich immer durchsetzen und alles kontrollieren wolle. Jetzt traut man einem Dackel allerhand zu und ich machte mich auf eine kleine Tyrannin gefaßt. Wie erstaunt war ich, als der Kunde die Klappe seines Kombis öffnete und mich ein freundliches, kleines Dackelmädchen anlachte. Sehr fidel sprang sie heraus und nach einer ausgiebigen Begrüßung machte sie sich an die Erkundung des Hundesplatzes. Irgendwo fand sie ein Stöckchen, mit dem sie sofort ein lustiges Spiel begann: in die Luft werfen, auffangen, rumtragen, drauf wälzen…. sie hatte allerhand Ideen und machte einen absolut ausgeglichenen und fröhlichen Eindruck. Wir standen daneben und zumindest ich hatte meine helle Freude. Ihr Herrchen war dagegen voller Sorge und er fragte permanent, ob sie das auch dürfe. Sie durfte und ich konnte ihn auch beruhigen: es handelte sich weder um einen Kontrollfreak noch um eine Haustyrannin, sondern einfach um eine kleine Hündin, die sich ihres Lebens freute. Und das ist erlaubt, auch wenn der Mensch nicht der direkte Anlass dazu ist, deshalb muß der Hund keinen Antrag einreichen.

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Das zweite Beispiel hat etwas Tragisches. Auf einem Messestand bei der Heimtiermesse in Berlin konnte ich ein paar Jugendliche beobachten, von denen jeder einen Hund dabei hatte. Die jungen Leute machten nicht den Eindruck, als seien sie selber von militaristischem Gehorsam angetan, aber ihre Hunde waren einem wahren Clickerfeuer ausgesetzt. Ununterbrochen mußten sie ihre Menschen ansehen und bekamen fast im Sekundentakt jedesmal ein begeistertes „priiiimaaa – click!“ und dazu ein Leckerchen. Man kann beruhigt annehmen, daß diese Hunde geistig zu nichts mehr in der Lage waren, da sie überhaupt keine Zeit hatten, irgendetwas auf dieser Welt zu bemerken außer ihren dauerbestätigenden Menschen.

Welpen FJ 07 012Während das Beispiel mit dem Dackelchen relativ leicht abzuhaken ist, ist diese Bestätigungswut von etwas angeblich richtigem wie im zweiten Beispiel eine absolute Horrorvorstellung. Wo bitte ist hier für den Hund der Unterschied, ob er in ein permanentes Fuß- oder Platzkommando mit exakt vorgeschriebenem Abstand zum Menschen – z.B. Schnauze exakt in Kniehöhe – gezwungen wird oder ob er mit angeblich positiver Motivation Dauerblickkontakt zu seinem Menschen halten soll? So oder so wird er Hund zur Konditionierungsmaschine herabgewürdigt und in eine tierschutzrelevante Abhängigkeit gezwungen. Ob er jetzt auch mal gelobt oder mit Leckerchen belohnt wird, ist nicht mal mehr zweitrangig.

Oktober 07 042 xEs gibt ein paar Tatsachen, die sollte man sich als Hundehalter immer wieder ins Bewußtsein rufen:
1. Allzu großer Erkundungsfreude und Selbständigkeit hat die Natur bei jungen Hunden einen sehr effektiven Riegel vorgeschoben. Das sind die sog. Fremdelphasen oder spooky periods. Diese treten ca. 4-5 Mal im Leben eines jungen Hundes ein und machen ihn für kurze Zeit, meistens 1-2 Wochen, allem Neuen gegenüber mißtrauischer und vorsichtiger. Sie sind immer eine Folge erhöhter Erkundungsfreude und bewirken, daß der Hund das Erlernte verarbeiten kann und sich nicht übernimmt. Frei nach dem Motto: es ist besser eine Mahlzeit zu versäumen, als eine zu werden. Der Mensch muß eigentlich nur noch darauf achten, ihn freundlich an Neues heranzuführen, ihm genügend Gelegenheit geben, gefahrlos unbekannte Dinge zu erforschen und ihm in der Fremdelphase Sicherheit zu vermitteln.
2. Hunde sind grundsätzlich motiviert, mit uns zusammen zu arbeiten. Einfach so. Wenn das nicht so wäre, gäbe es keine Hunde bei uns. Oder glaubt irgendjemand, ein Viehhirte, Jäger oder Bauer vergangener Zeiten hätte mit der Motivation seiner Hunde einen Riesenaufwand betrieben? Warum auch? Hunde und Menschen sind dazu geschaffen in sehr komplexen Sozialverbänden zu leben. Und das bedeutet, daß man auf einander achtet, daß man kooperiert und großes Interesse an Kooperation und Kommunikation hat. Ich bin sogar davon überzeugt, daß für die meisten Hunde einfach das Zusammensein mit ihren Menschen selbstmotivierend ist, zumindest solange wir die Bedürfnisse der Hunde richtig einschätzen und auf sie eingehen.
3. „Motivation“ kann auch als Druckmittel fungieren. Vor allem gilt das dann, wenn der Hund Dinge tun soll, die nicht wirklich hundgemäß sind, z.B. permanenten Blickkontakt mit seinem Menschen halten, oder nicht weiter als zwei Meter weggehen oder niemals zum Schnüffeln oder Pipimachen stehen zu bleiben, ohne daß der Mensch das erlaubt. Stimmt, zu solchen Dingen muß man seinen Hund motivieren, denn das würden sie von sich aus nicht tun. Wir übrigens auch nicht. Kein Mensch würde sich von seinem Partner eine derartige Tyrannei gefallen lassen – außer man hat ein äußerst merkwürdiges Verständnis von Partnerschaft oder liebt z.B. goldene Käfige.

Und schließlich und endlich: jedes Lebewesen hat ein Recht darauf, Eigenständigkeit und Selbständigkeit zu erlangen. Das sollte ein wichtiger Aspekt in der Hundeerziehung sein. Denn Erziehung bedeutet: ich zeige dir wie Leben geht und wie wir beide gut zusammen durchs Leben kommen. Erziehung bedeutet auch: ich als Mensch übernehme die Verantwortung für ein mir anvertrautes Lebewesen und ich trage Sorge dafür, daß es in allen Lebenslagen gut zurecht kommt, auch mal ohne meine Hilfe. Denn was passiert, wenn wir getrennt sind und niemand da ist, um alles und jedes zu clickern?

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Wenn Sie jetzt vermuten, daß ich etwas gegen den Clicker oder gegen Leckerchen oder gar gegen Loben haben, dann muß ich Sie enttäuschen. Alle drei Varianten gehören bei mir zum Repertoire. Es nur hier wie überall: die Dosis macht’s.

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Rohfüttern ja – aber nicht ehe ein Hund ausgewachsen ist?

von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin

Folgendes Szenario : eine Frau sitzt mit ihrem Baby beim Kinderarzt und spricht mit ihm darüber, wie sie ihren Kleinen ernährt. Sie stillt ihn, möchte das auch möglichst lange tun, dann plant sie, wenn sie anfängt zuzufüttern, alles selber zu machen und nach Möglichkeit so lange wie es nur geht vermeiden, daß ihr Liebling mit industriell gefertigter Nahrung in Berühung kommt. Denn sie weiß ja, daß dort viele Dinge enthalten sind, die nicht gesund für Babys sind und ungeahnte Folgen haben können. Hört sich gut an, oder? Und jetzt stellen Sie sich bitte vor, der Arzt würde so reagieren: „Nein, gute Frau, das dürfen Sie auf keinen Fall machen. Hören Sie sofort mit dem Stillen auf, und geben Sie ihm auf keinen Fall selbstgefertigten Gemüsebrei. Frisches Gemüse, Obst und Salat sollte er auch niemals vor dem 14. Lebensjahr bekommen. Vorher ernähren Sie ihn mit dieser Spezialnahrung für männliche Kinder im Alter von 0 – 3 Jahre, dann gibt es ein Folgeprodukt, das den Bedürfnissen ihres Kindes optimal angepasst ist. Darin ist alles enthalten, was er zu einer gesunden Entwicklung braucht. Ab dem Alter von 14 Jahren, können Sie dann ganz langsam anfangen, ihn an natürliche Nahrung heranzuführen.“

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Klingt ziemlich irre, oder? Aber wenn Sie sich jetzt anstelle eines Kindes einen Welpen vom Züchter denken, den Kinderarzt durch einen Tierarzt oder auch durch den Züchter ersetzen und die verschiedenen Altersangaben anpassen, dann haben Sie genau das, was viele Tierärzte und Züchter Welpenbesitzern sagen: ja nicht roh füttern, vor der Kleine ein Jahr als ist, sonst geht alles in die Hosen.

Frage: wenn es für Menschen nachweisbar deutlich gesünder ist, von Anfang an natürliche Nahrung zu essen, warum im Himmels willen sollte das dann bei Hunden anders sein? Es ist hinreichend bekannt, daß der Welpe seine Darmflora bei der Geburt von der Mutter bekommt. Je nachdem wie diese ernährt wurde, ist die Darmflora gesund oder mehr oder weniger geschädigt. Eine Hündin, die mit Industierfutter gefüttert wird, kann im Gegensatz zu einer roh gefütterterten ihren Kindern eben nichts gescheites mit auf den Weg geben. Aber man kann gerade bei Welpen sehr viel retten, wenn man sie von Anfang an roh füttert – und zwar mit viel Pansen und Blättermagen, damit sich eine gute Darmflora bilden kann. Wartet man erstmal eine Weile ab, z.B. das erste Jahr, dann kann es sein, daß die Darmflora richtig kaputt ist und man eine mühsame Darmreinigung und -sanierung vornehmen muß. Die Wahrscheinlichkeit, daß der Hund nie wieder richtig gesund wird, ist leider relativ groß. Auch die Auswirkungen auf den Skelettaufbau sind gerade im ersten Lebensjahr gravierend. Warum, glauben Sie, haben so viele Welpen und Junghunde schon massive Probleme mit den Gelenken – auch wenn ihre Besitzer gut darauf aufpassen, daß sie sich körperlich nicht überanstrengen?

MINOLTA DIGITAL CAMERABeispiel: Unser Maxl wurde bei seinem ersten Frauchen mit der gelben Gefahr = Pal Pedigree gefüttert. Wir stellten ihn sofort um. Angeblich hatte er überhaupt keine Probleme mit der Verdauung, aber bei uns zeigte sich ganz was anderes. Wir füttern generell so gut wie keine Kohlehydrate, also kein Getreide. Ab und zu gab es allerdings mal ein Stück gekochte Kartoffel, weil er mit tropfendem Zahn daneben saß, wenn wir Pellkartoffeln schälten. Ergebnis: ein bis zwei Stunden später war ihm sterbensschlecht, er mußte dringend raus, stopfte Unmengen an Gras in sich rein, kotzte, fraß wieder Gras, kotzte, das ganze so drei-, viermal, dann war alles vorbei. Es dauerte lange, bis wir draufkamen, daß  ein winziges Stückchen Kartoffel das alles auslöste. Seit er keine mehr bekommt, ist alles gut. Kartoffeln sind wahrlich kein Hundefutter, aber ein gesunder Hund kommt damit sehr wohl klar. Ein Hund mit einer vorgeschädigten Darmflora dagegen nicht.

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Noch ein Beispiel: der Hund einer Kundin von mir hatte mit ca. 6 Monaten eine Not-OP, der Darm war an einer Stelle fast dicht und ohne OP wäre er gestorben. Sie fütterte ihn mit dem „teuersten und besten“ Trockenfutter, das sie nur auftreiben konnte, aber er hatte permanent Probleme mit der Verdauung, mit den Augen und Ohren und war überhaupt eine ziemliche Baustelle. Auf meine Veranlassung hin stellte sie ihn mit ca. 1,5 Jahren um, es wurde auch etwas besser, aber da er nicht täglich Pansen oder Blättermagen bekam, hatte er häufig rote, entzündete Augen. Das wurde erst besser, als er jeden (!) Tag bei mindestens einer Mahlzeit Pansen oder Blättermagen zu fressen bekam. Der Pansen mußte frisch sein, damit alle notwendigen Bakterien erhalten blieben, er war selber nämlich kaum noch in der Lage, die notwendige Darmflora zu produzieren. Zudem mußte der Arme eine sehr langwierige Darmreinigung auf sich nehmen, was auch eine lange Fastenzeit zur Darmsanierung beinhaltete.

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Denn es stimmt eben nicht: im Industriefutter ist nicht alles drin, was der Hund braucht, ganz im Gegenteil, Industriefutter macht Hunde krank. Und gerade Welpen haben das Recht, vernünftig ernährt zu werden. Und vernünftig heißt: roh füttern, viel Pansen und Blättermagen, damit der aus dem Kleinen wirklich ein Prachtkerl wird.

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Tierfreunde – Menschenfeinde?

von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin

Liebe Hundefreunde, heute geht es mal nur am Rande um Hunde, heute möchte ich mich mal mit meiner eigenen Spezies befassen. Wir alle erleben seit Wochen und Monaten dieses Drama um Flüchtlinge aus Kriegsgebieten wie Syrien oder Krisengebieten in Afrika, wo die Menschen verhungern, weil westliche Konzerne ihr Land stehlen, unfruchtbar machen oder die Bevölkerung durch Banden und Söldner terrorisieren und vertreiben. Ich bin der Ansicht, daß es ganz egal ist welche Hautfarbe, Geschlecht, Religion ein Mensch hat, wer wie die Menschen im Nahen Osten und in Afrika in Not gerät, braucht unsere Hilfe. Die Bilder von Menschen, die in lächerlichen Booten übers Meer treiben, von ertrunkenen Kindern, von den Menschenmassen mit Kleinkindern, Neugeborenen, alten und jungen Menschen, die wie Vieh über Land getrieben werden, in dreckigen Lagern dahinvegetieren, macht mich ganz hilflos. Ich weiß ja auch, was sie bei uns in der Regel erwartet: Hass, Feindseligkeit, Ablehnung und Ausbeutung.

Auf Facebook habe ich mich nach und nach von allen getrennt, die rassistische und fremdenfeindliche Aussagen gepostet haben und dachte eigentlich, daß ich jetzt die Spreu vom Weizen getrennt hätte. Da ging dieser Tage ein Post über Facebook, daß Asylanten Polzeihunde getreten hätten, nachdem mit diesen Hunden versucht worden war, irgendwelche Auseinandersetzungen zu beenden. Ein Aufschrei ging durchs Netz von allen möglichen Tierschützern, die für sofortige Abschiebung dieser hundeverachtenden Kriminellen waren. Da konnte man Sachen lesen wie: „die verachten doch sowieso alle Tiere und Hunde ganz besonders, die sind doch für die unrein, dieses Pack! Raus mit ihnen, wenn sie sich nicht anständig aufführen!“ Mein lieber Schwan, sind wir hier in Dresden bei Pegida für Hunde, oder was?

Liebe Tierschützer, die ihr euch solche Sorgen um Polizeihunde macht, ich weiß nicht, ob euch folgende Dinge bekannte sind.
1. Polizeihunde werden in der Regel – ich hoffe, es gibt die eine oder andere Ausnahme – mit roher Gewalt dazu gebracht, auf Kommando, z.B. „voran“ in alles und jeden zu beißen, der vor ihnen wegrennt. Wenn man keine Gewalt anwenden würde, kämen sie nämlich nicht auf solche Ideen. Bevorzugt werden Malinois, die auch gezielt dafür gezüchtet werden, daß sie schnell und gnadenlos alles packen, was nicht bei drei auf den Bäumen sitzt. Diese Hunde fürchten nur eins: daß als Folge von Ungehorsam grausame Strafen über sie hereinbrechen.
2. Vor dem Einsatz werden viele dieser Hunde regelrecht aufgepuscht. Ich kenne Polizisten, die ihre Hunde vorher verprügeln, damit die richtig wild darauf sind, sich abzureagieren.
3. An so einen Hund kommst du nicht einfach hin, um ihm mal kurz einen Fußtritt zu versetzen. Der läuft „bei Fuß“ neben seinem Polizisten. Wie es also möglich war, daß die Asylanten so nahe an die Hunde hinkamen, verschweigt dieser Zeitungsbericht. Warum eigentlich?
4. Asylanten kommen nicht mit der MS Asyl als Touristen mit schicken Smartphones nach Deutschland, um mal eben Supermärkte auszurauben, deutsche Blondinen zu vergewaltigen oder Polizeihunde zu treten, welche Missetaten sie dann mit ihren Smartphones fotografieren und diese Fotos mit hämischen Kommentaren versehen nach Hause schicken. Die MS Asyl könnt ihr euch z.B. auf den Videos von Seawatch anschauen, die seit Monaten im Mittelmeer versucht, wenigstens einige dieser armen Seelen zu retten. Hier wollen diese Menschen vor allem eins: arbeiten, Geld verdienen, evtl. ihre Angehörigen nachholen, um sie zu retten oder wieder nach Hause gehen. Behandelt werden sie von vornherein wie der letzte Dreck, zusammengepfercht zu hunderten und tausenden in Lagern, ohne Möglichkeit auf ein bißchen Privatsphäre, und das nachdem ihre Häuser zerbombt wurden, Freunde und Verwandte ermordet, gefoltert, vergewaltigt wurden, nachdem sie schwer traumatisiert endlich hier gelandet sind.
5. Wer Angst vor diesen „Kriminellen“ hat, sollte sich mal vor Augen führen, daß es Straftaten gibt, die kannst du nur als Asylant begehen, z.B. darfst du dich nur in einem ganz begrenzten Umfeld bewegen. Wenn du in Oranienburg registiert bist, darfst nicht einfach so deine Verwandten oder Freunde in Neubrandenburg besuchen, auch wenns nur einen Katzensprung entfernt ist.
6. Mir ist nicht bekannt, daß die Zeitung, die diese Meldung gebracht hat, sich ansonsten dadurch auszeichnet, daß sie auf sanfter und gewaltfreier Ausbildung von Polizeihunden besteht. Ich frage mich, warum sorgen die jetzt auf einmal um die Unversehrheit dieser Hunde?

Das reicht jetzt, alles andere könnt ihr euch im Internet besorgen, aber vielleicht besser nicht bei Pegida oder der AFD.

So, und jetzt zu mir: wenn ich in eine Situation käme, was das Universum verhüten möge, in der Polizisten es für notwendig erachten, daß sie auf mich und meine Freunde mit Hunden losgehen, dann werde ich ganz sicher nicht mit einem Leckerchen wedeln und die Hunde bitten, ganz lieb zu mir zu sein, ich bin auch lieb zu ihnen. Ich werde entweder versuchen, mich schnellstmöglich in Sicherheit zu bringen oder ich werde versuchen mich zu wehren. Und so sehr ich Hunde liebe: ja, ich würde sehr wohl mit roher Gewalt versuchen, so einen Hund daran zu hindern mich zu zerreißen. Schau an, schau an, ich lege nämlich auch Wert darauf, unversehrt zu bleiben. Was mich von Asylanten unterscheidet: ich weiß, daß ich mit Tritten nicht viel ausrichten kann, denn dann hängen dir diese Hunde nämlich in Nullkommanix am Bein. Viel Spaß dann auch!

Was mich am meisten wundert: warum stellt niemand die Frage, was Hunde in solchen Auseinandersetzungen denn eigentlich zu suchen haben? Warum ist das so in Ordnung, daß Hunde mißbraucht und geschunden werden, um menschliche Auseinandersetzungen zu klären? Sind Malinois und Deutsche Schäferhunde es nicht wert, daß man sich für sie einsetzt, solange sie für den Polizeidienst „ausgebildet“ werden? Muß man sich erst um sie kümmern, wenn dieses Asylanten“pack“ nach ihnen tritt? Und anschließend können sie dann gerne wieder ihr Dasein mit Stachelhalsband und Teletackt fristen? Was ist denn das für eine interessante Differenzierung?

Irgendjemand hat mal gesagt: seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere. Ich glaube, es war Nietschze oder Schopenhauer, beide für ihre Umgänglichkeit und Toleranz wohl bekannt. Ich sehe das ein bißchen anders. Ohne Wohlwollen und Sympathie für die eigene Art, also für Menschen ganz generell, kann man in meinen Augen kein guter Tierschützer sein. Denn wenn man seine eigene Spezies nicht achtet, dann sucht man im besten Fall im Tierschutz Ersatz für menschliche Kontakte und das ist in meinen Augen schon ein bißchen asozial. Wir leben alle in einer Welt, wir sind alle dafür verantwortlich, daß es allen (!) Lebewesen auf dieser Welt gut geht, daß sie ihr Leben so leben können, wie sie es möchten, daß sie Hilfe bekommen, wenn sie diese brauchen – egal ob es sich um Orang Utans in Südostasien, Eisbären im schmelzenden Polareis, rumänische Straßenhunde, Mäuse in Laborversuchen oder eben Menschen aus Afrika oder Syrien handelt, auch wenn sie Moslems sind und Hunde als unrein betrachten.

Wenn ich mir zu Weihnachten etwas wünschen darf, dann wünsche ich mir, daß endlich alle verstehen, daß wir nichts erreichen werden, überhaupt nichts, wenn wir nicht endlich aufhören, andere schlecht zu machen, auf andere herabzusehen und ihnen letztendlich die Hilfe und Unterstützung verweigern, die sie brauchen und die wir ihnen geben können – wir müssen nur wollen. Ich wünsche mir, daß alle Menschen weltweit aufstehen für Menschen- und Tierrechte, für Frieden und Wohlstand für alle, daß alle ihr Auskommen finden und leben können, wie sie möchten von der Amöbe bis zum Elefanten, einschließlich aller Menschen. Und ich wünsche mir, daß der Begriff „Tierfreund“ nur ein Synonym für „Menschenfreund“ wird, weil wir nämlich auch Tiere sind, Säugetiere, Landraubtiere, Primaten – mit dem Unterschied zu anderen Tieren, daß wir diese Erde mitsamt ihren tierischen und menschlichen Bewohnern ausbeuten oder zulassen zu unserer eigenen Bequemlichkeit, daß sie ausgebeutet werden, und daß wir sie irgendwann durch unsere Ignoranz unbewohnbar machen werden. Und um das zu verhindern wünsche ich mir, daß solche Ausfälle von Tierschützern gegen Menschen aufhören.

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„…und was machst du so mit deinen Hunden?“

Ute Rott
Forsthaus Metzelthin

Als Indiana im Januar bei uns einzog, war eine der ersten Fragen des einen oder anderen Bekannten: „Und was hast du mit der vor?“ Wenn ich dann verständislos nachfragte, was damit gemeint sei, kam immer eine Antwort in der Richtung „na, irgendwas muß ein Hund doch zu tun haben, du mußt sie doch beschäftigen.“

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Also, wer jemals Zweifel hatte, daß Hunde sich alleine beschäftigen können, der kann gerne mal einen Tag vorbei kommen und meinen Hunden zusehen, was sie so machen den lieben langen Tag: fressen, schlafen, an den unmöglichsten Stellen Löcher buddeln (Indiana), die Ute an Essenszeiten erinnern (Anton), (fast) jeden Pubs in der Umgebung melden (Maxl), Knochen benagen und vor Räubern verstecken (Indiana), Knochenverstecke ausfindig machen und die Dinger benagen (Anton und Maxl), sehr effektiv melden wenn was wirklich wichtiges z.B. an den Türen und Toren vom Gelände vor sich geht (Indiana), mit uns spazieren gehen (alle drei), die Kumpel im Dorf besuchen – mit uns (Indiana und Maxl), alle Hundekissen durchprobieren, welches das beste ist (Anton), der Ute auf Schritt und Tritt folgen (wenn er nicht gerade pennt – Anton), gut verteilt in der Gegend an strategisch wichtigen Stellen rumliegen und alle Ein- und Ausgänge im Blick haben (alle drei), toben, sich irgendwo reinbeißen, Verstecken spielen, sich gegenseitig Spielsachen klauen (Indiana und Maxl), schwimmen gehen (alle drei) ……………… noch Fragen?

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Dann gibts noch ein paar alberne Sachen, die vor allem der Maxl und die Indiana super toll finden, z.B. alte Socken aus dem Schlafzimmer in die Küche transportieren, nach Möglichkeit die vom anderen klauen und dafür Leckerchen kassieren – der Anton trappt immer hinterdrein und blickt nicht durch – nur daß man was zum essen kriegt, das kapiert er! Oder daß sie toll gelobt und belohnt wird, wenn Indiana wieder mal irgend einen Dreck unterwegs einsammelt – Belohnung gibts natürlich fürs Fallenlassen. Oder das Anzeigen von Wild beim Spazierengehen – das hat der Maxl sehr schnell gelernt, daß sich das lohnt.

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Aber abgesehen davon haben unsere Hunde eine enorm wichtige Aufgabe: sie ersetzen Klingeln und Alarmanlagen. Unsere Klingeln funktionieren nur sehr widerwillig, meistens streiken sie, und von Alarmanlagen halten wir nichts, hier bricht sowieso niemand ein. Warum nicht? Weil hier völlig unvermutet zu allen möglichen Tages- und Nachtzeiten Hunde auf dem Gelände unterwegs sind, bzw. sofort Bescheid geben, falls was merkwürdig ist. Besonders Indiana ist dafür sehr talentiert. Sie bekommt alles mit, verbellt sehr eindrucksvoll und nachdrücklich ungewöhnliche Ereignisse, aber eben nicht jeden Pubs, und sie taucht wie aus dem Nichts vor unerwünschten Besuchern auf.

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Ihre zweite wichtige Aufgabe ist: kuscheln. Der alte Anton, der ja leider nicht immer bei uns ist, sondern auch immer wieder in sein altes Zuhause geht, braucht viele, viele Streicheleinheiten, die er selbstverständlich bekommt. Auch das Gute-Nacht-Sagen, wenn er auf seinem Bettchen im Schlafzimmer liegt und wir ihn nochmal streicheln, genießt er sehr. Indiana und Maxl schlafen meistens bei uns im Bett, und es gibt in kalten Nächten nichts besseres als eine weiche Griechin zu Füßen und einen warmen Wackel-Dackel in der Bauchkuhle. Tagsüber muß der Maxl immer mal wieder auf meinen Schoß oder Indiana zeigt per Pfotegeben an, daß sie schon wieder total vernachlässigt wird und nie nie nie überhaupt keiner mit ihr schmust.

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Die dritte Aufgabe ist: mit uns leben. Wir haben das große Glück, daß wir 24 Stunden rund um die Uhr mit unseren Hunden zusammen sein können. Ja, hin und wieder sind sie auch mal ein Stündchen allein, aber sehr selten. Und wir sind einfach eine kleine Familie, in der jeder seine Aufgabe hat, die er auch kennt und ausfüllt. Ansonsten sind wir uns sehr zugetan und es geht uns nur so richtig gut, wenn wir zusammen sind.

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Wenn also jemand wissen möchte, was wir so mit unseren Hunden machen, dann lest doch bitte den Text oben nochmal durch. Ich finde, es hört sich ganz nach einem guten Tagesablauf mit viel Beschäftigung an.

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Mehrhundehaltung

von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin

Nachdem mich mehrere Kommentare erreichen mit der Kernaussage: „es ist echt überhaupt kein Problem, intakte Rüden und Hündinnen zusammen zu halten, die muß man nicht kastrieren“, weise ich darauf hin, daß einer dieser Kommentare genehmigt wurde, eine entsprechende Antwort kam dankenswerterweise von meiner geschätzten Kollegin Bettina Küster. Alle anderen Kommentare in diesem Sinn werden gelöscht, denn es geht um eine Buchbesprechung. Bitte lesen Sie den ganzen Text und am besten das Buch auch.

Clarissa von Reinhardt hat ein neues Buch geschrieben mit dem schlichten Titel „Mehrhundehaltung“. Wer sie kennt, weiß, daß sie immer mit mehreren Hund zusammenlebt, nur ein Hund an ihrer Seite – das ist nicht Clarissa von Reinhardt. Entsprechend kompetent hat sie das Thema auch bearbeitet und alle Themen angesprochen und ausführlich dargelegt, die Mehrhundehalter oder solche, die es werden möchten, interessieren.

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Es gibt so viel zu bedenken, wenn man mehr als einen Hund aufnimmt, und mit jedem Hund werden es mehr Überlegungen, die man anstellen muß. Und das betrifft nicht nur die Themen: Geld, Zeit, Versorgung, Familie, Sauberkeit und die Tatsache, daß man mit dieser Entscheidung nicht unbedingt bei Freunden und Familie auf Begeisterung stößt. Es geistern immer wieder Videos durch die sozialen Netzwerke, in denen ganze Hundemeuten am Fahrrad geführt werden, wie Trauben hinter ihren Menschen durch Städte laufen, in riesigen Gruppen gefüttert werden…….. der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Um solche Dressurleistungen geht es in diesem Buch ganz sicher nicht. Es geht darum, wie wir unsere Liebe zu Hunden und die Freude am Zusammenleben mit ihnen mit der Erfüllung hundlicher Bedürfnisse unter einen Hut bringen können.

Zwei Kapitel aus dem Buch möchte ich besonders hervorheben, da sie mir sehr wichtig erscheinen und häufig unterschätzt werden. Da wäre das leidige Thema „Kastration und Sterilisation – sinnvoll im Mehrhundehaushalt oder nicht?“ Eigentlich sollte sich diese Frage erst gar nicht stellen, denn wie will irgendjemand auf dieser Welt, der kein Interesse an ungezügelter Hundevermehrung hat, dauerhaft einen Deckakt verhindern, wenn er intakte Rüden und Hündinnen hält? Und wie will man Konflikte unter den Hunden vermeiden, wenn sie nicht kastriert sind? Konflikte und unerwünschte Würfe sind vorprogrammiert und es ist mehr als leichtfertig zu behaupten, daß Kastration bei Mehrhundehaltung nicht notwendig wäre. Umso dankenswerter ist es, daß die Autorin vor diesem Thema nicht zurückschreckt und ausführlich und fachlich kompetent darüber informiert. Dabei geht sie gründlich auf alle diese guten Ideen ein, die Mehrhundehalter für das Zusammenleben mit intakten Hunden bekommen und legt unmissverständlich  dar, daß alle diese tollen Tipps nur heiße Luft und nicht sehr alltagstauglich sind.

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Das Kapitel: „Die Ausbildung und Erziehung von mehreren Hunden“ ist ebenfalls ein Punkt der häufig unterschätzt wird. Wir finden hier gute Hinweise, wie man eine geeignete Hundeschule findet. Auf was man konkret das Augenmerk zu legen hat, z.B. ich rufe fünf Hunde, es kommen aber nur zwei: bitte loben Sie zuerst die, die gekommen sind! Danach kümmern Sie sich um die anderen. Wie gehe ich auf die individuellen Bedürfnisse des einzelnen Hundes bei der Belohnung ein: der eine sucht gerne Leckerchen vom Boden, der andere will lieber geknuddelt werden? Wie gehe ich mit gruppendynamischen Prozessen um? Wie und wann gebe ich überhaupt Kommandos? Ist es nicht eher sinnvoll, achtsam in der Kommandogebung zu sein? Wer braucht wieviel Beachtung?

Und ganz wichtig: welche Kommandos und Rituale benötige ich im Unterschied zu Hundehaltern, die nur einen Hund haben? Wer nur einen Hund führt, der muß sich in vielen Situationen weniger Gedanken machen, denn es steigt nur ein Hund ins Auto, es wird nur ein Futternapf hingestellt, es gibt keine Reihenfolgen, die je nach Situation wechseln können. Oder: wie geht man in so einer Gruppe spazieren? Wann gibt man Kommandos, wer läuft frei, wer an der Leine?

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Das und noch viel mehr sind Punkte, die sich viele Menschen nicht überlegen, wenn sie sich den 2., 3., 4. Hund ins Haus holen, die aber sicher genauso bedeutsam sind, wie die richtige Passung und die Tatsache, daß alle im Haushalt mit den Hunden einverstanden sein müssen.

Fachlich ist dieses Buch mit Sicherheit das beste, was man zu diesem Thema lesen kann. Aber ich finde es in anderer Hinsicht auch sehr empfehlenswert. Wer Clarissa von Reinhardt kennt, weiß, daß sie in ihren Büchern und Vorträgen viel von ihrer persönlichen Erfahrung als Hundehalterin und Hundetrainerin mit einbringt. Das ist auch hier so, aber doch noch etwas anders. Beim Lesen dieses Buches spürt man ganz deutlich, mit wieviel Wärme und Herzblut es geschrieben wurde, wie ihr Herz an allen Hund hängt, die bei ihr leben und gelebt haben, und wie wichtig ihr das Wohlergehen der Hunde ist. Wie immer geht sie klar und unmissverständlich auch unerfreuliche Themen an, aber über allem liegt immer die Liebe zu den Hunden – und eben ganz besonders zu ihren Hunden. Es ist also nicht nur ein gutes Fachbuch, sondern in weiten Teilen ein sehr poetisches und persönliches Buch, das beim Lesen viel Freude bereitet. Die vielen schönen Hundefotos tun ihr übriges dazu.

Das Buch kostet € 17,00 und ist beim animal learn Verlag oder im Buchhandel unter ISBN 9-783936 188677 erhältlich.

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Führt Kontrollverlust bei Hunden zu Kontrollzwang?

Ute Rott
Forsthaus Metzelthin

Kontrolle ist etwas, das jedes Lebenwesen braucht, um überleben zu können. Von klein auf lehren wir unsere Kinder viele Dinge genau zu kontrollieren, damit sie heil durchs Leben kommen Zum Beispiel ist es ganz klar, daß man nur über eine befahrene Straße geht, wenn dies gefahrlos möglich ist. Ebenso steckt man nicht einfach alles in den Mund, es könnte ja giftig sein. Messer und Scheren werden Kindern erst dann anvertraut, wenn die Eltern sicher sind, daß sie vernünftig damit umgehen und auch dann bleiben sie dabei und kontrollieren, daß nichts passiert. Auch Vorsicht gegenüber Fremden – in vernünftigem Ausmaß – sollen Kinder lernen und nicht mit jedem mitlaufen, der Gummibärchen dabei hat.

Menschen kontrollieren ihre Umgebung ständig, ohne sich dessen bewußt zu sein. Wenn wir in eine neue Umgebung kommen, bleiben wir erstmal stehen und werfen einen Blick in die Runde. Nur wenn wir sicher sind, daß alles ok ist, gehen wir weiter und betreten das Haus, den Raum, den Platz. Allein in eine fremde Stadt oder ein fremdes Land zu fahren, ist für uns nie besonders angenehm, besser wäre es, es ist jemand dabei, der sich auskennt. Einen guten Autofahrer macht aus, daß er regelmäßig in den Spiegeln den Verkehr überprüft, um so die Kontrolle zu behalten.

Warum ist das so? Sind wir alle Kontrollfanatiker, die dringend mal in Therapie müßten? Solange sich das in Grenzen hält wie oben beschrieben und es sich um einfache, größtenteils unbewußt ablaufende Aktionen handelt, ist es das sicher nicht mehr und nicht weniger als die notwendige, teilweise sogar überlebensnotwendige Überprüfung meiner Umwelt. Wer zu einer vernünftigen Kontrolle seiner Umwelt nicht in der Lage ist und viel zu sorglos durchs Leben wandert, muß schon ein großes Glückskind sein, um zu überleben, denn wer auf der Autobahn spazierengeht, jedem Menschen vertraut, der etwas von ihm will, Alkohol und Drogen in Unmengen konsumiert, ohne an die Folgen zu denken, der wird früher oder später durch seinen Leichtsinn geschädigt werden. Wir müssen also lernen, mit den Gefahren, die auf der Welt vorhanden sind, umzugehen und sie zu kontrollieren, dann kann man auch mal ein, zwei Glas Wein trinken, ohne gleich Leberzirrhose zu bekommen, man kann Straßen überqueren, ohne überfahren zu werden, und man lernt, Menschen richtig einzuschätzen. Alle Erfahrungen, die wir machen, egal ob gute oder schlechte, bereichern unser Leben und bringen uns vorwärts.

In ihrem sehr lesenswerten Buch „Wer denken will, muß fühlen.“ geht Elisabeth Beck auf das Grundbedürfnismodell von Epstein / Grawe ein. Die wichtigsten Grundbedürfnisse sind demnach
– Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle
– Lustgewinn / Unlustvermeidung
– Bindungsbedürfnis
– Selbstwerterhöhung.
Der Psychologe Seymor Epstein hat sich Anfang der 1990er Jahre mit der Frage beschäftigt, ob es für Menschen auch psychische Grundbedürfnisse gibt, Klaus Grawe hat Anfang der 2000er Jahre in Anlehnung an diese Erkenntnisse die o.gen. Grundbedürfnisse als Modell entwickelt. Elisabeth Beck schreibt dazu (S. 78) : „Alle Grundlagen dieses Modells wurden jedoch an Tieren fast noch intensiver erforscht als an Menschen – höchste Zeit also, es auch zum Nutzen der Tiere einzusetzen“.

Um in schwierigen Situationen handlungsfähig zu bleiben, muß ein Lebewesen – egal ob Tier oder Mensch – eine gewisse Kontrolle behalten können. Denn gerade in schwierigen Momenten des Lebens kann es das Leben kosten, wenn man den Notausgang nicht kennt. Die Tatsache: „ich bin hier zwar fremd, aber ich habe mein Handy dabei und kann im Notfall meine Freunde anrufen, damit sie mich abholen“ reicht als Kontrolle in der Regel aus.

Wie verhält sich das jetzt mit Hunden? Oft genug hört man von Hunden, die ständig ihre Menschen kontrollieren, sie keinen Moment aus den Augen lassen, immer dabei sein müssen, niemanden an sie hinlassen, teilweise nicht mal den Partner oder die Kinder. Ist das normal? Sind diese Hunde krank? Warum machen das einige und andere nicht? Es lohnt sich, dem nachzugehen und dieses Problem zu untersuchen, da die Ursachen zum großen Teil darin begründet liegen, wie heutzutage Hunde „erzogen“ werden.

Hunde sind sehr neugierige Tiere, wie Menschen auch, nur wird ihnen das häufig negativ ausgelegt Ich nenne dieses Verhalten deshalb lieber „Erkundungsfreude“. Damit wird es positiv belegt und es trifft auch besser den Kern. Die meisten Hunde in meiner Hundeschule kommen freudig auf den Platz und müssen dringend erkunden, was seit dem letzten Mal hier passiert ist. Wer war da? Hat jemand Leckerchen vergessen? Steht das Plantschbecken rum? Und diese Erkundungsrunde macht Spaß. Hunde, die das nicht machen, sind immer Hunde, denen verboten wurde, von sich aus etwas zu erkunden. Sie machen einen verunsicherten Eindruck, wirken oft scheu und ängstlich, und haben nicht wirklich viel Spaß am Leben, keine Freude daran, etwas zu erkunden, keine Neugier, also keine „Gier auf Neues“.

Nehmen wir an, ein Mensch kommt mit seinem Hund in einen großen Raum, der beiden fremd ist. Der Mensch bleibt am Eingang stehen und wirft einen Blick in die Runde. Vielleicht sieht er jemanden, den er kennt und geht sofort zu ihm hin. Der Blick in die Runde hat ihm genügt, um sein Kontrollbedürfnis zu befriedigen. Der Bekannte ist obendrein ein „Beleg“ für die friedliche Situation, er kann also ohne weiteres hingehen und sich dazusetzen. Für den Hund sieht das ganz anders aus. Hunde erfassen zwar ebenso wie wir neue Situationen und Umgebungen mit allen Sinnen, den gründlichsten Aufschluss geben ihnen aber nicht die Augen sondern die Nase. Und deshalb reicht es ihnen nicht, wenn sie sich umsehen. Sie müssen den Raum mit der Nase erkunden. Üblicherweise ist das aber nicht erlaubt, denn aus welchem Grund auch immer denken Menschen nicht freundlich über Hundenasen, die auf Erkundung sind. Könnte es nicht sein, der Hund pinkelt irgendwo hin, wenn er was interessantes riecht? Könnte es nicht sein, er belästigt jemanden? Oder jemand fürchtet sich vor Hunden. Und überhaupt sind die meisten Menschen der Meinung, es reicht, wenn der Mensch weiß, was er tut, der Hund hat ihm blind zu vertrauen.

Ach, wirklich? Als sozial hochentwickelte Landraubtiere haben Hunde wie Menschen ein sehr starkes Bedürfnis, ihre Umgebung daraufhin zu kontrollieren, ob sie ungefährlich ist, Beute oder Feinde verbirgt, man sich hier wohlfühlen kann oder sich lieber entfernt, sie haben also das gleiche Streben nach Lustgewinn, bzw. Unlustvermeidung wie Menschen. Wie kann aber ein Mensch, der sich mit seinem Hauptsinn „Sehvermögen“ überwiegend orientiert und zum Teil ganz andere Bedürfnisse und Vorstellungen von einem angenehmen Leben hat wie ein Hund, verlangen, daß sein Hund ihm immer und unter allen Umständen vertraut, wenn er ihm nicht mal ein wichtiges Bedürfnis, nämlich das nach Orientierung und Kontrolle zugesteht? Der Mensch in unserem Beispiel vertraut seinem Hund in keinster Weise, sonst käme er ja nicht auf die Idee, sein Hund könnte rumpinkeln, andere belästigen oder in Angst versetzen.

Viele Hundebesitzer und Hundetrainer glauben, daß sie sehr wohl in der Lage sind, hundliche Bedürfnisse richtig einzuschätzen und diesen auch gerecht zu werden. Das stimmt in vielen Fällen sogar, aber spätestens bei folgenden Fragen hört es für die meisten auf: darf ein Hund sich paaren und wenn ja mit wem? Wann und wie oft bekommt er was zu fressen? Darf er einfach so durch die Gegend laufen, und das auch noch wann und so lange es ihm gefällt? Darf Hund sich in Aas oder Exkrementen wälzen und dann im Wohnzimmer auf die Couch hopsen, um ein Nickerchen zu nehmen? Es gäbe noch viele andere Punkte, bei denen sich Mensch und Hund nicht unbedingt einig sind, aber Menschen bestehen darauf, alles so zu machen und zu kontrollieren (!), daß es ihren Vorstellungen gerecht wird.

Damit hier keine Missverständnisse entstehen: ich bin durchaus der Meinung, daß Hunde zwar soviel Freilauf wie möglich haben sollten, aber auch hier in der uckermärkischen Einsamkeit öffnen wir nicht einfach die Tür und schicken die Hunde hinaus. Ebenso gibt es ein von den Hunden durchaus unerwünschtes Duschbad, falls sie sich mal wieder mit Waschbärkacke parfümiert haben. Aber wenn unsere Hunde der Meinung sind, daß wir nicht umkehren, bevor wir den See erreicht haben, weil es nämlich wieder mal hoch an der Zeit für ein schönes Bad ist, dann lassen wir uns schon mal überreden. Und wer kontrolliert dann wen? Ich ganz sicher nicht meine Hunde. Dafür komme ich zu einem nicht eingeplanten Bad und die Hunde hatten mit ihrer Entscheidung natürlich recht.

Wer seinen Hund allerdings dazu erzieht immer und unter allen Umständen die Kontrolle abzugeben und alle Entscheidungen seinem Menschen zu überlassen, der muß mit üblen Folgen rechnen. Eine dieser Folgen kann Trennungsangst sein. Denn wer nie für sich selber sorgen und entscheiden darf, gerät natürlich leicht in Panik, wenn die Person verschwindet, die das für ihn erledigt. Und ist es nicht nachvollziehbar und logisch, daß ich permanent aufpassen muß, daß mir dieser Mensch ja nicht aus den Augen kommt? Was tue ich, wenn er weg ist? Wer passt dann auf mich auf? Wer trifft dann die Entscheidungen für mich? Wer kümmert sich, wenn ich in Gefahr bin? Ein Hund, der nichts entscheiden darf, der nie selber etwas erkunden darf, der aus Erkundungen nichts lernen kann, dem alles abgenommen wird, der immer und überall – in der Regel durch Kommandos – unselbständig sein muß, wird dann ausschließlich und immer das kontrollieren, was ihm noch bleibt: den Menschen, der ihm die Kontrolle über seine Umwelt abgenommen hat.

Es gibt verschiedene Gründe, warum Menschen ihren Hunden so etwas antun. Einer ist sicher übertriebene Fürsorglichkeit. Der Hund einer Bekannten durfte sich nicht mal selber kratzen: „das macht Frauchen doch für dich“. Ja, und was ist, wenn sie nicht da ist? Ein anderer ist ein übertriebenes menschliches Kontrollbedürfnis, das leider durch viele Trainer auch noch gefüttert wird: „wenn du deinen Hund nicht immer im Griff hast (sprich 100%ige Kontrolle), dann….“ und es folgen die schlimmsten Szenarien von gebissenen Kindern, über Hundebeissereien, angeblichen Rangordnungsproblemen bis zu durch den Hund verursachten Autounfällen und was dergleichen Unfug mehr ist. Wenn von Hunden so eine permanente Gefahr ausginge, die man nur durch 100% Kontrolle in den Griff kriegen kann, dann sollte man sich schon fragen, wie das eigentlich seit Tausenden von Jahren mit Hunden und Menschen gut gehen kann. Glaubt irgendjemand ernsthaft, daß 100%ige Kontrolle eines anderen Lebewesens tatsächlich möglich ist? Wir sind ja kaum in der Lage unsere Computer und andere Technik, also von uns selbst erzeugte und programmierte Gegenstände zu kontrollieren. Wie soll das dann bei einem denkenden und fühlenden, intelligenten Lebewesen möglich sein? Und weil wir das wissen, fangen Menschen an, die Hunde unglaublich unter Druck zu setzen, damit der gar nicht erst auf die Idee kommt, eigene Gedanken und Ideen zu entwickeln. So muß der Hund beispielsweise immer und permanent „Platz“ machen, wenn man irgendwo im Restaurant sitzt. Wehe, er steht auf, dann geht sofort die Welt unter. Oder er muß beim Spaziergang immer an der Leine laufen und da natürlich „bei Fuß“. Nur ab und zu wird ihm erlaubt, zu schnüffeln, zu pinkeln oder zu kacken. Der Hund ist also vollkommen dem Willen und den Entscheidungen seines Menschen ausgeliefert und bewegt sich nur noch als Marionette durchs Leben.

Zum Abschluss eine hoffentlich abschreckende Anekdote: Ich hatte auf einer Hundeveranstaltung in Berlin einen Stand und verkaufte dort auch Zubehör, unter anderem Holzspielzeug. Mutter und Tochter mit einer sehr netten, aber auch sehr schüchternen Staffhündin kamen vorbei und interessierten sich dafür. Für solche Fälle habe ich immer meine eigenen Spielsachen dabei, damit man das einfach mal testen kann. Die Hündin ging – große Überraschung – voller Interesse mit der Nase hin, sie wurde aber sofort am Halsband mit einem sicher schmerzhaften Ruck zurückgezogen mit der unfreundlichen Bemerkung „pass auf!“ Ja, was hatte sie wohl gerade gemacht? Sie setzte sich steif und starr hin, sah nur noch gerade aus und man konnte regelrecht sehen, wie sie dachte: nur nix falsch machen und durchhalten, alles geht vorüber. Glauben Sie ernsthaft, daß die beiden Frauen und ihre Hündin an dem Spielzeug Spaß hatten? Daß sie ihrem netten, verschüchterten Mädchen begreiflich machen konnten, daß das hier „Spiel und Spaß“ bedeutet? Wohl kaum.

In diesem Sinne: Wenn ich meinen Hund Hund sein lassen möchte, bedeutet das auch, daß ich ihm sein Bedürfnis nach Kontrolle zugestehe. Egal ob es sich um Holzspielzeug oder die Hinterlassenschaft des Nachbarhundes handelt, Hunde kontrollieren bevorzugt mit der Nase und darin sind sie uns gnadenlos überlegen. Kontrolle behalten heißt auch, daß mein Hund mal sagt: das mach ich nicht. Und ganz ehrlich: meistens haben die Hunde mit solchen Entscheidungen Recht.

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Wohldosierte Tritte gegen Pinkeln im Haus?

Ute Rott
Forsthaus Metzelthin

Als Hundetrainerin muß man allerhand aushalten, als Hund leider noch viel mehr. Heute erreichte mich der folgende Text per Mail:

„kurze Erfolgsmeldung: die Stubenunreinheit meines 8 Jahre alten über 40kg-Hundes ist vorbei. Es war ein Unterordnungsproblem, er glaubte seinen Herrschaftsbereich markieren zu müssen. Seitdem ich die Rangordnung (draußen) klargemacht habe, ist alles gut.
Es geschah Folgendes: er zog mich durch die Landschaft und tat so als hätte er alle Manieren des ordentlichen Gehens wieder mal „vergessen“. Da Befehle nichts brachten, zog ich ihn zurück, schimpfte und gab ihm gleichzeitig während des Zurückziehens einen nicht spontanen, sondern wohlüberlegten und wohldosierten Tritt vor die Brust. Hört sich brutal an, war aber natürlich nicht mit voller Kraft und nicht schmerzhaft, wohl aber durchaus ein Tritt und bei ihm einen Heidenschreck auslösend. Sein total erstaunter und geschockter Blick sagte mir: er hat es kapiert. Diese „Übung“ mußte ich noch etwa 2-3x wiederholen. Das reicht nun, denn es inflationär zu machen wäre abstumpfend, und es bringt auch KEINEN Spaß. GottseiDank sah es niemand. Ich dachte bei meiner Aktion an die sehr groben Zurechtweisungen, die er früher von meiner verstorbenen Dobermann-Schäferhunddame öfter mal kassiert hatte und nahm mir an ihr ein beherztes Beispiel. Jetzt reicht Stimme. Ganz sicher ist es draußen noch nicht, denn er ist ein „Jäger“ mit dem Hobby Mäuse aufzugraben, und die ziehen ihn magisch an. Aber stubenrein ist er schon mal.
Hunde sind merkwürdige Wesen.
Dies mußte ich Ihnen einfach mitteilen.“

Die Dame hatte mich mal kontaktiert, weil sie ihren Hund nicht stubenrein brachte. Per Mail oder Telefon ist so ein Problem natürlich nicht zu lösen, aber wie man sieht, reichen ja ein paar wohldosierte und natürlich überhaupt nicht schmerzhafte Tritte vor die Brust. Ich wünsche der Lady aus vollem Herzen, daß sie von ihren Mitmenschen ganz genau so behandelt wird, falls mal irgendwer mit ihr ein Problem haben sollte. Und natürlich habe ich ihr das auch mitgeteilt und daß ich mit ihr nichts mehr zu tun haben möchte.

Nein, liebe Dame, nicht Hunde sind merkwürdige Wesen, sondern Menschen, die brutal und uneinsichtig mit Hunden umgehen, denen das Wohlergehen ihres Hundes schlicht am A…. vorbeigeht, die sich durchsetzen auf Teufel komm raus und die anscheinend nur deshalb einen Kopf auf den Schultern tragen, damit es nicht in den Hals reinregnet. Mangelnde Stubenreinheit und Leineziehen ein Rangordnungsproblem? Wie lange muß man sich diesen Quark eigentlich noch anhören?

Wie mittlerweile bekannt ist, kommen zu mir Menschen, die nicht nur Ferien in der schönen Uckermark machen, sondern auch meine Hundeschule besuchen und dort Probleme ihres Hunde bereinigt haben möchten, z.B. schlechte Leinenführigkeit. Manchmal, das ist leider so, ist mein Training nicht besonders erfolgreich, weil die Leinenhalter doch lieber zu ihren unfreundlichen Methoden zurückkehren oder nicht einsehen wollen, daß sie hin und wieder ihre egoistischen Ansprüche ein wenig zurücknehmen müssen. Dann läuft sowas unter „wir haben Umsatz gemacht – mehr nicht“. Das tut mir immer sehr leid, besonders um den Hund. Aber wie wir alle wissen, kann man eben nicht jedem Hund helfen.

In diesem Fall blieb mir auch der Umsatz erspart – Gott sei Dank! Geld können wir alle immer brauchen, aber wenn ich mir vorstelle, diese Dame wäre hier aufgeschlagen, ich hätte mich – wie üblich – reingekniet in das Problem, eine Lösung gefunden und dann wäre vielleicht trotzdem soetwas rausgekommen, das wäre noch hundertmal schlimmer gewesen. Denn dann hätte ich den Hund gekannt, ein Lebewesen mit allen seinen Seiten, netten und nicht so netten, ein einzigartiger Erdbewohner, mit seinen Erfahrungen und Gefühlen, seinen Vorlieben und Abneigungen, wir hätten uns kennen und womöglich auch schätzen gelernt, hätten schöne Spaziergänge gemacht, vielleicht hätte er mit meinen Hunden gespielt….. ein schöne Begegnung weniger im Leben, aber das ist in dem Fall gut so. Für die arme Pelznase ist es nicht so einfach. Der muß sich die wohldosierten, nicht spontanen, aber gar nicht schmerzhaften Tritte weiter gefallen lassen.

Lieber 40kg-Hund, den ich leider nicht mal mit Namen kenne,
ich wünsche dir alles Gute, daß deine Hundesteuerzahlerin vielleicht doch irgendwann einen Rest Gefühl und Verstand in einer versteckten Ecke ihres Körpers findet und vielleicht mit diesem Rest in der Lage ist zu verstehen, was sie dir antut. Und glaub mir, auch wenn wir uns nicht kennen, ich denke an dich und schicke dir viel Kraft, damit du dieses Unwesen von Mensch aushältst. Und ich wünsche dir, daß möglichst bald jemand dieses merkwürdige Wesen, das deine Leine hält, bei den Mißhandlungen, die du erdulden mußt, beobachtet und etwas unternimmt, um dir zu helfen. Ich kann es leider nicht.

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