von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin
Gewalt hat viele Seiten und ein Großteil ist so geartet, daß man bei oberflächlicher Betrachtung gar nicht merkt, was da abläuft. Gewalt gegenüber Tieren ist in unserem Leben etwas vollkommen normales, so normal, daß jeder, der dagegen nur ein wenig protestiert, sofort von der Mehrheit der Bevölkerung zumindest für etwas sonderbar erklärt wird. Wenn man beim Essen auf Fleisch verzichtet, sogar wenn man darauf achtet, aus welcher Quelle das Fleisch kommt, das man isst, finden das viele vollkommen abwegig. Man kann doch eh nichts machen, oder? Also kommt eben weiterhin Fleisch von Tieren auf den Tisch, für die der Tod eher eine Erlösung war. Aber was hat das mit Hunden zu tun?
Gewalt im Umgang mit Hunden ist mittlerweile wieder Gott sei Dank ein großes Thema und wird nicht mehr unter den Tisch gekehrt. Leute wie Cesar Millan, Michael Grewe und aktuell Maja Nowak haben dafür gesorgt, daß sich Hundebesitzer wieder Gedanken machen, wie sie mit ihren Hunden umgehen oder eben besser nicht. Schlagen, treten, anschreien, am Würgehalsbändern rumzerren….. das alles ist bei vielen Hundebesitzer nicht mehr im Programm, es wird abgelehnt und die meisten wollen mit solchen Methoden nichts mehr zu tun haben. Cesar Millan, der Würgehalsbänder und Strom ganz ok findet, – für ihn ist die Frage nur, wie man das einsetzt – , oder Michael Grewe, der meint, man könnte Hunden ruhig irgendwelche Näpfe um die Ohren hauen, sind für viele nicht mehr akzeptabel.
Aber was ist mit Leuten wie Maja Nowak, die kluge Sachen von sich geben, die zwar fachlich nicht immer korrekt sind. die aber mit schwer nachprüfbaren Begriffen aus der Humanpsychologie kommen, behaupten, „Hundesprache“ zu sprechen, Hunde- oder Tierpsychologen zu sein? Die behaupten, gewaltfrei zu arbeiten, weil sie den Hunden keine Näpfe um die Ohren hauen und sie auch nicht treten oder anschreien? Denn das Erkennen psychischer Gewalt ist für Laien ungeheuer schwierig. Und so sollte man sich doch mal ernsthafte Gedanken machen, ob nur physische Gewalt schlimm und schädlich, ob es nicht noch mehr Formen von Gewalt gibt, die man sich bewußt machen muß.
Zunächst möchte ich den Begriff „strukturelle Gewalt“ untersuchen. Struktureller Gewalt ist fast jeder ausgesetzt, die Frage ist, wie stark sie in unser Leben eingreift und wie massiv man dadurch an der Durchsetzung seiner Interessen gehindert, bzw. schlicht und ergreifend unterdrückt wird. Man versteht drunter alles, was uns durch gesellschaftliche Strukturen in unserem Leben einschränkt. Darunter sind nicht nur vernünftige Ordnungsmechanismen zu verstehen, also Gesetze und Regeln, die unser Leben ordnen und uns auch schützen, sondern alles was darüber hinausgeht und z.B. zur Unterdrückung und Überwachung dient. Das kann eine Ansammlung von Daten Totalüberwachung sein, die gesetzlich abgesichert ist, das können Regeln sein, die uns an einer freien Bewegung in unserem Land und / oder auf der Welt hindern, das können Bestimmungen sein, die mich an der Ausübung eines Berufes oder einer Arbeit hindern, z.B. für Asylanten oder Ausländer….. In Diktaturen ist einem klar, daß das so abläuft, aber in Demokratien?
Und wie sieht das für Hunde aus? Da fallen einem als erstes die Listenhunde ein, die angeblich gefährlich sind, nur weil sie einer bestimmten Rasse angehören. Doch was ist mit der 40/20-Regelung, nach der Hunde meldepflichtig sind, wenn sie mehr wiegen als 20 Kilo und / oder deren Widerristhöhe mehr als 40 Zentimeter beträgt? 1 Kilo oder 1 Zentimeter weniger und alles ist easy? Die Hunde direkt betreffen diese Regeln nicht unbedingt, sondern mehr ihre Menschen. Aber wenn ein Hund aufgrund seiner Rasse Maulkorb- und Leinenpflicht hat, ohne jemals auffällig geworden zu sein, dann sieht das schon anders aus. Auch die Tatsache, daß Hunde in manchen Gegenden frei laufen dürfen und in anderen nicht, fällt darunter. Ja, an einer Straße gehören Hunde an die Leine. Und es ist auch nachvollziehbar, daß nicht jeder Park zugesch……. werden muß. Aber es gibt Gemeinden, die generell Leinenpflicht verordnen und auch noch die Leinenlänge vorschreiben, z.B. einen (!) Meter. Bisschen kurz für Spaziergänge finde ich.
Das wären jetzt mal ein paar Beispiele behördlicherseits. Aber wie sieht das in unserem Alltag aus? Was kann der Hund tatsächlich selber bestimmen? Wo er sein Leben verbringt? Was er wann zu fressen bekommt und wieviel davon? Darf er sich auch mal eine Mahlzeit selber besorgen, z.B. in Nachbars Hühnerhof oder in wildreichen Gegenden auch mal aus dem Wald? Darf er sich einen Partner suchen und mit ihm – oder ihr – eine Familie gründen? Wann geht er spazieren, wohin und wie lange? Muß er in die Hundeschule gehen? Möchte er das auch? Wenn er weitermachen möchte, wird dann in seinem Sinn entschieden? Wenn sein Mensch ihn als „Problemhund“ empfindet, wird der Hund dann gefragt, ob er eine Therapie machen möchte und wenn, ja, welche? Ganz sicher nicht, das bestimmen alles wir.
Viele dieser Regeln sind mit Sicherheit vernünftig, ich möchte auch nicht, daß meine Hunde sich ihre Mahlzeit aus dem Wald holen und ich möchte auch keine ungebremste Hundevermehrung. Aber wenn ich z.B. an die Probleme mancher Menschen mit ihren Hunde denke, die sie gelöst haben möchten und das dann noch ganz schnell und ohne Rücksicht darauf, was für den Hund gut ist oder auch nicht…. Dann wirds schon schwierig, wenn normales Verhalten, wie z.B. Erkundungs- und Markierverhalten zum Problem erklärt wird.
Und damit wären wir beim nächsten Punkt. Nach wie vor reicht es vielen Menschen vollkommen aus, wenn ihr Hund zur Belohnung für richtiges Verhalten ein Leckerchen bekommt und gelobt wird. Das ist dann doch gewaltfrei, oder? Das kommt ganz darauf an. Nehmen wir mal an, jemand möchte mit seinem Hund Gerätetraining machen, der Hund möchte das aber nicht. Er könnte Schmerzen haben, von denen sein Mensch nichts weiß,oder es interessiert ihn nicht, da er lieber was mit der Nase machen möchte, oder er will einfach seine Ruhe haben, weil das alles nicht sein Ding ist…. Ich denke, wir können Hunden ruhig alle Gründe zur Ablehnung zugestehen, die wir uns auch zugestehen würden. Jetzt meint der Mensch aber, das genau dieses Training – das kann auch Apportieren oder Mantrailing oder was auch immer sein – genau das ist, was für genau diesen Hund gut ist. Er fängt also an seinen Hund zu motivieren was das Zeug hält. Ich möchte hier nicht über Sinn und Unsinn mancher Motivationsmarathons schreiben, sondern darüber, daß viele Menschen denken: ich muß meinen Hund nur entsprechend positiv (!) motivieren, dann gefällt ihm schon, was wir hier gemeinsam machen. Und genau das halte ich für ein Gerücht. Denn auch das ist in meinen Augen ein Form von struktureller Gewalt, die die Interessen des Menschen vollkommen über die des Hundes stellt und mit dem Mäntelchen der positiven Motivation wird alles schöngeredet.
Nehmen wir als Beispiel einen „Sport“, der in meinen Augen pure Tierquälerei ist: Schutzdienst oder VPG, wie es seit einigen Jahren heißt: Vielseitigkeitsprüfung für Gebrauchshunde. Schutzdienst, Gebrauchshunde…. das sind ja schon mal interessante Begriffe. Wer wird hier geschützt, wer schützt hier wen und warum? Welche Hunde gebraucht man hier für was? Die allermeisten Hunde, mit denen man diesen „Sport“ anfängt, versuchen, aus der Trainingsituation heraus zu kommen. Der Hund wird körperlich bedrängt, indem der Figurant ihm mit einer Beißwrlst ziemlich aggressiv auf den Leib rückt. Der Hund ist angeleint und kann nicht weg, wenn er das möchte. Auch verbellen: „hau ab da!“ und drohen (Zähne fletschen und knurren) nützt nichts. Da das ja „spielerisch“ aufgebaut wird und der Hund nur verstehen muß, daß wir jetzt gerade spielen, wird solange weitergemacht, bis dem Hund nichts anderes übrig bleibt, als sich in der Beißwurst zu verbeissen. Dann wird er gelobt und das Bedrängen hört auf. Nach einiger Zeit ersetzt man die Beißwurst durch einen sog. Schutzdienstärmel und irgendwann ist dieser Ärmel am Arm des Figuranten. Und der Hund soll sich da verbeißen, und zwar richtig, so daß er richtig hängenbleibt, auch wenn er rumgeschleudert wird, alles ganz spielerisch. Komisches Spiel, oder? Wer solche Überlegungen gerne macht, der kann sich gerne mal in diesem Zusammenhang mit Begriffen wie „positive / negative Strafe“ und „positive / negative Verstärkung“ beschäftigen. Denn mit „positiver Motivation“ hat das ja wohl eher nichts zu tun.
Zur Erinnerung: es handelt sich um einen Hund, dem als Welpen und Junghund beigebracht wurde, ja nie in einen Menschen zu beißen. Und jetzt ist das auf einmal ein Spiel. Und wie macht man das „spielerisch“, einem Hund die Beisshemmung abzugewöhnen? Und wie gehts weiter? Wenn der Hund im Ärmel hängt, muß er Schläge – ganz sanfte natürlich – mit einem sog. Softstock aushalten. Der Softstock ist ein flexibler Stock aus Kunststoff, der meist mit Filz oder Leder ummantelt ist. Wer meint, daß das nicht weh tut, wenn jemand damit rumdrischt, kann ja mal einen Menschenversuch starten. Manche der Stöcke sind auch aus Rohr, evtl. sogar mit 2-3 Rohren, ganz harmlos, wie gesagt. Kann mir mal einer sagen, was das hier für ein besonders nettes Spiel ist, bei dem Hund Schläge aushalten muß? Und das machen die Hunde echt freiwillig? Warum werden sie dann im Training aufgeschirrt wie sonst was? Kettenwürger, Stachelwürger, Knie in die Brust vom Figuranten, Peitschengeknall, nur gebrüllte Kommandos…. also das reinste Friedenscamp so eine Schutzdienstausbildung.
Das hier eingefügte Foto wurde im März 2009 im Nordkurier mit der Unterschrift „Motivation beste Basis der Ausbildung“ veröffentlicht. Der abgebildete Hund ist kupiert, das ist schon mal verboten. Der Figurant hebt sein Knie, in das der Hund mit dem Brustkorb förmlich hineinfliegt. Er hat einen Ketten- und einen Stachelwürger, an dem eine Schleppleine befestigt ist, diese Leine hat sich um das Hinterbein des Hundes gewickelt. Wenn’s richtig „gut“ läuft, wird der Hund nicht nur erwürgt oder handelt sich heftige Verletzungen am Hals ein, er bricht sich auch noch das Bein. Dazu kommt: der Dobermann ist in Brandenburg ein sog. „Liste-2-Hund“, mit dem lt. Hundeverordnung kein Training gemacht werden darf, das aggressiv macht. Und wenn jetzt – wie das in entsprechenden Auseinandersetzungen der Fall ist – jemand behauptet, solche Sachen wären die Ausnahme und würden nur von Leuten gemacht, die keine Ahnung haben und eben alles falsch und gar nicht „positiv“ machen: es handelt sich um einen Bericht mit einem bekannten SchH-Trainer, der ein Seminar zum „richtigen, positiv aufgebauten Schutzdienst“ gehalten hat. Das kann man zumindest dem entsprechenden Artikel entnehmen. Sieht man auch an dem Foto sehr gut, daß das alles rein spielerisch ist, das Training erfolgt ja auch über Motivation.
Ja, sicher, die Frage ist nur welche. Man kann getrost davon ausgehen, daß dem Hund sehr unerfreuliche Dinge drohen, wenn er bei diesem Spiel nicht mitmacht, z.B. ein ordentlicher Ruck am Stachel. Um das zu vermeiden, geht er eben nach vorne. Außerdem ist der Druck, der schon während des Trainings permanent herrscht so groß, daß er irgendwann wie auf Knopfdruck reagiert und keine andere Lösungsmöglichkeit für unerfreuliche Situationen kennt, außer: nach vorne gehen und zubeissen. Die Motivation, die hier die Hauptrolle spielt, nennt man „Meidemotivation“. Der Hund vermeidet das Unangenehme und versucht dem Druck auszuweichen. Ein richtig schönes Spiel und ganz sicher völlig gewaltfrei.
Wäre es da nicht ehrlicher, als Motto für solche Trainings und „Ausbildungen“ zu sagen: Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt? Und wäre es nicht längst an der Zeit, klar zu machen, daß Gewalt nur wieder Gewalt erzeugt, Druck wieder Druck…. daß man hier eine Spirale in Gang setzt, die mit Sport und freundlichem Umgang mit Hunden nichts, aber auch gar nichts zu tun hat?
10 Kommentare zu ….und bist du nicht willig…………….