Wer passt zu wem? Oder warum auch nicht?

von Ute Rott – Forsthaus Metzelthin

Sich einen Hund ins Haus zu holen, kann verschiedene Gründe haben. Einige sind sehr nachvollziehbar, wenn auch nicht unbedingt logisch. Wem an Hunden nichts liegt, wird nicht verstehen, warum andere ohne Hund einfach unvollständig sind, so als würde ihnen ein Arm oder Bein fehlen. Eine Kollegin, die immer mindestens acht, neun Hunde aus dem Tierschutz hat, beklagte sich, das Haus sei so leer, als einmal nur fünf bei ihr lebten. Nachvollziehbar? Nur für Menschen, die das eben auch so sehen. Aber im großen und ganzen kann jeder verstehen, daß man mit Hunden leben möchte, weil man diese Tiere eben sehr liebt und sich wohler fühlt, wenn mindestens einer um einen herumspringt. So weit, so gut. Aber neben einer großen Zuneigung zu canis lupus familiaris, unserem Haushund, gibt es eben noch viel mehr Gründe und nicht alle sind wirklich gut.

Einer, mit dem ich hier in der Uckermark sehr oft konfrontiert bin, heißt: ein Hund gehört auf den Hof und wir hatten immer einen und werden immer einen haben. Das kann gut sein, kann aber auch nicht. Wenn etwa ältere Menschen, die immer große Hunde hatten, mit diesen gut klar kamen und auch einen guten Umgang mit ihnen pflegten, irgendwann körperlich nicht mehr in der Lage sind, einem jungen, lebhaften Hund einer womöglich großen und aktiven Rassen gerecht zu werden, dann wird es schwierig. Deshalb sollte man sich rechtzeitig, also zu einem Zeitpunkt, zu dem man noch fit ist, überlegen, ob man in zehn oder mehr Jahren, wenn der kleine Welpe ein evtl. pflegebedürftiger, alter Hund geworden ist, ihn auch mal tragen oder aufheben kann, z.B. weil er nicht mehr alleine Treppenbewältigt. Was mit Anfang 50 noch kein Thema ist, kann mit Mitte 60 ein wichtiges sein. Es kann bedeuten, daß man seinen Hund abgeben muß, weil er wegen dem körperlichen Zustand des Menschen nicht mehr bei einem leben kann.

Ähnlich verhält es sich mit Welpen und alten Menschen. Ich bin keine absolute Gegnerin dieser Kombination. Es gibt über 70jährige, die geistig und körperlich beweglicher und belastbarer sind als manch ein 30jähriger. Aber es muß geklärt sein, was mit dem Hund passiert, wenn sein Mensch krank wird, längere Aufenthalte im Krankenhaus anstehen oder aus gesundheitlichen Gründen der Hund eben nicht mehr bei seinem Menschen bleiben kann. Kann dann ein Verwandter oder guter Bekannter den Hund auf Dauer nehmen? Oder kann man sich einen Platz in einem Altersheim oder einer Senioren-WG suchen, wo Hunde erlaubt sind? Wenn man das nicht sicher lösen kann, sollte man entweder – aus Liebe zu den Hunden – auf einen Hund verzichten oder sich einen alten Hund holen, dessen Lebenserwartung überschaubar ist. Das hat den großen Vorteil, daß alte Menschen die Probleme eines greisen Hundes viel besser verstehen und nachvollziehen können, als junge, der alte Kerl bekommt noch eine schöne Zeit und beiden ist geholfen. Wenn das nicht geht, kann man auch Gassigänger im Tierheim werden oder sich z.B. als Hundesitter für Hunde in der Nachbarschaft zur Verfügung stellen.

Allerdings absolut tabu sein sollte allerdings, einem alten Menschen einen womöglich jungen Hund zu schenken, damit die Oma oder der Opa nicht so allein ist. Zum einen trauen sich alte Leute oft nicht, Geschenke abzulehnen, zum anderen sollte man sowieso niemanden ein Lebewesen „schenken“, außer man hat vorher alles abgesprochen und geklärt. Wenn dann so ein alter Mensch mit dem jungen Hund überfordert ist, und das ist sehr häufig der Fall, was passiert dann? Nimmt dann der Schenkende sein Geschenk zurück, ohne beleidigt zu sein? Ohne das „Geschenk“ auf dem schnellsten Weg ins Tierheim zu verfrachten?

Doch es gibt noch mehr „gute“ Gründe für die Anschaffung eines Hundes, die man sich genauer ansehen sollte. Einer davon heißt: ich brauche einen Hund, der mich fordert. Aha. Der Hund soll mich fordern, wie schön. Da gibt es auch meistens ganz genaue Vorstellungen, wie diese Forderungen aussehen sollen: stundenlange Rad- oder Wandertouren, Hundesport wie Agility oder Obidience, Hüteseminare, Nasenarbeit und Apportieren….. und das soll der Hund von seinem Menschen einfordern, einfach so, z.B. weil er ein Border Collie, ein Altdeutscher Hütehund oder ein Labrador ist. Und was ist, wenn die Forderungen des Hundes ganz andere sind? Wenn der Border Collie lieber als Couchpotatoe sein Dasein fristet? Oder wenn sich die Lebensumstände ändern, und man das alles nicht mehr machen kann? Dann erscheinen z.B. Leute bei mir, die fest davon überzeugt sind, daß der 3-jährige, unkastrierte unterforderte Labradorrüde, mit dem  – eigentlich – ganz viel apportiert werden sollte, durch mich ein wunderbares, neues Heim findet, natürlich innerhalb weniger Tage. Und obwohl ja Labis bekanntermaßen genetisch fixiert mit allen Hunden auf der Welt gut klar kommen, kann dieser hier nur mit einem scharfen Leinenruck und kurzer Leine und nur wenn sein Herrchen ihn führt, an anderen Hunden ohne größeren Aufwand vorbeigeführt werden. Leider kann er auch keine Treppen steigen, weil das doch so schädlich ist für Hunde, deshalb hat man das nie gemacht. Abrufen klappt auch nicht immer oder vielleicht doch eher gar nicht, muß ja nicht, man geht ja immer an der Leine, aber nicht so viel und nicht so oft, weil er so zieht. Und das mit dem Apportieren hat leider auch nicht geklappt, da war der Aufwand an Zeit und Geld dann doch zu groß. Wer glaubt eigentlich, daß die Leute nach solchen Hunden Schlange stehen? Auch wenn dieser hier noch so liebenswert ist?

Anzeige für solche Hunde sehen dann ungefähr so aus:
„Wir suchen ein neues Zuhause für unser Bella, der wir leider seit einiger Zeit nicht mehr gerecht werden können, da sich durch die Geburt unseres Kindes unser Leben sehr verändert hat. Sie ist eine drei Jahre alte, reinrassiege Schafspudel, die viel Zeit und Aufmerksamkeit braucht.“
Eine andere Variante ist:
„Mein Name ist Roxy, ein reinrassiger Strobel, also ein Altdeutscher Hütehund. Ich arbeite sehr gerne, nur leider hat mein jetziges Frauchen durch veränderte Lebensumstände keine Zeit mehr für mich und ich muß viel alleine bleiben. Wenn ich groß bin, habe ich eine Schulterhöhe von ca. 60-65 cm und wiege ca. 25-30 Kilo. Eigentlich folge ich sehr gut, bin aber zur Zeit in der Pubertät und da klappt es nicht immer so toll. Meine neuen Besitzer sollten unbedingt mit mir in eine gute Hundeschule gehen…..“
Altdeutsche Hütehunde sind wie alle anderen „aktiven“ Hunderassen oft Opfer dieser Forderung an den Hund, daß er seinen Menschen fordern soll. Nur fragt man sich, warum man beim Kauf der Hündin noch nicht wußte, daß man bald ein Baby haben möchte. Und so eine Überraschung ist es jetzt auch wieder nicht, daß Babys viel Zeit brauchen. Die Ansprüche des Hundes ändern sich aber dadurch nicht, daß jetzt ein neuer Mensch im Haus ist. Und wer für einen Hund, der jetzt in der Pubertät, also vermutlich nicht älter als neun oder zehn Monate ist, keine Zeit mehr hat, der hat nicht wirklich Übersicht in seinem Leben. Weiß man das ca. sechs bis sieben Monate vorher nicht, was auf einen zukommt? Und wenn mein Leben so unsicher ist, was ja keine Schande ist, wie kann ich dann die Verantwortung für einen Hund übernehmen? Noch dazu für einen, der mich fordern soll?

Ein weiterer Grund ist: ich habe mich sofort in diese Rasse verliebt. Kann passieren. Muß auch nicht immer schlecht enden. Als ich das Buch „Herdenschutzhunde“ von Thomas Schoke las, ratterte es immerzu in meinem Kopf: wie bekomme ich so einen Hund in meinem Leben unter? Zu meinem und vermutlich auch zum Glück des Hundes habe ich einen vernünftigen Ehemann. Schon bei der ersten vorsichtigen Anfrage war die klare Antwort: gar nicht. Ja, ich kann mit solchen Hunden und ich finde sie großartig. Ohne meinen Mann wäre sicher schon einer eingezogen. Aber am Anfang hätte dieser Hund überhaupt nicht in unser Leben gepasst und jetzt hätte ich Bedenken, was in zehn Jahren ist…. siehe oben.

Schief geht es oft deshalb, weil die Menschen nicht wirklich eine realistische Vorstellung davon haben, welche Bedürfnisse sehr aktive Rassen wie Hüte- oder Jagdhunde tatsächlich haben. Oder weil sie die Aussagen der Züchter nicht richtig einschätzen, da ihnen die Hintergrundinformationen fehlen. Eine Vermehrerin in unserer Nachbarschaft, die behauptet als Catahoula-„Züchterin“ genau über die Rasse Bescheid zu wissen, vermarktet die Hunde im Internet als „Sport-, Jagd- und Gebrauchshunde mit hohem Energielevel“, an unwissende Kunden verkauft sie sie als „Hütehunde“. Ja, kann man so sehen beim Catahoula, sollte aber nicht mit der Arbeit verwechselt werden, die Hütehunde in Europa leisten. Und schon gar nicht sollten die Ansprüche solcher Hunde unterschätzt werden. So ein Exote kann selbst sehr aktiven Menschen und guten Hundekennern schnell über den Kopf wachsen. Zudem kann eine Eigenschaft, die der Züchter großartig findet, für einen selber zum absoluten Problem werden. Ein Spaniel, der automatisch jeder interessanten Spur folgt und sich für nichts mehr hinter ihm interessiert, ist für einen Jäger ein großartiger Helfer. Für Menschen, die einfach mal im Wald spazieren gehen möchten, ist so ein Hund eine Katastrophe, denn er zerrt ihnen die Schultern kaputt und hat entschieden andere Vorstellungen von amüsanten Waldspaziergängen.

Eine Möglichkeit solche Fehlentscheidungen zu verhindern ist natürlich: ich gehe vor der Anschaffung des Hundes in eine Hundeschule und lasse mich informieren. Dazu sollte die Trainerin selber möglichst nicht züchten und über gute Fachkenntnis der verschiedenen Hunderassen verfügen. Aber wenn man eine Fehlentscheidung getroffen hat und der Hund schon da ist, dann gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: ich suche einen guten Platz für meinen Hund, das ist die zweitbeste. Die zweitbeste deshalb, weil das oft nicht klappt und man sich viel Zeit lassen muß.

Die beste Lösung ist: ich gestehe mir ein, daß ich einen Fehler gemacht habe. Der Fehler besteht darin, daß ich falsche Vorstellungen hatte. Der Hund selber macht nichts falsch und ist auch kein Fehler. Und weil ich ihn liebe, ordne ich mein Leben so, daß er bei mir bleiben kann. Trotz Baby, trotz Umzug, trotz neuem Partner oder was auch immer der Grund dafür ist, daß es schwierig wird. Und das lohnt sich immer!

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