Hund trifft Hund

Dieser Beitrag erscheint im Rahmen der Blogparade 2019 FAIR statt fies: https://www.knowwau.com/fair-statt-fies-die-blogparade/

Hunde treffen im Laufe ihres Lebens alles mögliche und alle möglichen: Autos, Radfahrer, Katzen, Waschbären, Kinder, Mütter mit Kinderwagen, Pferdewagen, Opas mit Rollator, Jogger….. die Liste ist endlos. In der Regel sind die meisten Begegnungen kein Thema – naja, wenn man mal von Radfahrern, Katzen, Joggern, Waschbären und ähnlichen Provokationen absieht. Hunde treffen sie auch, zum Beispiel in der Nachbarschaft, weil im Haus oder in der Wohnung nebenan ein Hund wohnt. Sie treffen Hunde beim täglichen Spaziergang, im Urlaub, beim Wochenendausflug, in der Hundeschule. Ganz normal also. Möchte man meinen.

Ist es da nicht erstaunlich, dass so viele Hunde mit allem möglichen klar kommen, vom Waschbär bis zum ICE, aber nicht mit Artgenossen? Manch ein Hund kriegt schon die Krise, wenn er einen anderen nur riecht. Oder er flippt völlig aus, weil er sich vor Wonne beim Anblick jedes anderen Hundes kaum zurückhalten kann. Oder er hat Angst vor anderen Hunden, selbst wenn sie noch so nett sind, oder, oder oder….

Merkwürdig. An was das wohl liegt? Vielleicht an uns, den Leinenhaltern?

Ich denke, das wird mit ein Grund sein. Denn die meisten Menschen haben sehr interessante Ansichten, wie man Hunde sozialisiert. Zum Beispiel in Welpenspielstunden.

Nach wie vor werden einfach irgendwelche Hunde in einer Gruppe zusammengefasst, die dann „spielen“ – so wie auf dem Foto: kleiner, verängstiger Hund, der sich an irgendwelche Beine drückt, ein paar muntere Welpis, die ihn untersuchen wollen und einige Menschen, die offenbar einfach nur zusehen und was machen?
Nichts.
Vielleicht wird er sogar noch „ermuntert“: „geh doch spielen, sind doch so nette Hunde.“ Wenn der Kleine dann später alle Hunde ankläfft, heißts: „Logisch, Pinscher. Die sind so.“

Oder sie lernen nur zu rennen und zu toben, nie gibt es ruhige Hundebegegnungen oder gemeinsame Spaziergänge, bei denen man schlicht miteinander die Gegend erkundet. Und da kommen dann diese anstrengenden Strahlemänner – und -frauen – raus, die sich mit breitem Grinsen im Gesicht auf jeden Artgenossen stürzen – ob der jetzt Lust auf Renn- und Rempelspiele hat oder nicht. Und die Menschen freuen sich, weil „meiner will ja nur spielen“ – was allerdings eine merkwürdige Aussage ist, wenn es sich um einen erwachsenen Hund handelt. Denn spätestens ab einem Alter von drei Jahren ist jeder Hund erwachsen und sollte wissen, wie höfliches Hundeverhalten aussieht. Und ganz besonders lustig ist es, wenn der spielwütige Hund 30 Kilo aufwärts hat.

Was hat das mit FAIR statt fies zu tun?

Erziehung heißt schlicht: Vorbild sein. Vorbild dafür, wie Mensch und Hund gemeinsam gut durchs Leben kommen. Da gilt auch für Hundebegegnungen. Das geht los beim Welpen, dem wir während der ersten Lebensmonate nach Möglichkeit nur freundliche Hundekontakte vermitteln. Erwachsene Hunde soll er treffen, die ihm zeigen, dass es noch was anderes im Leben gibt als wildes Toben, die erkennen, wenn ein junger Hund unsicher ist und ihn in Ruhe mitkommen lassen und ihm zeigen, was es alles interessantes in der Hundewelt zu entdecken gibt.

Dazu gehört auch, dass man seinen Hund, egal ob Welpe, Junghund oder erwachsener Hund, nicht zur Kontaktaufnahme drängt oder zwingt, wenn er nunmal keine Lust hat, jeden Artgenossen kennen zu lernen. Hätten Sie das gerne, wenn Ihr Partner Ihnen ständig irgendwelche Menschen aufdrängt, mit denen Sie nichts zu tun haben wollen? Sicher nicht – unsere Hunde eben auch nicht.

Wenn Hunde Hunde treffen, dann sind sie, wenn sie das lernen durften, ausgesprochen höflich und zurückhaltend. Sie warten ab, was der andere zeigt: beschwichtigt er stark und will er lieber ausweichen? Gut, dann weichen wir aus. Ist er zwar unsicher und zeigt leichte Beschwichtigungssignale, zeigt sich aber interessiert, dann nähern wir uns langsam im Bogen an. Selbst in Hundegruppen, die sich regelmäßig treffen sieht man das.

Dazu braucht man keine Kommandos, keinen Leinenruck, keine Abbruchsignale – das ist alles überflüssig und kontraproduktiv. Wie soll ein Hund verstehen, dass andere nett und harmlos sind, wenn wir ihn an der Leine wegzerren, mit Kommandos zuschütten und ihm alles mögliche untersagen? Wenn man sich und den Hunden Zeit läßt, unsichere Hunde Abstand halten können und stürmische freundlich zurückgehalten werden, dann können sie lernen, wie man Hundebegegnungen meistert.

Und: nein, das geht nicht von heute auf morgen. Nur weil Bello heute mal gut drauf war und ausnahmsweise mit anderen Hunden gespielt hat, muß er das morgen nicht wieder wollen. Morgen weicht er vielleicht lieber aus. Wenn Finchen verstanden hat, dass Mopsi nicht von ihr überrollt werden möchte, bedeutet das nicht unbedingt, dass sie das bei Ronja auch kapiert.

Wenn ich möchte, dass mein Hund höflich und rücksichtsvoll in Hundebegegnungen geht, dann muß ich bereits beim Welpen seine Bedürfnisse erkennen: ist er einer von der stürmischen Sorte, der nicht versteht, dass andere Zeit brauchen? Oder ist er eher einer von den schüchternen, die viel Abstand und Sicherheit brauchen, bis sie zu einem Artgenossen Vertrauen fassen? Das kann rassebedingt unterschiedlich sein, das kann mit Erfahrungen in den ersten Lebensmonaten zusammenhängen, und es hängt vor allem davon ab, wie wir auf ihn eingehen und ihn verstehen. Ein Hund aus einer guten Kinderstube mit einer liebevollen Mutter wird anders reagieren als einer, der beim Hinterhofvermehrer geboren wurde. Ein Riesenschnauzer wird Rempelrennspiel bestenfalls mit sehr vertrauten Freunden mögen, viele Labradore sehen in allen Hunden potentielle Kumpel für wilde Toberunden, kleine Hunde brauchen mehr Rücksicht und große sind manchmal schwerfälliger….

Bei jedem einzelnen müssen wir genau hinsehen, was er braucht und möchte: viele Kumpel oder wenige Freunde, einen oder mehrere Hundepartner in der Familie oder Freunde, die man ab und zu trifft, und ein Dasein als Einzelkind. Weicht er Zufallsbegegnungen lieber aus oder sagt er gerne mal „Hallo“? Es geht nicht darum was WIR wollen, es geht darum, was unser Freund möchte und was der Hund will, der uns begegnet. Und wenn meine Pelznase nunmal den Hund meiner besten Freundin nicht leiden kann, dann kann ich noch so sehr von gemeinsamen Unternehmungen träumen – daraus wird dann nix.

Bei Hundetrainerhunden denken ja nach wie vor viele Menschen, dass die perfekt „funktionieren“. Da dem nicht so ist, zum Schluss eine Anekdote aus dem Zusammenleben mit meiner Hündin Indiana, die zeigt, dass auch wir von der Fairness anderer Menschen und Hunde abhängig sind.

Indiana stammt aus Griechenland und da, wo sie aufgewachsen ist, braucht hund keine Konkurrenz: weder an den seltenen Wassernstellen noch beim mageren Futterangebot und vermutlich erst recht nicht bei den geschützten Ruheplätzen. Deshalb findet sie fremde Hunde erstmal ziemlich doof. Bei einem ihrer Lieblingsspaziergänge – eine Waldstrecke, auf der viele Hunde laufen – sind uns kurz nacheinander 2 Hunde begegnet. Der erste kam freundlich mit lockerer Rute und entspanntem Gesicht auf uns zu. Vermutlich wollte er die hübsche Dame näher kennenlernen. Wir sind ein Stück vom Weg abgegangen und sie war sehr angespannt. Der Mensch zu diesem Hund hat erkannt, dass wir kein Interesse haben, hat seinen Hund angeleint und die beiden gingen ruhig vorbei. 500 Meter weiter kamen uns zwei Männer mit einem ebenfalls freilaufenden Hund, einem Labrador entgegen. Alle drei wirkten auch sehr entspannt. Der Hund sah Indiana sofort an, dass sie nichts von ihm wollte, wich in einem kleinen Bogen aus, so dass die Männer auf unserer Seite waren – und das wars. Mein Mädchen hat innerhalb von 10 Minuten gelernt, dass Menschen und Hunde Rücksicht nehmen und Hundebegegnungen ganz locker ablaufen können.

So sollte das sein: darauf achten, was mein Hund braucht, aber auch, was die Hunde brauchen, die wir treffen. Dann gibts auch keine Probleme, wenn es heißt: Hund trifft Hund.

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4 Kommentare zu Hund trifft Hund

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