Fido hinkt seit ein paar Tagen und will nicht mehr so gerne spazieren gehen. Susi ist manchmal unfreundlich, wenn man sie an einer bestimmten Stelle berührt. Alfi knurrt einen sogar an, wenn man sich von der „falschen“ Seite nähert.
Kennen Sie das? Ihr Hund benimmt sich seit einiger Zeit ein bisschen merkwürdig. Zuerst fällt es einem nicht auf, dann denkt man sich, das war doch vor ein paar Wochen noch nicht. Also fragt man jemanden, den man für einen Experten hält. Das kann die Hundetrainerin sein oder eine Freundin, die schon länger Hunde hat, oder auch der Nachbar, der einem ständig alle möglichen Ratschläge bzgl. Hundeerziehung um die Ohren haut.
Ob Freundin oder Nachbar oder Hundetrainerin ist eigentlich egal. Alle drei haben keine Röntgenaugen, keiner von den dreien kann einfach so mal sehen, was mit dem Hund los ist und alle drei haben unterschiedliche Herangehensweisen.
Die Freundin ist eine nette, aber auch eine, die alles nicht so ernst nimmt. Also sagt sie: beobachte das mal, vielleicht legt es sich wieder. Der Nachbar, der einer von der alten Schule ist und einfach alles weiß und das auch noch besser, ist fest davon überzeugt, dass Fido nur markiert, wenn er nicht spazieren gehen möchte, Susi und Alfi sind aber ganz sicher dominant und wollen Sie beherrschen. Also: setzen Sie sich durch! Wenn Sie spazieren gehen wollen, hat Fido mitzukommen, Susi muß sich da anfassen lassen und Alfi darf auf keinen Fall definieren, von welcher Seite Sie sich nähern dürfen.
Von der Hundetrainerin bekommen Sie – vielleicht – eine vernünftige Antwort, je nachdem ob sie mehr oder eben auch weniger Verständnis und Einfühlungsvermögen hat. Vielleicht neigt sie mehr dem Nachbarn zu, vielleicht ist sie auch für abwarten, vielleicht gibt sie aber auch einen sehr guten Ratschlag, der da wäre: geh einfach mal zum Tierarzt und lass das klären.
Ihre Tierärztin untersucht Fido, Susi und Alfi und stellt erstaunliches fest: Fido hat sich einen Dorn eingetreten und das tut ziemlich weh. Der Dorn kommt raus, die Pfote wird versorgt und nach ein paar Tagen ist er wieder der Alte. Susi hat schon ein größeres Problem: unter ihrem dicken Fell hat sie sich eine Verletzung zugezogen, die Sie nicht bemerkt haben und die hat sich entzündet. Das tut weh und sie möchte nicht, dass sie da hinkommen. Bei Alfi ist es richtig schlimm: er sieht auf einem Auge so gut wie nichts mehr, weil er schon relativ alt ist. Also erschrickt er leicht, wenn jemand von der Seite kommt.
Und? Was hat das mit Dominanz und Weltbeherrschungsabsichten zu tun? Nichts? Genau. Aber auch einfach abwarten ist keine gute Idee, denn was soll besser werden bei einem Dorn, der in der Pfote steckt, bei einer entzündeten Wunde unter dem Fell oder gar bei beginnender Erblindung?
Schmerzen und körperliche Einschränkungen empfindet jeder anders, aber wenn die Erkennung und die Behandlung einer schmerzhaften Erkrankung von uns abhängt, und das ist eben so bei unseren Hunden, dann sollten wir nicht anfangen, nach irgendwelchen lockeren Lösungen zu suchen, sondern einfach mal einen Tierarzt aufsuchen um das zu klären.
Schmerzen beim Hund, die nicht behandelt werden, haben üble Auswirkungen. In allererster Linie kann daraus eine schwere Folgeerkrankung entstehen. Bei Fido könnte das bedeuten, dass ihm eine Zehe oder sogar die Pfote abgenommen werden muß, bei Susi kann das großflächig und schwer behandelbar werden. Aber auch Verhaltensprobleme können daraus werden, denn die Hunde vertrauen uns einfach nicht mehr, wenn sie merken, dass wir ihre körperlichen Befindlichkeiten nicht ernst nehmen. Bei allen drei Fällen kann passieren, dass der Hund uns nicht mehr an sich heranläßt, dass er abschnappt, wenn wir zu nahe kommen….. Oder dass er resiginiert und für sich abspeichert: wenn mir was fehlt, ist das meinem Menschen egal.
Das ist nicht so bei Ihnen? Ihr Hund ist Ihnen nicht egal? Und auch nicht, dass er Schmerzen hat? Das ist gut so. Aber warum fragen Sie dann Ihre Freundin oder Ihren Nachbarn? Wie gesagt: Hundeschule – kommt drauf an! Aber warum gehen Sie nicht einfach zum Tierarzt und lassen das klären? Das würden Sie bei sich selber oder bei Kindern doch auch machen.
Damit Sie verstehen, wie dramatisch das werden kann, möchte ich Ihnen von meiner ersten Hündin erzählen. Sie war ein Bernhardinermischling, ein freundliche und ruhige Seele. Wir hatten ein Ritual: wenn wir am Boden lagen und kuschelten, mußte ich sie immer ganz langsam und vorsichtig an den Vorderbeinen langziehen. Das fand sie gut. Irgendwann zuckte sie zusammen und wirkte erschrocken. Das wiederholte sich immer wieder mal. Wenn sie gestreichelt werden wollte, drückte sie sich immer an mein Bein und lachte mich an. Und da fing sie auf einmal an, mich anzuknurren, wenn ich sie auf der linken Seite streichelte. Ich war sauer, weil ich mir dachte: die spinnt doch. Mit Mitte 20 sieht man vieles leider sehr locker. Das begann, als sie ca. 8 1/2 Jahre alt war. Wir zogen in diesem Jahr um und sie war mehr bei meinem Mann als bei mir. Er erzählte mir, dass sie immer humpelte und offenbar Schmerzen hatte. Wenn ich dabei war, zeigte sie nichts, dann lief sie normal, nur dass sie weniger laufen wollte. Mitten im Umzug gingen wir zum Tierarzt, der dachte, sie hätte Arthrose, normal bei einem Bernhardiner in den Alter. Beim dritten Besuch wurde er misstrauisch und schickte uns zum Röntgen zu einem Spezialisten. Und der diagnostizierte Knochenkrebs: das linke Schultergelenk befand sich bereits in Auflösung. Drei Tage später mußte sie eingeschläfert werden.
Mir war das eine bittere Lehre: bring deinem Hund bei zu zeigen, wenn ihm was wehtut. Kümmere dich drum. Lass ihn nicht allein. Deshalb haben alle Hunde, die ihr folgten, gelernt, mir zu zeigen, wenn was irgendwo wehtut, mich alles untersuchen zu lassen und (!!!) wir gehen im Zweifelsfall lieber zu früh als zu spät zur Tierärztin unseres Vertrauens.
Schmerzen, die mal selber nicht spürt, sind deshalb nicht einfach harmlos. Hunde sind nunmal von unserer Fürsorge abhängig. Also: fragen Sie nicht die Freundin und den Nachbarn und wenn Sie gefragt werden und Sie haben Erfahrung mit Hunden, können Sie natürlich gerne Ihren Senf dazugeben. ABER: es muß immer der Satz folgen: ich würde mal zum Tierarzt gehen.