Vertrauen und Zuversicht – denn Angst macht Hunde und Menschen schwach und hilflos –

von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin

Es gibt eine neue Studie von der Uni Magdeburg, in der nachgewiesen wurde, daß Lernen unter Angst sehr schlecht funktioniert. Das ist eigentlich eine altbekannte Tatsache, aber leider erlebe ich immer wieder, daß Menschen mit ihren Hunden zu mir kommen, deren ganzer Umgang mit dem Hund von Angst bestimmt ist. Und  – Überraschung – beide, Mensch und Hund, haben jede Menge Probleme: miteinander und mit der Umwelt. Wovor haben diese Menschen eigentlich Angst und warum? Und warum ist es so schwer, dagegen anzugehen?

Als ich meine erste Hündin vor 35 Jahren bekam, rief ich sofort bei der Gemeinde an, um sie anzumelden. Der Sachbearbeiter reagierte vollkommen verständnislos, ich wüßte doch gar nicht, ob dieser Hund überlebt. Der Grund für sein Unverständnis: alle Hunde liefen frei herum und junge Hunde wurden dann eben öfter mal überfahren. Das war so. Kein Mensch machte sich deshalb Gedanken, das Risiko lag allein bei den Hunden und ihren Haltern. Selbstverständlich hat meine Hündin das überlebt und ich war auch damals schon der festen Überzeugung, daß Hunde an der Straße an der Leine laufen müssen, zu ihrem eigenen Schutz und zum Schutz aller anderen. Einmal hatte ich ausgetestet, wie es ist, mit unangeleintem Hund an der Straße zu gehen. Da sie ganz ausführlich jeden Grashalm beschnüffeln mußte, war ich natürlich immer vor ihr, und vor lauter Angst (!), ihr könnte etwas passieren, lief ich mehr rückwärts als vorwärts. Nicht sehr bequem, und ganz sicher nicht ungefährlich. Also kam sie künftig für das kurze Stück an der Straße an die Leine, im Wald und am Weg hinten am See entlang lief sie frei. Problem erkannt, Lösung gefunden, Problem beseitigt und alle sind zufrieden.

Angst kann also ganz nützlich sein, solange man eine vernünftige Lösung für die angstmachende Situation findet. Dann löst sie sich nämlich in Nichts auf. Die Studie der Uni Magdeburg hat gezeigt, daß Menschen, die sich von ihrer Angst sehr stark bestimmen lassen, wesentlich schlechter in der Lage sind, in unbekannten und / oder stressigen Situationen Lösungen zu finden oder sich anzupassen. Um auf meine Hündin zurückzukommen: so lange sie an der Straße ohne Leine lief, trödelte sie ganz fürchterlich hinter mir her. Sobald sie angeleint war, ging sie locker mit mir mit, ich blieb immer stehen, wenn sie schnüffeln wollte, aber wir kamen trotzdem flotter voran. Schon mal was von Beschwichtigungssignalen gehört? Daß „langsamer werden“ und eine gewisse Art von Schnüffeln dazugehört? Ich glaube, wenn ich das heute als Film sehen könnte, hätten wir ein wunderbares Beispiel für ein Hundemädchen, das seinem verunsicherten und ängstlichen Frauchen mitteilen möchte: hab dich doch nicht so, was regst du dich auf? Ist doch alles in Ordnung.

Wovor haben jetzt so viele Hundehalter Angst? Schauen wir uns einige Punkte mal ein bißchen näher an.

1. Wenn ein Hund einmal, ein einziges Mal in seinem Leben irgend einen Unsinn gemacht hat, z.B. hat er unvermutet einen Passanten angesprungen, wird er dies lebenslänglich und immer wieder tun, und man bekommt das nur mittels kurzer Leine, Leinenruck und scharfem Kommando „Fuß!!!“ den Hund „in den Griff“.
2. Wenn ein Hund auch nur irgendetwas selbst bestimmt, z.B. wann und wo er schnüffelt, oder wo er spazierengehen möchte oder auf welcher Seite seines Menschen er laufen möchte, dann bedeutet das, daß er den Menschen kontrollieren und in beherrschen will. Und das muß man unterbinden, sonst passieren schreckliche Dinge.
3. Wenn man Hunden nicht permanent Grenzen setzt, werden sie unkontrollierbar.
4. Was sagen denn die Leute, wenn mein Hund einfach macht, was er will? Wenn sie denken, ich habe ihn nicht „im Griff“?
5. Wenn jetzt einer von vorne kommt, dann denkt er sicher………………………………

Die letzten beiden Punkte sind die mit der schlimmsten Wirkung, denn sie bewirken, daß Menschen den Unfug von der ständigen Kontrolle und dem 100%igen Gehorsam glauben und den Hunden aufzwingen. Um nochmal auf die Magdeburger Studie zurückzukommen: eine der Fragen, die den Probanden gestellt wurden, war: machen Sie sich häufig Sorgen wegen Dingen, die Sie nicht beeinflussen können? Frage: wie kann ich das Denken anderer Menschen beeinflussen, wenn ich gar nicht wissen kann, was sie denken und ob sie das, von dem ich vermute, daß sie es denken, vielleicht nicht oder ganz anders denken – vielleicht ist es ihnen auch egal und sie denken an etwas ganz anderes. Falls Ihnen der letzte Satz etwas kompliziert vorkommt, evtl. sogar unlesbar oder unverständlich, so ist das reine Absicht. Damit möchte ich einfach verdeutlichen, wie verdreht diese Art von „Denken“ ist.

Leben und Risiko sind eins und beide sind miteinander vereinbar. Sowie Sie einen Fuß vor die Tür setzen, gehen Sie unendlich viele Risiken ein. Sagt Ihnen der Name Ödön von Horvath etwas? Das war ein Schriftsteller, der Anfang des 20. Jhdts. lebte. Er wurde von einem Ast erschlagen: mitten in Paris. Wenn mir das im uckermärkischen Wald passiert bei Sturm, sagt jeder: was geht sie auch in den Wald bei dem Wetter! Aber der lief in einer Großstadt auf der Straße spazieren und wurde von einem Ast erschlagen. Das ist das Leben. Wir gehen trotzdem raus und wir besichtigen Städte und wir laufen im Wald und wenn jemand sagt: „spinnst du, du kannst doch nicht!!! Denk doch an Ödön von Horvath!“ Dann fassen wir uns – zu Recht – an den Kopf.

Wenn Sie sich einen Hund ins Haus holen, dann haben Sie einen Lebenspartner, der wunderbar zu uns Menschen passt. Seit vielen tausenden von Jahren leben wir zusammen und es ging mal besser, mal schlechter. Aber wenns schlechter ging, lag es nie an den Hunden. Für die Hunde wie für alle Tiere in menschlicher Obhut war und ist das Risiko viel größer als für uns. Denn wenn sie irgendetwas tun, das uns nicht passt, müssen sie es ausbaden und wenn sie hundertmal Recht hätten. Mit unserer Angst vor der Meinung anderer, vor den angeblichen Gefahren, die in der Hundehaltung zu lauern scheinen, vor der Unkontrollierbarkeit der Hunde, wenn wir nicht…………………. machen wir uns und unsere vierbeinigen Freunde schwach und hilflos.

Meine Freundin hat einmal ein Gespräch zwischen einer besorgten Mutter und einem Heilpraktiker angehört. Die Mutter meinte, es wäre doch normal, daß man sich wegen seiner Kinder sorgen macht. Seine Antwort war: „Nein, das ist es nicht. Normal ist Vertrauen und Zuversicht. Das macht uns und unsere Kinder stark und gibt uns und ihnen Kraft im Leben.“

Wollen wir das nicht für uns und unsere Hunde übernehmen? Wollen wir nicht lieber Schwäche und Angst weglegen und dafür Vertrauen und Zuversicht hegen und pflegen, damit wir und unsere Hunde stark werden und Kraft fürs Leben haben? Ich denke, das sollten wir tun. Wir sollten uns daran erinnern, wie viele Jahre sie uns schon begleiten und uns liebevolle Partner und Freunde sind. Es gibt keinen Grund für uns Angst zu haben. Dann kriegen wir auch unsere Alltagsprobleme in den Griff.

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