von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin
Manchmal gehts mir nicht so gut, denn so wie jeder andere Mensch lebe ich in einer realen Welt, in der es Sorgen und Nöte gibt, echte und eingebildete, das trifft jeden. Manchmal, wenn die Sorgen zu groß werden, schaffe ich es nicht mehr, fröhlich zu sein. Dann gehts mir richtig schlecht – kommt aber nicht oft vor. Gott sei Dank habe ich Hunde. Natürlich habe ich einen lieben Ehemann, der das merkt und sich kümmert, aber ich habe eben auch Hunde. Die letzten Tage waren wieder so, daß ich mir viele Gedanken gemacht und mich einfach nur noch unwohl gefühlt habe. Indiana ist noch zu klein, sie ist dann einfach nur verwirrt, bemüht sich noch mehr als sonst, alles richtig zu machen, und entschuldigt sich für alles und jedes. Unser Mäuschen denkt gerne mal, sie sei schuld am Ungemach der Welt.
Der Maxl, der schon viel mehr Lebenserfahrung hat, weiß, daß das mit ihm nichts zu tun hat, aber daß sich seine Ute mal wieder viel zu viel Gedanken macht, und das ist nicht gut, findet er. Er hat aber eine gute Lösung gefunden, die mir immer, immer hilft. Am liebsten ist er Tag und Nacht bei mir, also nicht nur im gleichen Zimmer, sondern richtig hautnah, z.B. beim Frühstück auf der Eckbank legt er sich dann und nur dann hinter mich, für ihn ausgesprochen unbequem – Fachleute nennen das „Kontaktliegen“. Dann schaut er ständig nach mir, falls ich mal im Bad verschwinde oder ihn nicht mitnehme, wenn ich ins Büro gehe, er drängt sich förmlich auf. Wenn mein Mann mit den beiden die Morgenrunde gehen möchte, fragt er mindestens fünfmal nach, ob mir das auch recht ist. Vielleicht benötige ich in der Zwischenzeit ja seinen Zuspruch. Und ich bekomme immer mal wieder zwischendurch Küsschen, manchmal mehr, manchmal weniger.
Seine Fürsorge macht, daß ich anfange zu denken, ob es das wirklich wert ist, mir solche Gedanken über Dinge zu machen, die ich nicht oder nur schwer beeinflussen kann. Indiana tut mir auch leid, weil sie ja wirklich überhaupt nichts dafür kann, und daß er durch meine vermutlich völlig unnötigen Sorgen so belastet wird, das möchte ich jetzt schon gar nicht. Und ob ihr das glaubt oder nicht: die beiden überzeugen mich wirklich, daß dieses Gegrübel sinnlos und überflüssig ist und bringen mich sehr effektiv wieder ins wahre Leben zurück. Nein, deshalb habe ich auch nicht im Lotto gewonnen, aber irgendwie ist das nicht mehr so wichtig.
So, und jetzt zu Martin Rütter. Ich bin mir ganz sicher, daß er mir folgende Ratschläge geben würde, denn das hat er sogar in seinem Buch „Sprachkurs Hund“ schriftlich niedergelegt und verdient mit diesem Buch vermutlich viel Geld: Hunde wegschicken, die haben mich nicht zu kontrollieren und außerdem dürfen sie nicht am mir lecken, das muß ich unterbinden. Über das Lecken sagt er: „Hunde lecken aus zwei Gründen: Lecken sie schnell, ist es meist ein beschwichtigendes Futterlecken, lecken sie langsam und ausdauernd, dient es partnerschaftlichem oder parentalem (elterlichen Anmerk. d. Autorin) Pflegeverhalten. Hunde lecken allerdings ganz banal auch gerne am Menschen, um Creme oder Schweiß aufzunehmen.“ Dann gibt es also nicht zwei, sondern drei Gründe, zu lecken – lt. Martin Rütter. Aber weiter: „Der Mensch sollte sich von seinem Hund nicht „pflegen“ lassen, er hat die pflegende Position inne!“ Den Rest erspare ich euch, nur noch soviel: Hund wegschicken, der soll auf seinen Platz gehen, denn das mit diesem Gelecke geht gar nicht.
Zum Kontaktliegen schreibt er: „Ist der erwachsene Hund immer wieder darauf bedacht, so nah wie möglich am Menschen oder an einem anderen Hund zu liegen, kann dies zum einen stark kontrollierendes Verhalten sein. Dadurch, daß er immer Körperkontakt hält, will er ständige Kontrolle über die Bewegung des anderen haben. Er möchte vermeiden, daß sich der andere Hund oder die Person ohne sein Wissen entfernt. Hündinnen tun dies auch mit ihren Welpen, damit sie bemerken, wenn sich eines entfernt.“ Er schreibt dann weiter, daß Kontaktliegen auch – Überraschung – einfach was Nettes sein kann, das Vertrauen schafft, daß es immer freiwillig sein sollte und entspanntes Verhalten von beiden voraussetzt. Dem kann man nicht widersprechen. Das mit der Kontrolle scheint mir schon eher einer Überlegung wert.
Ja, Hündinnen legen sich manchmal unter ihre Welpen, z.B. wenn es Zeit ist zum Säugen. Aber genauso häufig kommen die Kleinen einfach und kuscheln mit der Mama, weil sie da sicher und geborgen liegen und das einfach schön ist. Wer sich auskennt, weiß, daß dann Hormone frei werden, die Glücksgefühle erzeugen, bei Menschen übrigens auch. Was jetzt irgendwie so gar nicht zu Martin Rütters These passt, ist: was ist wenn die Hündin aufsteht und weggeht? Wie kontrolliert sie dann, daß sich keiner vom Acker macht? Videoüberwachung? Wohl kaum. Und was ist, wenn die Kleinen sich entfernen, z.B. weil sie ausgeschlafen haben und jetzt eine Runde spielen möchten? Kriegen sie dann eins zwischen die Lichter? Bei den Würfen, die ich gesehen habe, haben die Mamas das immer sehr gelassen gesehen und durchaus eine vernünftige Kontrolle ausüben können, wenn die Kinder mal nicht direkt neben ihr waren. Und – Überraschung – wenn eins satt war, aufgestanden ist und sich woanders hingelegt hat, fand die Mama das ganz in Ordnung.
Nein, der Maxl ist überhaupt nicht entspannt, wenn ich so drauf bin, ganz im Gegenteil, er macht sich Sorgen und wenn man Sorgen hat, ist man nicht entspannt. Und ja, er möchte mich kontrollieren. Er will nämlich wissen, ob er auf mich aufpassen muß oder ob er sich wieder seinen Alltagsgeschäften widmen kann. Damit hier niemand etwas falsch versteht, es geht nicht darum mich am Selbstmord zu hindern, es geht einfach darum, mich aus schlechten Gefühlen heraus zu holen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und sowie er das erledigt hat, ist er wieder der Alte. Aber so lange muß er mich im Auge behalten, etwa so, wie wenn wir uns Sorgen um einen Freund machen, dem es nicht so gut geht, und wir rufen ihn öfter an oder besuchen ihn mehr als sonst.
Noch absurder ist Martin Rütters Theorie mit dem Lecken. Wie wir gesehen haben, tut er sich schon schwer, bis drei zu zählen, aber das lassen wir ihm mal durchgehen. Dann habe ich noch nie etwas über „beschwichtigendes Futterlecken“ gehört. Über den Nasenspiegel lecken ist ein sehr häufig eingesetztes Beschwichtigungssignal, das meint er nicht. „Küsschen geben“ kann auch ein Beschwichtigungssignal sein, so wie wenn wir jemanden berühren und streicheln, um ihn zu beruhigen oder um uns zu entschuldigen. Junge und unsichere Hunde zeigen das, mit „Futterlecken“ hat es nicht wirklich etwas zu tun, denn wenn ein Hund so etwas zur Beschwichtigung zeigt, dann ist er meistens sehr stark gestresst und nimmt nicht unbedingt Futter an. Das mit dem „partnerschaftlichen oder elternlichen Pflegeverhalten“ lasse ich mir schon eher eingehen. Aber! Meine Hunde sind sehr wohl meine Partner, warum also sollten die mir nicht mal die Ohren auslecken, wenn sie der Meinung sind, das ist jetzt angesagt? Ich untersuche sie ja auch nach Zecken und kontrolliere, ob die Zähne und Ohren sauber sind. Und was schon einfach der Gipfel an Unverständnis Hunden gegenüber ist: ich schicke den Hund weg! Der ist nett zu mir und ich sage – ganz souverän natürlich: Freundchen, so nicht, das darf nur ich. Hallo? Ist noch jemand zu Hause?
Es ist ganz gut für meinen Seelenfrieden, daß ich nur einen Auszug aus diesem Buch und nicht das ganze gelesen habe. Denn wenn diese zwei Punkte schon einfach nur bestätigen, daß Martin Rütter nicht wirklich weiß, was in Hunden vorgeht, wie sieht dann der Rest aus? Und wie alle, die das nötig haben, erfindet er eben nebenbei mal ein neues Beschwichtigssignal, das außer ihm leider keiner kennt, und verkauft alten Wein in neuen Schläuchen. So einfach ist das, wenn man nach dem Motto arbeitet: Heu machen, so lange die Sonne scheint!
Jetzt ist es ja so: wenn man von seinen Sprühflaschenaktionen und seinen Auslastungstipps über Reizangel und ähnlichen Unfug mal absieht, ist Martin Rütter nicht der schlimmste von allen TV-Gurus. Aber dieses kleine Beispiel zeigt mal wieder, wie genau man hinsehen muß, wenn so ein „Info“tainer einen mit seinen Weisheiten überschüttet. Deshalb rate ich allen, die bei Rütter & Co. waren und ihm und seinen Kollegen Glauben geschenkt haben, daß sie besser auf ihr Gefühl hören und das, was im Fernsehen von diversen Gurus verbreitet wird, ruhig anzweifeln sollen.
Der Maxl, die Indiana und ich fahren jedenfalls besser damit. Die Sonne scheint, die beiden haben mich überzeugt, daß die Grübelei nix bringt, alle können sich zurücklehnen und entspannen und niemand muß mehr auf irgend jemanden aufpassen. Ganz ohne absurde Theorien haben wir wieder unseren Frieden gefunden, gemeinsam und partnerschaftlich.
6 Kommentare zu Martin Rütter und Hunde – Zwei Welten treffen aufeinander