Supernasen – Leben mit jagdbegeisterten Hunden – Leseprobe aus: „Was bedeutet das: mein Hund jagt?“

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Wildcaniden hetzen erst los, wenn sie sich sicher sind, dass dieser Jagdversuch nicht beim Versuch bleibt, sondern vom Erfolg gekrönt wird. Als Jungtiere werden ihre Misserfolge – vielleicht – von ihren Eltern und anderen Rudelmitglieder abgefangen, aber Sie können davon überzeugt sein, dass junge Wildcaniden alles daransetzen, gute Jäger zu werden. Sie lernen rechtzeitig, wann es sinnlos ist, los zu sprinten und wann es Erfolg verspricht. Und genau das lernen die meisten unserer Hunde nicht. Das ist mit der Grund, warum man Videos von Wölfen im Internet findet, die ganz geruhsam an Rehen vorbeilaufen, durch weidende Kuhherden schlendern oder in angemessener Entfernung – wegen des Herdenschutzhundes – Schafherden passieren. Hunde leinen wir in der Regel in solchen Fällen an, weil sie nicht oder nicht ausreichend gelernt haben, damit umzugehen und die Situation richtig einzuschätzen.

Dazu kommt, dass wir mit diesen absurden und überflüssigen Wurfspielen Balljunkies erzeugen. Das Wort „Junkie“ nehmen Sie bitte wörtlich, denn die Hunde werden süchtig nach dem Adrenalinkick. Auch der ganze Körper wird geschädigt. Hunde sind Zehengänger, wenn sie losrennen oder eine Vollbremsung machen, geht die Hauptlast auf die Zehen. Sehen Sie sich bitte eine Darstellung eines Hundeskeletts an und überlegen Sie, was passiert, wenn ein Hund aus vollem Lauf abbremst, um einen Ball zu erwischen oder einen irren Sprung in die Luft mit anschließender Landung macht, um ein Frisbee zu fangen. Das geht immer durch den ganzen Körper und wenn Bello 4 bis 5 Jahre alt ist, wundern wir uns, warum er dauernd humpelt und Schmerzen hat. Dann rennen wir zum Tierarzt und zum Physiotherapeuten, aber die können dann auch nichts mehr ändern.

Jagen bedeutet also für Wildcaniden etwas komplett anderes als für unsere Couchpotatoes:
1. Wildcaniden lernen von Anfang an mit Misserfolgen umzugehen – wir verschaffen unseren Hunden bei Wurfspielen ein 100%iges Erfolgserlebnis.
2. Bei Wildcaniden endet der Jagdausflug entweder damit, dass man sich etwas anderes suchen muss oder dass man sich satt essen kann. Das können sie sehr schnell einschätzen und vermeiden damit unnötige Vergeudung ihrer Kräfte. Bei Hunden wird in der Regel das Spiel solange fortgesetzt, bis der Hund vollkommen am Ende ist oder bis der Mensch nicht mehr kann oder will, der Hund dagegen möchte überhaupt nicht aufhören. Unterbrechung solcher „Spiele“ durch den Hund sind in der Regel unerwünscht, er lernt es also nicht.
3. Nach einer erfolgreichen Jagd und dem ausgiebigen Mahl schlafen Wildcaniden ca. 6-8 Stunden. Das ist ziemlich genau die Zeit, die der Körper braucht, um die Mahlzeit zu verdauen und die für die Jagd notwendigen Stresshormone abzubauen. Ob nach einem wilden „Frisbeetraining“ für Hunde tatsächlich eine Pause möglich ist, kann bezweifelt werden, da viele dieser Hunde gar nicht mehr wissen, wie sie zu Ruhe kommen können. Darum quillt das Internet ja auch über mit Fragen: Wie bringe ich meinen Hund zur Ruhe?
4. Außer bei Kleintieren wie Mäusen jagen Wildcaniden gerne und erfolgreich im Rudel. Hunde brauchen für ihre „Jagdspiele“ nicht mal mehr einen Partner, denn es gibt jede Menge Apparate, die das Werfen übernehmen. Bei ihnen fehlt damit auch die soziale Komponente der gemeinsamen Jagd.

Für Wildcaniden bedeutet Jagen somit generell:
– eine lustvolle Tätigkeit, die mit einem guten Essen endet
– mit Mitgliedern der Familie gemeinsam eine wichtige Sache für alle zu erledigen
– die Fähigkeit zu erlernen, mit Misserfolgen fertig zu werden
– viele Varianten der Jagd auszuprobieren
– die eigenen Fähigkeiten und Talente nutzbringend für alle einzusetzen und damit Anerkennung zu bekommen
– das Wissen, dass sie sich und ihre Kinder im Notfall auch alleine durchbringen
– Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten.

Für Hunde bedeutet Jagen in den meisten Fällen:
– das permanente Verbot, etwas zu tun, was eigentlich lebensnotwendig ist
– Ersatzbeschäftigungen, die nur ansatzweise den gleichen Erfolg bieten wie die richtige Jagd
– Ersatzbeschäftigungen, die krank machen
– die Unfähigkeit mit Misserfolgen fertig zu werden
– nur wenige Varianten der Jagd zu kennen, nämlich die, die der Mensch zulässt
– alles nur nach Aufforderung und Anweisung auszuführen
– keine Möglichkeit, die eigenen Fähigkeiten zu entdecken und zu entwickeln…..

Ganz schön frustrierend, finden Sie nicht?

….weiter geht’s auf Seite 27

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