Buchbesprechung von Ernst Wagner-Rott
„Und schon wieder ein Hundebuch…“ – Mit diesem Gedanken nahm ich das Buch von Elisabeth Beck in die Hand, zumal Titelbild und Aufmachung nicht unbedingt meine Neugier weckten. Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis relativierte meine Skepsis: allein fünfzig Seiten unter dem Titel „Aktuelles Wissen“ weckten mein Interesse, insbesondere Überschriften wie: „Ich fühle, also bin ich“, „Alles Alpha?“ oder „Abschied von der Angst vor der Vermenschlichung“.
Im Vorwort ist der Anspruch der Autorin zu lesen: „Dieses Buch möchte das Geheimnis der innigen Mensch-Tier-Beziheung ein Stück weit lüften, indem es sich mit jenem Bereich befaßt, der im Hundetraining für gewöhnlich ausgeklammert wird: mit der Rolle der Gefühle in der Kommunikation zwischen Mensch und Tier und der emotionalen Kompetenz des Menschen am anderen Ende der Leine.“ Um es vorweg zu sagen: das „Geheimnis“ wird nicht nur ein Stück sondern überraschend weit gelüftet.
Wenn sich die Autorin mit althergebrachten Vorurteilen über Tiere und ihre Folgen auseinandersetzt, angefangen beim „Geist Descartes“ bis zum „alte(n) mechanistische(n) Bild vom Tier, das bei der Entwicklung aller Hundetrainingsmethoden Pate stand“, wenn sie überzeugend darlegt, warum es deshalb immer noch auf den Hundeplätzen „geistert“, glaubt man ihr nicht nur – man hat sich schon längst festgelesen. Ich hätte allerdings gerne im Kontext der Auseinandersetzung mit Philosophie und Verhaltensforschung auch etwas über die Rolle der Religion gelesen. Und wenn Elisabeth Beck von ihren gescheiten und glücklichen Schweinchen erzählt, entstehen in meinem Kopf Bilder von der riesigen Schweinemastanlage, die in unserer Nähe in Betrieb gehen soll – die ökonomische Ausbeutung der Tiere kommt bei ihr nicht vor.
Im zweiten großen Teil des Buches: „Flexibles Training mit Herz und Verstand“ wird als erstes die Frage untersucht, wie man mit bestehenden Techniken und Methoden umgehen soll. Als wirklich guten Weg beim Training, schreibt Elisabeth Beck, solle man sich aus vielen Methoden diejenige aussuchen, …..zu denen Kopf und Herz ja sagen können“. Das ist zunächst keine sensationelle Erkenntnis, aber wie sie dann „die grundsätzlich gute Methode“ analysiert (z.B. anhand des Clicker-Trainings), wie sie das Grundbedürfnis-Modell (Grawe-Eppstein) unter dem Aspekt einbringt, welche Bedürfnisse für Mensch und Hund gleichermaßen wichtig sind und immer dabei die Gefühle von Mensch und Tier in den Mittelpunkt rückt, das macht Spaß beim Lesen und ist trotzdem wissenschaftlich fundiert, so daß auch das Eine oder Andere aus Neurobiologie und Psychologie im Kopf des Lesers hängen bleibt.
Im dritten Teil geht es vor allem um die Intuition: „Gefühltes Wissen – das Geheimnis der innigen Mensch-Tier-Beziehung“, das Herzstück des Buches. „Hinter der Intuition steckt (…) die Fähigkeit des Gehirns, im Verborgenen Informationen aufzunehmen, ohne daß der bewußte Verstand davon auch nur etwas ahnt“. Intuition ist also als eine Form der Intelligenz, mit derene Hilfe wir unsere gesamte Erfahrung nutzen können. Die Autorin zeigt auf, wie die „Intelligenz der Gefühle“ nicht nur hilft richtige Entscheidungen zu treffen, sondern auch dabei mit Tieren über Ausdrucksignale zu kommunizieren. Der spannendste Abschnitt war für mich, welche Möglichkeiten die Existenz der Spiegelneuronen eröffnen: von der Konzentration auf gemeinsame Aufmerksamkeitsziele beim Training, bis hin zur „ganzheitlichen intuitiven Wahrnehmung“, dem „Wahrnehmungszustand der Spitzentrainer“.
Hier ist der Leser beim letzten Teil des Buches angekommen: „Übungen und Trainingsinstrumente für Spitzentrainer“, die Quintessenz des Vorangegangenen, fünfundzwanzig Seiten, die eine wahre Fundgrube sind. Und an dieser Stelle möchte ich der Autorin widersprechen: nicht nur für „Spitzentrainer“!
„Wer denken will, muß fühlen“ ist für Trainer und engagierte Hundefreunde ein außerordentlich informatives und lehrreiches Buch, munter geschrieben, mit vielen Anekdoten und von der ersten bis zur letzten Seite spannend.
Das Buch ist erschienen im Kynos Verlag, ISBN 978-3-942335-00-3, € 19,90