Immer wieder kommen Welpen- oder Junghundbesitzer ins Training und erzählen von Freunden, Nachbarn, Bekannten oder auch Familienmitgliedern, die so wild mit dem Hund spielen, daß er hinterher ganz durch den Wind ist. Beispiele: Nachbarskinder holen den Hund ab, um mit ihm auf der Straße mindestens eine Stunde Fussball zu spielen. Auf einer Geburtstagsparty geht einer der Gäste in den Garten und spielt extrem derb mit dem 5 Monate alten Rüden, so daß der Rüde sich in einen Zottel verbeißt und daran hochgezogen wird. Ein Besucher hört nicht auf für einen Junghund den Ball zu werfen, auch die mehrmaligen Bitten der Besitzer, endlich aufzuhören, bringen nichts. Argument in allen Fällen: wenn’s ihm doch gefällt? Er hört doch selber nicht auf!
Vielfach trauen sich die Hundebesitzer nicht energisch genug einzugreifen, denn man möchte es sich mit den Nachbarn, Freunden und Verwandten nicht verderben, selbst wenn man weiß, daß diese Art von „Spiel“ sehr negative Folgen hat. Es lohnt sich, diese Folgen etwas genauer zu betrachten.
Jagd- und Kampfspiele sind bei jungen Hunden zunächst nichts ungewöhnliches und es spricht nichts gegen solche Spiele, wenn sie unter vernünftigen Bedingungen stattfinden. Vernünftige Bedingungen sind dann gegeben, wenn der Hund am Ende nicht völlig durch den Wind ist, sich nicht wie ein Verrückter beim nächsten Mal ins Spiel stürzt, wenn der menschliche Spielpartner die Signale des Hundes richtig deuten kann, wenn das Spiel ruhig und freundlich endet und jeder mal gewinnt, nicht immer nur der Mensch. Doch oft handelt es sich weniger um Spiel von Seiten des Hundes als um Abwehr. Gerade junge Hunde sind meistens schüchtern, wenn man ihnen anbietet in einen Zottel zu beißen, den man selber in der Hand hält. Der Grund dafür ist einfach: seine Zähne sind seine schärfste Waffe und wir bringen ihm bei, vorsichtig damit umzugehen, d.h. wir bauen mit ihm eine Beißhemmung auf. Denn niemand findet es lustig, wenn Bello bei jeder Gelegenheit grob zuhackt. Wenn jetzt die empfindliche Menschenhand sehr nahe am Hundemaul ist, besteht aus Bellos Sicht die Möglichkeit, daß es Ärger gibt. Deshalb lassen viele Hunde das lieber bleiben. Wenn man es richtig macht, kann man einen Hund selbstverständlich zu einem freundlichen Zerrspiel auffordern, aber wenn er es partout nicht möchte, kann man auch drauf verzichten. Mensch muß sich nicht immer durchsetzen! Weil aber viele Menschen denken, ein Hund müsse immer und überall und jederzeit einfach alles machen, was irgendjemand von ihm möchte, wird Bello so lange mit dem Zottel bedrängt, bis er reinbeißt, in der Hoffnung, daß dann Ruhe ist. Ist aber keine Ruhe, jetzt gehts erst richtig los. Da wird gezerrt und gezogen, was das Zeug hält, der kleine Kerl hat körperlich überhaupt keine Chance, den überlegenen Menschen los zu werden und verbeißt sich immer fester und wird immer wilder, da er sich Auf-Teufel-komm-raus gegen den übermächtigen Menschen wehren muß. Zu allem Überfluss wird er am Zottel hochgezogen und der Mensch freut sich tierisch, daß der Kleine so schön dranhängt! Was haben wir aber auch für einen Spaß! Daß der Hund extrem unter Stress steht, vollkommen hilflos und überfordert ist, entgeht dieser Art von Hundeexperten grundsätzlich. Denn unter Hunden ist es nicht normal, einen körperlich und mental Unterlegenen so extrem zum Kampfspiel herauszufordern, daß der sich nicht mehr anders zu helfen weiß, als sich extrem zu verbeißen.
Erwachsene Hunde, die sich mit Welpen oder Junghunden auf ein Spiel einlassen, gehen sehr vorsichtig und behutsam mit ihnen um. Sie werden nie einen Kleinen bedrängen bis er völlig außer sich gerät und so zubeißt, wie er es mit dem Zottel macht, denn das würde bedeuten, daß er sich in dem anderen Hund verbeißt. Und wer kann das wollen? Richtig miteinander spielen bedeutet auch, den anderen realistisch einzuschätzen, ihn nicht zu überfordern und aufzuhören, lange bevor es zuviel wird. Deshalb dauern Spiele unter Hunden in der Regel nicht besonders lange. Gerade Jagdspiele – einer rennt davon, die anderen versuchen ihn zu fangen – enden sehr schnell, indem die „Beute“ unvermittelt stehen bleibt und sich umdreht, damit die anderen nicht auf die dumme Idee kommen, ihn doch für einen Hasen zu halten. Kampfspiele gibt es in der Regel nur bei jungen Hunden, die sich sehr gut kennen, sie sind immer nur ganz kurz und enden meistens mit viel Beschwichtigung, damit jeder auch weiß, wie es gemeint war. Ein Kampfspiel, das so endet, daß einer der beiden in völliger Panik verbissen an einem Stock hochgezogen wird, kommt im Hundespielrepertoire nicht vor. Denn eine vergleichbar aggressive Aktion könnte ganz schnell in einer ernsthaften Auseinandersetzung enden. Die Regeln für ein Spiel unter Hunden legt also der Schwächere fest, nicht der Überlegene.
Wie endet denn ein solches „Spiel“ mit einem menschlichen Partner? Selten freundlich. Denn so ein Hund ist so aufgeputscht, daß er nicht mehr aufhören kann. Also wird er unfreundlich angebrüllt: Schluß jetzt! Aus! Und wenn er das nicht kapiert, wird er womöglich noch unsanft runtergedrückt, bis er aufgibt. Kann mal einer erklären, was daran „Spiel“ sein soll?
Denn was lernt der Kleine bei diesen „Spielen“? Zuerst werde ich grob angemacht, dann muß ich mich grob wehren und dann werde ich grob angebrüllt und vielleicht sogar noch grob auf den Boden gedrückt. Ein bißchen viel „grob“, vielleicht zuviel für ein „Spiel“, finden Sie nicht?
Dauerhaftes Ballwerfen und stundenlanges Fussballspielen ist nicht viel besser, aber dazu ein andermal mehr.
Sollte also wieder mal jemand Ihren Hund zu einem maßlosen Kampfspiel „auffordern“ und das auch noch damit rechtfertigen, daß Bello das ja schließlich gefällt, sonst würde er nicht so toll mitmachen, dann gehen Sie bitte dazwischen und helfen Sie Ihrem Hund. Sie helfen damit auch sich selber, denn Ihr Hund lernt erst gar nicht, daß zubeißen und spielen zusammengehören und er bleibt auch klar im Kopf.