Wieviel Hunde braucht ein Hund?

Menschen und Hunde sind soziale Lebewesen, das bedeutet, dass sie kein gutes Leben führen können, wenn sie zu wenig Sozialkontakt, sprich zu wenig Hunde- oder Menschenkontakt haben. Aber was heißt das? Zu wenig, oder zu viel, oder genau richtig? Gibt es da Richtlinien, an die man sich ganz grundsätzlich halten kann.

Die Anwort ist ein eindeutiges: kommt drauf an. Nämlich auf deinen Hund.

Es gibt Menschen, die fühlen sich am wohlsten mitten im Gewühl, in einem Hochhaus mit 100 Wohnungen, auf gesellschaftlichen Events wie der Loveparade oder Konzerten mit tausenden von Besuchern. Andere finden das gruselig und gehen wenn überhaupt nur zu gesellschaftlichen Anlässen, wo wenige Menschen hinkommen, leben lieber irgendwo in der Einsamkeit, z.B. in angemessener Entfernung vom Dorf im uckermärkischen Wald so wie ich, Einkaufscenter sind ihnen ein Greuel und sie sind lieber für sich. Das bedeutet nicht, dass die einen sozialer als die anderen sind, sie haben schlicht andere Bedürfnisse, was Sozialkontakte betrifft.

Berta und Lucy
Ungleiche Freundinnen

Bei Hunden ist das durchaus vergleichbar, allerdings finden die meisten Hunde unseren menschlichen Drang zur Enge eher unangenehm. Das hängt natürlich auch damit zusammen, wie man seinen Hund damit vertraut macht. Denn wenn ein Hund nunmal in der Großstadt landet, und schon beim Verlassen der Wohnung auf 3-4 Hunde trifft, dann muß er lernen damit klar zu kommen.

Die Frage ist allerdings: muß er mit denen allen befreundet sein? Muß er ständig und überall Hunde treffen, mit denen er „spielen“ kann? Möchte er das überhaupt?

Es gibt Hunde, die sind deutlich interessierter an Hundekontakten als andere. Ganz pauschal kann man die Retreiver nennen, allen voran die Goldies. Das ist eigentlich nett, aber leider finden das andere Hunde nicht unbedingt lustig, wenn der supernette und sehr spielbegeisterte Labi oder Goldie mit den besten Absicht angerannt kommt, denn andere Hunde haben einfach andere Prioritäten und andere Bedürfnisse. Der andere Hund kann krank sein und ist deshalb schutzbedürftig, er kann schlechte Erfahrungen mit anderen Hunden gemacht haben, aber kann auch einfach einer sein, der grundsätzlich nicht so wild auf Hundekontakt ist und viel Distanz braucht. Und das ist sein gutes Recht.

Indiane
Indiana legt überhaupt keinen Wert auf Kontakt mit fremden Hunden. Wenn sie vorbeigehen – kein Problem.

So weit, so gut. Aber ist das nicht gemein, wenn mein Hund, der so gerne spielt, nicht genug Hundekontakt hat?

Da stellt sich mir die Frage, was ist wichtiger? Quantität – also viel Hundekontakt – oder Qualität – nämlich wenig, aber guter Hundekontakt? Ich behaupte, für alle Hunde ohne Ausnahme ist die Qualität definitiv wichtiger.

Welpen von freilebenden Hunden, also ca. 70% der auf der Welt lebenden Hundepopulation, wachsen eher isoliert auf. Ihre Mutter würde ihnen keinen Gefallen tun, wenn sie sie in fremde Reviere stolpern ließe. Sie lernen sehr früh von ihr, dass man im Zweifelsfall ausweicht und wenn, dann sehr vorsichtig Kontakt mit fremden Hunden aufnimmt. Freilebende Junghunde, die sich selbständig machen, suchen oft sehr lange, bis sie entweder ein freies Revier oder eine Gruppe, die sie aufnimmt, gefunden haben. Gespielt wird auch nicht mit wildfremden Hunden, denen hund unterwegs mal so eben über den Weg läuft, sondern mit den Gewistern oder mit den Freunden in der Gruppe.

Und für unsere Hunde soll es ein essentielles Bedürfnis sein, mit jedem Hund Kontakt aufzunehmen und womöglich auch zu spielen? Bringen wir da nicht irgendwas durcheinander?

Landra und Loni
Liebevolle Mütter spielen gerne mit ihren Kindern

Ist das überhaupt „Spiel“, was wir bei Begegnungen mit fremden Hunden und auf Hundewiesen sehen? Eher nicht. Denn Spiel ist nur in entspannter Umgebung mit vertrauten Partnern möglich. Denn wenn man seine Spielpartner nicht einschätzen kann, und wer kann das schon, wenn man sich gerade kennen gelernt hat, dann ist das, was Menschen oft als „Spiel“ interpretieren, wohl eher ein spielerisches, gegenseitiges Abschätzen. Wenns gut läuft. Wenns nicht gut läuft, geht so ein „Spiel“ schon mal gründlich in die Hose. Vielleicht findet der Ältere den Jungen sehr aufdringlich und bringt ihn nur dazu aufzuhören, indem er ihn heftig maßregelt. Das muß gar nicht böse gemeint sein, denn der Youngster versteht ihn einfach nicht.

Was ist die Alternative?

Ausgewählte, freundliche Kontakte mit wenigen, netten Hunden, die gerne ein bisschen Zeit miteinander verbringen und sich auch wirklich gut leiden können – das ist es, was Hunde tatsächlich brauchen. Das kann ganz schnell gehen, dass sie Freundschaft schließen, aber manchmal entwickelt sich das erst. Mein Maxl hat immer großes Interesse an unseren Gästehunden, kann aber nicht alle begrüßen, weil die das eben nicht unbedingt wollen. Einen durfte er letztes Jahr kennenlernen, den schwarzen Pudel Idefix. Und das war von beiden Seiten Liebe auf den ersten Blick. Das zeigt sich aber nicht in wildem Getobe, sondern eher in einer sehr innigen Gemeinschaft: zusammen an den gleichen Stellen schnüffeln, die Nähe des anderen suchen oder, wie in diesem Fall, bei gemeinsamen Autofahrten lieber zusammen im Kofferraum beim Maxl sitzen als bei Frauchen auf dem Schoß. So etwas gibt es nicht oft, aber das gibt es.

Maxls anderer Freund, auch ein schwarzer, mittelgroßer Hund namens Balu, war ihm im Junghundetraining anvertraut. Er hat ihm beigebracht, dass man nicht ständig rumrennen und großes Theater machen muß, dass es viel wichtiger ist, mit der Nase die Welt zu erkunden, dass an der Leine nicht getobt wird, zusammen die Gegend absuchen und einscannen ist viel spannender. Aus dieser „Erziehungs“gemeinschaft hat sich eine tiefe Freundschaft entwickelt, die jetzt schon fast 8 Jahre andauert.

Bei beiden Freundschaft ist das besondere, dass sie für oberflächliche Betrachter sehr unspektakulär wirken, denn die Hunde „machen ja nix“. Das stimmt sogar irgendwie, dann sie sind einfach zusammen, gehen gemeinsam spazieren, sitzen zusammen mit uns auf einer Bank und machen Pause, schnüffeln an interessanten Spuren und machen sich gegenseitig auf Sachen aufmerksam, die Hunde gut finden – und das ist Qualität. Und das brauchen Hunde – ALLE!

Maxl und Pogo
Maxl und Pogo waren sehr gute Freunde, sie haben sich immer gegenseitig besucht, wenn Pogo mit dem Wohnwagen da war.

Lasst die Hundewiesen und ihr unsägliches Gewusel links liegen und sucht euren Hunde Freunde. Euer Hund wird euch schon sagen, wenn er einen anderen nett findet oder eben nicht. Ein guter Freund ist viel wert im Hundeleben, es dürfen auch zwei oder drei sein. Schaut einfach, wie es eurem Hund nach Hundebegegnungen geht. Ist er aufgeregt und überdreht? Oder zufrieden und müde? Kriegt er sich gar nicht mehr ein, wenn er einen Hund sieht? Oder schaut er erstmal genau hin, ob der ihm auch zusagt? Das kann jeder Hund lernen, ihr müßt es ihm eben zeigen, wies geht.

Zugegebenermaßen ist das mit manchen Hunden nicht leicht hinzukriegen. Aber alle finden dauerhauft wenige Freundschaften besser als wahllose Tobegemeinschaften.

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