Tierärzte machen uns und unseren Hunden das Leben nicht immer leicht. Leider. Es wäre so schön zu wissen, daß da jemand ist, der sich auskennt, wenn mein Bello krank ist, sich darum kümmert, daß er gesund bleibt und ihn liebevoll und kompetent sein Leben lang betreut. Wer von uns freut sich nicht auch darüber, wenn er einen netten und guten Hausarzt hat?
Vielleicht liegt es auch an uns, daß Tierärzte meinen, sie müßten auf allen Gebieten Experten sein. Sie können sich aber genauso wenig wie Hundetrainer in allen Fragen über Hunde auskennen. Ein Tierarzt muß enorm viel wissen. Egal mit welchem Tier Sie zu ihm kommen, immer soll er Ihnen eine kompetente Antwort und Ihrem Hund eine gute und natürlich billige Behandlung angedeihen lassen. Von der Tanzmaus über den Wellensittich, die Katze, den Hund bis zum Pferd, das ist vielleicht ein bißchen viel verlangt, finden Sie nicht? Ich kann gar nicht erwarten, daß er wirklich in allen diesen Bereichen perfekt ist.
Trotzdem meint man manchmal, daß sie die reinsten Götter in allen, aber auch allen Fragen rund um den Hund sind, eben auch in Ernährung. Der Satz: „Mein Tierarzt sagt aber….“ läßt mich immer aufseufzen. Viele Menschen meinen, daß er nie und niemals irren kann, weil er es ja studiert hat. Vielleicht bekommt er auch noch hin und wieder eine göttliche Eingebung? Scherz beiseite. Heute wird die Frage der Ernährung auch im Veterinärstudium ernster genommen, als das vor einiger Zeit noch der Fall war. Aber fragen Sie doch mal Ihren Tierarzt, wie lange seine Ausbildung in puncto Hundeernährung gedauert hat. Wenn er ehrlich ist, wird er zugeben, daß im Studium relativ allgemein über Tierernährung gesprochen wird, und da geht es eben um so gut wie alle Tiere, die ihm im Laufe seiner Karriere unterkommen können. Üblicherweise wird dies innerhalb von ein, zwei Semestern abgehandelt.
Und dann ist es eben abhängig davon, von wem der zuständige Professor, sagen wir mal freundlich, beeinflußt ist. Je nachdem, wer seine Forschungsaufträge bezahlt, dessen Lob wird er singen. So geht es auch bei vielen Tierärzten weiter. Sie werden von Vertretern besucht wie jeder andere Geschäftsmann auch, nur geht es dann nicht um den Druck von Visitenkarten oder die Ausstattung des Wartezimmers oder die Medikamente, die er verwendet, sondern um die Futtermarke, die er zukünftig vertreibt. Es gibt natürlich jede Menge Tierärzte, die das nicht mitmachen. Nur leider sind nach wie vor die in der Überzahl, die sich ihr Wissen über Hundeernährung aus dem Material und auf Schulungen der Hersteller erwerben. Das bedeutet aber nicht mehr und nicht weniger, daß viele Tierärzte sich verhalten wie ein ganz normaler Handelsvertreter: sie bewerben und verkaufen ein Produkt, von dem sie sich auf Verkaufsschulungen überzeugen lassen haben oder bei dem der Hersteller das beste Angebot für seinen Vertreter macht. Mit fachlich kompetenter Beratung und „Wissen“ hat das aber nichts zu tun. Viele der Argumente, die Sie „pro“ Trockenfutter hören, werden von Tierärzten verbreitet. Keines von ihnen hält einer Überprüfung ernsthaft stand.
Das größte Problem dabei ist aber, daß sich dadurch in den letzten Jahren zwei Fronten gebildet haben, die in weiten Bereichen vollkommen verhärtet und unbeweglich sind. Da sind auf der einen Seite die Tierärzte, die jeden niedermähen, der sich nicht auf ihre Aussagen einlässt, und auf der anderen Seite die Hundebesitzer, die jeder Aussage jedes Tierarztes misstrauen und die sich nicht mehr vorstellen können, daß ein Schulmediziner auch mal recht haben oder zuhören und differenziert urteilen und denken kann. Wer versucht, zwischen diesen Fronten zu vermitteln, hat es nicht immer leicht. Zum Glück für die Hunde gibt es mittlerweile relativ viele, gut ausgebildete Tierheilpraktiker, aber in vielen Fällen braucht man einen Tierarzt und es ist nicht gut, daß die Entwicklung diesen Lauf genommen hat. Es leiden vor allem die nachdenklichen und kooperativen Tierärzte und die Menschen mit ihren Hunden darunter, die keinen Tierheilpraktiker in der Nähe haben.
Dann gibt es noch die Gruppe von Hundebesitzern, die ihrem Tierarzt wie dem lieben Gott einfach alles zutrauen, und die sind in vielen Fällen nicht unbedingt gut beraten. Die Macht, die Tierärzte in allen und vor allem in der Frage der Ernährung haben, ist nicht sehr segensreich. Viel zu oft werden die Hunde dadurch zu Dauerpatienten. Ist das in Ihrem und im Sinne Ihres Hundes? Ich denke doch eher nicht.
Für Menschen gibt es nicht nur Allgemeinärzte, die sich einer langjährigen und aufwendigen Ausbildung unterziehen müssen, es gibt schon fast für jedes Organ und jeden Körperteil einen Spezialisten. Und bei Tieren? Nicht nur, daß Sie von Ihrem Tierarzt erwarten, daß er Ihr Frettchen, die Zierfische, die Katze, den Hund und den Papagei optimal versorgt, nein er soll für alle auch noch ein Ernährungsspezialist sein. Sie selber würden sich sehr wundern, wenn Ihr Augenarzt oder Orthopäde plötzlich anfangen würde, Sie in Ernährungsfragen zu beraten. Auch dafür gibt es beim Menschen Spezialisten.
Dazu kommt leider noch, daß die Futtermittelindustrie die Tierärzte als wunderbare Partner entdeckt hat. Und Sie dürfen mir glauben, auch Hundetrainer und mittlerweile sogar Tierheilpraktiker werden zunehmend mit interessanten Werbeangeboten gelockt. Zu Anfang verging keine Woche, in der ich nicht wenigstens eine e-mail mit dem Inhalt: „wenn Sie unser Futter vertreiben, verdienen Sie nicht schlecht dabei“ bekam. Mittlerweile hat sich wohl herumgesprochen, daß da nicht viel zu holen ist. Der Umsatz durch Hundefutter ist weder in der Hundeschule noch in der Tierarztpraxis zu vernachlässigen. Obwohl wir in unserer Hundeschule nur sehr wenig und nur ausgewähltes Industriefutter verkaufen, verdienen wir am Futter und den Leckerchen mindestens genauso viel wie am Buchverkauf. Da braucht man schon starke Nerven und eine feste Überzeugung, um gerade am Anfang der Selbständigkeit nicht zu jedem Strohhalm zu greifen, der einem das Überleben sichert.
Ein Tierarzt kann, muß aber nicht, ein hervorragender Ernährungsspezialist sein. In den allermeisten Fällen weiß er nur das, was er an der Uni gelernt hat und auf Schulungen, die oft von Futtermittelherstellern veranstaltet werden, hört. Es gibt viele Tierärzte, die zwar anderer Meinung sind als ich, aber trotzdem akzeptieren, daß jeder Mensch für seinen Hund entscheiden kann, wie er gefüttert werden soll, ohne daß gleich jede Seuche der Welt über den Hund hereinbrechen wird. Wenn ein Tierarzt allerdings beim Wort „Rohfütterung“ sofort den Teufel an die Wand malt, dann sollten Sie doch besser überlegen, ob Sie nicht wechseln sollten.
Allerdings würde ich Ihnen schon empfehlen, mit Ihrem Tierarzt darüber zu diskutieren, was nun die beste Ernährung ist, denn Sie brauchen jemanden, der Ihren Hund medizinisch betreut. Und schließlich kann es für ihn interessant und lehrreich sein, wenn er merkt, wie Ihr Hund sich mit der veränderten Fütterung entwickelt. Fragen Sie ihn z.B., ob er für sinnvoll erachtet, wenn sich ein Mensch ausschließlich von getrockneten und konservierten Lebensmitteln ernähren würde. Fragen Sie ihn, wie er erklärt, daß etwas Bearbeitetes besser und gesünder sein soll als frische Nahrung. Jeder Humanmediziner schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, wenn Sie ihm sagen, daß Sie ausschließlich Dosennahrung und Chips essen. Oder haben Sie schon mal gehört, daß Industrienahrung für Menschen besser sein soll als frische Lebensmittel? Sehen Sie. Also trauen Sie ihm ruhig zu, daß als denkender, intelligenter Mensch in der Lage ist, über neue und andere Informationen nachzudenken und evtl. sogar umzulernen.
Noch ein Argument möchte ich hier anführen für einen freundlichen Umgang mit Tierärzten, die doch oft pauschal abgeurteilt werden. Tiermedizin ist ein langwieriges und aufwendiges Studium. Daß ein Tierarzt so nebenbei reich wird wie manch ein Spezialist der Humanmedizin ist eher unwahrscheinlich. Es ist ein Knochenjob und es besteht immer die Gefahr, ernsthaft verletzt zu werden oder sich zu infizieren. Seien Sie deshalb nicht zu „geizig“, was Ihren Tierarzt betrifft. Wenn Sie ihn eine halbe Stunde mit Beschlag belegt haben und er Sie beraten und Ihnen sein Wissen zur Verfügung gestellt hat, ist es ungerecht zu erwarten, daß er das kostenlos tun soll. Er muß auch leben, so wie Sie und ich. Das kann er aber nicht, wenn er nur für verkaufte Ware Geld bekommt, die wir dann ablehnen, und für Beratungen nichts bezahlen wollen, weil „er hat ja nichts gemacht“. Seien Sie dankbar und kooperativ, wenn er nicht jedesmal Ihren Hund – oder Ihre Katze – mit Antibiotika vollpumpt oder Ihnen das neueste und tollste und beste Futter aufs Auge drückt. Zahlen Sie für das, was Sie von ihm genommen haben: seine Zeit und sein Wissen. Ihr Hund dankt es Ihnen.