Ach, sind die süß! – Welpenspielen Teil 2

Ute Rott
Forsthaus Metzelthin

Wenn Welpenspielstunden nicht gut für Welpen sind, was soll man denn dann mit ihnen machen? Irgendwie müssen sie doch andere Hunde kennenlernen, Grundgehorsam unter Ablenkung üben, Umgang mit Stress und Frustration lernen. Wie machen wir das ohne Welpenspielstunden? Das sind berechtigte Fragen. Aber zuerst möchte ich nochmal auf die Spielstunden eingehen, die von qualifizierten Trainern abgehalten werden und trotzdem leider nicht unbedingt das erwünschte Ergebnis bringen.

Ein Problem sehe ich tatsächlich darin, daß einmal pro Woche eine einzige Stunde investiert wird, in der solche Massen von Eindrücken auf den Welpen einprasseln, daß er damit gar nicht klar kommen kann und vermutlich mindestens die Zeit bis zum nächsten Treffen braucht, um das alles halbwegs zu verarbeiten. Ein Irrglaube, der nämlich auch bei sehr wohlmeinenden und vorsichtigen Trainern nach wie vor herrscht, ist: ich passe doch auf und greife doch ein, wenn was passiert, z.B. trenne ich die Hunde rechtzeitig oder nehme sie in verschiedene Gruppen. Das ist sicher richtig, daß viele sich da große Mühe geben und wahrhaft schwere und gute Arbeit leisten, die Frage ist nur,  kann ich die Probleme tatsächlich vermeiden?

Fangen wir mit den Eindrücken an. Im Idealfall lebt der Welpe in einem sehr ruhigen und ausgeglichenen Umfeld, es wird gut auf sein Wohlbefinden und auf das richtige Lerntempo geachtet, also nicht zu viel und nicht zu wenig, immer schön langsam, damit er nicht geistig überfordert wird. Ebenso wird darauf geachtet, daß er sich körperlich nicht übernimmt. Jetzt kommt er also zum Welpentreff und schon geht unweigerlich die Post ab, ob man will oder nicht. Denn bei den anderen sieht das u.U. ganz anders aus. Ich erinnere mich an eine sehr nette und harmonische Gruppe, die alle Grundgehorsam im Einzelunterricht bei mir hatten und einmal in der Woche zum Spielen kamen, auch als die Hunde schon fast aus dem Welpenalter heraus waren. Das war ein gutes Arbeiten, da die Teilnehmer sich an meine Anweisungen hielten, wir machten viele Pausen, hörten auch mal früher auf, die Hunde verstanden sich gut, es gab nur wenige, nette Übungen ohne (!) Gehorsamstraining. Richtig gut. Bis der Terrier kam. Bis zu diesem Tag war dieser Terrier mit anderen Hunden recht freundlich umgegangen, also sollte er auch mal in diese Gruppe kommen. Ja, wie soll ich das erklären, ohne die Terrier in Verruf zu bringen: in ca. 2 Minuten hatte er alle anderen Hunde so weit, daß sie nur noch flohen. Ein kompletter Reinfall. Wie der Deutsche Jagdterrier eben so ist, fand er von jetzt auf gleich andere Hunde zum K….. und hat sie durch die Gegend gescheucht.

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Wenn man jetzt weiß, daß man aus negativen Erlebnissen sehr viel schneller lernt, als aus positiven, dann kann man sich vorstellen, daß vielleicht der eine oder andere Hund sich diese kleine, schwarze, keifende Bestie gut gemerkt hat und in Zukunft nicht gut auf diese Art von Hunden zu sprechen war. Warum lernt man so etwas so schnell? Weil es gerade für Welpen und Junghunde von enormer Bedeutung ist zu erkennen, was Gefahr bedeutet und was nicht. Das gilt auch für kleine Menschen. Die Tochter meiner Freundin brauchte viele Monate, bis sie verstand, daß nicht alle Hunde so unfreundlich waren wie der eine, der sie im Alter von vier Jahren unfreundlich angebellt und umgeworfen hatte. Bei Welpen ist das nicht anders. Ein einziges Erlebnis mit einem Hund kann ausreichen, daß der Welpe entweder diese Art Hunde nicht mehr mag oder generell mit Hunden vorsichtig wird. Das muß auch nicht immer so dramatisch wie mit dem Terrier sein. Dazu reicht bei einem sensiblen Hund eine stürmische Begrüßung durch eine freundliche Meute.

Mai 2013 361Aber das kann mir im Alltag doch auch passieren, denken Sie jetzt vielleicht. Und da haben Sie natürlich recht. Trotzdem gibt es einen entscheidenden Unterschied, den ich leider immer wieder erlebe. Wer in eine Gruppenstunde gleich welcher Art kommt, gibt fast automatisch einen größeren oder kleineren Teil seiner Verantwortung an die Trainerin ab. Das ist vollkommen normal: man wartet auf Anweisungen, will nicht vorgreifen, um nichts falsch zu machen und denkt sich: die wird schon wissen, was sie tut. Nur leider: TrainerInnen sind auch nur Menschen und haben weder ihre Augen noch ihre Aufmerksamkeit garantiert immer dort, wo es gerade notwendig ist. Leider, aber das ist so. Jeder Trainer und jede Trainerin hat 100%ig in seinem Erfahrungsschatz das eine oder andere Erlebnis, auf das wir gerne alle verzichten würden. Da gab es wie aus heiterem Himmel heraus plötzliches Mobben, da hat ein Hund den anderen gezwickt, obwohl die Kursleiterin genau aufgepasst und nur einen Moment weggeschaut hat, da ist die ganze Meute abgedüst hinter einem Hasen her, weil der Kursleiter eine Achtelsekunde zu spät gesagt hat: anleinen. Wir sind alle nur Menschen und wer sagt: „mir passiert das nicht“, dem sollte man nicht trauen.

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Wenn Sie alleine mit Ihrem Hund unterwegs sind und Sie gehen vernünftig und verantwortungsbewußt durch die Welt, dann achten Sie darauf, mit wem Ihr Welpe Kontakt hat, dann wissen Sie, daß Sie jetzt zuständig sind und sonst niemand. Das bedeutet aber auch, daß Sie dazwischen gehen, lange bevor Sie das in einer geführten Gruppe tun würden. Woher ich das weiß? Ganz einfach. Wenn ich manchmal meine Kunden frage, warum sie in dieser und jener Situation gewartet haben, bis ich was unternehme, ist die Antwort: „Ich dachte, wenn du da bist, machst du das schon, sonst hätte ich mich schon dazwischengestellt.“ Selbst die beste und aufmerksamste Trainerin der Welt ist also kein Garant dafür, daß alles immer gut läuft, denn auch TrainerInnen sind einfach Menschen, die Fehler machen können.

Und was machen wir jetzt, damit unser Süßer in seinem zukünftigen Leben mit anderen Hunden und mit aufregenden Ereignissen klar kommt? Wie lernt er, unter Ablenkung zu mir zu kommen, sich anleinen zu lassen? Wie lernt er, an Menschen und Hunden ruhig vorbei zu gehen? Und was, wenn er nicht alle Rassen kennenlernt, die es so gibt?

Ja, das ist auch so eine Albernheit, die viele Menschen im Kopf haben: der Welpe muß alles lernen – spielerisch natürlich -, was er im späteren Leben braucht. Soll ich Ihnen was sagen? Nein, muß er nicht. Er kann überhaupt nicht alle Varianten von Hunden in seiner Welpenzeit kennenlernen, wie soll das gehen? Selbst in Großstädten wie Berlin dürfte es ziemlich illusorisch sein, auch nur 10% aller möglichen Hunderassen – und ihrer Mischlinge – als Welpe auch nur einmal zu sehen. Vor allem: wenn er weiß, wie die als Welpen sind, woher weiß er dann, wie sie  sich erwachsen verhalten?

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Ganz einfach: er muß als Welpe vor allem eins lernen: wenns schwierig wird, frag ich meinen Menschen, was da los ist. Denn woher wissen Sie, was er tatsächlich in seinem Leben braucht und was ihm alles über den Weg laufen wird? Wenn Sie ihm zeigen, daß es Hunde gibt, die anders aussehen und sich anders benehmen als er und alles, was er an Hunden in der Umgebung so kennt, dann reicht das vollkommen, dazu müssen Sie ihm nicht alle 450 anerkannten Rassen präsentieren. Wenn er  verstanden hat, es gibt große und kleine, alte und junge, männliche und weibliche, zottige und glatthaarige Hunde, dann ist schon enorm viel passiert. Und diese Begegnungen haben Sie nicht unbedingt in einer Hundeschulegruppe sondern im Park, im Auslaufgebiet, in Ihrem Wohnviertel: einfach dort auf der Welt, wo Sie sich mit ihm bewegen.

Und das sind nicht zuviel Eindrücke? Wenn Sie es vernünftig gestalten nicht. Dann sind Sie eben nicht 60 Minuten zugange, sondern nur 5. Dann gehen Sie vielleicht nicht mal spazieren, sondern sitzen zu den ruhigeren Zeiten, wenn nicht so viele Menschen mit Hunden unterwegs sind, auf einer Parkbank und beobachten mit ihm die Hunde, die vorbeikommen. Und die, die nett zu Welpen sind, mit denen darf er auch Kontakt aufnehmen und  – ja, Überraschung!  – auch mal spielen.

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Spielerisches Lernen bedeutet: ohne Druck, ohne Ernstbezug, mit Freude am Lernen, langsam, mit Pausen, mit Partnern, die Rücksicht auf die Verletzlichkeit so eines kleines Hundes nehmen. Spielerisch bedeutet nicht: rennen und toben bis zur Erschöpfung. Es bedeutet: wir haben viel Spaß und Freude an dem, was wir tun, wir probieren uns aus, wir testen, was wir können, wir rennen auch mal, aber eben gemütlich. Als Indiana zu uns kam, hat sie den Maxl immer zu Rennspielen aufgefordert. Der Süße hat ihr den Gefallen getan und ist mal mit ihr übers Gelände gelaufen – immer so langsam, daß sie gut nachkommen konnte und nur kurz. Anton, unser langjähriger Welpenonkel, hat den Kleinen immer gezeigt, was es auf dem Hundeplatz oder auf einer kleinen Spazierrunde zu erkunden gibt: in den Reifen, am Straßenrand, an den Büschen und Bäumen – und es war einfach rührend zu sehen, wie die Kinder hinter dem großen Anton hergelaufen sind und ihm alles nachgemacht haben. Wir mußten nie Angst haben, daß er sie überfordert.

2015-01-17 12.04.18Und das haben Sie in einer Gruppe Gleichaltriger eben in der Regel nicht. Da wird keine Rücksicht genommen, wenn einer meint, der andere muß jetzt aber, dann kann eben passieren, daß er nervt ohne Ende. Einem Maxl oder Anton ist das egal, die drehen sich ab oder gehen weg. Auch unsere alte Loni war da super. Wie bei Kromis üblich hat sie – moderat – unfreundlich gemotzt und dann war Ruhe im Karton. Junge Hunde nerven eben mal – erwachsene reagieren vernünftig, gleichaltrige sind unter Umständen selber total genervt und wenn ihnen niemand hilft, reagieren sie unangemessen und merken sich, daß andere Hunde nur blöd sind.

Jetzt hat aber nicht jeder eine Hundeschule mit einem Maxl oder Anton, der übrigens auch schon in Rente ist. Also müsssen Sie nette Hunde in Ihrer Umgebung suchen. Und wenn dort keine netten Hunde sind, dann bringen Sie Ihrem Kleinen lieber bei, anderen Hunden auszuweichen, als irgendwelche Tests zu machen, die dann schief gehen und Probleme fürs ganze Leben erzeugen.

Freunde

 Merken Sie es? Es läuft alles darauf hinaus, daß Sie gefordert sind. Daß Sie Ihrem Kleinen die Welt zeigen, die guten und die weniger guten Seiten, die Gefahren, die er vermeiden muß und wie er das machen kann, die schönen Sachen, mit denen wir uns gerne und ausführlich befassen: das ist Ihr Job, egal ob Sie in einer Hundeschule sind oder nicht. Und wie das geht, wie Sie ihm spielerisch Grundgehorsam, den Umgang mit Hunden und Menschen beibringen, wie Sie mit Ablenkung arbeiten und wie Sie gut mit ihm spielen können, was er an Hundefreunden braucht und wie Sie das hinkriegen, das schauen wir uns im nächsten Teil an.

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