von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin
Thomas Riepe hat ein neues Buch geschrieben: „Einfach Hund sein dürfen – Das Hundeleben natürlich gestalten“. Jetzt gibt es schon jede Menge Bücher und Artikel, in denen behauptet wird, nur so, wie der Autor das darstellt, sei „artgerechte“ Hundehaltung richtig und möglich. Bei vielen dieser Veröffentlichungen denke ich mir, daß es dem Autor vor allem darauf ankommt, die Wünsche der Hundebesitzer zu erfüllen, weniger die der Hunde. Wer Thomas Riepe kennt, und er hat mittlerweile eine zahlreiche Fangemeinde, weiß, daß er gerne alle seine Thesen und Behauptungen gut untermauert und vor allem: er denkt für die Hunde und macht es den Hundehaltern nicht immer leicht. Oder doch?
In seinem neuen Buch beschreibt er ausführlich und nachvollziebar, welche Art von Hunden er beobachtet hat, wie diese Hunde leben und welche Schlüsse wir daraus für unsere Hunde ziehen können. Das Buch ist sehr übersichtlich in 4 Teile unterteilt:
1. Das Hundeleben natürlich gestalten warum?
2. Wolf, Dinge? Co: Vorbilder für das natürliche Gestalten
3. Angeboren und angepasst
4. Das Hundeleben natürlich gestalten: So klappt’s im Alltag.
Sehr ausführlich geht er darauf ein, daß ein Leben, wie es unsere Hunde in Mitteleuropa führen, durchaus nicht das übliche für die meisten Hunde dieser Welt ist. Er unterscheidet folgende Populationen: Pariahunde, wildlebende Caniden, Schensi- und Strassenhunde, Bauernhunde und Haushunde. Gestützt auf seine Beobachtungen, die weltweit bei den unterschiedlichen Populationen gemacht hat, erklärt er, wie sie leben, wie sie ihren Tag gestalten und wie sie sich von anderen Hunden unterscheiden. Ein wichtiger Unterschied aller Caniden zu unseren Haushunden ist, daß alle anderen ihr Leben selbstbestimmt führen, unseren Hunden dagegen von der Wiege bis zur Bahre jeder Atemzug vorgeschrieben wird. Und das ist alles andere als angenehm und erzeugt jede Menge Probleme, egal ob es um Territorialverhalten, Ruhebedürfnis, Nahrungsbeschaffung, Familienplanung oder anderes geht. Uns ist – eigentlich – bewußt, daß die meisten der Probleme, die wir mit Hunden und Hunde mit uns haben, hausgemacht sind, aber hier wird uns sehr klar der Spiegel vorgehalten, was wir unseren Hunden alles aufbürden.
Am deutlichsten erkennt man das an zwei Punkten: schlecht befriedigtes Ruhebedürfnis und Arbeitslosigkeit von Haushunden. Hunde ruhen bis zu 20 Stunden am Tag. Das ist selbstverständlich von verschiedenen Faktoren abhängig, denn ein sehr junger Welpe schläft mehr als ein aktiver Jundhund und ein Greis wird auch mehr Zeit mit Schlafen verbringen als ein gesunder erwachsener Hund. Wenn wir allerdings nachrechnen, wie viele Stunden unsere Hunde täglich für sich haben, Zeiten, in denen sie einfach tun und lassen können, was sie wollen, z.B. dösen, dann stellen wir fest, daß die wenigsten Hunde auch nur auf 16,17 Stunden kommen. Dieses Ruhebedürfnis ist allerdings genetisch fixiert und es führt natürlich zu Problemen, wenn es nicht befriedigt werden kann.
Mit der Arbeitslosigkeit unserer Hunde ist es ähnlich. Als soziale Lebewesen, die in familiären Gemeinschaften leben, wissen Hunde, daß jedes Mitglied eine Aufgabe erfüllen muß, damit es allen gut geht. Aber selbst das, was Hunde hervorragend ohne große Schulung und Übung können: riechen und aufpassen, dürfen sie in den allerwenigsten Fällen ausleben. Viele Menschen sind sogar stolz darauf, daß ihr Hund ein reines Luxusgeschöpft ist, daß sie ihren Hunden damit keinen Gefallen tun, ist ihnen nicht klar.
Es gibt noch viele Punkte, die genau erläutert werden, z.B. wie ein ausgeglichener Hormonhaushalt zu einem guten Leben führt, daß Hunde eben nicht permanent spielen w0llen, wie man einen hundegerechten Spaziergang durchführt, daß nicht jeder Hund einen Hundepartner im Haushalt braucht, aber sehr wohl einen verständnisvollen Menschen. Ebenso macht er vernünftige Vorschläge, wie man seinem Hund eine Aufgabe zuteilt, die er gut bewältigen kann und ihn dadurch zufriedener macht – und nein, er meint damit nicht, daß Bello pausenlos mit Hundesport durch Parcours und über Hundeplätze gejagt wird, sondern daß er z.B. gemütlich einen Teil des Hauses oder der Wohnung bewacht.
Es wird so manchem nicht leicht fallen einzusehen, daß Hunde ein erfülltes Leben haben, wenn sie dabei sein, genug schlafen und eine kleine Aufgabe erfüllen dürfen. Und es wird wohl noch viel Überzeugungsarbeit kosten, bis die Mehrheit der Hundehalter und Hundetrainer (!) verstanden hat, daß der Beschäftigungswahn der Hundemenschen, egal wie nett man das aufbaut, nicht im Sinne der Hunde ist. Dieses Buch leistet einen wichtigen Beitrag dazu.
Am besten gefallen hat mir übrigens der Ausdruck „Hundestalker“, so bezeichnet sich Thomas Riepe selber, da er so oft wie nur möglich Hunde – und andere Caniden – beobachtet und dabei immer interessante Dinge sieht und lernt.
Das Buch ist ein ideales Geschenk für Menschen, die ihren ersten Hund haben oder über eine Adoption nachdenken, und durch die Vielzahl von Meinung, wie ein Hund zu leben hat, verunsichert sind. Sehr wichtig finde ich es für alle, deren Hund ein Programm wie ein Siemens-Vorstandsvositzender hat, und die vor lauter Hundebespaßung schon gar nicht mehr zu einem eigenen Leben kommen. Menschen, die Hunde aus dem Auslandstierschutz haben und mit vielen Verhaltensweisen nicht gut klar kommen oder verunsichert sind, kann hier klar werden, daß sie einen ganz normalen Hund mit ganz normalen Vorstellungen von einem guten Hundeleben haben, das sich noch dazu mit unserem Leben gut vereinbaren läßt. Aber selbstverständlich kann jeder Freude an diesem Buch haben, der sich gerne mit Hunden befasst. Ein besonderes Schmankerl sind die wirklich liebevollen Zeichnungen von Susanne Dinkel.
Natürlich könnte ich jetzt noch viel ausführlicher auf den Inhalt eingehen, aber warum sollte ich alles nachplappern, was Thomas Riepe schon so hervorragend geschrieben habt. Kauft euch das Buch und lest es, es lohnt sich und kostet nur € 14,90.
Einfach Hund sein dürfen – Das Hundeleben natürlich gestaltenThomas Riepe, Ulmer Verlag 9-783-8001-33789
D € 14,90
A € 15,40