Ute RottForsthaus Metzelthin
Hunde müssen beschäftigt werden – hört man ständig und immer wieder, egal wie oft man argumentiert, daß die meisten Beschäftigungen, die Menschen sich für Hunde so ausdenken, vorsichtig ausgedrückt, nicht immer passen. Weil aber Hunde wie Menschen dafür gemacht sind, in Gemeinschaften zu leben und deshalb wissen, daß in einer gut funktionierenden Gemeinschaft jeder eine Aufgabe erfüllt, sollte es doch möglich sein, für jeden Hund eine Aufgabe zu finden, die er gerne und gut machen kann. Für manch ein Couchpotato reicht es vollkommen aus, wenn er einfach dabei sein darf, wenn möglich immer und überall. Aber andere hätten es eben gerne etwas anspruchsvoller.
Wir hatten vor knapp 20 Jahren einen Strobel (Atdeutscher Hütehund), dessen Hauptaufgabe es war, meinen Mann bei der Arbeit zu begleiten. Mein Mann hatte damals zusammen mit einem Freund einen Kurierdienst. Er versuchte immer, seinen Tag so zu gestalten, daß unser Joschi seine regelmäßigen Spaziergänge bekam, aber an manchen Tagen war es eben nicht mehr, als 3-4 mal über einen Autobahnparkplatz. Joschi war wie alle Hütehunde ein sehr lauffreudiger Hund, deshalb hatte er anfangs an solchen Tagen ein ganz schlechtes Gewissen – grundlos. Denn diese Viertelstunde über einen fremden Parkplatz war hochinteressant und mit vielen neuen Eindrücken verbunden. Solange das kein Dauerzustand war, war alles im grünen Bereich. Mit 14 Jahren erkrankte Joschi am Vestibulären Syndrom, wir dachten damals, es sei ein Schlaganfall und hatten große Angst, daß er sterben würde. Nach wenigen Tagen ging es ihm aber deutlich besser, und zwar ab dem Moment, als er meinen Mann wieder begleiten durft. Er wurde gebraucht als Kurierfahrerbegleiter und das reichte aus, um seinen Lebenswillen anzufachen.
Sein Nachfolger, mein unvergessener Fritzi, war einer der besten Wachhunde, die man sich vorstellen kann. Wir hatten von Anfang an darauf geachtet, daß wir jede seiner Meldung, jedes kleinste Wuffen ernst nahmen. In kürzester Zeit konnte er auffällige Geräusche von unauffälligen unterscheiden, er wußte, wie und wann er uns Bescheid sagen mußte, und das tat er leise und ganz nebenbei, einfach mit einem kurzen „Wuff“. Hier in Metzelthin war seine selbstgewählte Aufgabe, das Anwesen zu bewachen. Die Folge war, daß wir bis heute so gut wie keine Waschbären auf dem Hof haben, was sich sehr positiv auf die Zwetschgen- und Gemüseernte auswirkt. Zwei- bis dreimal am Tag drehte er eine knapp 20minütige Runde übers ganze Gelände und war von nichts davon abzubringen. Bis eine Woche vor seinem Tag nahm er das ernst und erfüllte seine Pflicht gewissenhaft.
Seine Gefährtin, die kleine Loni, stand ihm bei als er älter wurde und nicht mehr so gut hörte. Sie passte für ihn auf und weckte ihn, wenn es notwendig war. Beide waren hervorragende, lebende Klingeln. Denn ich höre nicht immer, wenn jemand am Tor steht und die Glocke wieder mal nicht geht. Loni brachte auch unserem Maxl viel bei, was man im täglichen Leben in Metzelthin so braucht. Auch wenn wir manches nicht so gut fanden, z.B. Hasen jagen, für ihn war sie eine wichtige Stütze, um hier anzukommen.
Indiana und Maxl arbeiten zunehmend Hand in Hand. Sie kann deutlich besser einschätzen, wann etwas bemerkenswert ist, er hört mit seinen Ohrtüten alles im Umkreis von einem Kilometer, sagt ihr Bescheid, und sie entscheidet dann, ob es wichtig ist oder nicht. Mit dieser Lösung ist uns allen geholfen, weil Maxl nicht mehr so viel bellt.
Es gibt Hunde, die tragen einfach gerne irgendwas durch die Gegend. Was spricht dagegen, so einen Hund angemessene Gegenstände von A nach B transportieren zu lassen? Eine Kundin von mir hat ihren beiden Sheltiemädchen beigebracht, das Klammerkörbchen von der Wohnung in den Speicher zu tragen, wenn sie zum Wäscheaufhängen geht. Ein anderer Kunde ließ seinen Labrador die Zeitung vom Briefkasten ins Haus tragen. Ein anderer Kundenhund geht mit Frauchen zur Arbeit ins Seniorenheim und beglückt dort die alten Leute, z.B. verbringt er einen Teil seiner Zeit bei einer alten Frau in ihrem Zimmer, mit der er auch spazieren geht. Alle sind glücklich: Frauchen weiß, ihr Kleiner ist gut aufgehoben, die alte Frau kommt raus und hat eine Aufgabe und der Süße hat eine Aufgabe.
Ein Jagdhund, der zuverlässig Wild anzeigt, hat schon aus so manchem einfachen Naturliebhaber einen begnadeten Tierfotografen gemacht. Einer meiner Kunden hat seinem Beagle beigebracht, daß es sich sehr lohnt, die Rehe und Hasen Herrchen zu melden und eben nicht hinterher zu laufen. Die Folge: die beiden gehen ohne Leine durch den Wald und Herrchen macht fantastische Fotos, um die ihn alle beneiden.
Wer mit seinem Hund sowas wie Feinreviersuche oder Verlorensuche macht, kann seinen Hund doch auch was suchen lassen, was wirklich verloren gegangen ist. Zum Glück ist das nicht so oft notwendig. Aber mein alter Fritzi hat immer wieder mal unseren Parkplatz abgesucht, wenn jemand seinen Schlüssel verloren hatte. Entweder er hat ihn gefunden oder zuverlässig angezeigt, daß er hier nicht ist.
Was ist der Unterschied zu „spielerischen“ Beschäftigungen? Ganz einfach: der Hund wird ernst genommen mit all seinen Fähigkeiten. Anstatt ihn anzupflaumen „Halt die Klappe“ – was sowieso nichts hilft -, kommt die Botschaft „kannst du bitte mal nachsehen? Hier ist was komisch.“ bei mir an und ich kann den Hund dafür loben – und ihn nebenbei dazu bringen, nicht immer gleich loszuschreien, sondern mir ganz leise Meldung zu machen. Anstatt mir weiß Gott was auszudenken, was ihm gefallen könnte, beobachte ich meinen Hund genau, stelle fest, was er wirklich gerne tut und lerne ihn dadurch besser kennen und verstehen. Und das kann nur förderlich für die Beziehung sein.
Hunde sind uns extrem ähnlich. Unter anderem finden sie es auch nicht lustig, wenn sie nicht ernst genommen werden. Es gibt so viele Dinge, die sie viel besser können als wir, denn ihre Sinnesleistungen übertreffen unsere um ein Vielfaches. Warum sollen wir das nicht in ihrem und unseren Sinn nützen? Ein Hund, der eine echte Aufgabe ausführt – und Hunde machen das immer gut -, der ist zufrieden und weiß, daß er für die Gemeinschaft notwendig ist nach dem Motto: ohne mich gehts auch, aber mit mir gehts besser.
Deshalb rate ich allen meinen Kunden, ihren Hund zu beobachten und einfach abzuwarten, was er denn gerne macht. Natürlich geht das nicht von jetzt auf gleich, ein bißchen Zeit muß man sich schon lassen. Aber wo ist das Problem? Anstatt an sinnlosen Dingen rumzudoktern, die dem Hund keinen Spaß machen und den Menschen damit auf Dauer nur frustieren, kann man sich doch daran versuchen, mit dem Hund gemeinsam etwas aufzubauen, was beiden nützt.
2 Kommentare zu Pass auf! – Warum Hunde eine richtige Aufgaben haben sollten