von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin
Von Zeit zu Zeit geistern durch die Medien Berichte von Untersuchungen, die sich mit der Intelligenz von verschiedenen Tieren befassen. Da werden dann alle möglichen Fähigkeiten abgeprüft, ohne die angeblich intelligentes Dasein auf dieser unserer Welt nicht möglich ist. Eine beliebte Aufgabe ist: wie gut kann dieses Tier zählen? Und dann, wenn die Tiere ihre Aufgaben mehr oder weniger erfolgreich abgeliefert haben, stellen die Wissenschaftler erleichtert fest, daß – egal wen sie untersuchen – kein einziges Lebewesen intelligenter ist als im besten Fall ein Kleinkind. Gut, mittlerweile machen sie mit Primaten eine Ausnahme, ich glaube, die sind ungefähr so schlau wie Grundschulkinder.
Ich frage mich immer, ob die eigentlich nichts sinnvolles zu tun haben, wenn sie sich mit solchen Albernheiten befassen, die seit unzähligen Jahren in immer neuen Varianten und mit immer gleichen Ergebnissen durchgeführt werden. Als ich meine Diplomarbeit in Druckereitechnik schrieb, gab es Themen, die man sich bei den Professoren holen konnte. Da durfte man dann beispielsweise Druckbögen ausmessen, die schon ganz zerknittert waren von den Vorgängern. Nur wenn man viel Glück hatte wurden neue produziert. Das Hauptproblem war: man mußte die gleichen Ergebnisse haben wie alle, die vorher da schon rumgemessen hatten, also versuchte man, jemanden zu finden, der diese Arbeit ebenfalls gewählt hatte…. Ich hatte ein anderes Thema, selbstgewählt, mit dem ich fast verzweifelt wäre, aber das war mir egal. Wozu soll ich was untersuchen, dessen Ergebnis schon von vornherein feststeht?
Aufgrund dieser Erfahrung vermute ich, daß es sich um etwas ähnliches handelt. Da muß vielleicht irgend ein Student eine Arbeit abliefern und sein Prof bietet ihm so ein Thema an, bei dem der dann die Intelligenz von Hunden untersuchen darf. Und das überraschende Ergebnis „Hunde sind so intelligent wie Kleinkinder“ wird dann der staunenden Öffentlichkeit mitgeteilt: na also, dacht ich’s doch! Schließlich habe ich das schon öfter gehört, wird also stimmen. Mit der Realität haben diese Ergebnisse ungefähr genauso viel zu tun wie das Durchmessen eines 100 Jahre alten Druckbogens mit der Arbeit in einer Druckerei. Aber wen juckts? Hauptsache, die Wissenschaft hat wieder zugeschlagen und die Medien haben was zu melden und die Hundemenschen haben ihre Vorurteile wieder bestätigt. Dann können doch alle zufrieden sein.
Mit solchen Ergebnissen hatte ich nicht nur beim Studium Probleme. Wenn ich so etwas lese, kriege ich wirklich einen dicken Hals. Was hat so etwas mit seriösen, wissenschaftlichen Untersuchungen zu tun? Und vor allem: wem nützt das? Ich würde mal sagen: nur denen, die für die Zeit der Untersuchung einen Job hatten, und denen, die Hunde sowieso für blöd halten und ständig nach Argumenten für ihre unfreundlichen Ideen suchen. Wenn man sich allerdings etwas genauer damit befasst, dann sollten jedem normal intelligenten Menschen, der Intelligenz nicht mit „rechnen können“ verwechselt, schon Zweifel kommen.
Zum einen darf bezweifelt werden, daß Intelligenz sich nur bei Rechenaufgaben und ähnlichen künstlichen Konstrukten manifestiert. Ich vermute, daß es bei allen Lebewesen dieser Erde so ähnlich ist wie bei mir: man muß mir nur die entsprechenden Aufgabe stellen und schon stehe ich mit Kleinkindern auf einer Stufe. Ob es für Hunde und andere Tiere wichtig ist, zählen oder addieren zu können, ist ebenfalls mehr als fraglich. Gerade Caniden wissen sehr genau, wieviel Futter sie benötigen, um ihre Welpen satt zu kriegen. Wozu brauchen sie da Kiloangaben? Ein weiterer, sehr beliebter Intelligenztest ist: erkennt sich dieses Tier im Spiegel wieder? Ja, hallo, wenn das nicht klappt, dann sind wir doch schon eigentlich debil, oder?
Dann gibt es viele Problemstellungen, die würde man einem Kind niemals stellen, und zwar egal ob es ein Kleinkind ist oder schon in die Schule geht. Kinder bekommen beispielsweise selber keine Kinder und sie ziehen sie auch nicht groß. Hunde können das recht schnell, so etwa ab einem Alter von 2 Jahren kriegen sie das hin und viele arme Hündinnen müssen das sofort nach der ersten Läufigkeit und der ersten Vergewaltiung auch bewältigen. Dann sind Kinder – egal welchen Alters – vollkommen ungeeignet zum Bewachen eines Grundstücks, eine Tätigkeit, die viele Hunde mit Erfolg schon sehr früh ausführen. Mir ist eine Berner Senn Hündin bekannt, die bereits mit 6 Monaten genau differenzierte, wen ihr Frauchen auf dem Hof willkommen hieß und wen nicht – und sie ließ ab diesem Alter niemanden aufs Grunstück, der nicht von Frauchen hereingelassen und mit Handschlag begrüßt wurde. Meine kleine Indiana, die mittlerweile ein knappes Jahr alt ist, übt sehr fleißig „Hof bewachen“. Sie wußte sofort, welche Plätze auf unserem Anwesen am besten dazu geeignet sind und wechselt immer mal durch mit dem Ergebnis, daß bei uns keiner mehr unbemerkt reinkommt.
Mittlerweile spricht man auch von „emotionaler“ und „sozialer“ Intelligenz. Sowas kann man Hunden in aller Ruhe zugestehen. Das ist so ähnlich wie bei Frauen, die ja auch über enorm viel emotionale Intelligenz verfügen, und dann in schlecht bezahlten Sozialjobs total glücklich sind, viel glücklicher als die sozial schwachen Männer in ihren gut bezahlten Banker- oder Managerjobs. Hunde sind ja auch total happy, wenn sie haarfein erspüren, was in der Familie so schief läuft, ob man dann darauf eingeht oder nicht, spielt keine Rolle, schließlich sind wir die überlegenere, weil in wichtigen Belangen intelligentere Spezies und es reicht echt, wenn wir den Hunden da die Kompetenz zusprechen. Mehr muß nicht sein.
Ja, das klingt zynisch. Aber ist es nicht viel zynischer, mit angeblich wissenschaftlich abgeprüften Erkenntnissen die Hunde immer wieder dahin zu stoßen, wo sie nach Meinung viel zu vieler Menschen hingehören: ins Abseits? Nur weil sie kein ähnlich abstraktes Denken haben wie wir? Und wenn wir schon wissen, daß sie uns gewaltig überlegen sind, was ihr Sozialverhalten betrifft, warum versuchen wir dann nicht, es ihnen gleich zu tun?
Eigentlich ist es heute viel zu warm und zu sonnig, um sich mit so unfreundlichen Gedanken zu befassen. Aber seit einigen Tagen hole ich immer wieder einen alten Hund zu uns, der von seinem viel intelligenteren Herrchen jeden Tag fast 24 Stunden allein im Zwinger gelassen wird und sich die Seele aus dem Leib weint. Wenn ich mit meinen beiden vorgehe und sie hören ihn, dann fangen sie an zu ziehen und wollen sofort hinein, sie laufen zu seinem Zwinger und begrüßen ihn. Dann warten sie geduldig, bis ich ihn herausgeholt und mit Brustgeschirr und Leine versehen habe und freuen sich riesig, daß er wieder zu uns kommt. Leider müssen wir ihn abends zurück bringen. Wenn er uns dann nachjammert, schauen mich Maxl und Indiana ganz komisch an. Und dann ist es vielleicht besser, wenn ich mir eine Rechenaufgabe stelle und nicht daüber nachdenke, was sie jetzt gerade von mir halten.