Sind Hunde Opportunisten?

von Ute Rott
Forsthaus Metzelthin

 Wer einen anderen als Opportunisten bezeichnet, möchte ihm in der Regel kein Kompliment machen. Es ist vollkommen gleichgültig, welches Nachschlagewerk man auf diesen Begriff befragt, die Antworten sind nicht nett: als Opportunisten werden im gesellschaftlich-politischen Sinn Zeitgenossen bezeichnet, die zu ihrem eigenen Vorteil ihr Fähnchen nach dem Wind drehen, die für jeden noch so kurzfristigen Vorteil ihre Prinzipien verraten, so sie welche haben. Eine gewissen Charakterlosigkeit ist also Voraussetzung für Opportunisten. Bei Wikipedia findet man eine wirtschaftliche Definition, nach der opportunistisches Handeln, z.B. bei Vertragsabschlüssen, den Opportunisten List und Tücke unterstellt, um für sich einen möglichst günstigen Vertragsabschluß zu erreichen. Opportunisten sind nach diesen Definitionen also Menschen, denen das Wohl und Wehe aller anderen vollkommen egal ist, Hauptsache, sie setzen sich durch.

 Aber es gibt auch eine darwinistisch-biologische Definition. Nach dieser Definition werden Arten als opportunistisch bezeichnet, die sich auf Dauer im Laufe der Evolution durchsetzen, indem sie für sich Nischen finden, in denen sie trotz veränderter Umstände existieren können. Menschen sind in diesem Sinne Opportunisten, aber vermutlich auch alle anderen Arten, die heute noch erfolgreich existieren. Keine Opportunisten sind dagegen z.B. die Arten, die von Menschen ausgerottet wurden und werden. Die konnten sich den Bedingungen, die wir ihnen wissentlich oder unwissentlich auferlegt haben, nicht anpassen. Jetzt stellt sich die Frage, ob man auch Pferde, Kühe, Ziegen, Schafe, Hühner, eben alle Nutztiere auch als Opportunisten bezeichnen kann, denn ganz offensichtlich überleben sie alle möglichen Untaten, die ihnen von menschlicher Seite angetan werden.

 Auch Hunde werden als Opportunisten bezeichnet und spätestens jetzt bekomme ich Bauchschmerzen bei diesem Begriff. Den wenigsten Menschen ist bewußt, daß Biologen Begriffe aus unserem täglichen Leben verwenden und etwas anderes darunter verstehen. Während wir im Alltag den Begriff „Opportunismus“ im negativen Sinn verwenden, bedeutet er bei Biologen schlicht „Anpassungsfähigkeit“ und das wird positiv bewertet, denn eine Art, die sich nicht anpasst, stirbt aus. Noch dazu geht es immer um Arten nicht um einzelne Individuen, und das ist eine ganz andere Angelegenheit. Die Anpassung einer Art benötigt einen langen Zeitraum von vielen Generation, während dieser müssen sich die Individuen langsam den neuen Gegebenheiten anpassen, z.B. indem sie sich an klimatische Veränderungen gewöhnen. Dabei wird es aber immer Individuen geben, die diesen Anpassungsprozess individuell nicht mitmachen können und evtl. schon bei der Geburt oder nach sehr kurzer Zeit sterben, da sie nicht überlebensfähig sind. Das ist besonders dann von Bedeutung, wenn Lebensräume eingeschränkt werden oder die Art aus einem guten in einen für sie schlechteren Lebensraum verdrängt wird. Sehr anpassungsfähige Arten wie z.B. Menschen sind deshalb über den ganzen Globus auf sehr unterschiedliche Lebensräume verteilt, egal ob es sich um Hochgebirgszonen, fruchtbare Savannen, Wüsten oder Polarlandschaften handelt. 

 Und jetzt zu den Hunden, die angeblich auch Opportunisten sind. Als Art kann man das von der Art Canis lupus mit ihren Unterarten im darwinistisch-biologischen Sinn sicher behaupten, denn wildlebende Hundeartige sind sehr vielfältig und vielen verschiedenen Lebensräumen angepasst. Das trifft also auch auf die Wölfe zu, die über die Jahrtausende mit Menschen eine sehr enge Gemeinschaft eingegangen sind und als Hunde heute bei uns leben. Dabei sollte einem bewußt sein, daß durch diese Gemeinschaft nicht nur die Wölfe zu Hunden geworden sind, sondern sich auch die Menschen verändert haben Denn ohne Hunde, das weiß man heute, wären Ackerbau und Viehzucht nicht so möglich gewesen, wie sie sich mit den Hunden entwickelt haben. Erfolgreiche Landwirtschaft ist aber die Voraussetzung für die Entwicklung von Zivilisation und Kultur. Man kann also durchaus behaupten, daß es ohne die Symbiose zwischen Mensch und Hund unsere kulturellen und wirtschaftlichen Errungenschaften nicht gäbe. Es haben sich zwei Arten durch erfolgreiches Zusammenleben im biologischen Sinn als erfolgreiche Opportunisten erwiesen. Spätestens bei dieser Überlegung wird klar, daß die darwinistisch-biologische Definition nicht viel mit der politisch-gesellschaftlichen gemein haben kann. Denn einmal besteht eine Art aus vielen Individuen und es geht um das Überleben der Art, also vieler Individuen, nicht nur einzelner, und dann kann eine Art nur erfolgreich sein, wenn andere dauerhaft von ihr profitieren. Ein gutes Beispiel ist hier Veränderung in Nationalparks, in denen sich wieder Predatoren ausbreiten, wodurch sich die Vegetation verändert und dadurch können sich wieder neue Vögel, Säugetiere, Fische, Amphibien und Insekten ausbreiten. Mit Vorteilsnahme auf Teufel komm raus hat das nichts zu tun.

 Wenn Hunde als Opportunisten bezeichnet werden, ist das in den seltensten Fällen im biologischen Sinne gemeint, sondern durchaus abwertend. Häufig hört man von Leuten, die ihre Hunde in der Hundekita abgeben, vom Gassigänger abholen lassen oder im Urlaub in die Hundepension bringen, daß der Hund sich sofort prima einfindet, den Gassigänger oder Pensionsleiter ganz Klasse findet, richtig viel Spaß hat und sich ganz schnell und gut einlebt. Er passt sich den veränderten Umständen also ohne Probleme an. Und schon kommt das Wort „Opportunist“ zum Einsatz, denn der Hund scheint ja nur auf seinen Vorteil bedacht zu sein, wenn er sich über den Gassigänger freut. In einigen Fällen stimmt das vielleicht, aber es lohnt sich, die Hintergründe zu betrachten.

 Viele Menschen haben heutzutage Hunde, die eigentlich nicht in ihr Leben passen. Damit meine ich jetzt nicht, die 45-Kilo Frau mit dem 70-Kilo Leonberger, sondern die Menschen, die jeden Tag mindestens 10 Stunden außer Haus sind, am Wochenende allen möglichen Freizeitaktivitäten nachgehen, viel private und berufliche Verpflichtungen haben, in deren Leben also für einen Hund nicht viel Platz ist. Zudem denken sich viele nichts dabei, einen hochspezialisierten Arbeitshund – siehe Retriever-, bzw. Bordercollie-Schwemme – zu holen, selbst wenn sie in der Großstadt im 8. Stockwerk wohnen und wenig Ahnung von den Bedürfnissen dieser Hunde haben. Vor noch nicht allzu langer Zeit hätten sich solche Menschen keine Hunde ins Haus geholt, mit dem ganz einfachen Argument, daß sie zu wenig Zeit für ihn haben, bzw. so einen Hund gar nicht richtig auslasten können. Das hat sich geändert. Die Bedürfnisse des Hundes werden schöngeredet und schon passt der Herdenschutzhund in die Reihenhaussiedlung oder der geräuschempfindliche Collie in das Hochhaus neben dem Flugplatz oder der Deutsch Drahthaar in die Einzimmerwohnung.

 Aber selbst ein Hund, der den Wohnbedingungen seines Menschen entspricht, kann nicht täglich 8-10 Stunden alleine gelassen werden. Also sucht man eine Lösung und die heißt: die Nachbarin nimmt den Hund tagsüber oder er kommt in die Hundekita oder er wird vom Gassigänger abgeholt. Manchmal ist so etwas ja auch notwendig, weil sich die Lebensumstände des Menschen geändert haben und der Hund eben von jetzt auf gleich tagsüber betreut werden muß. Also – und das rate ich vielen meiner Kunden – bemüht man sich, den Hund von Anfang an daran zu gewöhnen, daß er auch mal woanders, bei anderen Menschen und Hunden bleibt, sich dort wohlfühlt und gut benimmt. Mit viel Glück – denn das geht nicht mit allen Hunden – schafft man das und Bello freut sich ein Loch in den Bauch, wenn er in die Hundekita kommt oder die Nachbarin oder der Gassigänger ihn holen. Und schon ist allen geholfen: die Nachbarin hat einen netten Spaziergang mit Bello, der Gassigänger verdient Geld mit einer Arbeit, die ihm Spaß macht, Bello ist nicht den ganzen Tag allein und sein Mensch muß kein schlechtes Gewissen haben.

 Jetzt ist Bello ja keine Art sondern eindeutig ein Individuum. Seine Anpassungsfähigkeit ist artbedingt, besonders die Anpassungsfähigkeit an uns Menschen. Dafür haben wir durch Zuchtauslese schon gesorgt. Wir erwarten ganz selbstverständlich, daß ein Welpe, nachdem wir ihn mehr oder weniger nett von seiner Mutter und seinen Geschwistern getrennt haben, sofort bei uns glücklich und zufrieden ist und sich schnell einlebt. Ebenso ist der Gedanke „Wenn ich einen Hund aus dem Tierschutz rette, muß er mir dankbar sein“ nicht auszurotten. Es wird erwartet, daß er zügig sein altes Leben vergißt oder doch zumindest das neue viel besser findet. Hier von „Opportunismus“ zu sprechen, ist schon ein bißchen daneben. Denn das, was ein Hund hier zeigt, ist erlerntes, bzw. sehr erwünschtes Verhalten, also nicht ausschließlich im Interesse des Hundes und schon gar nicht kann man davon reden, daß der Hund sich diese Situation ausgesucht hat. Und selbst wenn der Hund für alle und jeden unübersehbar mit der neuen Situation nicht einverstanden ist, wird darauf nicht unbedingt Rücksicht genommen. Selbst wenn er sich wochenlang verkriecht beim Erscheinen seiner neuen „Familie“, der Hund aus der Tötungsstation muß doch einfach bei uns glücklich werden, oder? Selbst wenn er nur mit eingezogener Rute in die Hundekita schleicht und ganz offensichtlich heilfroh ist, wenn er wieder geholt wird, ändert man nicht unbedingt etwas, er wird sich schon daran gewöhnen. Seinem Hund beizubringen, daß er gerne in die Hundekita geht und ihn dann als Opportunisten zu bezeichnen anstatt froh zu sein, daß alles gut klappt, ist einfach gemein. Sein Geld als Gassigänger oder Hundepensionsbetreiber zu verdienen, und dem dann zuzustimmen, ist ebenfalls alles andere als nett und zeugt von wenig Einfühlungsvermögen.

 Was allerdings in Hunden vor sich geht, die so einem Leben zwischen Zuhause und täglicher Auswärtsbetreuung ausgesetzt sind, ist für ihre Menschen sicher nicht immer toll. Denn die Fähigkeit, sich woanders wohlzufühlen, wo auch der Hund dann eben die meiste Zeit seines Lebens verbringt, geht eindeutig auf Kosten der Beziehung zu seinem Halter. Das ist nicht viel anders als in einer normalen Ehe, wenn einer der beiden eine gute Arbeitsstelle hat und sich mit seinen Kollegen und Mitarbeitern so gut versteht, daß die mehr von ihm wissen als seine Frau. Und manch einer Frau graut vor der Rente, weil sie dann mit ihrem Mann plötzlich den ganzen Tag zusammen ist. Hunde sind da etwas anders. Falls sich die Lebensumstände wieder ändern und man tatsächlich wieder viel Zeit für ihn hat, stellt man nämlich fest, daß sich auch die Beziehung des Hundes zu seinem Menschen ändert. Der ist nämlich froh und dankbar dafür, wenn sein Mensch sich ausgiebig und ausreichend mit ihm befasst oder wenn er einfach bei ihm sein kann und darf. Wer so etwas mal bewußt erlebt hat, der weiß, daß es mehr als ungerecht ist, Hunden per se Opportunismus zu unterstellen.

 Wenn wir uns vergleichbare Situationen im menschlichen Leben vorstellen, dann findet jeder ohne Ende Beispiele aus seinem eigenen Leben: da hat sich ein Ehepaar getrennt und für den einen Partner war es eine regelrechte Befreiung. Er hat sofort einen neuen Partner gefunden mit dem er glücklich zusammenlebt, obwohl sich viele Dinge geändert haben, die vorher für ihn so nicht vorstellbar waren. Oder jemand ist selbstständig und das Geschäft läuft nicht so wie es könnte. Es gibt einen Kunden, der kommt jeden Tag und macht richtig Umsatz, so daß die Küche eben nicht kalt bleibt. Einziger Nachteil: persönlich ist dieser Kunde ein kompletter Widerling und am liebsten hätte man nichts mit ihm zu tun. Oder man wird gekündigt und muß eine total unerfreuliche Stelle annehmen, bei der man genau weiß, daß man sich dort nie wohlfühlen wird. Aber es ist die einzige Möglichkeit, den Lebensstandard der Familie zu sichern. Drei Beispiele, die jeder in irgendeiner Form bei sich oder in seinem Bekanntenkreis nachvollziehen kann und alle wären total empört, wenn man solchen Menschen Opportunismus vorwerfen würde, nur weil sie sich veränderten Lebensumständen anpassen. Warum macht man dann den Hunden so einen Vorwurf? Warum macht man Hunde verächtlich dafür, daß sie etwas tun, was uns – und zwar nur uns – nützt? Wie egoistisch – oder besser egozentrisch darf mensch eigentlich sein?

 Aber wir sollten auch über die Hunde nachdenken, die sich in solchen Situationen definitiv nicht wohlfühlen, denn die Antwort auf die Frage, warum sie sich nicht wohlfühlen, ist hochinteressant. Dazu möchte ich zwei aktuelle Beispiele bringen.

 

 Die hübsche Colliehündin auf dem Foto heißt Lumikki, das ist finnisch und bedeutet Schneewittchen. So ist Lumikki auch, ein sensibles, weichherziges, sehr anhängliches Seelchen. Leider ist vor einigen Jahren ihr Herrchen verstorben und seitdem muß Frauchen ganztags arbeiten. Jeden Sonntagabend wird sie jetzt zur Züchterin gebracht, bei der sie geboren wurde und mit der immer enger Kontakt bestand. Am Donnerstagabend wird sie wieder abgeholt. Als braver, wohlerzogener Collie leistet Lumikki nur sehr wenig Widerstand, aber obwohl sie sich bei der Züchterin – eigentlich – wohlfühlt, verkriecht sie sich jeden Sonntagabend in eine von der Wohnungstür weit entfernte Ecke und kommt nur zögerlich wieder raus. Am Donnerstagabend dagegen kann es ihr nicht schnell genug gehen. Und ganz wichtig ist zuhause folgendes Ritual: Frauchen und Lumikki liegen auf der Couch und dann wird gekuschelt, was das Zeug hält: endlich sind wir wieder zusammen! Ich finde die Lösung durchaus im Sinne beider, denn die Alternative wäre die Abgabe, und auch das wäre für beide eine ziemliche Katastrophe. Aber schön findet Lumikki das sicher nicht, obwohl bei der Züchterin alles im grünen Bereich ist und sie sich dort mit allen Hunden gut versteht. Wenn Lumikki jetzt trotzdem tut, was ihr Frauchen möchte, bei der Züchterin brav und lieb ist, mit den anderen Hunden auch mal spielt, frißt und nicht ausschließlich trauert, verhält sie sich dann opportunistisch?

 

 Das ist Enna. Enna ist ein Altdeutscher Hütehund, eine Schwarze. Bis vor wenigen Monaten führte sie ein Traumhundeleben. Ihr Frauchen hatte sie so gut wie immer dabei, sie konnte mit ins Büro, außerdem arbeitete ihr Frauchen als Biologin viel im Freien und Enna war immer dabei, hat mir ihr im Auto übernachtet und sie bewacht, war 24 Stunden rund um die Uhr mit ihr zusammen. Von beiden Seiten ist das die große Liebe. Jetzt hat ihr Frauchen eine neue Arbeit, bei der Enna nicht mehr mit ins Büro darf und auch die Termine im Freiland haben sich auf ein absolutes Minimum reduziert, sie gehen gegen Null. Also kam Enna für vier Tage die Woche in eine gute Hundekita mit einer netten Betreiberin und einer netten Hundegruppe. Einmal die Woche war sie bei Freunden, die Enna sehr gerne mögen und die sie – eigentlich – auch gerne mag. Sie magerte extrem ab, war aufgedreht wie nix Gutes und begann ihr Frauchen zu bewachen wie ihren Augapfel. Wen wunderts. Wir sind mit ihrem Frauchen gut befreundet, deshalb war sie ab Mitte Mai bis Anfang Juni bei uns. Jetzt gibts erstmal vier Wochen Urlaub. Was danach sein wird, wissen wir noch nicht. Aber es muß eine vernünftige Lösung her, denn dieser Wechsel zwischen den verschiedenen Stationen, bei denn alle sich sehr um ihr Wohlergehen bemühen, setzt ihr viel zu stark zu. Enna und unser Mäxchen verstehen sich sehr gut und haben begeistert miteinander gespielt, auch was im Fressnapf landete, sagte ihr deutlich zu. Jeden Tag gab es einen ausgiebigen Spaziergang entweder zur Badestelle oder über die Wiesen, und das fand Enna richtig gut. Sie fühlte sich bei uns sichtlich wohl und ist auch gut zur Ruhe gekommen. Aber wenn Frauchen zu Besuch war und wieder gefahren ist, war erstmal große Aufregung angesagt. Zu unserem und ihrem Glück beruhigt sie sich relativ schnell. Ist Enna eine typische Opportunistin?

 Was Menschen oft nicht bedenken, ist die schlichte Tatsache, daß eine exklusive Beziehung zwischen Menschen und Hunden auch eine exklusive Pflege nötig hat. Wer von Anfang an darauf achtet, daß sein Hund sich überall wohl fühlt, weil er nämlich eigentlich gar keine Zeit für seinen Hund hat und ihn deshalb immer irgendwie betreuen lassen muß, der muß sich drüber im Klaren sein, daß dann eben nix ist mit exklusiver Beziehung. Auch wenn wir von Hunden alles mögliche fordern: Loyalität, Treue, Freundschaft, Liebe….. das alles kriegen wir nicht, wenn wir es unserem Hund nicht ebenfalls anbieten und zusichern. Das bedeutet, daß man entweder eine sehr gute und innige Beziehung zu seinem Hund hat, die für beide Seiten befriedigend ist, oder man hat eben einen Allerweltshund, der sich da wohlfühlt, wo alle nett zu ihm sind. Daß auch Hunde, die innige Beziehungen zu ihren Menschen haben, sich bei anderen Menschen einleben können, hat damit nichts zu tun. Was sollten Enna und Lumikki denn machen? Auswandern? Mit Opportunismus hat das so viel zu tun, wie die Suche nach einem neuen menschlichen Lebenspartner nach einer Trennung.

 So gut wie jeder Trainer kennt folgende Situation: ein Mensch kommt mit seinem bereits erwachsenen Hund in die Hundeschule, weil es ein massives Problem gibt: er mag keine anderen Hunde, keine Kinder, zieht an der Leine wie Hechtsuppe, jagt Autos , Radfahrer und / oder Jogger………. kann sich jeder was aussuchen. Weil er schon erwachsen ist, findet er die Idee, daß da jetzt so eine Trainerin plötzlich ihm und seinem Menschen Ansagen macht, nicht besonders gut. Und trotzdem passiert nach einer Zeit, in der Vertrauen aufgebaut werden konnte, folgendes: bei einem Trainingsspaziergang gerät man in die für den Hund schwierige Situation: hinter einem Zaun bellen Hunde wie verrückt, eine Truppe Radfahrer kommt von vorne und man kann schlecht ausweichen, eine Schulklassse macht einen Ausflug und kommt entgegen. Und obwohl der Hund nach wie vor ein eher distanziertes Verhältnis zur Trainerin hat, sieht er seinen Menschen plötzlich nicht mehr an, sondern klebt an der Trainerin: du weißt, wie wir da durch kommen, hilf mir bitte! Opportunistisch? Wohl kaum. Sein Mensch hat seit Jahren nicht eine einzige gute Idee, wie man schwierige Situationen meistert, ganz im Gegenteil herrscht ständig Chaos, wenn eine der oben geschilderten Situationen eintritt. Endlich trifft er jemanden, der ihm zeigt wies geht. Was hat das mit Opportunismus zu tun, wenn er sich jetzt an diesen Helfer in der Not wendet?

 Negativ besetzte Alltagsbegriffe wissenschaftlich verwenden zu wollen, hat also einen nicht ganz einwandfreien Beigeschmack. Niemand von uns ist in der Lage, solche Begriffe immer so anzuwenden, daß auch das richtige in der Allgemeinheit ankommt, außer man gewöhnt sich an, vorher genau zu definieren, wie man jetzt diesen oder jenen Begriff angewendet wissen will. Wer bitte schön steht das durch? Wer kann sicher sein, daß auch alle das richtig verstehen? Denn selbst wenn jemand da sehr korrekt ist, besteht die große Wahrscheinlichkeit, daß ein ganz normaler Hundebesitzer mit dieser anderen Definition überhaupt nichts anfangen kann, da er nun mal kein geschulter Wissenschaftler ist. Ob die das immer so auseinander halten können, wenn sie einen schleimigen Kollegen als Opportunisten bezeichnen oder einen anpassungsfähigen Hund, bei dem sie das dann biologisch verstanden wissen möchten, wage ich zu bezweifeln.

 Vielleicht ist es an der Zeit mit solchen Überresten aus einer Zeit aufzuräumen, in der man sich nicht viel gedacht hat, wenn man solchen unerfreulichen Begriffen einfach eine wissenschaftliche Definition unterlegte. Besonders wenn es um Tiere ging, war man sowieso überzeugt, daß diese längst nicht die moralische Integrität besitzen wie Menschen. Was von der moralischen Integrität vieler Zeitgenossen zu halten ist, kann sich jeder selber überlegen. Tatsache ist, daß viele von uns für sich selber jede Form der Rücksichtnahme in Anspruch nehmen, keine Probleme haben, ihre egozentrischen Vorstellungen gerade auf Kosten der Hunde auszuleben und wenig Rücksicht auf die Bedürfnisse ihrer Hunde nehmen. Leider müssen wir alle unseren Hunden immer wieder Dinge abverlangen, die nicht nett sind, und wenn es sich nur darum handelt, daß ein Hund alleine bleiben muß, wenn seine Menschen mal ins Kino möchten. Wenn die Hunde dann aus der Situation für sich das Beste machen und den Menschen damit geholfen ist, dann sollte man sich darüber freuen und nicht die Hunde demütigen.

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